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ROTFUCHS/202: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 249 - Oktober 2018


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

21. Jahrgang, Nr. 249 - Oktober 2018



Aus dem Inhalt

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Aufstehen und widersetzen!

Aus dem Charakter einer Epoche leiten Kommunisten und Sozialisten ihr konkretes politisches Ziel und ihre Strategie ab. Lenin schrieb dazu 1915: "In jeder Epoche gibt es wie bisher so auch künftig einzelne Teilbewegungen bald vorwärts, bald rückwärts, gibt es wie bisher so auch künftig verschiedene Abweichungen vom Durchschnittstypus und vom Durchschnittstempo der Bewegungen. Wir können nicht wissen, mit welcher Schnelligkeit und mit welchem Erfolg sich einzelne geschichtliche Bewegungen der jeweiligen Epoche entwickeln werden. Wir können aber wissen und wissen tatsächlich, welche Klasse im Mittelpunkt dieser oder jener Epoche steht." Die Taktik des "Ausnutzens" der modernen Demokratie wie im Kapitalismus der freien Konkurrenz bleibe zwar eine Aufgabe, aber in der "Epoche des Imperialismus und der imperialistischen wie auch der durch den Imperialismus ausgelösten Erschütterungen", sprich: Revolutionen, gehe es um den Kampf gegen das internationale Finanzkapital.

Der marxistische Philosoph Alfred Kosing veröffentlichte im Sommer ein Buch über "Epochen und Epochenwechsel in der neueren Geschichte" im Berliner Verlag am Park. Er diskutiert darin die Geschichte der Epochenbestimmungen der kommunistischen Parteien und macht Vorschläge für eine neue Diskussion. Als einen Grundzug der Gegenwart nennt er die "unipolare Weltherrschaft des Imperialismus unter Führung der USA", die nach "absoluter Kontrolle" der Welt strebten. Außerdem führt er u.a. die neue Rolle der NATO als Instrument der Einkreisung Rußlands und den fortgesetzten kalten Krieg an. Die Stellung der EU habe sich verändert: Deutschland sei Führungsmacht geworden und erfülle die Funktion einer militärischen Speerspitze. Prinzipiell neu sind aus seiner Sicht die Kriege für einen "Regime change" als Instrumente der US-Gewaltpolitik. Sie höhlten das Völkerrecht aus und werteten die UNO ab. Dem waren, so der Autor, in der vergangenen Epoche des Wettstreits der Systeme "starke Grenzen gesetzt".

Kosing nennt viele weitere Aspekte der Gegenwart, darunter die Revolution in den Produktivkräften, den Drang des Imperialismus zur Aufrüstung, sein Festhalten an Atomwaffen, seine ständige Bereitschaft zum Krieg gegen unbotmäßige Staaten, vor allem aber die Konfrontation mit Rußland und China. All dies vollziehe sich vor dem Hintergrund zunehmender sozialer Spaltung in Arm und Reich auf globaler wie auf nationaler Ebene. Die militärischen Abenteuer zwängen zu ständiger Erhöhung des Ausbeutungsgrades. Kosing meint daher, daß "die Bedingungen neuer sozialer Revolutionen" wachsen und reifen werden. Skeptisch bleibt er allerdings angesichts der übergroßen Macht heutiger Medien bei der Einflußnahme auf den subjektiven Faktor.

Sein Buch ist ein wichtiger Beitrag zu einer überfälligen Diskussion. Dazu gehört hierzulande die Debatte über die Rolle des deutschen Imperialismus als Hauptfeind aller, die für Frieden und Fortschritt eintreten. Als exemplarisch sei angeführt: Die Verflechtung von Teilen des deutschen Staatsapparats mit organisierten Faschisten ist aktenkundig. Das gilt nicht nur für Sachsen, auf das sich die veröffentlichte Meinung nicht erst nach dem Mord in Chemnitz am 26. August konzentrierte. Das lenkt ab vom Wesentlichen, von Aufrüstung und Herrschaft mittels reaktionärer Ideologie.

Zwei Tage nach der faschistischen Machtdemonstration in Chemnitz am 27. August beschloß das Bundeskabinett die Einrichtung einer "Cyber-Agentur", die ab 2019 Software für Angriffsoperationen entwickeln soll. Das war die deutsche Antwort auf die in derselben Woche in Genf stattfindenden Verhandlungen über "autonome Waffensysteme". Diese sollen mit Hilfe "künstlicher Intelligenz" Ziele selbst bestimmen und ohne menschliche Einwirkung Tötungsentscheidungen treffen - eine politische und ethische Perversion, eine Idee aus dem Arsenal des Unmenschen. Abrüsten statt aufrüsten, sich der Kriegsvorbereitung und der mit ihr verbundenen Ideologie widersetzen ist das Gebot der Stunde.

Arnold Schölzel

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Vorsicht Brandstifter!

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DGB-Aufruf zum Antikriegstag: Abrüsten statt aufrüsten!

Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte in einem Appell zum Antikriegstag am 1. September zur Unterstützung der Initiative "Abrüsten statt aufrüsten!" auf. Im folgenden der Aufruf im Wortlaut.

Am Antikriegstag gedenken die Gewerkschaften des Grauens und des unermeßlichen Leids der beiden Weltkriege, die über 80 Millionen Tote gefordert haben. Jährlich erinnern wir am 1. September daran, daß es dieser Tag war, an dem Nazi-Deutschland mit seinem Überfall auf Polen 1939 den Zweiten Weltkrieg entfacht hat. Gerade in diesem Jahr haben wir besonderen Anlaß, den Antikriegstag als Tag des Mahnens vor den zerstörerischen Folgen von besinnungslosem Nationalismus und Faschismus zu begehen. Denn 2018 jährt sich das Ende des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal. Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Das ist die unumstößliche Lehre, die wir Gewerkschaften aus den Weltkriegsschrecken des 20. Jahrhunderts gezogen haben. Dazu bekennen wir uns. Dafür steht die Gewerkschaftsbewegung in Deutschland, Europa und weltweit!

Unser Eintreten für Frieden, Demokratie und Freiheit ist wichtiger denn je. Die internationale Nachkriegsordnung ist aus den Fugen geraten. Die Hoffnung, daß das Ende des kalten Krieges ein Zeitalter der Entspannung einläuten würde, hat sich als Illusion erwiesen. Das Risiko von militärischen Auseinandersetzungen ist so groß wie seit 1989 nicht mehr. Rund um den Globus toben mehr als 30 Kriege und bewaffnete Konflikte. Auch die nukleare Bedrohung hat eher zu- als abgenommen. Die USA und Rußland modernisieren ihre Atomwaffenarsenale. Nuklearmächte wie China, Nordkorea, Indien und Pakistan tragen dazu bei, daß wir erneut ein nukleares Wettrüsten erleben. US-Präsident Trump kündigt einseitig das internationale Atomabkommen mit dem Iran auf. Und doch weigert sich die deutsche Bundesregierung weiterhin, den von über 120 Staaten beschlossenen UN-Vertrag über ein Atomwaffenverbot mitzutragen. Das globale Erstarken von Nationalismus und Protektionismus, die Ausbreitung autoritärer, autokratischer und rechts-populistischer Regime fördern die Entstehung einer neuen Weltunordnung. Wachsende Instabilität und die zunehmende Bereitschaft, die eigenen Interessen mit militärischer Gewalt durchzusetzen, prägen das internationale Geschehen. Die Folge: Nie sind so viele Menschen auf der Flucht gewesen. Heute sind es weltweit 68,5 Millionen. Die meisten mußten ihre Heimat verlassen, weil dort Krieg oder Bürgerkrieg herrscht.

Nichts zeigt deutlicher: Waffengewalt und militärisches Hochrüsten lösen keine Probleme. Eine neue Aufrüstungsspirale ist die falsche Antwort auf die veränderte Weltlage. Und doch sind die globalen Rüstungsausgaben mit über 1,7 Billionen US-Dollar so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Dieser Wahnsinn muß ein Ende haben.

Deshalb lehnen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften das NATO-Ziel ab, die Rüstungsausgaben der Bündnispartner auf zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Für die Staaten Europas würde dies bedeuten, daß ihre Militäretats von 500 Milliarden Euro auf 800 Milliarden anwachsen. Auch Deutschland müßte seine Rüstungsausgaben annähernd verdoppeln. Zwei Prozent des BIP für den Rüstungsetat - das wären alleine in Deutschland weitere 30 Milliarden Euro, die im zivilen Bereich fehlen würden: für Investitionen in Bildung, Hochschulen, Schulen und Kitas, für den sozialen Wohnungsbau, für kommunale und digitale Infrastruktur, für eine gerechte und ökologische Gestaltung der Verkehrs- und Energiewende, für eine bessere Alterssicherung und mehr soziale Sicherheit.

Vor diesem Hintergrund fordern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften die deutsche Bundesregierung dazu auf, endlich umzudenken und mit ihren EU-Partnern eine gemeinsame europäische Strategie der friedenssichernden Konflikt- und Krisenprävention zu erarbeiten. Statt die Verteidigungsausgaben massiv aufzustocken, muß eine solche zivile Strategie der Friedenssicherung bei den Ursachen von Kriegen und bewaffneten Konflikten ansetzen. In ihrem Mittelpunkt müssen die Ziele einer fairen Gestaltung der Globalisierung und einer gerechteren Verteilung des weltweiten Reichtums sowie soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte stehen.

Überdies fordern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften eine stärkere und bessere Kontrolle von Waffenexporten. Wir lehnen Waffenexporte in Krisen- und Konfliktgebiete sowie an diktatorische und autokratische Regime grundsätzlich ab. Statt dessen treten der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften für eine Politik der Abrüstung und Rüstungskonversion ein. Wir unterstützen deshalb die friedenspolitische Initiative "Abrüsten statt aufrüsten" und rufen anläßlich des Antikriegstags öffentlich dazu auf, die Petition dieser Initiative gegen das Zwei-Prozent-Ziel der Bundesregierung zu unterzeichnen: https://abruesten.jetzt/

Die Mehrheit ist gegen Atomwaffen auf deutschem Boden

Nach einer neuen Umfrage sind mehr als zwei Drittel aller Deutschen dafür, Atomwaffen aus der Bundesrepublik abzuziehen. Auch in Belgien, Italien und den Niederlanden, wo ebenfalls US-Atomwaffen stationiert sind, sprechen sich deutliche Mehrheiten für einen Abzug aus - aber nicht ganz so viele wie in Deutschland. Dies berichtete das Netzwerk für eine atomwaffenfreie Welt (ICAN) am Freitag in Genf. ICAN war die treibende Kraft hinter dem Atomwaffenverbotsvertrag, der vor einem Jahr von 122 Mitgliedern der Vereinten Nationen angenommen wurde. ICAN erhielt dafür den Friedensnobelpreis.

In Deutschland waren 70 Prozent der Befragten gegen die Waffen auf heimischem Boden. In Italien sprachen sich 65 Prozent, in Belgien 57 und in den Niederlanden 56 Prozent gegen die Stationierung in ihrem Land aus. Mehr als zwei Drittel der Befragten stimmten in allen vier Ländern dafür, daß ihre Regierung den Vertrag über das Verbot von Atomwaffen unterzeichnet. RF

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Frieden mit Rußland!

Unter dieser Hauptlosung fand Anfang Juli eine Konferenz in Potsdam statt. Der Historiker Prof. Dr. Anton Latzo sieht Moskaus Außenpolitik am Frieden orientiert. Für die Journalistin Karin Leukefeld bestätigt sich das derzeit in Syrien. "Nein zu Atomwaffen!" gehörte ebenfalls zu den Forderungen der Konferenz.

Rußland betreibe eine systematische und konstruktive Außenpolitik, die - so die Analyse von Anton Latzo - an Sicherheit und Stabilität ausgerichtet sei. Die russische Politik strebe nach seinen Worten eine internationale Sicherheitsarchitektur mit internationalen und regionalen Komponenten an. Latzo erinnerte dabei an den Vorschlag des damaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew vom Juni 2008, die Pariser Charta zu einem neuen euro-atlantischen Sicherheitsvertrag weiterzuentwickeln. Dieser Vorschlag sei jedoch vom Westen ignoriert worden. Zusammenarbeit mit Rußland sei der einzig sinnvolle und zukunftsweisende Weg.

Die Konferenz in der brandenburgischen Landeshauptstadt war von der DKP Potsdam & Umland organisiert worden - als Unterstützer zeichneten Potsdamer Gruppen und Organisationen wie die Partei Die Linke, die Friedenskoordination, die GBM und der "RotFuchs"-Förderverein.

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Die Zeiten ändern sich

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24. Treffen des São-Paulo-Forums in Havanna

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Freiheitsstatue niederreißen!

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1973: Putsch gegen die Unidad Popular in Chile

Am 11. September 1973, vor 45 Jahren, stürzte eine Offizierskamarilla die 1970 demokratisch gewählte Regierung der Unidad Popular (UP), ein Bündnis linker Parteien, und ihren Präsidenten Salvador Allende. Die durch demokratische Wahlen gewonnene Volksmacht stand - national wie international - vor unsagbar großen Herausforderungen. Unklare Visionen ihrer Initiatoren, unkoordinierte, zum Teil widersprüchliche taktische Aktionen und anderes mehr begünstigten und provozierten die bürgerliche Opposition. Der politischen und vor allem ökonomischen Machtkonstellation war die Regierung auf Dauer nicht gewachsen. Sabotage und offene Gegenaktionen der rechten Kräfte führten zu einer schwierigen, krisenähnlichen Lage im Lande.

Der dann von reaktionären Militärs initiierte Putsch war ein von den USA und ihrem Geheimdienst CIA langfristig konzipierter, sorgfältig vorbereiteter und von den chilenischen Streitkräften gegen das eigene Volk ausgeführter terroristischer Akt. Die damalige Regierung der USA um Präsident Nixon gab offen zu, daß das Ziel darin bestand, in ihrem Hinterhof Lateinamerika unter keinen Umständen ein Staats- oder Regierungssystem zuzulassen, welches einen sozialistischen Entwicklungsweg hätte eröffnen können.

Das chilenische Militär bombardierte und stürmte den Regierungspalast in Santiago, die Moneda. Präsident Allende fand dabei den Tod. Regierungsmitglieder, Funktionäre und Sympathisanten wurden überall im Lande gejagt, gefangengenommen und in die Kasernen und Gefängnisse verschleppt, gefoltert, viele von ihnen ermordet.

Wem es gelang, unterzutauchen und sich zu verstecken, der versuchte Kontakt zu diplomatischen Vertretungen, vor allem der lateinamerikanischen Länder, zu bekommen, die Asyl und Schutz gewähren konnten. Aber auch Botschaften europäischer und anderer Länder nahmen Verfolgte auf. Niemand von den Diplomaten und Botschaftsangestellten, die damals in Chile waren und diese Ereignisse miterlebt haben, wird vergessen, mit welcher Wut, Besessenheit und Brutalität eine verhetzte Militärmaschinerie in die geschichtliche Entwicklung eingriff und gegen das eigene Volk vorging. Gleichzeitig wuchs aber auch die Hilfsbereitschaft und Solidarität gegenüber den verfolgten, hilflosen, vorwiegend jungen Chilenen. In kurzer Zeit verbreiteten sich eine Protestwelle und weltweite Solidarität.

Der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Chiles, Carlos Altamirano, enger Freund und Kampfgefährte Allendes, bewertete später den Sieg und die Regierungszeit der UP und verglich sie mit der Pariser Kommune: "Wir haben, wie damals in Paris, eben den Sprung in den Himmel gewagt, sind aber nur ein paar Meter hochgekommen. Uns war von vornherein klar, daß kein chilenischer Banker nur einen Cent, kein chilenischer Minenbesitzer nur ein Gramm Kupfer und kein chilenischer Grundbesitzer nur einen Fußbreit Land freiwillig hergeben wird. Trotzdem fühlten wir uns berufen und haben alles auf eine Karte gesetzt."

Außer der DDR, die Jahrzehnte Handelsbeziehungen und seit zwei Jahren diplomatische Beziehungen und eine Botschaft in Chile hatte, konnten die anderen sozialistischen Länder den Kampf der Chilenen zur Schaffung einer besseren Gesellschaftsordnung nicht unterstützen; aber alle unterbrachen wenige Tage nach der Machtübernahmen durch das Militär die diplomatischen Beziehungen.

Es war mehr ein Zufall, daß der von den Militärs meistgehaßte und gesuchte Generalsekretär der Sozialistischen Partei Carlos Altamirano ausgerechnet in der Ex-Botschaft der DDR Zuflucht und Schutz fand. Seine abenteuerliche Ausschleusung nach Argentinien hat er einigen mutigen Männern der HVA des MfS zu danken. Mehr als 2400 Chilenen, die flüchten mußten, wurden von der DDR als Asylanten aufgenommen. Sie kehrten später nach Chile zurück.

Fragwürdig und charakteristisch bis heute bleibt die Haltung der Brandt/Scheel-Regierung der BRD, die ihren sozialistischen Genossen Allende nicht rechtzeitig gewarnt hatte, obwohl der Militärattaché bestens informiert war. Es wurde dem BRD-Botschafter nicht gestattet, schutzsuchende UP-Funktionäre aufzunehmen. Es verwundert nicht, daß es CDU-Politiker waren, die - noch vor vielen anderen - als erste nach Chile reisten, um der Militärjunta Reputation zu verschaffen und mit ihr künftige Wirtschaftsbeziehungen auszuloten. Dies war ganz im Sinne der Militärjunta, die zwar die Macht im Lande, aber kein eigenes finanzökonomisches Konzept hatte. Sie hatte Interesse daran, vagabundierendes ausländisches Kapital nach Chile zu holen. Söhne der Großbourgeoisie, in den USA bei Prof. Milton Friedman (dem Vater der neoliberalen Wirtschaftspolitik) gut ausgebildet, verhalfen so dem Turbokapitalismus in Chile zu einem erfolgreichen Start.

Hauptmethode war die weitgehende Privatisierung von Industrie, Landwirtschaft, Infrastruktur, montaner und maritimer Ressourcen. Schutzpatron und auch Nutznießer waren über viele Jahre die Militärs.

So entwickelte sich Chile bis heute zu einem der st abilsten kapitalistischen Länder Lateinamerikas. Viele, auch in der DDR ausgebildete ehemalige Asylanten, vor allem der Sozialistischen Partei, fanden nach Pinochet in den ersten zivilen Regierungen Posten und Ämter. Selbst eine Präsidentin ging daraus hervor. Dennoch haben global operierende und auch nationale Finanzmultis die chilenische Wirtschaft fest im Griff. Aber Chile verfügt auch wieder über starke linke und oppositionelle Kräfte, die sich vor allem aus den ärmeren Schichten, der Jugend und Studentenschaft, den Gewerkschaften und linken Parteien rekrutieren. Sie sind jederzeit in der Lage, breite Protestaktionen gegen die Regierung und für gerechte Forderungen zu organisieren. Die Erinnerungen an die Verbrechen der Militärs und ihre Opfer motivieren dabei zusätzlich. Erfolgreiche Unabhängigkeitsbestrebungen und alternative Wirtschaftsmodelle in anderen südamerikanischen Ländern wie Kuba, Venezuela, Nikaragua und Bolivien werden aufmerksam verfolgt. Vor allem der Kampf um die Sicherung der nationalen Ressourcen und die Eindämmung oder Verhinderung ihrer Ausbeutung durch ausländische, besonders US-amerikanische, Monopole bestimmen die gesellschaftspolitischen Entwicklungstendenzen in dieser Region.

Doch wie überall in der Welt bleibt das Militär als äußerstes Mittel eine Variante der Sicherung der Macht der Monopole und ihrer imperialistischen Regime.

So sind die gegenwärtigen Bestrebungen der BRD-Regierung zur Legalisierung des Einsatzes des Militärs im Inland - gegen "Extremisten" und "Terroristen", wie es heißt - nicht zu unterschätzen.

Auch die deutsche Geschichte sollte uns lehren, wachsam zu sein.

Rudolf Herz
Berlin

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Top secret: Der "Meisterschlag" der USA gegen Venezuela

Stella Calloni, eine argentinische Schriftstellerin und Journalistin, unbeirrbare Chronistin Lateinamerikas, enthüllte den geheimen Plan des "US-SouthCom" vom 23. Februar, die Bolivarische Republik Venezuela zu stürzen. Die Maßlosigkeit und Brutalität des Plans schockieren. Die USA sind nicht mehr an einem Regierungswechsel interessiert, sondern an der militärischen Zerstörung des venezolanischen Staates, "am Zerquetschen der Chavisten, damit ... sich allein der Wille Washingtons durchsetzt" (so der französische Journalist Thierry Meyssan).

Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten bereiten einen "Plan zur Beendigung der Diktatur von Venezuela" vor: den "Meisterschlag" (The Masterstroke), der bereits umgesetzt wird. Da es bei den letzten venezolanischen Wahlen nicht gelang, Präsident Nicolás Maduro mit der neuen Offensive unter Einsatz aller Medien- und Propaganda-Maschinen plus weiterer gewalt tätiger Aktionen zu stürzen, wurde für die "Verteidigung der Demokratie" der Plan B ausgelöst, der mehrere Länder und eine "multilaterale Kraft" umfassen wird, um ggf. militärisch zu intervenieren. Panama, Kolumbien, Brasilien und Guyana sind die Schlüsselelemente der Militäroperation, unterstützt von Argentinien und "anderen Freunden", unter der Kontrolle des Pentagons. Die Nachbarländer Venezuelas halten auf ihren Stützpunkten Krankenhäuser und Lagerhallen für die Versorgung ihrer Soldaten bereit.

Das alles ist aufgelistet in einem elfseitigen Dokument, das die Unterschrift von Admiral Kurt Walter Tidd trägt, dem aktuellen Oberbefehlshaber des Südlichen Kommandos der Vereinigten Staaten (SouthCom).

Das Dokument analysiert die aktuelle Situation, indem es den Krieg beschreibt, der gegen Venezuela geführt wird, aber auch das perverse System der psychologischen Kriegsführung, welches die Verfolgung, die Belästigung, die Schmähung, die kriminelle Lüge erlaubt, die man verwendet, um nicht nur mit populären Führern aufzuräumen, sondern auch um die Völker der Region zu unterwerfen.

Unter Bezugnahme auf die aktuelle Situation in Venezuela erwähnt der Plan, daß die "venezolanische Chavez-Diktatur wegen ihrer internen Probleme, der großen Lebensmittelknappheit, der Erschöpfung der Einkommen aus externen Geldquellen und einer ungezügelten Korruption - welche zur Verringerung der internationalen Unterstützung führte - erschüttert wird. Die internationale Unterstützung wurde mit Petrodollars erreicht; jetzt aber sinkt der Wert der nationalen Währung konstant."

Die Verfasser des Plans geben zu, die aktuelle prekäre Situation selbst geschaffen zu haben, und behaupten, daß diese sich nicht ändern wird. Sie rechtfertigen ihre Handlungen, indem sie versichern, die venezolanische Regierung werde neue "populistische" Maßnahmen ergreifen, um an der Macht zu bleiben.

Es ist erstaunlich, als wie schwach sie die Opposition einschätzen, die von den USA ja selbst dirigiert, verwaltet und bezahlt wird, wenn man hört, daß "das korrupte Maduro-Regime zusammenbrechen wird, aber unglücklicherweise die Oppositionskräfte, welche die Demokratie und den Wohlstand der Bevölkerung verteidigen, nicht genügend Macht haben, um dem Alptraum Venezuelas ein Ende zu machen - wegen ihrer internen Streitigkeiten und wegen der Korruption. Sie sind auch nicht ausreichend verwurzelt, um maximalen Nutzen aus dieser Situation zu ziehen, um den Notstand zu überwinden, in den die linke Diktatur das Land geführt hat."

Beängstigend ist, daß die Autoren des Plans die venezolanische Regierung als kriminell bezeichnen, eine Regierung, die noch nie gegen einen ihrer Nachbarn handelte und eine starke regionale und weltweite Solidarität erreicht hat. Der US-Plan behauptet, daß sich "die Demokratie in Amerika verbreitet, auf einem Kontinent, in dem der radikale Populismus kurz davor stand, die Macht zu übernehmen". Argentinien, Ekuador und Brasilien seien Beispiele dafür. Diese "Wiedergeburt der Demokratie" (so nennen sie es) werde durch die derzeitigen Bedingungen der Region unterstützt, die sie begünstigen. "Das ist der Moment, in dem die Vereinigten Staaten mit konkreten Handlungen beweisen sollten, daß sie in einen Prozeß eingebunden sind, in dem der Sturz der venezolanischen Diktatur sicherlich zu einem grundsätzlichen Wandel führen wird."

Andererseits ermutigen sie Präsident Donald Trump zu handeln, weil sie denken, "es sei dies die erste Gelegenheit der Trump-Administration, um ihre Vision von Demokratie und Sicherheit zu demonstrieren und voranzutreiben", und ihn davon zu überzeugen, daß "seine aktive Teilnahme entscheidend sei, nicht nur für die Regierung, sondern für den Kontinent und die Welt. Der Moment ist gekommen." Das bedeute, "den endgültigen Sturz des Chavismus und die Vertreibung seiner Vertreter zu betreiben, die populäre Unterstützung (der Regierung) zu untergraben, die verbreitete Unzufriedenheit durch die Verstärkung des Destabilisierungsprozesses und die Verschärfung der Lebensmittelknappheit zu befördern, um eine irreversible Erschütterung des aktuellen Diktators zu erreichen".

Wenn irgend jemand die "Kunst" der Aufstandsbekämpfung vollkommen verstehen will, genügt es, den Teil des Dokuments zu lesen, der sich auf den Präsidenten von Venezuela, Nicolás Maduro, bezieht. Hier wird dazu aufgefordert, "ihn zu belagern, ihn lächerlich zu machen, ihn als Symbol der Unbeholfenheit und der Inkompetenz zu zeigen und ihn wie eine Marionette Kubas darzustellen".

Aber es wird auch vorgeschlagen, "die Spaltung zwischen den Mitgliedern der Regierung zu verschärfen, indem man die Unterschiede zwischen ihren Lebensbedingungen und denen ihrer Anhänger aufdeckt und sie gleichzeitig ermutigt, diese Unterschiede weiter zunehmen zu lassen".

Der Plan ist dazu bestimmt, schnell und entschlossen ausgeführt zu werden wie die von Mauricio Macri (Argentinien) und Michel Temer (Brasilien), den Lakaien Washingtons, ergriffenen Maßnahmen. Sie sind zwar beide mit Korruptionsskandalen belastet, wurden aber durch das Imperium zu "Führern der Transparenz" verwandelt.

Das vom Oberbefehlshaber des Südlichen Kommandos der Vereinigten Staaten (SouthCom) unterzeichnete Dokument verlangt, die Regierung Maduros unhaltbar zu machen, indem man ihn zwingt, aufzugeben, zu verhandeln oder zu fliehen. Dieser Plan, in kürzester Zeit mit der "Diktatur" Venezuelas aufzuräumen, orientiert darauf, "die innere Instabilität bis zu kritischen Werten zu treiben, indem man die Entkapitalisierung des Landes, die Flucht des ausländischen Kapitals und die Entwertung der nationalen Währung vorantreibt und durch die Anwendung neuer inflationistischer Maßnahmen die allgemeine Verschlechterung der Situation forciert".

Ein weiteres Ziel ist, "alle Importe zu blockieren und gleichzeitig potentielle ausländische Investoren abzuschrecken", um - und hier kann man wahrlich die Güte des Imperiums sehen! - "dazu beizutragen, daß die Lage der Bevölkerung sich weiter verschlechtert".

Der Plan enthält auch einen Appell "an einheimische Verbündete wie an andere auf der nationalen Bühne tätige Personen mit dem Ziel, Proteste, Aufruhr und Unsicherheit zu schaffen sowie Plünderungen, Raub, Diebstähle, Überfälle und Entführungen von Schiffen und anderen Transportmitteln durchzuführen mit der Absicht, das Land aller Güter zu berauben - über alle Grenzen und anderen Wege hinweg -, auch um die nationale Sicherheit der Nachbarländer zu stören". Es sei auch wichtig, "Opfer zu verursachen" und darauf hinzuweisen, daß dafür die venezolanische Regierung verantwortlich ist, "indem man die Dimensionen der humanitären Krise im Land in den Augen der Welt vergrößert". Dies erfordert, mit Lügen zu arbeiten, über eine angebliche weitverbreitete Korruption unter den Führungspersonen zu sprechen und "die Regierung mit dem Drogenhandel in Verbindung zu bringen, um ihr Image sowohl vor der internationalen Öffentlichkeit als auch im Innern zu diskreditieren". Eine Ermüdung unter den Mitgliedern der PSUV (Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas) gelte es zu fördern. Dissidenten sollten dazu gebracht werden, die Beziehungen zur Regierung abzubrechen. Diese müsse maximal geschwächt werden.

Darüber hinaus müsse "die Desertion der qualifiziertesten Fachleute organisiert werden, um das Land seiner besten Kräfte zu berauben; das wird die innere Situation weiter verschlechtern, wofür man dann ein weiteres Mal die Regierung beschuldigen wird".

Das Dokument ruft dazu auf, "die Offiziere der Armee als Alternative für eine endgültige Lösung zu verwenden", indem "die Bedingungen innerhalb der Streitkräfte verschärft werden, um einen Staatsstreich vor Ende des Jahres 2018 vorzubereiten, wenn die Krise nicht genügt, den Zusammenbruch der Diktatur zu verursachen, oder wenn der Diktator sich weigert, seinen Platz zu räumen". Bedenkend, daß alles vorher Genannte scheitern könnte, befürwortet der Plan mit einer offensichtlichen Verachtung für die venezolanische Opposition, "dauernd die Spannung an der Grenze zu Kolumbien zu schüren, den Schmuggel mit Waren anzukurbeln, die Aktivitäten der paramilitärischen Gruppen zu fördern, um bewaffnete Zwischenfälle mit den Sicherheitskräften an der venezolanischen Grenze zu provozieren". Außerdem seien "Paramilitärs zu rekrutieren, vor allem in den Flüchtlingslagern von Cúcuta, La Guajira und im Norden der Provinz Santander, Gebiete mit einem hohen Anteil an kolumbianischen Staatsangehörigen, die nach Venezuela emigriert waren und nun zurück nach Hause kommen, auf der Flucht vor einem Regime, das die Instabilität an den Grenzen zwischen beiden Staaten erhöht hat, indem sie das von den FARC und der ELN geräumte Terrain besetzen".

Und hier der "Fahrplan" des endgültigen Schlages: "Das Engagement der alliierten Streitkräfte fördern, um die venezolanischen [Rebellen-]Offiziere zu unterstützen oder um die innenpolitische Krise zu steuern für den Fall, daß die Initiative sich verzögert. Den Diktator schnell daran hindern, seine Anhängerschaft noch zu erweitern, um die Lage im Land zu kontrollieren. Falls nötig, noch vor den für den April geplanten Wahlen handeln." In der Tat werden diese Wahlen am 20. Mai stattfinden. Die Vereinigten Staaten sowie ihre Lakaien haben im voraus bekanntgegeben, daß sie nicht daran denken, ihr Ergebnis anzuerkennen.

Das Wesentliche ist,

  • die Unterstützung der alliierten Regierungen der befreundeten Länder (Brasilien, Argentinien, Kolumbien, Panama und Guyana) erhalten
  • die Versorgung der Truppen, logistische und medizinische Unterstützung von Panama aus organisieren
  • guten Gebrauch von allem machen, was die elektronische und geheimdienstliche Überwachung erlaubt
  • Krankenhäuser und Lager im Darién (im panamaischen Dschungel) bereitstellen
  • die Drohnenausrüstung des Plans Columbia ausnutzen
  • die Terrains der ehemaligen Stützpunkte von Howard und Albroock (Panama) und die im Besitz von Rio Hato befindlichen verwenden
  • und das für Katastrophen-Situationen und humanitäre Notlagen entwickelte Regionalzentrum der Vereinten Nationen benutzen, das eine Landebahn und eigene Läden besitzt."

Es handelt sich offensichtlich um ein Interventionszenario, das "die Stationierung von Flugzeugen und Kampfhubschraubern, gepanzerten Fahrzeugen, Geheimdienststützpunkten und einer militärischen Logistik-Einheit (Polizei, Militärs und Gefängnisse)" vorsieht. Man solle "die Militäroperation unter internationaler Flagge laufen lassen, mit der Zustimmung der Konferenz der lateinamerikanischen Armeen, unter dem Schutz und der Aufsicht der OAS und deren Generalsekretär Luis Almagro".

Es gehe ferner darum, "Brasilien, Argentinien, Kolumbien und Panama zu vereinen, damit sie dazu beitragen, die Truppen zu verstärken"; ihre geographische Nähe und ihre Erfahrungen mit Operationen in bewaldeten Gebieten und im Dschungel müßten genutzt werden. "Die internationale Seite wird durch die Anwesenheit von Kampfeinheiten der Vereinigten Staaten und den bereits genannten Nationen gestärkt werden - unter dem Generalkommando der vereinten Stabschefs, die von den Vereinigten Staaten geführt werden."

Es ist erstaunlich, wie unverfroren das alles im verborgenen vorbereitet wird, in absoluter Illegalität und im Schutz der jüngsten Manöver der Vereinigten Staaten an der Grenze zwischen Brasilien und Venezuela, Peru und Kolumbien. Panamaische Einrichtungen sollen für die Nachhut und die Anlagen von Argentinien zur Sicherung seiner Häfen und der maritimen Positionen verwendet werden.

Das Dokument empfiehlt außerdem, "die internationale Beteiligung an diesen Bemühungen im Rahmen der multilateralen Operation mit Beiträgen von Staaten, nichtstaatlichen Organisationen und internationalen Gremien zu fördern und eine angemessene Logistik, Aufklärung, Unterstützung und vor allem die wertvollsten Punkte in Aruba bereitzustellen: Puerto Carreño, Inirida, Maicao, Barranquilla und Sincelejo in Kolumbien sowie Roraima, Manaus und Boavista in Brasilien" - eine unglaubliche Karte einer angekündigten kriegerischen Intervention!

Wichtig sei, "die allgegenwärtige Chavez-Symbolik, seine Vertreter und die Unterstützung des Volkes zum Schweigen zu bringen", während man weiterhin den Diktator unter Druck setzt "als den allein Verantwortlichen für die Krise, in die er die Nation gestürzt hat". Gleiches gelte für seine engsten Mitarbeiter, die man wegen der Krise und der Unmöglichkeit, aus ihr herauszukommen, anklagen müsse.

In einem anderen Absatz w ird dazu aufgerufen, "die Unzufriedenheit mit dem Regime von Maduro zu intensivieren [...], die Inkompetenz der durch die Regime von Kuba und Venezuela in Kraft gesetzten Integrationsmechanismen - vor allem ALBA (Bolivarischer Völkerbund unseres Amerikas) und Petrocaribe - hervorzuheben".

Was die Medien betrifft, orientiert der Plan auf die Verbreitung von fabrizierten Meldungen, Zeugenaussagen und Publikationen des Landes durch die Benutzung aller Veröffentlichungsmöglichkeiten, einschließlich der "sozialen" Netzwerke, um die Notwendigkeit zu unterstreichen, daß der Situation ein Ende gesetzt werden müsse, "weil sie im wesentlichen unhaltbar ist".

In einem der letzten Absätze des Dokuments ist die Rede davon, man müsse besonders auf die Anwendung gewaltsamer Methoden durch die "Diktatur" verweisen, um so die internationale Unterstützung zu bekommen, unter Nutzung "aller Möglichkeiten der psychologischen Kriegsführung der US-Armee".

Und weiter: "Die Vereinigten Staaten müssen auf interner Ebene jene amerikanischen Staaten unterstützen, die sie unterstützen, das Image dieser Staaten und die multilaterale Ordnung der Institutionen des interamerikanischen Systems als Instrumente zur Lösung regionaler Probleme aufwerten und die Idee der Entsendung von UN-Truppen fördern, um den Frieden zu erzwingen, wenn die korrupte Diktatur von Nicolás Maduro überwunden sein wird."

Stella Calloni
(Red. gekürzt; Übersetzung: H. Frohlich / W. M.)

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Mlynár, Gorbatschow und das Polit-Puzzle

Die 1968 vor allem im Westen bekannt gewordenen Protagonisten des sogenannten Prager Frühlings Ota Sik, Eduard Goldstúcker, Pavel Kohout, Jirí Pelikan, Zdenek Hejzlar, Karel Kaplan, um nur die Spitze des Eisberges namentlich zu nennen, spielten allesamt bis zum August 1968 und danach in der Emigration mit gezinkten Karten und gaben aus taktischen Gründen ihre wahren Intentionen mehr oder weniger verdeckt zu erkennen. Die Trümpfe spielten sie gezielt und koordiniert dann aus, wenn es ihnen für das Anheizen der politischen Lage im Lande opportun erschien. Die markantesten Beispiele sind das seit Februar fertig vorliegende, aber erst im April verkündete Aktionsprogramm der KPTsch, die medialen Aktivitäten von Pavel Kohout im Mai sowie das von der Führung der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften initiierte und dem Schriftsteller Ludvik Vaculik (im Juni 1968) formulierte konterrevolutionäre Pamphlet "2000 Worte", das in der für eine Literaturzeitschrift gigantischen Tagesauflage von 300.000 Expemplaren und in allen inzwischen oppositionellen Blättern zeitgleich an einem Tage im Juni - nachdem am Vortage die Pressezensur abgeschafft worden war - veröffentlicht wurde.

Zdenek Mlynář, Gorbatschows Studienfreund aus den 50er Jahren und Zimmerkollege seit 1950 im Wohnheim der Juristischen Fakultät der Lomonossow-Universität Moskau, war in der sozialistischen Tschechoslowakei der Spiritus rector eines Konzepts von der Transformation des sozialistischen Gesellschaftssystems in eine parlamentarische Demokratie westlichen Typs, das während des "Prager Frühlings" in die gesellschaftliche Praxis überführt werden sollte. Nach eigenem Bekunden hatte er sich im Institut für Staat und Recht der Akademie der Wissenschaften auch mit seiner Dissertation über Machiavelli (1469-1527) aus dem Herrschaftswissen des Florentiners nötiges Rüstzeug dafür angeeignet.

Zdenek Mlynář hielt sich seit Anfang der 60er Jahre, als er seine staatsrechtlichen Studien an der Akademie der Wissenschaften begann und später im zentralen Parteiapparat der KPTsch fortsetzte, mit seinen Ergebnisse bedeckt. Man könnte sein Vorgehen mit einem Puzzlespiel politischen Inhalts, das Anfang der 60er Jahre begann und 1995 endete, vergleichen. 1983 und 1984 hatten sich Michail Gorbatschow und Zdenek Mlynář wiedergefunden, um in mehreren Gesprächsrunden in Wien, Moskau und Prag Bilanz über Ergebnisse ihres politischen Wirkens zu ziehen. Aus den mitgeschnittenen Gesprächsprotokollen wählten sie jene Passagen aus, die sie aus ihrer Sicht für erhaltenswert für die Nachwelt hielten. Diese 1995 in Prag erschienene Publikation mit dem etwas sperrigen Titel "Reformer pflegen nicht glücklich zu sein" wurde von den sonst so umtriebigen westlichen Zeithistorikern und Politologen nicht (oder kaum) zur Kenntnis genommen, obwohl sie von dem sattsam bekannten Harvard Funds gesponsert worden war. (Es existiert auch eine amerikanische Ausgabe dieses Titels.) Bis zu diesem Zeitpunkt stellte Mlynář hin und wieder von seinem von Karl Kreisky geförderten Arbeitsplatz in Innsbruck aus ein paar Kostproben seines politischen Puzzles zur Schau. So in seiner 1983 in Österreich verfaßten Schrift "Krisen und Krisenbewältigung im Sowjetblock".

Unter "demokratischen" Vorwänden wollte man vollendete Tatsachen schaffen, welche die Machtmechanismen des sozialistischen Staates lähmen und lahmlegen sollten, ohne dabei den Einsatz des staatlichen Gewaltmonopols zu provozieren - Konterrevolution auf Samtpfoten und von populistischer Demagogie begleitet. In einer noch bedeckten Umschreibung liest sich das bei Mlynář so: "Es handelte sich im Grunde um den Versuch, die kommunistische Partei zwar nicht dem politischen Druck auszusetzen, der sie von der Macht vertreiben könnte, aber gleichzeitig bis zu dieser Grenze den Druck auch opponierender sozialer Kräfte zuzulassen. Es handelte sich also um keine pluralistische politische Demokratie westeuropäischen Typs, aber es war gleichzeitig nicht mehr das sowjetische politische System." (Zdenek Mlynář: Krisen und Krisenbewältigung im Sowjetblock, Österreichisches Institut für Internationale Politik, Monographien 1, Köln 1983, S. 59)

Mlynář hat während seiner Tätigkeit als Leiter der Rechtskommission im ZK der KPTsch nach eigenem Bekunden jahrelang Vorarbeiten geleistet, indem er die bürgerliche staatsrechtliche Terminologie über das Schulungssystem der Partei und die einschlägigen Hochschulen in die Schulungs- und Seminarpläne lancierte. Das Dialogbuch der beiden Autoren enthält eine Reihe aufschlußreicher Aussagen, die in dieser Klarheit nirgends zu finden sind: Es werden taktische Aspekte preisgegeben, um nicht die Katze aus dem Sack lassen zu müssen und Verfolgungen zu riskieren; Mlynář mußte in Rechnung stellen, daß durchaus nicht die ganze Parteiführung der KPTsch bereit gewesen wäre, seinen Weg mitzugehen.

