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VORWÄRTS/622: Geschenke für die Reichen


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 47/48 vom 18. Dez. 2009

Geschenke für die Reichen

Von Siro Torresan


Die Bilanz der Wintersession der "VolksvertreterInnen" in Bern ist schnell gezogen: Die Geschichte von Robin Hood wird auf den Kopf gestellt und es wird den Armen genommen, um den Reichen zu geben. Trauriger Höhepunkt war dabei die Revision der Arbeitslosenversicherung.


Das fröhliche Verteilen der Geschenke an die Mehrbesseren begann bereits am ersten Tag der Wintersession. Der Nationalrat hatte vorgeschlagen, den Grundbeitrag pro Fraktion von 94.500 auf 144.500 und den Beitrag pro Mitglied von 17.500 auf 20.000 zu erhöhen. Dies reichte dem Ständerat nicht und er will nun 26.800 Franken pro Fraktionsmitglied bezahlen. Kein schlechter Lohn für jemand, der dafür vier Mal im Jahr während drei Wochen lang mit einem Total von etwa 60 Arbeitstagen im Bundeshaus "arbeiten" muss. Bei einem angenommen (wohl zu hohen) Arbeitstag von neun Stunden ergibt dies einen Stundenlohn von 46.65 Franken. Sicher, man kann es so drehen, wie der Kommissionssprecher Filippo Lombardi (CVP, Tessin), der festhielt, dass die Gelder "wohlgemerkt nicht in die Taschen der Parlamentarier" fliessen, sondern in die Kasse der Fraktionen, somit dem "Parlamentsbetrieb" diene, und da dürfe man nicht "pingelig" sein. Als würde der Lohn, welcher die Mutter zweier Kinder, die als Hausangestellte arbeitet, in ihre eigenen Taschen und nicht in den "Familienbetrieb" fliessen.

Übrigens soll bei den Hausangestellten ein staatlicher Mindestlohn eingeführt werden. Dieser soll je nach Ausbildung zwischen 18.90 und 22.90 Franken pro Stunde betragen, wie die Kommission für den Vollzug der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit dem Bundesrat vorschlägt. Der Antrag auf Mindestlöhne erfolgte am gleichen Tag, als der Ständerat mit den Stimmen der FDP die Fraktionen beschenkte und so 2,6 Millionen Franken mehr pro Jahr ausgeben will. Die Mindestlöhne wurden von den Arbeitgebern jedoch abgelehnt, da diese "zu hoch angesetzt seien", wie in der NZZ zu lesen ist. Alles klar?


Attraktive Rahmenbedingungen für die Finanzhaie und...

Was das Ziel der bürgerlichen, neoliberalen Politik ist, wurde am Donnerstag, 9. Dezember, deutlich wie selten bewiesen. An diesem Tag beschloss der Ständerat, auf Vorschlag der Kommission für Wirtschaft und Abgaben, der vom Bundesrat übernommen wurde, die ausländischen Börsenmitglieder, so genannte "Remote Members", von der Stempelsteuer zu befreien. Ein Geschenk, das den Staat mehrere Millionen Franken kostet. Dies um "die Liquidität - und damit auch die Attraktivität - des Finanzplatzes Schweiz zu schützen", wie es die NZZ so schön schreibt. Und während der Ständerat im gehorsamen Eifer "attraktive Rahmenbedingungen" für die Finanzhaifische schaffte, wurden im Nationalrat die Opfer der Krise weiter geschröpft. Denn dort wurde über die Revision der Arbeitslosenversicherung (ALV) debattiert, die Einsparungen von rund 460 Millionen Franken bringen sollte. Doch dies reichte den Bürgerlichen in den Grossen Kammern nicht. Mit 93 zu 88 Stimmen setzte sich der FDP-Antrag durch, der bei länger dauernder Arbeitslosigkeit eine Kürzung der Taggelder um fünf Prozent vorsieht. Eine weitere Einsparung von 26 Millionen Franken. Johann Schneider-Ammann (FDP, Bern) will so ein klares Signal setzen: "Arbeitslose brauchen Arbeit. Man muss sie suchen, sie kommt nicht von selbst." Alles klar? Weiter als Bundes- und Ständerat ging der Nationalrat auch bei der Höchstzahl der Taggelder. Demnach dürfen unter 30-jährige Arbeitslose, die keine Unterstützungspflichten für Kinder haben, künftig maximal 260 Taggelder beziehen. Die SVP wollte einen noch krasseren Einschnitt, scheiterte aber damit. Neu sollen Arbeitslose für eine Beitragsdauer von zwölf Monaten nicht mehr 400, sondern noch 260 Taggelder bekommen. Für 400 Taggelder sind künftig grundsätzlich Beitragszahlungen während 18 Monaten nötig. Auch diesen Abbau können die Bürgerlichen schön reden. So meinte Pirmin Bischof (CVP, Solothurn), dass damit das "Versicherungsprinzip gestärkt" wird: "Wer weniger bezahlt, hat auch weniger Anspruch auf Leistungen." Alles klar?


...Lohndruck auf die Noch-Beschäftigten

Besonders hart trifft die ALV-Revision die jugendlichen ArbeitnehmerInnen, die bis zum 30. Lebensjahr gezwungen werden, jegliche Arbeit anzunehmen, die ihnen angeboten wird. Gestrichen wurde weiter auch die Möglichkeit, in besonders betroffenen Kantonen 120 zusätzliche Taggelder zu genehmigen. Eingeführt wurde dafür die einkommensabhängige Abstufung der Wartezeiten für die Auszahlung von Taggeldern. Diese Regelung sieht vor, dass Personen ohne Unterhaltspflichten künftig zehn bis 20 Tage auf ein Taggeld warten müssen. Für alle übrigen Arbeitslosen bleibt die Wartezeit bei fünf Tagen. Die ALV-Revision wurde wieder in den Ständerat geschickt. Hier sollen nun die bürgerlichen Parteien die Differenzen so bereinigen, dass sie "gegen das sichere Referendum der Linken standhalten" werden. So der gemeinsame Tenor der Sozialabbauer in der Presse.

Zwei Sachen zur Erinnerung: Erstens ist die halbe Milliarde, die hier auf Kosten der Arbeitslosen gespart werden soll, etwa 0,8 Prozent der Summe, die vor gut einem Jahr der UBS geschenkt wurde. Zweitens führen die Verschlechterungen der ALV zu einem enormen Lohndruck unter den Noch-Beschäftigten. Lieber eine noch schlechter bezahlte Arbeit, die knapp zum Überleben reicht, als Taggelder zu beziehen und damit sicher am Hungertuch nagen. Und dieser Druck ist ein Millionen wenn nicht gar Milliardengeschenk unter dem Weihnachtsbaum der Patrons. Alles klar?


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 47/48 - 65. Jahrgang - 18. Dez. 2009, S. 1
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2010