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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1330: Agro-Energie statt nachhaltige Landwirtschaft im Regenwald


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 10 - Oktober 2009
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Mit Macht bis in die letzten Winkel
Agro-Energie statt nachhaltige Landwirtschaft im Regenwald

Von Arnold Willibald


Im aufmüpfigen Kontinent Lateinamerika bleibt Peru ein treuer Vasall. Der Präsident Alan García hat ohne Rückhalt bei den Betroffenen einen Handelsvertrag mit den USA unterzeichnet, der den Interessen der US-amerikanischen Öl- und Wirtschaftsinteressen den Weg in eine gute Zukunft ebnet - u.a. durch Forcierung der Bio-Energie.


Verstärkt sind Emissäre in den letzten Winkeln des Regenwalds unterwegs, um regionale Politiker und Verbandsvertreter der Landwirtschaft und direkt auch die Bauern zu bewegen, ihre "Zukunftschancen" zu nutzen und dies mit gewissem Erfolg auf dem Hintergrund ihrer miserablen Einkünfte der Bauern. Der Schwerpunkt liegt auf dem Vorantreiben des Anbaus von Ölpalmen, natürlich in Monokulturen. Die verheerenden langzeitlichen Folgen für Böden und Fruchtbarkeit, wie sie aus vielen Teilen des Globus bekannt sind, kommen natürlich nicht zur Sprache.

Im zweiten Schritt hat die peruanische Regierung im vergangenen Jahr per Dekret und Gesetz den Zugang zu Waldgebieten geebnet, die bisher per Gesetz als Eigentum der Bauern und Eingeborenen geschützt waren. Das Eigentum der Kommunen, die Reservate der Eingeborenen und der Besitz von Bauern und Siedlern soll den Interessen vor allem der Agroenergie untergeordnet werden. Schutzrechte bei Verkäufen sollen gelockert werden. Die chemische Industrie freut sich darüber, weil sie Chemikalien in der Landwirtschaft einsetzen darf und Verstöße bei der Einführung genveränderter Pflanzen straffrei bleiben.

Die Methode, die in ihrer Existenz betroffenen Bauern vor vollendete Tatsachen zu stellen, konnte erst fünf vor zwölf vorläufig gestoppt werden.


Alianza de federaciones

Widerstand dagegen breitete sich in mehreren Provinzen aus, u.a. in Madre de Dios, im Südosten Perus, im Dreiländereck mit Brasilien und Bolivien. Die Region rühmt sich in ihrer Touristenwerbung der größten Artenvielfalt des Regenwalds, erklärt der Verantwortliche eines Entwicklungsprojekts "Regenwaldschutz durch ökologischen Landbau", das seit 15 Jahren läuft. Pedro C., Ökobauer, langjähriger Präsident und jetzt Koordinator des Projekts, hat wesentlich dazu beigetragen, dass im Jahr 2008 eine "Alianza de federaciones" - ein Bündnis der betroffenen Basisgruppen - zustande kam, die den Widerstand gegen die Regierungsvorhaben vorbereitet haben. Die Allianz besteht aus dem Bauernverband, aus Umwelt- und Öko-Landbaugruppen, aus kirchlichen Gruppen und vor allem aus den gut organisierten Gemeinschaften der Indígenas. Ihre gemeinsamen Ziele haben sie in einer "Plattform für den Kampf" formuliert: "Weg mit den neuen Gesetzen und Dekreten" ist die zentrale Forderung. Als Kampfmittel wurde im vergangenen Jahr ein dreitägiger Generalstreik beschlossen - im Zusammenhang mit einem nationalen Streik. Nach bewährter Tradition bedeutet "Paro", Streik, mehr als Arbeitsverweigerung; er zielt auf die Stilllegung aller Aktivitäten, auch des Verkehrs, durch Demos, Kundgebungen, Diskussionen. Tausende von Bauern und Indígenas kamen in ihrer traditionellen Kleidung, bewaffnet mit Pfeil und Bogen in die Stadt; die jüngste Teuerung der Lebensmittel brachte auch die Stadtbevölkerung in Wut und auf die Straße.

Mächtig, aber friedlich machte sich der Protest an den beiden ersten Tagen in der Provinzstadt Puerto Maldonado Luft, aber auch auf den Marktflecken an der Durchgangsstraße. Am dritten Tag jedoch - dem Tag des nationalen Streiks - gab es gewaltsame Exzesse, u.a. brannte das regionale Regierungsgebäude mit der gesamten Infrastruktur völlig ab. Die Brandstifter sind bis heute unbekannt. Staatsanwaltschaft und Polizei beschuldigten schnell die Organisatoren des Streiks und nahmen sie fest. Noch in der Nacht wurden "polizeiliche Spezialkräfte" eingeflogen. Deutliche Hinweise auf Provokateure - wohl bestellte und bezahlte - blieben bei den Ermittlungen außer Acht. Jeder weiß, dass die Holzmafia nicht zimperlich ist in der Wahl ihrer Mittel. Erst Wochen zuvor war ein Dorfbürgermeister, der sich einem Holzlaster in den Weg gestellt hatte, einfach abgeknallt worden. Da kam es wie eine Befreiung, dass wenigstens der Ortsbischof in einem Gottesdienst am Staatsfeiertag unter Anwesenheit der politischen Prominenz die Staatsanwaltschaft gemahnte, die wirklichen Täter und ihre Hintermänner ausfindig zu machen, statt unbescholtene und verantwortliche Bürger zu beschuldigen.

Der Widerstand der gesamten Bevölkerung zeigte Wirkung. Nach den Protesten in Madre de Dios gab es auch in anderen Regenwaldzonen im Norden von Peru massive Proteste vor allem bei den Indígenas. Die verhafteten Streikführer kamen frei. Die "Alianza" hat eine gemeinsame Delegation nach Lima entsandt zu Verhandlungen mit der Absicht, zumindest Korrekturen in der Gesetzgebung zu erreichen.


Der Autor Arnold Willibald ist Vorsitzender der AG Ökologischer Landbau zum angewandten Regenwaldschutz e.V. in Ludwigshafen. Der Verein ist Partner von Asociación de Agricultura Ecológica (AAE) in Puerto Maldonado, Peru.
www.regenwald-peru.de und www.aae.edu.tc


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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 10, 24.Jg., Oktober 2009, Seite 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2009