Im Kapitel "Politischer Pluralismus - Ziel und Mittel der 'Perestrojka'" führt Mlynář aus: "Als ich damals über den Weg zu einem pluralen System nachzudenken begann, dachte ich (...), daß ein solcher Weg nicht über die Genehmigung zur Entstehung neuer politischer Parteien begonnen werden könne, mit denen dann die KPTsch in freien Wahlen in Wettbewerb um die Macht treten würde. Ich ging dabei von der Auffassung aus, daß das keine Reform, sondern politischer Selbstmord gewesen wäre. Durch den politischen Wettbewerb verschiedener politischer Parteien infolge einer Wahl konnte eine grundsätzliche Veränderung des Systems enden, aber nicht beginnen. Wir rechneten damit, daß das erst in acht bis zehn Jahren real geschehen könnte.

Bis zu dieser Zeit wollten wir allerdings nicht passiv auf politischen Pluralismus warten, denn der war nicht nur Ziel, sondern gleichzeitig Mittel und Instrument demokratischer Reformen. In der ersten Etappe bedeutete das, alle möglichen Formen weltanschaulichen Meinungsstreits zuzulassen, verschiedenen sozialen Gruppen zu ermöglichen sich zu äußern und am politischen Entscheidungsprozeß teilzunehmen (über Interessenorganisationen, von den Gewerkschaften bis zu Organisationen der Jugend und der Frauen, über die kommunale Selbstverwaltung in Gemeinden und Regionen sowie über die Selbstverwaltung der Arbeitskollektive in den Unternehmen), die Freiheit der Meinung und der Versammlung usw. zu garantieren. Und erst danach, nachdem diese Formen des Pluralismus die angehäuften Widersprüche abgeschwächt hätten, die Gesellschaft sich daran gewöhnt hätte, in der politischen Praxis demokratisch zu handeln, d. h. für die Zeit von ungefähr zwei Legislaturperioden hielt ich es für möglich, freie Wahlen unter den herrschenden und oppositionellen politischen Parteien durchzuführen.

Bis zu diesem Zeitpunkt würden sich innerhalb der KPTsch verschiedene ideologische Strömungen, Plattformen oder Fraktionen herausbilden, und das innere Leben unterlag nicht mehr den Grundsätzen des sogenannten Demokratischen Zentralismus. Die Partei würde sich zu einem Organismus sozialdemokratischen Typs entwickeln, wäre aber eingebunden in den Rahmen des anerkannten Reformprogramms. Auch die vorhandenen, eventuell neu entstandenen nichtkommunistischen Parteien müßten politisch und organisatorisch in den Rahmen der Nationalen Front und ihres Reformprogramms eingebunden sein. Das wäre selbstverständlich eine offensichtliche Einschränkung politischen Pluralismus', es wäre kein totalitäres, sondern ein demokratisches System. Das sollte im wesentlichen die Erneuerung des Modells des politischen Systems in der Tschechoslowakei aus den Jahren 1945 bis 1948 werden." (S. 94)

Dagegen wendet Gorbatschow mit einem Anflug von Realismus ein (S. 95): "Deine Überlegungen haben zwar Logik, aber dessenungeachtet können wir nicht behaupten, daß das gerade so im Leben ablaufen könnte. Da genügt es nur, an den Sommer des Jahres 1968 zu erinnern, der schon anders war als der Frühlingsanfang. Ich bezweifle sehr, daß es Euch gelungen wäre, den Verlauf des tatsächlichen Prozesses so zu regulieren, daß sich der Pluralismus mit oppositionellen Parteien erst nach zehn Jahren durchgesetzt hätte. Nein, diese Parteien wären einfach von selbst entstanden."

Und was von beiden Autoren gar nicht erst erwähnt wird: Es wurden zehn Jahre innenpolitischer Turbulenzen in der Tschechoslowakei billigend in Kauf genommen, von deren möglichen Ausstrahlungen auf die benachbarten sozialistischen Länder mal abgesehen. Aus der Kenntnis der Schätze zeithistorischer Archive ist inzwischen bewiesen, daß die Dubček-Führung und ihre Protagonisten durchaus eine militärische Lösung im Kalkül hatten. Eine politische Auseinandersetzung mit längst offen operierenden konterrevolutionären Kräften lehnten sie ab. Es hätte die Inanspruchnahme des legitimen Gewaltmonopols bedeutet. Das jedoch war von der an der Macht befindlichen Partei- und Staatsführung damals nicht gewollt.

Zdenek Mlynář hat in seiner letzten Publikation zur Frage der Gewalt 1968 letztmalig Fraktur geredet "Wir konnten der sowjetischen Intervention zuvorkommen, wenn wir nicht versucht hätten, das System grundsätzlich zu verändern, sondern es nur bei irgendwelchen kosmetischen Korrekturen belassen hätten. Dann hätte es am ehesten keinen August 1968, aber auch keinen Prager Frühling gegeben."

Klaus Kukuk
Berlin

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NSU - Einzeltäter? Methode und Tradition

Der Feind steht links. Der erste NSU-Prozeß - Revisionen sind angekündigt - belegt das indirekt. Das Urteil vom 11. Juli kam zustande, weil der Ermittlungseifer in höheren Polizei-, Geheimdienst- und Justizkreisen nahezu erlischt, wenn es um neofaschistischen Terror geht. Es galt die Maxime, die der Anwalt der Nebenklage Mehmet Daimagüler in einem "RBB"-Interview so formulierte: "Wenn man dem Staat gefährlich nahe kam, hörte die Aufklärung auf."

"Deutschlandfunk"-Korrespondent Michael Watzke hatte nur noch Hohn übrig: "Daß ein V-Mann-Führer wie Andreas Temme, der beim Mord an Halit Yozgat in Kassel anwesend war, 'sachlich, nachvollziehbar und plausibel seine Wahrnehmungen am Tatort geschildert' habe - diese Erkenntnis hat das OLG München ziemlich exklusiv."

Zudem: Kümmert sich irgendeine "Sicherheits"behörde um die seit 1990 von Neonazis Ermordeten und Totgeschlagenen, wahrscheinlich etwa 200? Ja, man vertuscht und verschleppt intensiv.

Wo die Dinge so liegen, bedeutet das zugleich: Je wilder sich Politiker nach dem Zusammenstöße auslösenden Polizeieinsatz beim G20-Gipfel vor einem Jahr in Hamburg äußerten, desto drastischer die Urteile gegen tatsächliche oder vermeintliche Linke, desto zärtlicher der Umgang mit den von V-Leuten gepäppelten Neonazis. Das hat Methode und Tradition: Das KPD-Verbot war 1956 auch nötig, damit ein Hans Globke, der die faschistischen "Rasse"gesetze entworfen hatte, weiter im Bundeskanzleramt der höchste Beamte der BRD bleiben konnte. Leute wie Globke waren Anlaß für die Aussage des damaligen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, er betrete feindliches Ausland, wenn er sein Dienstzimmer verlasse. Ausschließlich diesem Justizaußenseiter ist zu verdanken, daß 1963 der Auschwitz-Prozeß in Frankfurt am Main beginnen konnte. Die Strafen fielen mild aus.

In dem Land, in dem kein Richter des "Volksgerichtshofes" vor Gericht gestellt wurde, galt folgerichtig in den 70ern als Staatsfeind, wer als "Sympathisant" der RAF auf eine schwarze Liste gesetzt wurde. Sympathie mit Sozialismus führte mindestens zum Berufsverbot.

Jeder Stein wurde in den RAF-Prozessen umgedreht, um das "Umfeld" aufzuklären. Seit 1990 herrscht Verfolgungswut gegen engagierte DDR-Bürger, die mit Hilfe der Strafjustiz und mit Terrorurteilen in Sozial- und Arbeitsrechtsverfahren niedergehalten wurden. Wer die DDR-Staatsführung der Strafjustiz zuführt, will Neonazis, die auf Rechnung des Verfassungsschutzes arbeiten und deren Ideologie nun im Bundestag angekommen ist, nicht ernsthaft verfolgen - Sündenböcke ausgenommen.

Einen Fritz Bauer gibt es heute nicht. "Erhalt der Nation", ein NSU-Programmpunkt, wird gesellschaftlicher Konsens. Der bürgerliche Reichskanzler Joseph Wirth erklärte nach dem Faschistenmord an Außenminister Walter Rathenau 1922, der Feind stehe rechts. Das gilt in dieser Bundesrepublik nach dem NSU-Prozeß weniger denn je.

Arnold Schölzel

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Die "Föderation demokratischer Arbeitervereine" zu den Urteilen

Zeynep Sefariye Eksi, Vorsitzende der türkisch-kurdischen "Föderation demokratischer Arbeitervereine" (DIDF), sagte zum Ausgang des Prozesses: "Das Gericht ist mit den Urteilen weit unter den geforderten Strafen geblieben. Das finden wir falsch und ein schlechtes Zeichen an die migrantische Bevölkerung in Deutschland, deren Vertrauen in den deutschen Staat tief erschüttert wurde, als Details der NSU-Morde und die Verstrickung der deutschen Polizei- und Staatsschutzbehörden darin an die Öffentlichkeit gelangten (...) Wir haben bereits seit Beginn der Prozesse wiederholt kritisiert, daß die Rolle des Verfassungsschutzes beim Aufbau, bei der Finanzierung und bei der Planung und Durchführung der Morde lückenlos aufgeklärt werden müßte, um das Vertrauen wiederzuerlangen. Jedoch hat der Prozeß mehr Fragezeichen hinterlassen als Antworten gegeben. Der Verfassungsschutz als Staatsorgan ist tiefer in die Morde verwickelt, als zugegeben wurde, massenweise sind Akten unnötig geschreddert worden, und viele sind dauerhaft unter Verschluß. Unter einer lückenlosen Aufklärung, wie das von Kanzlerin Merkel versprochen wurde, verstehen wir etwas anderes!"

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Vor 50 Jahren wurden die Notstandsgesetze beschlossen

Meine Eltern sprachen darüber. Meine Großeltern auch. Die ganze Familie, die Nachbarn und deren Familien. Wenn Krieg kommt, sollte der VW Käfer meines Vaters als Militärfahrzeug eingezogen werden, sagten sie. Wenn Krieg kommt, müßte mein Großvater an die Front (wo auch immer). Und es gebe bald Krieg, sagten sie. Da seien sie sich ganz sicher. Der schöne VW. Mein armer Opa ...

Es gab keinen Krieg damals in den 60er Jahren, mit dem Volkswagen fuhren wir noch jahrelang in Urlaub, und mein Großvater grub seinen Garten um und hob keine Schützengräben wo auch immer aus. Mittlerweile gibt es den Käfer nicht mehr, und Großvater ist schon lange tot. Die Notstandsgesetze gibt es noch. Beschlossen wurden sie in Westdeutschland vor 50 Jahren. Karl Jaspers sagte über sie, sie raubten "dem Volk die ihm verbliebenen legitimen, dann aber nicht mehr legalen Mittel des Widerstands". Was folgte, war aber erst mal Widerstand: die Studentenunruhen, die APO und letztlich die RAF. Heute schweigen viele Studenten, die APO verirrte sich beim Marsch durch die Institutionen, und die RAF ist Geschichte. Die Notstandsgesetze sind geblieben.

Vom Verteidigungsfall war die Rede, vom Spannungsfall. Regierung und letztlich der Kanzler (die Kanzlerin) sollten bei innerer oder äußerer Gefahr elementare Grundrechte suspendieren können. Ins Ermessen gestellt wurden damit: Inhaftierung ohne richterliche Haftprüfung, Aufhebung der Pressefreiheit sowie des Post- und Telefongeheimnisses, Erlaß von Notverordnungen, Stillegung der Verfassungsgerichtsbarkeit, Beschränkung der Rechtsmittel, Einberufung zu Zivildienst, Verlust des Streikrechts, allgemeine Gehorsamspflicht und Zuweisung von Aufenthaltsorten. Das empörte die Westdeutschen so sehr, daß es zum Unerhörten kam: Zum ersten und bisher einzigen Mal gingen Studenten und Professoren, Arbeiter und Angestellte, Gewerkschafter und Politiker, Kommunisten und Konservative gemeinsam auf die Barrikaden. Schüler, die das Schlimmste vor sich sahen, taten sich mit Rentnern zusammen, die das Schlimmste, das die Gesetze verhießen, gerade mal 25 Jahre hinter sich hatten.

Am 24. Juni 1968 wurde verabschiedet, was fast genau ein Jahr zuvor in Westberlin zum Tod des Studenten Benno Ohnesorg geführt hatte. Dieser Tag, der 2. Juni 1967, war die Generalprobe, die um 20.09 Uhr mit dem Kommando "Knüppel frei!" als das bis dahin größte Notstandsmanöver begann. 20 Minuten später wurde Ohnesorg von einer Polizeikugel getroffen, um 21 Uhr war er tot.

Berlins Regierender Bürgermeister Heinrich Albertz (SPD) dankte wenige Tage später der Polizei für die "geübte Zurückhaltung" bei der Demonstration gegen den Besuch von Persiens Schah Reza Pahlewi und verhängte ein generelles Demonstrationsverbot über die Stadt. Für die schwangere Witwe des Opfers fand er kein Wort des Bedauerns. Ein "Kollateralschaden" eben ... Der Weg war frei für die Notstandsgesetze.

Möglich wurden die Notstandsgesetze erst mit der ersten großen Koalition von CDU und SPD. Bundeskanzler war damals der Christdemokrat Kurt Georg Kiesinger, 1933 mit der Mitgliedsnummer 2.633.930 als Mitglied der NSDAP registriert, im Laufe seiner NS-Karriere Ansprechpartner von Joseph Goebbels und als stellvertretender Leiter der Rundfunkpolitischen Abteilung zuständig für die Überwachung und Beeinflussung sogenannter Feindsender. Sein Koalitionspartner Willy Brandt mußte miterleben, wie Kiesinger mit dem Ausruf "Ich sage nur: China, China, China!" die kommunistische Gefahr beschwor.

Als Kiesinger am 7. November 1968 auf dem CDU-Parteitag von Beate Klarsfeld wegen seiner Nazi-Vergangenheit geohrfeigt wurde, erhielt sie eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung, er jedoch blieb noch fast ein Jahr im Amt. Sein Nachfolger Brandt wollte "mehr Demokratie wagen". Doch was kam, war zunächst der Radikalenerlaß - das Berufsverbot vornehmlich für Kommunistinnen und Kommunisten im staatlichen Dienst. Sie durften ab 1972 kein Lehramt bekleiden, nicht Lokomotivführer werden und keine Post austragen. Gesinnungsschnüffelei zerstörte Existenzen, wobei es schon ausreichte, sich kritisch zu den Notstandsgesetzen verhalten zu haben. Oder im Verdacht zu stehen, die "freiheitlich-demokratische Grundordnung" - zu der auch die Notstandsgesetze gehören - nicht vorbehaltlos als unveränderbar anzuerkennen. Kommunistinnen und Kommunisten und anderen, die an der Unfehlbarkeit des bundesrepublikanischen Nachkriegswegs zweifelten, wurde immer wieder gerne empfohlen: "Geht doch nach drüben, wenn's euch hier nicht paßt!"

Und die Mehrheit nahm das hin. Seit am 31. Oktober 1962 der damalige Innenminister Hermann Höcherl (CSU) einen dem letztlich beschlossenen Notstandsgesetz sehr nahe kommenden Entwurf vorgelegt hatte, waren Einschränkungen der Freiheit, der Meinung, der Persönlichkeit mehr und mehr als normaler Bestandteil der BRD hingenommen worden. Und deshalb wurde ab den 70er Jahren auch weniger und weniger über die Notstandsgesetze, deren Einführung kurzzeitig zu einem verzweifelten Aufschrei geführt hatte, gesprochen. Sie waren da - niemand bemerkte sie, da sie offiziell nie angewandt wurden.

Aber sie wurden ausgebaut. Ebenso unbemerkt, ebenso inoffiziell. Der Ausbau macht sie überflüssig, denn der Ausbau hat das Rigide, das Perfide der Notstandsgesetze längst überholt. Es braucht keinen Verteidigungsfall, keinen Spannungsfall mehr, um die Kommunikation zu überwachen und auszuwerten. Während Nazis demonstrieren, werden Gegendemonstranten festgesetzt, selbst Aufrufe zum Widerstand gegen Faschisten werden immer wieder mit Geldund Haftstrafen geahndet. Wozu muß noch vom Verteidigungsfall geredet werden, wenn Deutschland sich doch schon seit Jahren an Kriegen beteiligt? Der Gedanke, die Bundeswehr bei Streiks einzusetzen, bei Unruhen an Fußballstadien - er löst kaum noch Empörung aus. Der Notstand hat sich eingeschlichen, wir leben in ihm, als sei er Normalität. Das ist der eigentliche Notstand, für dessen Behebung es aber kein Gesetz gibt.

Die Verabschiedung der Notstandsgesetze beendete vordergründig das, was ihre Ankündigung überhaupt erst ermöglichte. Da war der Schulterschluß zwischen Sozialistischem Deutschem Studentenbund (SDS) und Gewerkschaften möglich, da sammelten sich spontan 70.000 Menschen zu einer Demonstration in Bonn, da standen Millionen an der Seite von Kommunistinnen und Kommunisten und anderen Demokraten. Weil es um ihre Rechte, um ihre Freiheit ging. Als diese Freiheit dann hinter den Paragraphen der Notstandsgesetze stückweise verschwand, regte das nicht zu mehr Widerstand an, sondern führte zu Resignation, zu Wut und Zersplitterung. Die Solidarität hatte verloren, niedergeknüppelt von denen, die politisch und wirtschaftlich die Stärkeren waren.

Das hat Tradition in Deutschland. Am 30. Januar 1933 vereidigte Reichspräsident Paul von Hindenburg den Faschisten Adolf Hitler als Reichskanzler und sanktionierte damit dessen Machtübernahme. Genau vier Wochen später unterzeichnete der greise Militarist die Verordnung "zum Schutze von Volk und Staat", mit der die Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt wurden - "zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung". Hatte Hitler gesagt, die Verfassung schreibe ihm und den Seinen "nur die Methoden vor, nicht aber das Ziel", war es bei den Notstandsgesetzen drei Jahrzehnte später umgekehrt. Sie manifestieren die Methoden, mit denen die "freiheitlich-demokratische Grundordnung" als Ziel gewahrt bleiben soll. Daß diese Grundordnung nichts anderes ist als Stärkung und Ausbau des Kapitalismus, steht nirgendwo - es soll als selbstverständlich erscheinen. So selbstverständlich, daß kaum noch etwas hinterfragt wird in diesem Land. Auch nach 1933 wurde nichts mehr hinterfragt - und wenn, dann heimlich. Menschenrechtsnotstand!

Was könnte, was sollte hinterfragt werden? Warum Privatsphäre und Meinungsfreiheit plötzlich nichts mehr wert sein sollen, zum Beispiel. Was die Bundeswehr (gegründet als Verteidigungsarmee und inzwischen wieder in vielen Ländern der Welt im Einsatz) im Inland mit Ruhe und Ordnung zu tun haben soll, zum Beispiel. Und vor allem: Wie muß konkret die Situation aussehen, in der diese Gesetze angewandt werden?

Aber Formulierungen, die nebulös bleiben, werden nicht hinterfragt. Nicht zuletzt aus Angst, eine konkrete Erläuterung hören zu müssen. Was sind "organisierte und militärisch bewaffnete Aufständische"? Sind das Wehrsportgruppen mit Waffenlagern? War es die RAF? Ist es die organisierte Kriminalität? Darüber schweigt das Gesetz. Damit die Bevölkerung weiterhin schweigt?

Ebenso nicht die Rede ist von anderen Bedrohungen der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung". Es ist weder freiheitlich noch demokratisch, Antifaschistinnen und Antifaschisten erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn sie sich Nazis in den Weg stellen. Es widerspricht sowohl Freiheit als auch Demokratie, wenn die von Ex-Familienministerin Kristina Schröder (CDU) eingeführte "Extremismusklausel" angewandt wird, obwohl sie 2012 vom Dresdner Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt wurde. Wer entscheidet, was extrem ist? Jemand, der Kommunistinnen und Kommunisten mit Faschisten gleichsetzt, indem er beide willkürlich als gleich extremistisch bezeichnet? Davon ist, wie gesagt, keine Rede. Erklärungsnotstand!

