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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1679: Der schwarze Marsch - Asturiens Bergleute wieder an der Spitze des Widerstands


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 9 - September 2012
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Der schwarze Marsch
Asturiens Bergleute wieder an der Spitze des Widerstands

Von Angela Klein



Sie sind die Enkel der 34er und die Kinder der 62er: die asturischen Bergleute, die heute um ihr Überleben kämpfen.


Mehr als 300 von ihnen hatten sich am 22. Juni aus der Region zwischen der Atlantikküste und dem Kantabrischen Gebirge auf den Weg gemacht und den nördlichen Teil von Kastilien und León durchquert; am 10. Juli traf der "schwarze Marsch" in Madrid ein - nach drei Wochen und 400 Kilometer Fußmarsch.

Es ist bereits der dritte schwarze Marsch gegen die Abwicklung des spanischen Bergbaus, den alle spanischen Regierung seit 1987 betreiben; der erste fand 1992 statt, der zweite 2010. Diesmal wird er unmittelbar durch die Krise und die Sparbeschlüsse der Regierung Rajoy ausgelöst.

Seit dem 31. Mai kämpfen die Kumpels um ihre Arbeitsplätze - mit Streiks, Zechenbesetzungen, Straßenblockaden, der Ausweitung der Mobilisierung auf andere Sektoren, einem stark befolgten eintägigen Generalstreik im ganzen Bergbau. Ursprünglich sollten die Zechen 2018 geschlossen werden (der Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau ist auch in Deutschland für 2018 vorgesehen). Der spanische Bergbau wird von der EU jährlich mit 300 Mio. Euro subventioniert (der deutsche Steinkohlebergbau jährlich noch mit 1,7 Mrd. Euro). Vom Bergbau leben in Spanien 300.000 Menschen (in der BRD etwa 74.000, davon 51.000 vom Steinkohlebergbau inkl. Zulieferer).

Die Regierung Rajoy hat jedoch beschlossen, die Subventionen auf 110 Mio. Euro zu kürzen - die restlichen 190 Millionen sollen im Staatssäckel bleiben, um die Banken zu retten und spanische Großkonzerne zu füttern. So hat die Regierung dem Pleiteverbund Bankia, der hart am betrügerischen Bankrott vorbeischrammte (siehe SoZ 7/12), 23,5 Mrd. Euro zugeschoben, der Konzern Abertis, Spaniens größter Betreiber von Autobahnen, bekam kürzlich seinen Sprung an die Weltspitze mit 29 Mio. Euro subventioniert.

Die plötzliche Subventionskürzung im Bergbau bedroht 8000 Arbeitsplätze direkt und 20.000-30.000 indirekt. Geld, um die Arbeitsplätze zu erhalten, wäre genug da: Was die Regierung in drei Tagen für die Bedienung der Schuldenzinsen ausgibt, würde reichen, um die Arbeitsplätze für ein ganzes Jahr zu sichern - oder den Sektor umzuorientieren auf die Entwicklung erneuerbarer Energie.

Doch Rajoy greift mit den asturischen Bergleuten auch ein Symbol an. Diese haben eine lange Kampftradition. Seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bilden sie die Avantgarde der Klassenkämpfe im spanischen Staat. Während des asturischen Aufstands im Oktober 1934 gegen den Eintritt der klerikal-faschistischen Partei CEPA in die Regierung gründete sich eine sozialistische Arbeiterkommune, die sich wochenlang halten konnte, bevor sie von der Armee und der Fremdenlegion unter dem Oberkommando Francos brutal niedergeschlagen wurden.

1962 unternahmen die Bergleute einen exemplarischen "Schweige-Streik" gegen die Franco-Diktatur und für Lohnerhöhungen - es war die erste Arbeitermobilisierung seit dem Bürgerkrieg, sie wurde ein Symbol für den Widerstand gegen die Diktatur.

Der Marsch der Bergleute traf in den Abendstunden auf der Puerta del Sol ein, wo er von Tausenden von Madrileños begeistert empfangen wurde, nachdem er zunächst am Regierungspalast vorbeigezogen war.

Am darauffolgenden Tag versammelten sie sich vor dem Industrieministerium zu einer landesweiten Kundgebung, zu der 25.000 Kumpel aus allen Bergbauregionen des Landes - und sogar aus Portugal - geströmt kamen, um die fehlenden 190 Millionen für 2012 einzufordern. Aus anderen Stadtteilen Madrids hatte sich ein Demonstrationszug der 15M-Gruppen in Bewegung gesetzt, um ihre Solidarität mit den Bergleuten zum Ausdruck zu bringen. In diesem Marsch wurden Hunderte von Fahnen getragen - aus Asturien, Aragón, Andalusien, Kastilien, León, rote, republikanische -, aber nicht eine einzige spanische Nationalflagge!

Beim Industrieminister blitzten sie ab: José Manuel Soria zeigte sich wohl bereit, für Hilfen im kommenden Jahr zu reden, aber nicht für das laufende Jahr. Spanien brauche all seine flüssigen Mittel, um die Defizitgrenze einzuhalten. Die Regierung hatte für die Bergleute nur eine provozierende Antwort übrig: Zur selben Stunde beschloss ihre Parlamentsmehrheit ein neues Sparpaket in Höhe von 65 Mrd. Euro - darin wird u.a. die Mehrwertsteuer, die alle trifft, um 3 Prozentpunkte angehoben, während Steuersünder Aussicht auf eine Amnestie bekommen. Feuerwerkskörper flogen und die Polizei nahm das zum Anlass, um mit Gummigeschossen und Knüppeln gegen die Demonstranten vorzugehen. Es gab 8 Festnahmen und 76 Verletzte, davon zwei mit schweren Kopfverletzungen.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 9, 27.Jg., September 2012, S. 12
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2012