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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2048: Größte Demonstration in der Geschichte Polens


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 6, Juni 2016
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

7. Mai: 200.000 gegen Kaczynski
Größte Demonstration in der Geschichte Polens

Von Norbert Kollenda


Den Menschen reicht es, all dieser Hass und die Einteilung der Polen in gute, echte Polen - sprich, die Unterstützer Kaczynskis - und die anderen, die schlechteste Sorte, die "Postkommunisten", Radfahrer usw. usf. Sie sehen die Errungenschaften der Demokratie in Gefahr und gehen auf die Straße.

Das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD - angelehnt an das legendäre Komitee zur Verteidigung der Arbeiter - KOR) rief wieder einmal zur Demo auf und es fand die größte Demonstration in der Geschichte Polens statt.

Zusammen mit dem Komitee haben viele Parteiführer den Aufruf unterstützt und sind in vorderster Front angetreten. Vor allen Dingen Vertreter des ehemaligen Regierungslagers - die neoliberale Bürgerplattform und ihr Ableger, die ultraliberale Nowoczesna (Moderne) des Ryszard Petru, ein Ziehkind von Leszek Balcerowicz, der der polnischen Bevölkerung einen strikten Sparkurs bescherte und die Mehrzahl um ihr bisschen Erspartes brachte, während er anderen zu Reichtümern verhalf. Petru war einige Jahre bei der Weltbank und in anderen Banken und Unternehmen tätig. Auch Barbara Nowacka von der Partei des Millionärs Pallikot, Twoj Ruch (Deine Bewegung), und der ehemals mitregierenden PSL gehörten dazu.

Sie alle haben dazu beigetragen, dass solche Typen wie Kaczynski an die Macht kommen konnten. Soviel mit Demokratie hatten sie ja auch nicht am Hut. Für sie ging es um die Privilegierten, die Eliten, und ihnen selbst ging es um Pöstchen. Und natürlich haben auch sie ihre Leute in Stellung gebracht - so wie jetzt in überbordender Weise Kaczynski. Das Volk war ihnen egal, erinnert sei nur an die zunehmende Prekarisierung der Arbeit, die Gentrifizierung in den Städten.

Ist das Verfassungsgericht diesbezüglich tätig geworden? Nein! Warum zogen denn Millionen junger, gut ausgebildeter Polen ins Ausland? Auch jetzt planen 1,5 Millionen, ihre Heimat zu verlassen, ja, sogar 4 Millionen sollen darüber nachdenken. Keine Perspektiven für die Jugend, als "Volontär" dürfen sie arbeiten, also unentgeltlich, in der Hoffnung, angestellt zu werden. Und nach Ablauf ihrer Zeit werden die nächsten "Volontäre" angestellt. Verkündete doch auch Tusk zu Beginn seiner Amtszeit, die Polen wären willige und billige Arbeitskräfte!

Und diese Politiker führen die Proteste an. Hat da Kaczynski nicht recht, wenn er sagt, sie würden es nicht verkraften, dass sie die Wahlen verloren hätten?

Aber was Kaczynski macht, und wie er manipuliert und Hass sät, ruft den Zorn der Bürger hervor und treibt sie auf die Straße; er muss in seine Schranken gewiesen werden, das hat das Volk verstanden! Wird Kaczynski das verstehen oder werden diese aufrechten Polen wieder von ihm beleidigt und beschimpft?

Von den linken Parteien und Bewegungen ist an der vorderen Front keine Spur zu sehen.

Eine Katastrophe für die Linke nennt Zbigniew Kowalewski deren sich Heraushalten. Sie sieht nur die in der vordersten Front, nicht die Massen, die für die Erhaltung der gewonnenen demokratischen Rechte eintreten. Kowalewski nennt es Sektierertum. So kann keine echte Linke entstehen, sie isoliert und marginalisiert sich selbst und bleibt für viele Jahre im politischem Aus.

Ihre Chance, den Demonstranten die wahren Ursachen für die Misere im Land aufzuzeigen, hat sie vertan. Vielleicht hält sie diese Massen nur für nützliche Idioten, die Rattenfängern hinterherlaufen?

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 6, 31. Jg., Juni 2016, S. 7
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2016

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