Die Notstandsgesetze, so wie sie bestehen, werden nicht umgesetzt. Aber ihr Geist wird nicht nur zur Handlungsgrundlage der Herrschenden und ihrer Helfer gemacht, sondern extrem verschärft. Kommunistinnen und Kommunisten werden beobachtet - und mit ihnen Ungezählte aus ihrem Umfeld. Widerstand gegen soziale Ungerechtigkeit wird als nicht verfassungskonform niedergemacht. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm wurde 2007 die Bundeswehr im Inland eingesetzt, Aufklärungs-Tornados donnerten in weniger als 150 Metern Höhe an einem Demonstranten-Zeltlager vorbei, neun Fennek-Panzerspähwagen fuhren auf. Notstand?

Wollte und will man vorsorgen für den Fall, daß die sozialen Verhältnisse zu Widerstand führen? Ein Staat, der Notstandsgesetze wie am Fließband produziert - die Gesetze beginnen alle mit "Zur Sicherstellung von ...", und dann folgen Telekommunikation, Postwesen oder sogar "Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs" - dieser Staat mißtraut seinen Bürgern. Weil er weiß, daß irgendwann auffällt, wie er den kapitalistischen Bogen überspannt? Nach Annahme der Notstandsgesetze 1968 wollte Franz Josef Strauß den "Großraum Europa" schaffen, indem er den Status quo vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer zugunsten des kapitalistischen Westens zu verändern beabsichtigte. Für diejenigen, die sich dem entgegenstellten, fand sich immer ein Gesetz, mit dem sie stumm gemacht werden konnten. Die Notstandsgesetze waren nur die Bündelung dieser Disziplinierungskeulen.

Es war und ist die Aufgabe von Kommunistinnen und Kommunisten, die bestehenden Verhältnisse zu verändern. Sie zu hinterfragen, sie dialektisch zu analysieren und Alternativen zu prüfen. Die Notstandsgesetze sind nicht nur Teil der bestehenden Verhältnisse, sie sind Fundament und Bollwerk des Kapitals und der Herrschenden. Wer sie liest, wird feststellen: Es gibt Verhältnisse, die durch sie gesichert werden sollen, und es gibt Menschen, Vorgänge, Gesellschaftsmodelle, die diese bestehenden Verhältnisse gefährden. Was wir von den bestehenden Verhältnissen zu halten haben, ergibt sich aus den Umständen, in denen die Menschen leben. Als Arbeitsameisen, als Bittsteller, als ausgegrenzte Mehrheit in einer Welt, die von einer Minderheit zum Wohlgefallen Weniger gestaltet und verteidigt wird.

Wohin die 1933 unterzeichnete Verordnung "zum Schutze von Volk und Staat" geführt hat, wissen wir. Wohin die 1962 gezeugten und 1968 geborenen Notstandsgesetze und deren Paragraphen-Kinder und -Enkel geführt haben, wissen wir auch. Nach rechts. In Verhältnisse, in denen die Genehmigung eines Nazi-Aufmarschs schwerer wiegt als Widerstand gegen Faschisten. In denen der Kapitalismus immer hungriger nach immer mehr Kapital schreit und diejenigen, die sich dem widersetzen oder die ganz einfach nicht mehr können, mit Hartz-IV-Gesetz und Ausgrenzung aus der gesellschaftlichen Teilhabe erpreßt werden. Zuerst wird die Solidarität im engsten Umfeld zerstört, dann folgt die Zerschlagung internationaler Solidarität. Der Kapitalismus will sein Versagen vertuschen, indem er mit Notstandsgesetzen vorgaukelt, daß, wer ihn infrage stellt, die gesamte Gesellschaft infrage stellt, und eben dies durch Gesetze verhindert werden soll. Dabei ist es umgekehrt: Die Notstandsgesetze stellen die Gesellschaft infrage. Sie wandten und wenden sich gegen etwas, das u. a. durch ihre Einführung erst entstand: Widerstand.

Ein wirkliches Notstandsgesetz würde die Menschen schützen, nicht das Kapital.

Notstand ist für immer mehr Menschen, wie sie ihr Leben fristen im Kapitalismus. Notstand ist gegeben, wenn einzelne immer reicher werden durch die Arbeit vieler, die immer ärmer werden. Notstand bedeutet, daß etwas nicht stimmt im System. Der Kapitalismus stimmt nicht - wir leben im Notstand. Um diesen Notstand zu beheben, brauchen wir keine Gesetze. Sondern eine Alternative: den Sozialismus.

Harald W. Jürgensonn
Neukirchen

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Polizeigesetzgebung der Bundesländer - Stand: Juli 2018

Am 27. April 2017 verabschiedete der Bundestag ein damals zu wenig beachtetes neues BKA-Gesetz. Jetzt ziehen die Länder nach. Das einzig Positive an dieser Entwicklung: Erstmals seit Jahrzehnten regt sich breiterer Widerstand. 40.000 demonstrierten am 10. Mai gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz, 20.000 gingen am 7. Juli gegen das nordrhein-westfälische Polizeigesetz auf die Straße ...

Baden-Württemberg: verabschiedet am 15.11.2017 (LT-Drs. [Landtags-Drucksache] 16/3011 v. 15.11.2017): Aufenthaltsanordnung, Kontaktverbot und EAÜ (elektronische Aufenthaltsüberwachung / Fußfessel); TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) samt Quellen-TKÜ; "intelligente" Videoüberwachung; Explosivmittel

Bayern: Gefährderüberwachungsgesetz, verabschiedet am 24.7.2017 (LT-Drs. 17/16299 v. 4.4.2017); weitere PAG-Novelle, verabschiedet am 15.5.2018 (LT-Drs. 17/20425 v. 30.1.2018): Aufenthaltsanordnung, Kontaktverbot, EAÜ und Präventivhaft; Anpassung an BKAG-Urteil; Quellen-TKÜ, Online-Durchsuchung; weiterer Ausbau von Überwachungsbefugnissen; Explosivmittel

Berlin: angeblich in Planung, aber Differenzen in der rot-rot-grünen Koalition

Brandenburg: Entwurf noch nicht öffentlich; geplant: Aufenthaltsanordnung, Kontaktverbot, EAÜ und Präventivhaft; Anpassung an BKAG-Urteil; Quellen-TKÜ, Online-Durchsuchung; Ausbau von Überwachungsbefugnissen; Explosivmittel

Bremen: Entwurf des Innensenats v. 15.12.2017, vorerst zurückgezogen

Hamburg: geplant

Hessen: verabschiedet am 21.6.2018 (LT-Drs. 19/6527 neu v. 13.6.2018, Art. 3): Anpassung an BKAG-Urteil; Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung; Aufenthaltsanordnung, Kontaktverbot und EAÜ

Mecklenburg-Vorpommern: verabschiedet am 14.3.2018 (LT-Drs. 7/1320 v. 7.12.2017): Aufenthaltsanordnung, Kontaktverbot und EAÜ; Body-Cams

Niedersachsen: nEtwurf (LT-Drs. 18/850 v. 8.5.2018): Aufenthaltsanordnung, Kontaktverbot, EAÜ und Präventivhaft; Anpassung an BKAG-Urteil; Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung; Meldeauflagen; Body-Cams

Nordrhein-Westfalen: Entwurf (LT-Drs. 17/2351 v. 11.4.2018): Aufenthaltsanordnung, EAÜ und Präventivhaft; TKÜ samt Quellen-TKÜ; Ausweitung der Videoüberwachung; Taser; Schleierfahndung

Rheinland-Pfalz: verabschiedet am 21.6.2017 (LT-Drs. 17/2895 v. 26.4.2017): Anpassung an BKAG-Urteil; Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung; Body-Cams

Saarland: Entwurf wird demnächst erwartet

Sachsen: Referentenentwurf v. 10.4.2018: Aufenthaltsanordnung, Kontaktverbot und EAÜ; Anpassung an BKAG-Urteil; Meldeauflagen; TKÜ; "intelligente" Videoüberwachung; besondere Waffen und Explosivmittel

Sachsen-Anhalt: Entwurf (LT-Drs. 7/2402 v. 29.1.2018) in der Ausschußberatung: Aufenthaltsanordnung und EAÜ; Meldeauflagen

Schleswig-Holstein: Gesetz soll noch 2018 geändert werden, bisher kein Entwurf

Thüringen: keine Änderung beabsichtigt

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Die AfD ist eine Kriegspartei
"Ja zur hemmungslosen Aufrüstungspolitik"

Unverzichtbarer Bestandteil der aggressiven Politik der NATO ist das Ziel, daß alle Mitgliedsländer der NATO bis spätestens 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung ausgeben. Dies würde für Deutschland nach einer Untersuchung der Stiftung Wissenschaft und Politik bis 2024 circa 80 Milliarden bedeuten, für die NATO angesichts des wahnsinnigen Aufrüstungskurses - besonders der USA unter Präsident Trump - mehr als eine Billion. Die sozialen Auswirkungen wären verheerend. Weitere Aggressionen gegen Rußland hätten eine starke materielle rüstungsintensive Basis, ein großer Krieg wäre nicht auszuschließen.

Die AfD unterstützt programmatisch und durch ihr Abstimmungsverhalten diese Politik, ja sie ist gar nicht so weit von Trump entfernt, der die Zahl vier Prozent des BIP für Rüstung in die Diskussion gebracht hat.

Die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel forderte am 5. Juli 2017: "Deutschland muß deutlich mehr investieren in die Landesverteidigung. Und wir müssen unseren internationalen Verpflichtungen nachkommen, beispielsweise mindestens zwei Prozent unseres Bruttoinlandprodukts jährlich in die Verteidigung zu investieren."

Der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Rüdiger Lucassen forderte am 15. Mai eine Steigerung auf 70 Milliarden Euro bis 2025. Die AfD steht damit in prinzipieller Opposition zu dem Aufruf der Friedensbewegung "Abrüsten statt aufrüsten!", der bisher schon über 70.000 Unterzeichner fand.

"Ja zu einer angriffsfähigen, aufgerüsteten Bundeswehr"

Wir erleben zur Zeit die stärkste Aufrüstung der Bundeswehr seit ihrer Gründung in den 50er Jahren. Sie wird mit modernsten Waffen für Interventionskriege und zum weiteren "Vormarsch nach Osten" aus- und umgerüstet. Die europäische Militarisierung und die Schaffung eines eigenen deutschen/europäischen militärisch-industriellen Komplexes (MIK) ist Regierungspolitik. Dies findet die uneingeschränkte Unterstützung der AfD. Ja, ihr geht dieser Aufrüstungskurs nicht schnell und konsequent genug voran. Immer wieder plädiert sie für eine "starke Bundeswehr". Im Leitantrag an den AfD-Parteitag 2015 wurde formuliert: Die Bundeswehr "muß eine gründliche, kriegs- und einsatzorientierte Ausbildung ermöglichen".

Im Wahlprogramm 2017 zur Außen- und Sicherheitspolitik ist die Stärkung der Bundeswehr programmatisch festgeschrieben. "Die AfD fordert die Rückkehr der Streitkräfte zur Einsatzbereitschaft. [...] Die deutschen Streitkräfte sind so zu reformieren, daß deren Einsatzbereitschaft auch bei Einsätzen mit höchster Intensität gewährleistet ist. Dazu sind umfangreiche strukturelle, personelle und materielle Veränderungen unabdingbar."

In logischer Konsequenz fordert die AfD die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, die undemokratische Zwangsverpflichtung junger Menschen zum Kriegsdienst. Nur in Ausnahmefällen soll Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen möglich sein. Ihr verteidigungspolitischer Sprecher Rüdiger Lucassen spricht sich für die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht und für die Aufstellung eines Reservistenkorps nach dem Vorbild der amerikanischen Nationalgarde aus, das auch im Rahmen der Amtshilfe im Inland eingesetzt werden kann. Die logische Konsequenz dieser Politik der inneren Militarisierung ist die demokratiefeindliche und gegen Streiks und Proteste gerichtete Forderung nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren, so unter anderem in einer kleinen Anfrage der Fraktion vom 16. Mai.

"Die Bundeswehr soll wieder Schule der Nation werden."

"Der Auftrag der Bundeswehr ist Verpflichtung für jeden Staatsbürger", heißt es im Programm der AfD, "die Bevölkerung soll sich mit 'ihren Soldaten' und 'ihrer Bundeswehr' identifizieren, das Bewußtsein für die wehrhafte Demokratie wiederbelebt werden". Die AfD unterstützt deshalb auch die Bundeswehrwerbung an Schulen und Bildungseinrichtungen.

Diese begeisternde Zustimmung zu einer Bundeswehr ohne "Weichlinge" und "Weicheier" (AfD-Formulierungen) läßt sich unschwer auch mit dem Personal der AfD erklären. Führende Vertreter kommen aus der Bundeswehr oder dem MIK. Hier eine unvollständige Zusammenstellung ihrer Mitglieder im Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages:

  • Berengar Elsner von Gronow: Reserveoffizier der Marine; hat 2015 ein NSDAP-Gedicht über gefallene Wehrmachtssoldaten auf Facebook geteilt
  • Jens Kestner: ehemaliger Oberfeldwebel
  • Hans-Rüdiger Lucassen: ehemaliger Oberst im Generalstab, jetzt Geschäftsführer eines Rüstungsberatungsunternehmens, das unter anderem Geschäfte mit Saudi-Arabien macht
  • Ralf Nolte: ehemaliger Berufssoldat; Nähe zu rechtsextremer Szene
  • Gerold Otten: Major a. D., "Eurofighter Sales Director" bei "Airbus Defence and Space"
"Ja zur Rüstungsforschung"

Die Erhöhung des Wehretats allein reicht der AfD nicht, sie fordert noch mehr finanzielle Mittel zur Förderung der deutschen Rüstungsindustrie, um die "wehrtechnischen Fähigkeiten" zu entwickeln, "um in Schlüsseltechnologien unabhängig zu bleiben, mit der Weltspitze Schritt zu halten". Anträge für ein Verbot von Rüstungsexporten und eine Beschränkung auf konventionelle Rüstung wurden abgelehnt. Die AfD will dagegen die Rüstungsforschung an Hochschulen und Forschungseinrichtungen intensivieren. In einem Flugblatt der "Jungen Alternative - Hochschulgruppe Kassel" heißt es: "Die Forschungen der Rüstungsindustrie von heute stellen die Schlüsseltechnologien von morgen dar. Genaugenommen kann man das Militär und die Rüstungsindustrie auch als Technologiemotor Nummer 1 bezeichnen. Einem Verbot von Forschungsprojekten, deren Entwicklungen letztendlich auch in der Rüstungsindustrie Anwendung finden, ist deshalb eine klare Absage zu erteilen. Deshalb sprechen wir uns ausdrücklich gegen die Zivilklausel an der Universität Kassel aus."

"Ja zu Killerdrohnen für die Bundeswehr"

Drohnen töten vor allem Zivilisten, sie sind völkerrechtswidrig und kostenintensiv. Die Anschaffung der bewaffnungsfähigen Drohnen für Deutschland kostet circa eine Milliarde Euro.

Die AfD-Fraktion verwies in der Bundestagsdebatte am 14. Juni darauf, daß es eine dringende Notwendigkeit für die Beschaffung bewaffneter Drohnen gäbe. Diese Hochwerttechnologie sei für die Erstellung des Luft-/Lagebildes erforderlich. Aus Sicht der AfD-Fraktion bestehe keine andere völkerrechtliche Einordnung im Vergleich zu bewaffneten Kampfflugzeugen. Zudem könnten durch den Einsatz einer Drohne Kollateralschäden reduziert werden. Georg Pazderski, Berliner AfDLandesvorsitzender, Oberst a. D. und Mitglied des Deutschen Bundestages, forderte schon im April, es sollten - und zwar so schnell wie möglich - bewaffnete Drohnen angeschafft werden.

"Ja zu Auslandseinsätzen"

Die deutsche Beteiligung an Interventionskriegen ist ein Kennzeichen der neuen imperialen Außenpolitik des wiedervereinigten Deutschlands. Niemals Menschenrechte, immer aber ökonomische und geopolitische Interessen standen und stehen hinter diesen völkerrechtswidrigen Kriegsbeteiligungen.

Die AfD lehnt diese nicht grundsätzlich ab. Sie stimmt Einsätzen der Bundeswehr im Ausland im Parlament zu. Variables Kriterium für diese Entscheidung sind sogenannte deutsche Interessen. Diese definiert die AfD voluntaristisch für sich entsprechend politischem Gusto.

Ihr verteidigungspolitischer Sprecher Rüdiger Lucassen befürwortet Auslandseinsätze, "wenn sie den deutschen sicherheitspolitischen Interessen dienen". So stimmte die AfD im Deutschen Bundestag laut den Abstimmungsprotokollen unter anderem den Militäreinsätzen der NATO im Mittelmeer sowie in Somalia, Südsudan und Dafur zu.

In der Logik der nationalen Aufrüstungspolitik forderte Rüdiger Lucassen am 28. Juni im Bundestag, daß Deutschland die verteidigungs- und militärpolitische Führungsmacht in Europa sein müsse.

Die Militarisierung Europas - solange sie unter deutscher Hegemonie stattfindet (was mehr als Realität ist) - findet die Sympathie und Unterstützung der AfD.

Es riecht nach der alten NPD-Formel "Kein deutsches Blut für fremde Interessen", wohl aber für deutsche und europäische Profitinteressen. Die AfD ist nicht gegen die Institution Krieg, sondern promilitaristisch, die AfD will einen Militarismus in "alter Tradition": Preußens, des kaiserlichen Deutschlands, der Reichswehr. Die historischen Konsequenzen dieses speziell deutschen Militarismus sind bekannt. Krieg ist für die AfD prinzipiell eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.

NATO-Kritik ist abgeschafft

Die AfD trägt das zentrale Anliegen der NATO, die Erhöhung der Rüstungsetats auf zwei Prozent, aktiv mit. Sie unterstützt aber die NATO noch mehr und aktiver. Anträge gegen die NATO wurden auf Parteitagen mehrfach abgelehnt. "Die NATO gehört zu Deutschland", heißt es im Parteiprogramm der AfD. "AfD-Stellvertreter Alexander Gauland hält die Rufe einiger Parteifreunde nach einem Austritt aus der NATO für einen Irrweg. Die deutsche Mitgliedschaft im Verteidigungsbündnis sei unverzichtbar - auch damit bei den europäischen Nachbarn in bezug auf Deutschland kein 'Gefühl von Bedrohung' entstehe, sagte Gauland" (FAZ vom 10.7.) Deutlicher kann das stärkste Militärbündnis nicht akzeptiert werden.

Rußland-Unterstützung ist unglaubwürdig

"Freundschaft mit Rußland" tönt es aus der AfD. Diese AfD-Programmatik ist unglaubwürdig und heuchlerisch. Wer Freundschaft mit Rußland will, muß sich jeder Aufrüstung der Bundeswehr widersetzen, jede Ausweitung der NATO ablehnen, die Stationierung deutscher Truppen an der russischen Grenze abwenden.

Alles dieses tut die AfD nicht. Sie versucht sich nur an eine Stimmung in der Bevölkerung anzubiedern, die mit übergroßer Mehrheit Freundschaft mit Rußland will, und diese Stimmung möglichst auf ihre militaristischen Mühlen zu lenken. Wer Nationalismus, Chauvinismus und Rassismus propagiert, kann keine Freundschaft mit Rußland wollen. Diese basiert auf Partnerschaft und gegenseitiger Akzeptanz, auf Anerkennung des anderen als mir gleich und mit gleichen Interessen und Forderungen. Alles dies widerspricht der deutschen Überhöhung, die die AfD propagiert. Der Rassismus macht eine "Freundschaft mit Rußland" unmöglich, es bleibt bestenfalls eine politische Kumpanei reaktionärer Kräfte.

Wie die AfD auf der einen Seite "für Rußland" und auf der anderen Seite "für die NATO" sein kann, ist ein Geheimnis - oder eine bewußte Täuschung vieler Menschen, die wirklich freundschaftliche Beziehungen zu Rußland wollen.

Die Bedrohungslüge der AfD

Die größte Bedrohung sieht die AfD durch den "internationalen islamischen Terror", der mit "allen zur Verfügung stehenden legalen Mitteln" bekämpft werden müsse. Sie schürt die Angst vor dem Verlust einer von ihr definierten deutschen Identität. Der völkische Rassismus wird bei der AfD ersetzt durch die These der kulturellen Unvereinbarkeit der Völker. "Importierte kulturelle Strömungen" betrachtet die AfD "als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit". Sie fordert daher, "die deutsche kulturelle Identität als Leitkultur" selbstbewußt zu verteidigen, dafür soll Deutschland aufgerüstet werden, technisch und ideologisch.

Fazit

Die AfD ist programmatisch und politisch eine Aufrüstungs- und Kriegspartei. Getrieben wird sie von einem Nationalismus und von völkischem Gedankengut, nach dem erneut "am deutschen Wesen die Welt genesen soll". Dieser Nationalismus, der so viel Unheil hervorgebracht hat und mitverantwortlich ist für die größten deutschen politischen Verbrechen, soll erneuert, mehrheitsfähig und politikfähig gemacht werden. Dazu bedarf es auch einer starken, kriegsfähigen und kriegswilligen Armee und einer entsprechend aufgehetzten Bevölkerung. Nationalismus beinhaltet zwangsläufig die Institution Krieg und schürt Feindbilder zur Rechtfertigung. Nationalismus und Rassismus haben ein ausschließendes Element, das zu Ausgrenzung, Haß und in der Konsequenz zu Krieg führt.

Die AfD unterscheidet sich in ihren kriegsbefürwortenden Positionen nicht von den inhaltlichen Positionen, der von ihr "Systemparteien" genannten Parteien. Allein die Partei Die Linke steht in Programmatik und Praxis diesen Positionen unvereinbar gegenüber. Sie hat jegliche Aufrüstungsmaßnahmen und Kriegseinsätze im Deutschen Bundestag konsequent abgelehnt. Die AfD hingegen ist eine Ergänzung der Parteien, die Kriege befürworten, sie erweitert die schon bestehende "große Militarismus-Koalition" in Berlin. Sie ist System!

Die AfD paßt sich sogar durch die Unterstützung der NATO in das historisch gewachsene, konstitutive Verhältnis deutscher transatlantischer Regierungspolitik an und ein.

Die AfD hat auch wegen ihrer Rüstungs- und Kriegspolitik nichts mit der Friedensbewegung zu tun. Sie kann deshalb auch nicht - wie manchmal zu hören oder zu lesen ist - in und von der Friedensbewegung ausgegrenzt werden.

Die AfD ist für Krieg und Aufrüstung. Das ist die prinzipiell andere Seite zur Friedensbewegung. Programmatische Inhalte der Friedensbewegung und die inhaltlichen Positionen der AfD stehen sich wie Feuer und Wasser gegenüber. Das bedeutet nicht, daß Mitglieder auch dieser Partei einzelne friedenspolitische Absichten und Vorstellungen verfolgen können. Sie stehen ggf. aber im Widerspruch zur Programmatik und Praxis der AfD.

Reiner Braun
Berlin


R. Braun ist stellv. Vorsitzender der Naturwissenschaftlerinitiative "Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit", Co-Präsident des "Internationalen Friedensbüros" (IPB), engagiert in den Kampagnen "Abrüsten statt aufrüsten!" und "Stopp Air Base Ramstein!"

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Der Leipziger Parteitag der PDL - eine Nachlese

Der Parteitag fand statt vor dem Hintergrund eines galoppierenden Rechtsrucks als Reaktion auf die zunehmend außer Kontrolle geratene weltweite Krise des Kapitalismus. Es war spürbar, daß man Wege sucht, Wählerverlusten und schwindenden parlamentarischen Einflußmöglichkeiten zu begegnen. In Europa zerfallen opportunistische sozialdemokratische Parteien. In Frankreich versuchen Jean-Luc Mélenchon, die "Linksfront" und die CGT, diejenigen zu sammeln, die noch auf linke Alternativen zum demagogischen eurozentrischen Macronismus setzen. In Portugal und Spanien gibt es ähnliche Ansätze. In der Türkei erreichte ein völlig gemischtes Oppositionsbündnis gegen die AKP trotz Kriegsrecht fast die Hälfte der Wähler. Und in Deutschland empfahl Oskar Lafontaine eine breitere Öffnung als "Sammelbewegung" oder gar "Volkspartei". Es sei daran erinnert, daß sich Katja Kipping am 9. Mai mit Jeremy Corbyn traf: "Wir haben darüber gesprochen, wie progressive Parteien innerhalb und außerhalb der EU zusammenarbeiten können, um Austeritätspolitik und Privatisierungen zu beenden und Frieden weltweit zu fordern." Daß die in prinzipiellen und nationalen Gegensätzen gespaltene "Europäische Linke" sich für die Europawahlen zugkräftig und progressiv aufstellen könnte, darf bezweifelt werden. Ein Thema der Basisdebatte des Leipziger Parteitags waren Bündnismöglichkeiten. "Partei in Bewegung" wurde auch als Anstoß zur verstärkten Annäherung und Kooperation mit Bürgerbewegungen interpretiert. Dabei gab es terminologische Mißverständnisse: Die Partei Die Linke (PDL) als "Teil", "Sprachrohr" oder "Bündnispartner" fortschrittlicher Bewegungen? Sie entstand 2007 als Zusammenschluß zweier Parteiorganisationen, der PDS und der WASG. Die seit 1999 fortgesetzte Kriegs- und Agenda-Politik bewirkte den Übertritt zahlreicher empörter Mitglieder der SPD und der Grünen. Der Erfolgstrend zog zudem auch westdeutsche "Alt-Linke" und allerlei progressive Kräfte aus nicht-marxistischen gesellschaftlichen Gruppierungen an. Doch was jetzt in Frankreich oder Spanien geschehen ist, wiederholt sich hierzulande leider nicht.

Durch Mitarbeit einzelner kompetenter Parteimitglieder in fortschrittlichen außerparlamentarischen Gruppen und Organisationen können Linke Anerkennung und Zustimmung für ihre antikapitalistischen Ziele und auch einige neue Mitglieder gewinnen. Man kann auch kompatible Teilforderungen solcher Gruppen, wie der Mieterbewegung, vertreten, ohne sich zum "programmatischen Selbstbedienungsladen" zu degradieren. Bei großen, heterogenen Sammlungsbewegungen, wie den Atomkraftgegnern, geht es darum, mit deren antikapitalistischen Formationen zu kooperieren. Von Fall zu Fall sind Aktionsbündnisse, gemeinsame Kampagnen oder zumindest Solidaritätserklärungen sogar möglich, wenn einseitige, teils exzentrische Gruppen keinen ausgesprochen reaktionären Zielen anhängen: Beispielsweise, wenn Tierrechtler wegen ihrer Enthüllungsaktionen gegen die Massentierhaltung verfolgt werden. Doch: Besonders massenwirksame populistische Parolen rechter oder neoliberaler Sammelbewegungen wie "Pegida" und "Pulse of Europe" dürfen nicht aufgegriffen werden. Wenn jetzt bürgerliche Parteien in rechtslastiger Politik ihr Heil suchen, legitimieren und fördern sie dadurch auch den Faschismus.

Die PDL ist nach ihrer Präambel und Mitgliedschaft eine fortschrittliche pluralistische Parlamentspartei mit einer in weiten Teilen antikapitalistischen Programmatik. Sozial-ökologisch, pazifistisch, feministisch, basisdemokratisch, welt wirtschaf tlich solidarisch, antifaschistisch. All das brauchen wir heute mehr denn je! Kommunistischen Ansprüchen kann sie damit nicht genügen: Ihre Fokussierung auf Parlamentsarbeit, taktische Wahlerfolge mit Koalitionsillusionen, Glauben an eine rechtsstaatliche bürgerliche Demokratie, Abgrenzung von offenen Klassenkämpfen und ihre Neigung zu experimentellen systemimmanenten Problemlösungen sind weit mehr als nur Schwächen, die außerparteiliche linke Kräfte auf Distanz halten. Aber wir sollten die PDL nicht mit einer Elle messen, die nie ihr eigener Maßstab war. Festzuhalten ist, daß sie ein wichtiger Part im beharrlichen Abwehrkampf gegen Demokratieabbau, Kriegs- und Wirtschaftsimperialismus und den gefährlichen Rechtsruck ist. Wir haben mit ihr, im Unterschied zu anderen europäischen Ländern, noch eine intakte politische Kraft, die nicht unter Aufweichung ihrer sozialistischen Komponenten einer wahltaktischen neu aufgelegten sozialdemokratischen "Partei der Mitte" geopfert werden darf. Da sie zur Zeit keine Mehrheiten hat und kein "linkes Parlamentarier-Lager" in Sicht ist, muß sie sich verstärkt außerparlamentarisch und bündnispolitisch engagieren, um mehr Druck und politischen Einfluß aufzubauen. Dafür sind aber zum Kampf gegen den globalen, europäischen und deutschen Imperialismus progressive internationalistische Allianzen und Aktivitäten nötig. Besonders wegen des Rechtstrends und des durch ihn begünstigten Faschismus. Die desolate "GUE/NGL" (Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken), von der einzelne Mitglieder Atomkraft, Grenzschließungen, Sanktionen gegen Kuba, Venezuela und Rußland oder sogar Kriegseinsätze befürwortet haben, ist dabei keine Hilfe.

Jobst-Heinrich Müller

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Von Sorgearbeit und dem kapitalistischen Markt

Bis die Ware Arbeitskraft als mehrwertproduzierender Faktor für die Kapitalistenklasse nutzbar wird, muß sie einen langen, mühsamen Weg zurücklegen, denn sie erblickt ganz klein, verletzlich, hilfsbedürftig das Licht der Welt. Sie muß behütet und versorgt werden, braucht Zuwendung, Nahrung, Liebe ... Bis schließlich der Tag kommt, an dem sie gezwungen ist, sich als Ware Arbeitskraft an einen Kapitalisten zu verkaufen. Ein ähnlicher Prozeß setzt wieder ein, wenn die Ware Arbeitskraft vernutzt ist, wenn sie nur noch Mensch, keine Ware mehr ist. Die dann notwenigen Aufwendungen haben inzwischen einen eigenen Namen, sie heißen "Care-Arbeit" oder "Sorgearbeit".

Die Sorgearbeit ist weitgehend - immer noch - eine Frauendomäne, und sie ist schwer zu rationalisieren. Geschichten erzählen kann man nicht im Schnelldurchlauf, da muß man sich Zeit nehmen. Oder das aufgeschlagene Knie kann nicht im Vorübergehen nur rasch mit einem Pflaster verklebt werden - damit es wirklich heilt, muß gepustet und getröstet werden.

Sorgearbeit ist also zeitaufwendig und findet vornehmlich im Privaten statt. Deshalb war die Losung der 68er im Westen "Das Private ist politisch" eine Kampfansage. Es ging darum, die Sorge um den Fortbestand des Menschengeschlechts aus dem Verborgenen, aus den Wohnzimmern, aus der alleinigen Verantwortung der Mutter, der Eltern herauszuholen und in die öffentliche Daseinsvorsorge zu überführen. Das konnten die 68er nur ansatzweise durchsetzen, aber sie haben dazu ein Problembewußtsein geschaffen - in erbittert geführten Kontroversen um die von ihnen angeblich angestrebte Auflösung der Familie, jener "Keimzelle des Staates" oder der gottgewollten Ordnung. Der "Schutz der Familie" ist bis heute für Konservative identitätsstiftend, für die politische Rechte auch.

Derzeit findet eine neue, eine andere Privatisierung von Sorgearbeiten statt: Sie werden zu einem kapitalistischen Markt. Das ist der Markt des Niedriglohns, ein Markt der ungeschützten Arbeitsverhältnisse, da wird nicht verdient, da wird dazuverdient, da kriegt man ein Taschengeld, von dem man nicht leben kann, da hat man keine Rechte als "Arbeitnehmer" oder "Arbeitnehmerin", da ist man ausgeliefert. Es entsteht bei uns wieder eine Dienstbotengesellschaft, nicht mehr nur paternalistisch und patriarchal, sondern durch und durch auf Profit ausgerichtet.

Da Sorgearbeiten aber schwerlich zu rationalisieren sind, kann auf diesem Markt nur Profit gemacht werden, wenn die Arbeitskräfte besonders ausgebeutet werden und wenn die Tätigkeiten nicht nach menschlichem Maß, sondern quasi im Zeittakt von Maschinen erfolgen, immer rascher, immer nach der Uhr, immer nach der vorgegebenen Norm. Das Ergebnis ist der Pflegenotstand. Die kapitalistische Form der Dienstbotengesellschaft führt zu einer Verwahrlosung statt zur Fürsorge.

Diese Verwahrlosung ist der Beginn einer Kolonialisierungskette. Die rollt selbst dann ab, wenn etwa das erwerbstätige Paar seine alte und hilfsbedürftige Mutter nicht in ein Heim gibt, das ein großer Konzern gewinnbringend mit einem hohen Anteil von Arbeitskräften aus Osteuropa oder noch entfernteren Regionen betreibt. Selbst wenn das Paar die Mutter zu sich ins Haus holt und zu ihrer Pflege zusätzlich eine Frau aus Bulgarien einstellt, die es sogar gut bezahlt, beköstigt und unterbringt, auch dann wirkt die Kolonialisierungskette. Denn die Frau aus Bulgarien läßt ihre Kinder zurück bei der Großmutter, die sie umhegt. Es gibt in Bulgarien und Rumänien schon Dörfer, in denen nur noch die Großeltern- und die Enkelgeneration leben. Bei uns, vor allem auf dem flachen Land, findet man Krankenhäuser, in denen fast ausschließlich Ärzte aus Bulgarien und Rumänien arbeiten. Dort, wo sie ausgebildet worden sind, in ihren Ländern, fehlen sie bitterlich. Wir reichen den Sorgenotstand aus den kapitalistischen Zentren weiter an die Peripherie. Je weiter die Ränder von den Zentren entfernt sind, desto bedrückender wird dort der Notstand, desto prekärer, verletzlicher das Leben der Menschen dort.

Wir erleben weiter, daß nicht mehr nur die Arbeitskraft ausgebeutet wird, zunehmend wird unser Körper zu einer Ware. Damit ist nicht nur die Prostitution gemeint, die auch. Zudem gibt es einen Sklavenmarkt, der sogar dramatisch wächst. 45 Millionen Menschen werden derzeit als Sklaven zur Arbeit gezwungen, für Sex verkauft, als Kindersoldaten zum Kriegführen gezwungen. Kinder werden gestohlen und versklavt, Sklaven-Eltern gebären Sklaven-Kinder, es entwickeln sich neue Sklavenmärkte entlang der Flüchtlingsrouten durch Afrika ans Mittelmeer. Hinzu kommt: Nicht nur im Ganzen, auch in Teilen wird der menschliche Körper zur Ware, wenn zum Beispiel aus Armut die eigene Niere verkauft wird. Körperliche Kleinstteile, Gene oder auch Sperma werden zur Ware. Körperliche Fähigkeiten werden zur Ware, so in der Leihmutterschaft die Fähigkeit, ein Kind auszutragen und zu gebären. Das alles ist eine Potenzierung, eine Brutalisierung dessen, was Marx vorhergesehen hat: Daß das Kapital bei seiner Jagd um den Globus alles, aber auch alles seinen Verwertungsinteressen unterwirft und zur Ware macht.

Das wollen wir nicht. Damit finden wir uns nicht ab. Die kapitalistische Globalisierung erfolgt in Form der Unterwerfung. Das ist ihr Kern. Und das akzeptieren wir nicht. Wir sind Internationalistinnen und Internationalisten, wir wollen eine Welt von gleich zu gleich, mit gleichen Rechten für alle. Eine Welt, in der wir uns gegenseitig helfen und in der die Sorge um das Leben, allen Lebens, und die Sorge füreinander im Mittelpunkt stehen. Dann wird die Welt human, und dafür kämpfen wir.

Christiane Reymann
Berlin

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Wissenschaftliche Weltanschauung
Wegbereiter einer neuen Zeit:
Was der Mensch zum Leben braucht

Sendung des Deutschlandsenders vom 14. Oktober 1974

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Aufstehen und widersetzen!
Aufgaben einer Sammlungsbewegung

Eine wichtige Aufgabe besteht darin, einen Raum für eine wirklich offene Debatte zu schaffen darüber, wie das Gegenkonzept zum herrschenden Politikmodell der letzten 30 Jahre aussehen könnte.

Der Staat muß endlich wieder Anwalt des Gemeinwesens werden

In der Innenpolitik bedeutet das erneut das Nachdenken über den Staat als Instrument der öffentlichen Daseinsvorsorge und des Schutzes für die Schwachen und die Globalisierungsverlierer. Viel zu viel an sozialer Sicherheit und an mühsam erkämpften demokratischen Errungenschaften ist auf dem Altar der neuen sogenannten freiheitlichen Werte-Ordnung geopfert worden, unter dem durchsichtigen Vorwand, diese Errungenschaften würden "unsere" nationalen Wettbewerbschancen vernichten.

Die Privatisierungsorgie der letzten Jahrzehnte hat so die staatliche Steuerung aus all den Bereichen entfernt oder reduziert, die Bedingung der Teilhabe aller Bürger an einem guten Gemeinwesen sind: kostenlose Bildung, bezahlbare Wohnungen, ärztliche Versorgung, Pflege im Alter, Recht auf faire Löhne und Arbeit, öffentliche Infrastruktur, Busse, Bahnen und Kommunikationsnetze in abgelegenen Regionen, Schutz von Wasser, Böden, Luft, Sicherheit im Alltagsleben vor Ort. Zurück blieben eine soziale Verwüstung und eine Verrohung der politischen Kultur, die den Existenzkampf um alle lebenswichtigen Güter vorrangig den einzelnen aufbürdet.

Der Staat und seine Institutionen müssen endlich wieder Anwälte des Gemeinwesens, der Mehrheit der Bürger werden. In der neoliberalen Ära haben sie oft nicht einmal versucht, den Interessen und Lobbyisten von Großkonzernen und Banken entgegenzutreten, die sich aus jeder nationalen oder sozialen Loyalität längst entfernt haben.

Vieles muß hier neu gedacht und zusammengeführt werden: Besteuerung und Begrenzung des Kapitalverkehrs, der ganze Volkswirtschaften ruinieren kann, Aufbrechen der Monopolstrukturen bei Banken und Konzernen, Wiederbelebung der Genossenschaftsideen, der kommunalen Selbständigkeit und der regionalen Selbstbestimmung, der ökosozialen Nachhaltigkeit von Wirtschaftsunternehmen, angemessenere Mindestlöhne, Tarifbindung der Arbeitsverträge, generelle Bürgerversicherung, Grundsicherungen etc.

Außenpolitisch ist eine Rückkehr zur Friedens-und Entspannungspolitik und eine Rekonstruktion einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur Grundbedingung, daß überhaupt wieder Vertrauen in die Zukunft Europas entstehen kann. Die aggressive und arrogante Politik des Regime change mit ihren mediengestützten Mobilisierungskampagnen, ihrer Sanktionspolitik und der ständigen Feindbild-Projektion sind sofort zu beenden.

Die internationalen Institutionen und die UNO haben im Vergleich zu 1990 wesentlich an Einfluß verloren und müssen wieder gestärkt werden. Die Aufrüstungsspirale wird gerade auch durch die NATO systematisch angeheizt, die Rüstungsetats steigen gigantisch.

Klares Verhältnis zur Frage von Krieg und Frieden

Die Ausplünderungspolitik der reichen Industrienationen und die nicht enden wollenden Stellvertreterkriege der US-geleiteten Militärbündnisse sind neben den Klimaveränderungen die Hauptursache der weltweiten Massenmigration. Eine solidarische Linke muß zwingend und zuerst diese Ursachen und den anwachsenden Rüstungsexport bekämpfen, sie kann sich nicht mit dem verdienstvollen, praktizierten Mitgefühl und der Sozialarbeiterrolle für jene Migranten begnügen, die unseren Kontinent überhaupt erreichen.

Ohne ein klares Verhältnis zur Frage von Krieg und Frieden wird es kein Wiedererstarken einer europäischen Linken geben. Hier herrschte in der letzten Zeit viel Unklarheit. Der Kampf für die Menschenrechte, ursprünglich ein pazifistisches Postulat, wird zunehmend willkürlich zur kriegsbegründenden Moral pervertiert.

Schon vor 100 Jahren hat diese Frage die damals so hoffnungsvolle europäische Sozialdemokratie gespalten. Damals begann die unselige Debatte der Linken in einen staatstragenden großkoalitionären Flügel einerseits, in linksradikales Sektierertum unter Führung der dritten Internationale anderseits. Sie nutzte immer nur den politischen Gegnern. Frieden und Demokratie aber sind die wichtigsten Voraussetzungen größtmöglicher Freiheit für alle und der grundsätzlichen Korrigierbarkeit politischer Entscheidungen. Ein Freiheitsversprechen, das nur den Stärksten in der Gesellschaft alle Hindernisse aus dem Weg räumt, ist hohl und nichts anderes als die Ideologie der unbegrenzten Freiheit des Geldes.

Die Sorge um die Existenz des Planeten und die Lebenschancen zukünftiger Generationen ist die dritte Säule der heute notwendigen Politik. Ökologisches Denken ist Denken in den Kategorien öko-sozialer Nachhaltigkeit, es zielt auf Schonung von Ressourcen, strikte Urheberhaftung bei Umweltschäden, Ermutigung und Unterstützung von Erzeugern und Verbrauchern zu zukunftsadäquatem Verhalten, auf Abwendung vom sinnfreien, aggressiven Konsumismus.

Vielleicht nur noch diese Chance für einen neuen Aufbruch

Wer sammeln will, muß auch sammeln können. Er muß die Fähigkeit und den Willen besitzen, alte Gräben zu überwinden. Toleranz und Respekt im Inneren, Überwindung von Sektierertum und ideologischen Grabenkämpfen, größtmögliche Offenheit der Debatten, keine Gedankenpolizei und Verratsvorwürfe - diese Punkte sind unverzichtbar, wenn man die chronische Spaltungstendenz linker Bewegungen sowohl in der Form wie auch im Inhalt überwinden will.

Wir sind uns dieser traditionellen Schwäche gerade linker Bewegungen bewußt, ebenso wie möglicher Selbstüberschätzung und der Tendenz zu alter Rechthaberei. Der Ernst der Lage und die neue Vernetzung mit der sozialen Wirklichkeit müssen hier eine Mentalitätsänderung herbeiführen.

Es ist nicht der erste Versuch einer besseren Vernetzung und Kooperation der politischen Kräfte aus dem rot-rot-grünen Spektrum. Manche Koordinationsversuche waren in der Vergangenheit zu sehr auf die unmittelbare parlamentarische Machtperspektive orientiert und konnten damit von den Parteistrukturen mit ihren Droh- und Abhängigkeitsverhältnissen schnell ausgebremst oder als Spielwiese abgetan werden.

Die neue Sammlungsbewegung soll sich nicht nur auf einzelne Personen oder "Stars" konzentrieren, sie muß allen Gruppen, die nach solchen Perspektiven suchen, eine faire Kooperation zum gegenseitigen Vorteil und zur gegenseitigen Unterstützung anbieten. Neben der notwendigen Kooperation mit den üblichen Bündnispartnern wie Gewerkschaften, linken Jugendorganisationen und Sozialverbänden sollte man Plattformen wie Diem25, Demokratie in Bewegung, der Progressiven Sozialen Plattform, der Initiative: Abrüsten jetzt!, den Willy-Brandt-Kreis, den Bundesausschuß Friedensratsschlag einbeziehen. Es gibt vielleicht nur noch diese Chance für einen neuen Aufbruch.

Marco Bülow (SPD), Sevim Dagdelen (Partei Die Linke), Antje Vollmer (Grüne)
4.8.2018 (red. gekürzt)

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Es gibt ein großes Potential für einen Neuansatz

Die Sammlungsbewegung sollte mit der Veränderung des - in deutscher Tradition besonders unversöhnlichen - Umgangs unterschiedlicher Parteien, Fraktionen und geistigen Strömungen untereinander verbunden sein: Differenzen nicht verwischend, aber offen, tolerant und kameradschaftlich in der Form. Ein solcher neuer, Diffamierungen und Rechthaberei hinter sich lassender Stil würde sich besonders auf jenen Wahrnehmungsebenen und in jenen Politikbereichen zu beweisen haben, wo konträre Sichtweisen bestehen, so bei der persönlichen Sicherheit im Alltag und der Bekämpfung großer (auch Wirtschafts-) wie kleiner Kriminalität sowie beim Umgang mit Flucht und Migration (...)

In krassem Gegensatz zur Tendenz der Wahlergebnisse belegen etliche Meinungsumfragen, daß die politische Grundeinstellung der Gesamtbevölkerung - in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten sogar verstärkt - in den "harten" Themen der Politik deutlich links von den neoliberalen Eliten verortet ist.

Wir brauchen deshalb einen alternativen Politikentwurf, der zunächst die Rückkehr zur Entspannungspolitik nach außen ins Auge zu fassen hätte, den Stop der Waffenexporte in Spannungsgebiete, eine solidarische Unterstützung der armen Länder sowie die Demokratisierung und einen Kurswechsel der Europäischen Union, einen erneuerten Sozialstaat zwecks Sicherung des Lebensstandards im Alter und bei Erwerbslosigkeit sowie einer guten Pflege und Gesundheitsversorgung, die Neuregelung des Wohnungsmarkts zwecks Garantie für alle bezahlbarer Mieten, stärkere Steuergerechtigkeit bei Vereinfachung des Systems und Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen, die Re-Regulierung der Wirtschaft, insbesondere des Finanzsektors, in Kombination mit einem innovativen ökologischen Umbauprogramm, die Stärkung des Binnenmarkts, die staatliche Steuerung des begonnenen Digitalisierungsprozesses zwecks Umverteilung von Arbeit, ferner den Wiederaufbau der kaputtgesparten Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen, die wieder in die öffentliche Hand gehören, sowie den großzügigen Ausbau der Bildungseinrichtungen bei Förderung aller Begabungen unabhängig von der sozialen und ethnischen Herkunft.

Auf einen Begriff gebracht, geht es darum, Gemeinschaftlichkeit und gesellschaftliche Solidarität auf einem qualitativ höheren Niveau und damit auch die Würde der Individuen zu stärken, und das setzt eine umfassende und systematische Politik sozialer Angleichung voraus.

Prof. Dr. Peter Brandt,
8.8.2018 (red. gekürzt)

Peter Brandt leitete bis März 2014 den Arbeitsbereich Neuere Deutsche und Europäische Geschichte der Fernuniversität Hagen und ist Direktor des interdisziplinären Dimitris-Tsatsos-Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften. Peter Brandt hat 1973 an der Freien Universität Berlin mit einer Dissertation über die Rekonstruktion der deutschen Arbeiterbewegung 1945/46 promoviert und sich 1988 an der Technischen Universität Berlin habilitiert. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Werke zur neueren deutschen Geschichte und Mitglied des Vorstandes der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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Linke Machtoption?

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Bündelung ja, aber nicht von oben

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Liebknecht-Kreis Sachsen unterstützt "Aufstehen!"

Der Liebknecht-Kreis Sachsen, ein Zusammenschluß im dortigen Landesverband der Partei Die Linke, veröffentlichte Mitte August eine Erklärung zur Sammlungsbewegung "Aufstehen!":

Der Liebknecht-Kreis Sachsen unterstützt nachdrücklich das Projekt "Aufstehen!" Wir sehen darin vor allem die Chance, eine starke außerparlamentarische Bewegung gegen die neoliberale Politik und den politischen Rechtsruck sowie für mehr soziale Gerechtigkeit und eine friedliche Außenpolitik in Gang zu bringen. Eine Mehrheit in unserem Land will ein Ende der explodierenden sozialen Ungleichheit, Vermögenssteuern für die Reichen, einen höheren Mindestlohn, armutsfeste Renten, bezahlbare Mieten und lehnt die für das nächste Jahrzehnt geplante Verdoppelung der Rüstungsausgaben ab. Eine gesellschaftliche Bewegung von unten muß diesem derzeit vorwiegend stillen Protest eine in den politischen Auseinandersetzungen unüberhörbare Stimme geben. Es gilt wieder einmal, "die versteinerten gesellschaftlichen Verhältnisse dadurch zum Tanzen zu bringen, daß man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt". (Karl Marx, 1844) Nicht zuletzt die negative Reaktion aus Leitmedien und Bundestagsparteien bestärken uns darin, entschieden für den anstehenden linken Neustart und dabei auch für eine deutlich kämpferische Linkspartei einzutreten.

Natürlich brauchen wir dabei auch eine "linke Machtoption" und letztlich eine "sozialere Regierung". Aber wir sollten nicht erneut der Illusion aufsitzen, daß ein wirklicher Politikwechsel gegen den Neoliberalismus und die Militarisierung der internationalen Beziehungen schnell und einfach erreicht werden kann.

Neoliberalismus und Kriegspolitik sind machtpolitisch in keiner Weise am Ende. Nach allen geschichtlichen Erfahrungen (nicht zuletzt der Jahre 1918 und 1968 in Deutschland) wissen wir, daß es für grundlegende politische sozialökonomische Veränderungen einer gesellschaftlichen Kraft mit geradezu revolutionärer Stärke bedarf. Die Schaffung von linker Gegenöffentlichkeit und politischer, gewerkschaftlicher und geistig-kultureller Gegenmacht sollte von uns als nächster unumgänglicher Schritt im Kampf gegen ein tiefgestaffeltes politisches System der Kapitalherrschaft verstanden werden.

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Gesellschaft verändern - Linke Bewegungen stärken!

Die neue Sammlungsbewegung "Aufstehen!" ist ein Versuch, linke und fortschrittliche Kräfte zu sammeln und für einen gemeinsamen Kampf für Frieden, Gerechtigkeit, Umverteilung und gegen die Rechtsentwicklung in der Gesellschaft zu gewinnen. Das Marxistische Forum begrüßt diese Initiative und bittet seine Mitglieder und Sympathisanten/Sympathisantinnen, sich an dem Aufbau dieser Sammlungsbewegung zu beteiligen.

Das Marxistische Forum wird sich dafür einsetzen, daß antikapitalistische und marxistische Positionen in der Partei Die Linke und in der neuen Sammlungsbewegung gestärkt werden. Die neue Sammlungsbewegung kann gesellschaftliche Veränderungen durch außerparlamentarischen Druck ermöglichen, wenn sich viele fortschrittliche und linke Kräfte als Teil dieser Sammlungsbewegung einbringen und Angebote für eine konkrete Politikgestaltung machen.

Das Marxistische Forum sieht in der Sammlungsbewegung "Aufstehen!" eine Chance, eine Stärkung von fortschrittlichen gesellschaftlichen Diskursen und eine Stärkung der außerparlamentarischen Bewegung von links zu organisieren. Ziel muß es dabei sein, gemeinsam mit Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden, Mieterinitiativen, Flüchtlings- und Migrationsinitiativen, aber vor allem auch mit den vielen Betroffenen des neoliberalen Gesellschaftsumbaus außerparlamentarischen Druck zu organisieren, um andere gesellschaftliche Mehrheiten zu erreichen.

Seit vielen Jahren befindet sich die politische Linke in der Defensive. Neoliberale Kräfte haben den großflächigen Umbau der Gesellschaft hin zu einer marktkonformen Demokratie eingeleitet. Die sozialen Kämpfe gegen diesen neoliberalen Umbau haben einige Erfolge erzielt, konnten jedoch den Angriff auf den Sozialstaat nur bedingt abwehren. Eine starke fortschrittliche Sammlungsbewegung, die soziale Themen auf die Agenda der Politik hebt, kann einen Beitrag für eine Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen leisten. Die Stärkung linker Kräfte eröffnet die Chance, AfD und neurechte Bewegungen zurückzudrängen. Die neue Sammlungsbewegung kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

Das Marxistische Forum begrüßt den Versuch, die gesellschaftliche Rechtsentwicklung zu bekämpfen und durch fortschrittliche Angebote, "Arbeitnehmer" und "Arbeitnehmerinnen", sozial Ausgegrenzte und Betroffene des neoliberalen Gesellschaftsumbaus für den Einsatz für eine solidarische und soziale Politik zu gewinnen.

Das Marxistische Forum sieht für die geplante Sammlungsbewegung folgende Themen, mit denen sich die Mitglieder und Sympathisanten des Marxistischen Forums in die inhaltliche Profilierung und in Aktionen der Sammlungsbewegung einbringen werden:

• Für eine Stärkung der Friedensbewegung.
Gemeinsam gegen Aufrüstung, Krieg und für ein Verbot von Waffenexporten, für eine neue Entspannungspolitik und Schaffung einer gesamteuropäischen Friedensordnung unter Einschluß von Rußland. Für eine friedliche Außenpolitik und sofortige Beendigung der Eskalation durch die Einmischung in die Souveränität anderer Staaten mit dem Bestreben, einen "regime change" herbeizuführen.

• Für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung.
Gemeinsam gegen Freihandelsabkommen und die Ausbeutung des globalen Südens. Aufstehen gegen die Profitinteressen der großen transnationalen Konzerne.

• Für internationale Solidarität.
Gemeinsam gegen Chauvinismus und Nationalismus. Für internationale Zusammenarbeit der fortschrittlichen Bewegungen.

• Für ein starkes Bündnis gegen rechts.
Gemeinsam gegen Rassismus, Ausgrenzung und gegen die Militarisierung der EU-Außengrenzen. Für eine Politik, die Fluchtursachen bekämpft. Aufstehen gegen die neoliberale Politik, die kontinuierlich die Existenzbedingungen von Menschen in den Ländern des globalen Südens zerstört.

• Für einen Ausbau des Sozialstaates.
Gemeinsam gegen Ausbeutung, Sozialabbau, Privatisierung und neoliberalen Umbau der Gesellschaft.

• Für eine Umverteilung von oben nach unten.
Gemeinsam für die Einführung einer Vermögensabgabe, für eine Vermögenssteuer und eine deutliche Erhöhung des Spitzensteuersatzes.

• Für den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Gemeinsam gegen Privatisierung und Deregulierung.

• Für einen ökologischen Umbau der Industriegesellschaft.
Gemeinsam gegen Klimawandel, Umweltzerstörung und für eine Demokratisierung des Energiesektors und einen ökologischen Umbau des Verkehrssektors.

• Für eine starke Mieterbewegung.
Gemeinsam gegen Verdrängung und für den Ausbau eines öffentlichen Wohnungsmarktes.

Für das Marxistische Forum: Uwe Hiksch, Marion Herrmann, Harri Grünberg (17.8.2018)

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Der "Flüchtlingsstreit", eine Art von Schaulaufen

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Aufmarschgebiet Baltikum

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BUCHTIPS
Dietmar Dath: Karl Marx

Im Januar 2009 wurde Dietmar Dath vom "Spiegel" gefragt, ob er für die Beseitigung des kapitalistischen Systems sei. Seine Antwort: "Absolut." Mit diesem Beitrag zu Marx' 200. Geburtstag hat Dath nicht nur ein äußerst persönliches Buch über Marx geschrieben, sondern eines, das in seiner Klarheit und Dynamik gleichzeitig eine spannende Einführung in die Marxsche Lehre und deren Nachwirkung bietet. So zeigt er unter anderem, daß Marx das zu Bekämpfende zuerst einmal verstehen will und sich dabei stets an der Praxis orientiert - zwei der vielen Gründe für seine anhaltende Aktualität.

Reclam-Verlag, Ditzingen 2018, 100 S., 10 €


Hans Matthaei (Hrsg.): DenkMal Friedhof Ohlsdorf

33 Stätten der Erinnerung und Mahnung

Die vielen Denkmäler und Grabanlagen auf dem Friedhof Ohlsdorf spiegeln wie in einem Kaleidoskop wichtige Ereignisse der Hamburger Geschichte. Vom "Grabdenkmal der Hanseatischen Kampfgenossen 1813-1814" über das Denkmal für die Revolutionsopfer der Jahre 1918-1920 bis zum Jüdischen Friedhof Ilandkoppel: In diesem mit zahlreichen Abbildungen ausgestatteten historisch-politischen Friedhofsführer werden ausgewählte Orte der Erinnerung vorgestellt, die seit 1814 entstanden sind. Viele Mahnmale und Gräberfelder auf dem größten Parkfriedhof der Welt erinnern an Kriegsopfer und den Terror der Nazis, aber auch an den antifaschistischen Widerstand sowie an zivile Katastrophen. Dabei geht es auch um frühere und heutige Auseinandersetzungen um Gedenkrituale und die Erinnerungskultur.

Die Autorinnen und Autoren (Dr. Rita Bake, Ursel Hochmuth, Margot Löhr, Hans Matthaei, Hans-Kai Möller, Dr. Jörg Schilling, René Senenko, Lars Skowronski, Ursula Suhling, Holger Tilicki, Dr. Michael Wunder u. a.) führen zu den Gedenkorten und beziehen neue Forschungsergebnisse mit ein.

Herausgegeben von der Willi-Bredel-Gesellschaft - Geschichtswerkstatt e. V.

VSA-Verlag, Hamburg 2018. 160 S., 12,80 €
ISBN 978-3-89965-833-0

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Eine andere Welt ist möglich

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Anzeige von Hubertus Knabe gescheitert

Der frühere Oberstleutnant des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Wolfgang Schmidt, wurde am 12. Juli vom Landgericht Berlin freigesprochen. Der Direktor der "Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen", Hubertus Knabe, hatte Schmidt 2012 angezeigt, weil dieser den 1952 in der DDR verurteilten Bombenleger Johann Burianek "Anführer einer terroristischen Vereinigung" genannt hatte. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hatte Schmidt zu einer Geldstrafe verurteilt, Berufung und Revision wurden vom Land- bzw. Kammergericht Berlin verworfen. Das Bundesverfassungsgericht hob im Januar das Urteil auf und wies das Verfahren zur Neuverhandlung ans Landgericht zurück. Alle aufgelaufenen Gerichtskosten muß die Landeskasse tragen. Wolfgang Schmidt erklärte zu dem Freispruch:

Seit meiner Verurteilung durch das Amtsgericht Berlin zu einer Geldstrafe von 1200 Euro wegen der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" am 27. September 2012 sind mehr als fünf Jahre vergangen. Wegen dieser langen Zeit der Ungewißheit und Verunsicherung kann ich angesichts des Freispruchs keinen Triumph empfinden. Aber auch deshalb nicht, weil sich damit im Grundsatz nichts an der fortbestehenden Ausgrenzung und Diskriminierung der ehemaligen Angehörigen des MfS ändert.

Mit der Aufhebung dieses vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Urteils verschwindet praktisch en passant auch die meiner Kenntnis nach bislang einmalige Feststellung eines Gerichts, wonach die DDR eine "Willkür- und Gewaltherrschaft" gewesen sei. Es bleibt zu hoffen, daß derartige Feststellungen künftig wissenschaftlich arbeitenden Historikern auf der Basis objektiver und faktengestützter Analysen überlassen werden.

Erleichterung verspüre ich, weil mit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2018 in meiner Sache die Rechtssicherheit im Bereich der Meinungsäußerung gestärkt und bekräftig wurde, was nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Politischen Eiferern, die ihre angemaßte Deutungshoheit über die DDR-Geschichte durch Instrumentalisierung und Mißbrauch von Gerichten durchsetzen wollten, wurden klare Grenzen aufgezeigt.

Wolfgang Schmidt
Berlin

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Mythen und Tatsachen zur "Blockade" und zur Teilung Berlins (2)
Die Berliner Krise 1948/49

Während sich die Ereignisse in und um Berlin zuspitzten, entwickelte sich hinter den Kulissen ein kompliziertes diplomatisches Spiel, das schließlich zu einem Ende der gefährlich gewordenen Lage führen sollte. Hier sei die Chronologie einiger der wichtigsten Ereignisse nachgezeichnet, die es in diesem Zusammenhang zu beachten gilt: Am 2., 23. und 30. August 1948 trafen sich in Moskau die Botschafter der drei westalliierten Mächte mit Stalin. Es galt zu sondieren, ob ein Ende der Berliner Krise herbeigeführt werden könnte. Die sowjetische Seite unterbreitete dabei den Vorschlag, künftig solle nur die in der SBZ gültige Währung das alleinige Zahlungsmittel für alle Sektoren Berlins sein. Außerdem müßte die Umsetzung der oben erwähnten "Londoner Beschlüsse" so lange ausgesetzt werden, bis auf einer Konferenz der vier Mächte über sie beraten worden sei. Im Falle der Annahme dieser beiden Forderungen würde die "Blockade" unverzüglich beendet werden. Sowohl in den Gesprächen mit Stalin als auch mit den gleichfalls im August stattfindenden Unterredungen mit dem sowjetischen Außenminister Molotow lehnten die Botschafter der USA, Großbritanniens und Frankreichs es nach anfänglicher Zustimmung ab, irgendwelche Verhandlungen mit der UdSSR zu führen, um die "Londoner Beschlüsse" zu erläutern bzw. ihre Realisierung auszusetzen.

Hierauf reagierte die Sowjetunion mit einem sehr weit gehenden Kompromißvorschlag, der nur noch die Forderung enthielt, die D-Mark in Berlin wieder aus dem Verkehr zu ziehen und statt dessen ausschließlich die Währung der SBZ in ganz Berlin einzuführen. Im Falle der Annahme dieses Vorschlages werde die "Blockade" der Verkehrswege von und nach Berlin beendet werden.

Am 30. August überbrachten die Botschafter der westalliierten Staaten in Moskau der sowjetischen Regierung die endgültige Zustimmung ihrer Regierungen zu diesem Vorschlag. Die verantwortlichen Militärgouverneure in Deutschland wurden mit der Umsetzung dieses Beschlusses beauftragt. Bis zum 7. September 1948 sollten sie ihren Regierungen mitteilen, wie sie die beiden genannten Punkte der Vereinbarung konkret umzusetzen gedachten.

Auch die nicht berücksichtigte Frage der "Londoner Beschlüsse" schien lösbar zu sein. Nach der Realisierung der in Moskau getroffenen Vereinbarung solle ein Kommuniqué veröffentlicht werden, in dem die Diskussion aller ungelösten Fragen bezüglich Berlins und Deutschlands auf einer demnächst durchzuführenden Vier-Mächte-Konferenz angekündigt werde. Es schien so, als ob die "Berliner Krise" rasch beendet werden könnte.

Plötzlich tauchten an unerwarteter Stelle Schwierigkeiten auf. Der Militärgouverneur der USA in Deutschland, General Clay, erklärte seinen britischen und französischen Kollegen am 27. August 1948, daß für ihn eine Übereinkunft mit der SMAD auf der Grundlage der sich abzeichnenden Moskauer Beschlüsse nicht möglich sei. Die durchaus kompromißbereiten Militärgouverneure Großbritanniens und Frankreichs, die Generäle Robertson und Koenig, waren über diese Auffassung ihres US-amerikanischen Kollegen geradezu entsetzt. Umgekehrt ließ Clay in Washington seine Ansicht verbreiten, daß "meine Kollegen beinahe jede Art von Übereinkunft herbeiwünschen".

Ein Vier-Sterne-General, der sich den Anweisungen seiner politischen Führung widersetzt? Ein eigentlich unerhörter Vorgang, der nur mit der Rückendeckung Clays von höchster Stelle in Washington zu erklären ist.

Hauptsächlich an der strikten Opposition Clays scheiterten bereits am 7. September die Bemühungen der SMAD, die gemeinsamen Beschlüsse, so wie sie knapp vierzehn Tage zuvor vereinbart worden waren, in die Praxis umzusetzen. Vertrauensbildend war dieses diplomatisch sehr ungewöhnliche, ja provokative Verhalten der USA gegenüber der Sowjetunion keineswegs. Es förderte statt dessen den Argwohn der UdSSR gegenüber Washington.

Das Jessup-Malik-Abkommen und die Beendigung der Berliner Krise

Im Oktober 1948 kam es dessenungeachtet zu neuen Verhandlungen bei den Vereinten Nationen in New York, die in einen Resolutionsentwurf einmündeten, der erneut die Aufhebung aller Verkehrsbeschränkungen und die Einführung der Währung der SBZ in ganz Berlin forderte. Auch diesmal stimmten die Westmächte diesem Beschluß zunächst zu, um ihn dann in letzter Minute, kurz vor der Abstimmung im Sicherheitsrat der UN am 25. Oktober 1948, zu verwerfen: Es sollte nur noch um die Beendigung der "Blockade" gehen. Dennoch gingen die Gespräche zwischen der UdSSR und den USA zur Beendigung der Berliner Krise weiter. Sie wurden vertraulich von den Botschaftern beider Mächte bei den Vereinten Nationen, Jakob Malik (Sowjetunion) und Philipp C. Jessup (USA), geführt.

Am 4. Mai 1949 war es dann endlich soweit. In einer Vereinbarung wurde die Festlegung getroffen, daß am 12. Mai alle vorhandenen Verkehrsbeschränkungen zwischen den Westzonen und Berlin sowie zwischen der sowjetischen Besatzungszone und den Westzonen aufzuheben seien. Damit wurde auch die Wirtschaftsblockade des Westens gegen die SBZ beendet, die zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der dortigen Ökonomie geführt hatte. So konnten zum Beispiel die ausgebliebenen Lieferungen von Schwefelsäure, Steinkohle und Stahl nicht kompensiert werden.

Ein weiteres Ergebnis des Jessup-Malik-Abkommens bestand in der Vereinbarung, die entstandene Lage in Deutschland, d. h. vor allem die unmittelbar bevorstehende Gründung eines westdeutschen Separatstaates, auf einer Außenministerkonferenz in Paris zu erörtern. Die Sowjetunion legte auf dieser Konferenz, die vom 23. Mai bis zum 20. Juni 1949 in Paris tagte, mehrere Vorschläge zur Verhinderung der Spaltung Deutschlands vor: unter anderem die Schaffung gesamtdeutscher Organe, die Wiederherstellung eines Magistrats für alle Sektoren Berlins, die Durchführung geheimer, allgemeiner und gleicher Wahlen in der Stadt, die Wiederaufnahme der Tätigkeit des Alliierten Kontrollrates und der für Berlin als Ganzes zuständigen Interalliierten Kommandantur.

Zugleich sollten Kompetenzen der Alliierten auf gesamtdeutsche Instanzen übertragen werden. Bedeutsam war der neuerlich unterbreitete Vorschlag, innerhalb einer dreimonatigen Frist dem Rat der Außenminister Ausarbeitungen für einen Friedensvertrag mit Deutschland vorzulegen, in dem der Abzug sämtlicher Besatzungstruppen binnen Jahresfrist vorzusehen sei.

Die Reaktionen der Westmächte waren enttäuschend. Ihre Gegenvorschläge vom 28. Mai 1949 beinhalteten die Möglichkeit, daß die sowjetische Besatzungszone dem Geltungsbereich des wenige Tage zuvor verkündeten Grundgesetzes der im Entstehen begriffenen Bundesrepublik Deutschland (BRD) beitreten könnte - für die Sowjetunion eine plumpe Provokation. So kam es wegen der unnachgiebigen Haltung der drei Westmächte zum Scheitern der Pariser Außenministerkonferenz.

Immerhin war es der sowjetischen Führung durch geduldige Verhandlungen gelungen, die "Blockade" und die Aussetzung des Handels zwischen den Westzonen und der SBZ zu beenden. Die sogenannte Luftbrücke wurde indes bis zum 30. September 1949 fortgesetzt, obwohl seit dem 12. Mai der Verkehr von und nach Berlin wieder ungehindert fließen konnte.

Am Ende konnte die UdSSR ihre politischen Ziele, die auf die Realisierung der Beschlüsse von Potsdam basierten, nicht durchsetzen. Hinter dem von der "Luftbrücke" gezogenen Rauchvorhang erfolgten die Gründung der NATO und die Vorbereitung der Konstituierung eines westdeutschen Separatstaates. Als Reaktion hierauf entstand die Deutsche Demokratische Republik. Es entwickelten sich jetzt zwei völlig unterschiedliche gesellschaftliche, ökonomische und politische Systeme in Deutschland. Berlin wurde im Ergebnis dieses Prozesses eine geteilte Stadt.

Reiner Zilkenat

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"Unsere Aufgabe, die wir in Berlin zu lösen haben,
fängt erst an. Wir müssen nicht nur Westberlin,
das wir jetzt endgültig gewonnen haben, verteidigen
und halten. Wir müssen unsere Landsleute im Osten
endgültig befreien."

Ernst Reuter (SPD)
am 5. Mai 1949 im RIAS

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Ghetto Theresienstadt - Gedenken und Mahnung

Am 3. Juli enthüllten Mitglieder des Stadtverbandes Chemnitz der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA Chemnitz) im Kolumbarium des ehemaligen Ghettos Theresienstadt, dem heutigen Terezín, eine Gedenktafel für die Chemnitzerinnen und Chemnitzer, die dort zwischen 1942 und 1945 den Faschisten zum Oper fielen.

An diesem Ort, gelegen in der Großen Festung "Theresienstadt", lagerten rund 26.000 Pappkartons mit der Asche der Toten aus dem Ghetto. Als die Rote Armee vorrückte, ließ die SS, um Beweise zu vernichten, die "Urnen" abtransportieren. Die Asche von rund 22.000 Toten wurde in die nahegelegene Ohre geschüttet. Dort erinnert heute eine Stele an diese faschistischen Verbrechen. Die übrigen Urnen wurden unweit des Konzentrationslagers Leitmeritze vergraben.

Die deutschen Faschisten ließen das Ghetto 1941 errichten, indem sie die dort ansässige Bevölkerung zwangsweise aussiedelten. Ursprünglich war dieses Lager als Sammellager für Juden aus dem "Protektorat Böhmen und Mähren" gedacht. Ab 1942 wurden jedoch auch viele Jüdinnen und Juden aus dem "Altreich" nach Theresienstadt/Terezín deportiert. Unter unmenschlichen Bedingungen lebten sie zusammengepfercht auf engstem Raum und waren den Schikanen ihrer Bewacher ausgesetzt. Für viele blieb, sollten sie nicht vorher bereits umgekommen sein, Theresienstadt nur ein Zwischenaufenthalt. Zahlreiche Menschen wurden vom Ghetto aus weiter nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Rund 140.000 Menschen wurden zwischen 1941 und 1945 nach Theresienstadt verschleppt, darunter auch Bürgerinnen und Bürger aus Österreich, den Niederlanden, der Slowakei, Ungarn und Dänemark. Aus Bialystok kamen 1260 Kinder. Wie viele Chemnitzerinnen und Chemnitzer in das Ghetto deportiert wurden, läßt sich heute nicht mehr genau feststellen. Unterschiedliche Quellen mit ebenso unterschiedlichen Forschungsständen nennen Zahlen zwischen rund 120 und 500. Eine neuere Publikation "NS-Terror und Verfolgung in Sachsen" von Dr. Brenner und weiteren Autoren geht von rund 225 Deportierten aus. Viele gehörten der Jüdischen Gemeinde an. Aber auch Menschen, die nach den Nürnberger Rassegesetzen zu "Mischlingen 1. und 2. Grades" erklärt worden waren, kamen in das Ghetto.

In seiner Rede während der Enthüllung der Gedenktafel erinnerte der Vorsitzende der VVN-BdA Chemnitz, Enrico Hilbert, daran, wie wichtig es gerade in der heutigen Zeit ist, die Erinnerung an die Verbrechen der deutschen Faschisten wachzuhalten und faschistischen Tendenzen überall entgegenzutreten.

Raimon Brete
Chemnitz

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Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald vor 60 Jahren eingeweiht

Der zweite Septembersonntag war in der DDR traditionell der Gedenktag für die Opfer des Faschismus.

Am 14. September 1958 war zum ersten Mal der weit ins Land tönende Klang der Glocke von Buchenwald zu hören. An diesem Tag hatten sich über 80.000 Menschen, darunter 4.000 ausländische Gäste, auf dem Ettersberg eingefunden, um an der Einweihung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald teilzunehmen. Eine Urnenschale mit Asche und blutgetränkter Erde aus zweiundsechzig faschistischen Mordstätten war am Vortag in die Gruft des Glockenturms eingebracht worden. In den Feuerschalen der Pylonen an der Straße der Nationen mahnten die Flammen. Die feierliche Einweihung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte nahm der erste Ministerpräsident der DDR, Otto Grotewohl, vor. In seiner Ansprache sagte er: "Die Stimmen der Toten und der Lebenden vereinigen sich in den Glockentönen zu dem mahnenden Ruf: Nie wieder Faschismus und Krieg ... Friede sei ihr erst' Geläute. [...] Über dieser Stunde steht das Wort: 'Ruhm und Ehre den Helden des Widerstands und den Opfern des faschistischen Terrors!' Von hier aus erheben wir unsere Stimme in alle Richtungen und zu allen Menschen in Deutschland und über die Grenzen Deutschlands hinaus. Wir rufen die Lebenden zum Handeln. Wir mahnen sie, im Kampf gegen den Faschismus nicht zu erlahmen und die Menschen für den Frieden der Welt weiter zum Erfolg zu führen. [...] Völker aller Länder, verteidigt das höchste Gut der Menschheit, den Frieden [...]" (Buchenwald mahnt. Volksverlag, Weimar 1961. S. 7 ff.)

In Grußworten ehemaliger Häftlinge aus dem Ausland fanden diese Gedanken lebhafte Unterstützung. Colonel Henri-Frédéric Manhès, ehemaliger französischer Internierter im KZ Buchenwald, Präsident der Fédération Internationale des Résistants, dankte "[...] dem deutschen Volk und den Staatsmännern der Deutschen Demokratischen Republik dafür, daß Buchenwald - das gestern tausendmal verfluchte Buchenwald - heute zu einem gigantischen Mahnmal geworden ist, dem ersten, das je ein Volk errichtet hat [...] Von nun an wird die Glocke von Buchenwald jeden Tag ertönen [...] für eine Zukunft des Friedens und der Freiheit." (ebd., S. 24 f.)

Ein Gelöbnis der Teilnehmer an dem feierlichen Akt beendete die Einweihung. Es wurde von dem Schauspieler, Regisseur und Intendanten des Deutschen Theaters Berlin, Wolfgang Langhoff, gesprochen, der selbst von den Nazis verfolgt und Häftling in den KZs Börgermoor und Lichtenburg gewesen war. Fortan besuchten Millionen Menschen aus dem In- und Ausland diese Stätte.

Jahrzehnte erfolgreichen Wirkens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mahn- und Gedenkstätte, in das stets Überlebende mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen einbezogen waren, fanden mit der Veränderung der politischen Verhältnisse in Deutschland ihr Ende. Bezeichnend für die Denkrichtung ist die Äußerung des damaligen Stellvertretenden Direktors der Gedenkstätte Buchenwald, R.-G. Lüttgenau. In einem Aufsatz "Der Auftrag der Geschichte an die Stadt Weimar" schrieb er: "Die DDR wußte sich zu helfen. Anstatt sich den Herausforderungen des Ortes zu stellen, riß sie ihn zunächst einmal ab. Es wurde Platz geschaffen für die Möblierung eines Politspektakels, in dem Heldentum gepredigt und Anpassung gemeint war ..." (Rikola-Gunnar Lüttgenau: Der Auftrag der Geschichte an die Stadt Weimar. In: Stefan Wolf [Hrsg.]: Kaleidoskop Weimar. Die vielfältige Entwicklung einer Stadt. Weimar 2017. S. 164)

Solcherart erbärmlich-arrogante Anmaßung ist notwendiges Mittel, mit moralischer Überheblichkeit den Zeitgeist zu bedienen, um den organisierten politischen Widerstand im KZ Buchenwald, den Antifaschismus und damit die DDR zu delegitimieren.

Die Umgestaltung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte in die Gedenkstätte Buchenwald unter solcher Grundeinstellung führte zwangsläufig zu inhaltlichen Konsequenzen. Das Gedenken trat in den Vordergrund, obwohl ausreichend Veranlassung besteht, das Mahnen nicht auszugrenzen. Das Vermächtnis des antifaschistischen Widerstands im KZ Buchenwald infrage zu stellen, bedeutet, jenen das Tor zu öffnen, die nationalistisches und neofaschistisches Gedankengut befördern und hoffähig machen.

Der Kerngedanke des Schwurs von Buchenwald "[...] Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel [...]" hat seine Berechtigung behalten. Gerade weil er heute in Deutschland institutionellen Angriffen ausgesetzt ist, muß daran erinnert werden, daß er sinnstiftend für Errichtung und Arbeit der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte war. Es gibt für die Menschheit kein erstrebenswerteres Ziel, als das im Schwur von Buchenwald formulierte. So bleibt er auch für die Nachgeborenen verbindlich.

Gerhard Hoffmann
Frankfurt/Oder

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Offener Brief an Helmut Holter

Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) erklärte Mitte August, sie sehe gute Gründe für einen Pflichtbesuch von Schülern der 8. und 9. Klasse in Gedenkstätten für Opfer von NS-Verbrechen. Kurz darauf zitierte die Nachrichtenagentur dpa den Präsidenten der Kultusministerkonferenz, Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Partei Die Linke), dazu mit den Worten: "Zwang ist aus meiner Sicht das falsche pädagogische Mittel." Und weiter: "Keine Pflichtbesuche, aber die Hürden für Exkursionen so niedrig wie möglich halten."

Am 20. August wandte sich der Landessprecherrat Thüringen der Kommunistischen Plattform der Partei Die Linke zu diesem Thema in einem offenen Brief an Holter:

Lieber Genosse Minister Holter, (...) mit ungläubigem Erstaunen haben wir zur Kenntnis genommen, daß Du - zur Zeit auch Präsident der Kultusministerkonferenz der Länder - diesen Vorschlag (von Susanne Eisenmann, RF) umgehend abgelehnt hast. Nicht nur Kommunistinnen und Kommunisten in der Partei Die Linke, nicht nur Parteimitglieder, sondern sicher viele Antifaschistinnen und Antifaschisten, die nicht unserer Partei angehören, werden dieser Absage fassungslos gegenüberstehen. Wir fragen Dich: Soll es gerade für uns Deutsche nicht mehr verpflichtend bleiben, die Erinnerung an die Verbrechen in der dunkelsten Zeit unserer Geschichte wachzuhalten - vor allem in den heranwachsenden Generationen? Ist es eine Frage von Beliebigkeit, der Opfer zu gedenken und für ein "Nie wieder!" einzutreten? Wollen wir als Linke nicht mehr alles Menschenmögliche tun, damit Holocaust und Kriegsverbrechen nicht dem Vergessen oder der Verharmlosung anheimfallen? Wie wollen wir die rechte Gefahr in das Bewußtsein der Menschen rücken, wenn wir nicht mit allen gebotenen Mitteln deutlich machen, wie das schon einmal endete und wieder enden würde? Oder hast Du über heutige Nazis Illusionen?

Du trägst eine hohe Verantwortung für die Kenntnisse, die Bildung und das Bewußtsein der Thüringer von morgen. Es ist wohl kaum unpädagogisch, jungen Menschen bewußtzumachen, daß die Hitlerzeit nicht irgendein "Vogelschiß" in der deutschen Geschichte war, sondern eine Zeit unvorstellbarer Verbrechen. Dies zu lernen kann nicht unter die Rubrik "Fakultativ" fallen.

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Ein Nürnberger Tagebuch von 1945/46

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Was ist Rentabilität?

Es ist das Gute, Wichtige am "RotFuchs", daß man in ihm Themen behandeln und zur Debatte stellen kann, die auch schon in der DDR Gegenstand der Diskussion waren. So können Erfahrungen, die erst im Sozialismus gemacht werden konnten, weitergereicht oder auch ... zurückgereicht werden in eine kapitalistisch entwickelte Gesellschaft wie die jetzige.

Heute geht es mir um die Frage der Rentabilität. Was ist Rentabilität? Im Kapitalismus wird sie am/im Preis gemessen. Der Gewinn erscheint resp. die Rentabilität ist gegeben, wenn der Lohn geringer ist als der Preis. Dann erscheint der Teil des Preises, der den Lohn übersteigt, als Gewinn. Und Gewinn erzielen, das ist rentabel, das macht den Begriff Rentabilität aus. Ist man "rentabel", kann man expandieren, kann man zusätzliche Arbeiter "kaufen", kann man zusätzliche Produktionsmittel (Maschinen, Material) kaufen und mehr Waren produzieren wie verkaufen, kann man künftig noch gewinnbringender, noch rentabler arbeiten. Man kann auch - per Gewinn/Rentabilität - sich von seiner Arbeit lösen und in ganz andere Arbeit, nationale wie internationale, einfließen. Sagen wir es so: Rentabilität verhilft auch zum Imperialismus des Kapitalismus, ist eine Voraussetzung dieser zweiten, höheren/höchsten Entwicklungsstufe des Kapitalismus.

Doch hier soll der Kapitalismus - umgekehrt zum Thema Arbeitsproduktivität - etwas vom Sozialismus lernen? Hier soll der Sozialismus - im Verständnis und im Verhalten zu dieser Frage - dem Kapitalismus voraus gewesen sein? So sehr voraus, daß der Kapitalismus ihm hier nicht/nie hätte folgen können?

Aber gewiß doch! Des Rätsels Lösung besteht darin, daß der Sozialismus qua Entwicklung des Eigentumsverhältnisses, mit einem Schlag gewissermaßen, erledigt, was der Kapitalismus nur über einen lange sich hinziehenden Prozeß in der Arbeit garantieren kann (könnte wäre vielleicht noch besser gesagt). Der Kapitalist/Kapitalismus expandiert eben nur per Rentabilität, dadurch, daß er über die Kosten der Wertbildung hinaus noch einen Wertzusatz "bildet" - den Mehrwert (bzw. von seinen Arbeitern bilden läßt), und so kann er sein Eigentumsverhältnis an der Arbeit stetig erweitern. Der Arbeiter aber, der zum Sozialismus, zu seiner Gesellschaftsordnung, schreitet, erledigt diese Aufgabe per Dekret: Er hebt die Privatform des Eigentums bzw. damit den Arbeitsweg der Vereinigung von Arbeit zu größerem, letztlich einem einzigen Verhältnis auf - einfach per Politik, per ideeller Einsicht überhaupt in den geschichtlichen Prozeß.

Gesamteigentum wird sowieso das "Ende" der Geschichte sein, egal ob auf privatökonomischem Wege - das zieht sich hin und kostet der Menschheit deren Brutalisierung (auch der Kapitalist wendet politische Mittel zusätzlich zu seinen ökonomischen an) - oder eben per proletarischer Einsicht erreichbar. Sozialismus ist ein Geschichte verkürzender Faktor - einfach, weil von Erkenntnis des Kapitalismus getragen. Kapitalismus muß nicht sein, Sozialismus kann sein. D. h., der sich hinziehende Faktor kann abgelöst werden durch den dekretierenden Faktor, die bloße Ökonomie durch den denkenden Menschen.

Aber das ist nicht das einzige vom Sozialismus - heute schon, im Kapitalismus - zu Lernende. Wie hält es denn der Praxis gewordene Sozialismus mit der Rentabilität, wie sie im Kapitalismus im Preis erscheint? D. h. als Mehrwert über dem Lohn?

So, daß er überhaupt ein Arbeitsverständnis oder Produktverständnis der/von Rentabilität entwickelt. Das Gesamteigentum - als das neue Verhältnis zur Arbeit - öffnet die Sicht (!) auf ein Gesamtverständnis der Arbeit.

Was heißt das konkret? Soviel, daß das, was bisher ein Überschuß an Arbeit in der individuellen (oder eben privaten) Arbeit war, jetzt ein Überschuß an Arbeit in einer gesellschaftlichen oder auch gesamten Arbeit ist. Wenn die gesellschaftliche oder eben Gesamtarbeit mehr an Gütern produziert, als sie zur einfachen Reproduktion - und das heißt Wiederholung der gegebenen Produktion - produziert, produziert sie Rentabilität. D. h., dann produziert sie Wachstum. Und das wiederum heißt nichts als: produziert sie Wachstum zu Gewachsenem, mehr als schon Vorhandenes. Um es noch verständlicher zu sagen: Die Rentabilität im Sozialismus erscheint nicht (!) an jedem Ort in der Produktion, wie noch im Kapitalismus, sondern nur an den Orten in der Arbeit, wo über den Ersatz des Verbrauchs hinausgehend Arbeit, Mehrarbeit geleistet wird. Der Mehrwert, im Kapitalismus versplittert und zersplittert verteilt über die ganze Arbeit, erscheint (!) im Sozialismus konzentriert auf eine bestimmte "Abteilung" in der Arbeit: Die Abteilung I, aber nicht, soweit sie auch nur reproduziert, sondern erweitert produziert, Produktionsmittel wie Material über den bekannten Verbrauch hinausgehend zu produzieren vermag, und auch die Arbeiter am Leben erhält, die in diesem Bereich tätig sind.

Das ist neu im Sozialismus, dieses andere Verständnis kann der Kapitalismus vom Sozialismus lernen - wenn er denn will. Hängt das vom bloßen Willen des Kapitalisten ab? I wo! Das, was hier für den Sozialismus vorgestellt wurde, ist ja nichts als Verständnis der wirklichen Sachlage, denn in Wahrheit existiert diese längst auch für den Kapitalismus, ist sie längst auch kapitalistische Praxis.

Die Wertform resp. Mehrwertform der Rentabilität - oder der erweiterten Reproduktion - ist ja auch im Kapitalismus nur noch vorgeschobene Form vor der eigentlich realisierenden Form, sie verdeckt diese eigentliche Form, die realisierende Form, die - Güter- oder Gebrauchswertform der Rentabilität. Sie erscheint nicht, wenn Waren verkauft werden, wenn Waren ihr Wertverhältnis in der Geldware realisieren, sondern wenn die Geldware angewendet wird, wenn sie kauft, und das heißt, wenn sie in einen Gebrauchswert verwandelt, der, eingesetzt in der Produktion, die Produktion erweitert. (Der Wert ist nur ein Berechtigungsschein, kein Anwendungsschein.) Mit der bloßen Wertform kann man das nicht machen, dazu braucht man schon reale Güter. Und das heißt natürlich, daß sie auch irgendwo produziert werden, in einer besonderen Produktionsstätte, nicht einer allgemeinen, nicht in jeder. D. h., die genannte "Abteilung Güter der erweiterten Reproduktion" muß es in jedem Fall auch schon im Kapitalismus geben, sonst gäbe es keine Möglichkeit, einen über die Wertform dargestellten (!) Mehrwert ökonomisch auch zu realisieren.

Und damit ist auch klar, daß im Gut der Anwender von Rentabilität vorausgesetzt bestimmt ist; das Gut, der Gebrauchswert bestimmt den Anwender/Verwender von Rentabilität! Was der Kapitalismus (oder die Privatökonomie) erst in einem zweiten Schritt schafft - nach dem Schritt zum Geld -, macht der Sozialismus in einem ersten, d. h., bei ihm ist der zweite Schritt der erste - und einzige.

Der "Mehrwert" ist zwar kapitalistisch gesehen ein notwendiges Verständnis der Ökonomie, aber eben Verständnis nur aus einem privaten Verhältnis des Eigentums heraus, es ist kein direktes Verständnis mehr der Arbeit, wenn sie gesellschaftlichen Charakter annimmt.

Für die Arbeit sowohl im Kapitalismus als auch im Sozialismus heißt das aber, daß die Rentabilität erkannt und gemessen werden kann erst/nur an einer bestimmten "Unterabteilung" in der Abteilung I der gesellschaftlichen Gesamtarbeit. Die Rentabilität im eigentlichen mißt sich - volkswirtschaftlich!

Hermann Jacobs
Berlin

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Sowjetunion

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Das Gedicht wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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GEDANKEN ZUR ZEIT

"Gottes Wille kennt kein Warum"

Auf dem Friedhof des Städtchens Pulheim bei Köln las ich vor Jahren den auf einem Grabstein eingemeißelten Satz: "Gottes Wille kennt kein Warum." - Das gab mir zu denken und führte mich zu folgenden Überlegungen:

Wenn Gottes Wille kein Warum im Sinne einer Causa finalis (Zweckursache) kennt, dann ist Gott keine Person. Denn vorausschauendes, zielstrebiges Planen gehört zu den Wesensmerkmalen eines personalen Geistes. "Gott" wäre dann nur eine andere Bezeichnung für Schicksal, Kismet, Fatum (altgriechisch: Moira) oder das Walten der Natur, das unberechenbare Werden, in das wir, ob handelnd oder leidend, eingebunden sind und dessen erste Ursachen und letzte Wirkungen sich in undurchsichtigem Nebel verlieren. So etwas wie die planende Absicht eines höheren Wesens, für dessen Bild der real existierende Mensch (laut Ludwig Feuerbach) Modell gestanden hätte, ist nirgendwo erkennbar. Ein solches Wesen ist vielmehr rein fiktiv, illusionär und bleibt Gegenstand irrationaler Spekulation im Interesse derer, die als Priesterschaft oder Glaubensgemeinschaft politische Machtansprüche daraus herleiten oder materiellen oder ideellen Nutzen wie Trost und Sinn daraus ziehen. Die Sonne scheint über Gerechten wie Ungerechten, Türme stürzen ein über Ungerechten wie Gerechten, und die Sterne blinken gleichgültig und kalt. Gleichwohl sagte Landesbischof Martin Kruse: "Es geschieht nichts auf Erden, das Gott nicht will." Mit diesem Satz wollte er die Angst einer Schülerin vor einem atomaren Krieg beschwichtigen. Tatsächlich aber bewirkt ein solcher Satz genau das Gegenteil. Bewußt gesprochen vor dem Hintergrund der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki (vom Holocaust ganz zu schweigen), steigert er die real begründete Furcht bis zum Grauen, da aufgrund einer solch hanebüchenen Aussage Gott nun nicht mehr von einem satanischen Wesen zu unterscheiden ist. Eine vernünftig überzeugende Erklärung in dieser theologisch total verfahrenen Situation liefert wohl nur ein Satz wie der Marie-Henri Stendhals, der da sagte: "Die einzige Entschuldigung für Gott ist die Tatsache, daß es ihn nicht gibt."

Mag der gläubige Krebspatient seine Hoffnung ruhig auf irgend etwas setzen, das ihm hilfreich erscheint: auf die Kunst der Ärzte, den Fortschritt der Wissenschaft, die Hilfe Mariens oder die Fürbitte der Heiligen, eine Spontanremission oder angebrütete Eier ("Trephon-Eier") - wenn sein Glaube (ich denke an einen möglichen Placebo-Effekt) ihm hilft, werde ich ihn staunend beglückwünschen. Bleibt aber jede Hilfe aus, so weicht mein Staunen der nüchternen Erkenntnis, daß der Wille Gottes oder das Fatum völlig gleichgültig ist gegenüber menschlichem Hoffen und Bangen, so wie die Wahrheit als Tatsächlichkeit unabhängig ist von menschlichem Dafür- oder Dawiderhalten.

Theodor Weißenborn

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100. Jahrestag des Leninschen Komsomol

Am 29. Oktober 1918 wurde auf dem I. Allrussischen Kongreß der Verbände der Arbeiter- und Bauernjugend der Russische Kommunistische Jugendverband, der Komsomol, gegründet, der seit seinem VII. Kongreß (1926) den Namen Leninscher Kommunistischer Jugendverband der Sowjetunion trug. Der Komsomol entstand ein Jahr nachdem zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit die Arbeiter und Bauern die Macht in ihre eigenen Hände genommen hatten.

Die Geschichte des Komsomol ist reich an revolutionären Erfahrungen, ist eine Chronik der Unterstützung der proletarischen Revolution, der Sache des werktätigen Volkes. Während des Bürgerkrieges gegen die in- und ausländische Konterrevolution kämpfte rund die Hälfte der Komsomolzen in den Reihen der Roten Armee, fand man an manchen Türen von Komsomolbüros Zettel: "Wir sind alle an der Front!" Am Wirtschaftsaufbau des Landes in den 30er Jahren beteiligte sich die Jugend mit großen Leistungen. Der Name der neuerbauten Stadt Komsomolsk am Amur kündet davon. 120.000 gingen aufs Land, um die Bauern zu unterstützen. 350.000 Mädchen und Jungen fuhren in die Dörfer, lehrten die Menschen lesen und schreiben. Komsomolzen bauten mit an der Moskauer Metro und am Stalingrader Traktorenwerk, an neuen Betrieben im Ural und in Sibirien.

In den ersten Tagen des Großen Vaterländischen Krieges gegen die faschistischen deutschen Okkupanten meldeten sich allein 260.000 Moskauer Komsomolzen, im ersten Kriegshalbjahr zwei Millionen Mitglieder des Jugendverbandes an die Front. Noch heute tragen Straßen und Plätze, Schulen und Kulturhäuser die Namen von Helden, von gefallenen Komsomolzen, die im Kampf gegen die Hitlerfaschisten besondere Tapferkeit bewiesen hatten.

Für seine außerordentlichen Verdienste beim Aufbau des Sozialismus, bei der Verteidigung der Heimat und bei der kommunistischen Erziehung erhielt der Komsomol die höchsten Auszeichnungen der UdSSR: den Rotbannerorden (1928), den Rotbannerorden der Arbeit (1931), den Leninorden (1945, 1948, 1956) und den Orden der Oktoberrevolution (1968). Vor und nach Kriegsende leisteten Jugendliche 25 Millionen Arbeitsstunden beim Wiederaufbau von 15 der ältesten russischen Städte wie Sewastopol, Pskow und Nowgorod.

In den 50er Jahren setzte der Komsomol die inzwischen bewährte Tradition fort, übernahm die Patenschaft für Schwerpunkte des volkswirtschaftlichen Aufbaus unter anderem bei der Neulandgewinnung, wo 40 Millionen Hektar in Kasachstan, Sibirien, im Ural und im Wolga-Gebiet für die Landwirtschaft nutzbar gemacht wurden. Aber auch beim Bau großer Werke im Fernen Osten, im Norden und in den Weiten Sibiriens bewiesen die Komsomolzen ihr Leistungsvermögen. Fast 38 Millionen Mitglieder zählte der Leninsche Komsomol 1978, 22.000 waren es zur Gründung. Die Aufgaben sind beim Aufbau der kommunistischen Gesellschaft größer geworden. Nicht mehr nur einzelne Werke wollte die Jugend errichten, ganze Gebiete zu erschließen hatte sie sich vorgenommen. So wurde es auf dem XVIII. Kongreß des Verbandes 1978 verkündet. 140 Komsomol-Großbaustellen gab es im Planjahrfünft 1976-1980, zum Beispiel die 3200 km lange Baikal-Amur-Eisenbahnlinie (BAM), die Erschließung des gewaltigen westsibirischen Erdöl- und Erdgasreviers oder der europäischen Nichtschwarzerdezone, die bedeutende Reserven für die Nahrungsgüterproduktion bietet.

Viele Ruhmestaten hat der Komsomol im Laufe der Jahre an seine Fahnen geheftet. Er war Mitglied des WBDJ und des ISB und unterhielt Kontakte zu mehr als 1300 Jugendorganisationen aus 129 Ländern. Aufgrund seiner reichen Erfahrungen beim kommunistischen Aufbau, seiner internationalistischen Haltung genoß der sowjetische Jugendverband die Achtung der Weltjugend und hatte maßgeblichen Anteil am Kampf um Frieden und gesellschaftlichen Fortschritt.

Der Komsomol hat sich 1991 beim XXII. außerordentlichen Kongreß aufgelöst.

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Es kommt auf den richtigen Standpunkt an

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Die Wiederentdeckung der Klassengesellschaft

Im Zentrum der politischen Konzeption des Marxismus stehen Begriff und Konzeption der sozialen Klasse und des gesellschaftlichen Klassenkampfes. Ekkehard Lieberam ist einer der maßgeblichen Autoren des Projektes "Klassenanalyse@BRD" der Marx-Engels-Stiftung, die sich diesem Anliegen stets verpflichtet gefühlt haben. Es zeichnet ihn aus, daß er seinen Gegenstand langfristig verfolgt und bereits gezogene Schlußfolgerungen ohne Scheu neu durchdenkt.

So auch in der zweiten Auflage der Studie "Die Wiederentdeckung der Klassengesellschaft". Die im Juli erschienene aktualisierte Auflage bringt zahlreiche neue empirische Belege zur anwachsenden sozialen Ungleichheit in den vergangenen Jahren. So den Rückgang der sozialpflichtig Versicherten von 80 auf 73 Prozent, das Anwachsen der Zahl der Leiharbeiter auf mehr als eine Million, die Erhöhung der Boni der Vorstände der 30 DAX-Konzerne von im Schnitt 5,3 Millionen 2013 auf im Schnitt 7,4 Millionen 2017. Die Existenz von Klassen und des Klassenkampfes zu verschweigen, wird in Anbetracht des sich verschärfenden Gegensatzes zwischen Arm und Reich immer schwieriger, wenn nicht unmöglich. So analysiert der Autor nicht nur die objektive Entwicklung des Gegenstandes, der kapitalistischen Klassengesellschaft, sondern auch deren subjektive Wahrnehmung/Widerspiegelung im gesellschaftlichen Bewußtsein und im Bewußtsein der Klassen.

Zustimmend äußert sich der Autor zu der seit 2015 in Gang gekommenen Debatte um eine sozialistische Klassenpolitik, wobei er mit Marx und Engels und aufgrund der praktischen Erfahrungen darauf verweist, daß diese Orientierung nur sinnvoll ist, wenn man sie als Auf bau von Gegenmacht im Sinne der Entwicklung der Lohnarbeiterklasse zur "Klasse für sich selbst" versteht. Friedrich Engels, so Lieberam, schrieb schon vor 150 Jahren: "Klassenpolitik" bedeute "die Organisation des Proletariats als selbständige politische Partei". Nur sei Engels dabei nie auf den Gedanken gekommen, vor der Organisierung nachhaltiger Gegenmacht in die Regierung zu gehen. Die Probleme der politischen Subjektwerdung der Lohnarbeiterklasse sind überhaupt ein genereller Gegenstand der Untersuchungen des Autors. Er erfaßt auch geringe Ansätze, die sich in bescheidenem Maße vor allem über kleine Gruppen und Fraktionen der Klasse vollziehen, die als politische Akteure gegen die neoliberale Kapitaloffensive auftreten. Ein organisierendes politisches Zentrum sei allerdings derzeit nicht in Sicht.

Beachtlich an Umfang gewonnen hat der Teil der Broschüre, in dem über das Klassenund Klassenkampfverständnis im Verlaufe der mittlerweile fast 2000 Jahre der politischen Geschichte der Menschheit informiert wird. Hier ist unschwer zu erkennen, wie die Wirklichkeit zum Gedanken drängt. Zu Wort kommen nunmehr in aller Unterschiedlichkeit und Gegensätzlichkeit Autoren wie Thomas Münzer, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Georg Büchner, Ferdinand Lassalle und andere. Allein im Zusammenhang mit den neueren Diskussionen seit 2015 zur Notwendigkeit einer linken Politik als Klassenpolitik und zur globalen Klassenanalyse zitiert Lieberam mehr als ein Dutzend Wissenschaftler, Politiker und Gewerkschafter.

Herbert Münchow
Leipzig


Ekkehard Lieberam: Die Wiederentdeckung der Klassengesellschaft. Klassenohnmacht, Klassenmobilisierung und Klassenkampf von oben. pad-Verlag, Bergkamen 2018, 2. aktualisierte Aufl. 70 S., 5 €, Bezug: pad-verlag@gmx.net

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Jeden Tag eine gute Tat ...

Wie komme ich zu dieser Überschrift? Vor meiner Herz-OP im Herbst 2017 ging es mir jeden Tag schlechter. Ich war einfach nicht mehr belastbar, aber die Arbeit mußte getan werden. Als ich eines Tages vom Einkauf mit einer schweren Tasche heimkam, blieb ich oft stehen. Plötzlich sprach mich eine junge Frau mit Kinderwagen an: "Darf ich ihnen helfen?" "Aber ja", willigte ich freudig ein, und so begleitete sie mich bis zu unserer Haustür. Als ich mich bedankte, sagte sie: "Nichts zu danken, jeden Tag eine gute Tat, und die Welt ist in Ordnung."

"Ja, sagte ich, mit dieser Philosophie könnte ich mich anfreunden", zweifelte aber, ob damit die Welt in Ordnung käme. Aber ich freute mich, daß junge Menschen sich Gedanken machten über das Alltägliche hinaus. Die Jugend heute hat es auch nicht leicht, woran soll sie sich orientieren? Etwa am Kapitalismus? Was konnte ich tun? Durch den "RotFuchs" erhielt ich von der Friedenskooperative aus Bonn eine Unterschriftenliste. Protest gegen die neue Atombewaffnung und gegen die Erneuerung der Atomraketen in der Eifel. Zehn Unterschriften! Das konnte ich ja in der Familie erledigen, aber das genügte mir nicht. Das mußte anders organisiert werden. Zehn Listen kopiert und an die Kinder verteilt - 100 Unterschriften mußten her!

Warum machte meine Partei, die PDL, nichts? Ich haderte mit ihr. Sie war mir zu brav und angepaßt geworden. Beschäftigte sich nur noch mit sich selbst. Oder hatte ich den Aufschrei meiner Partei überhört, als die US-Army mit ihren Raketen durch unser Land gen Osten zog bis an die Grenzen Rußlands? Waren die Zwei-plus-vier-Verträge außer Kraft gesetzt? Diese Frage muß man doch mal stellen. Wer kümmert sich darum? Langsam kamen die Listen zurück.

Bei einigen Ärzten bekam ich Unterstützung, man mußte aber viel Überzeugungsarbeit leisten. Manche guckten mich an, als käme ich vom Mond. Manche meinten, sie hätten dann Schwierigkeiten bei der Einreise nach Amerika. Man hätte lachen können, wenn es nicht so ernst wäre.

Aber noch vor der OP hatte ich es geschafft. In einem großen Umschlag schickte ich die Unterschriften nach Bonn.

Die Operation wurde ein Erfolg, drei Stents, die Herzkranzgefäße waren zu 80 Prozent zu, lange hätte ich es nicht mehr geschafft, aber nun konnte ich wieder - jeden Tag eine gute Tat ...

Man muß nur auf die Leute zugehen, die Lethargie durchbrechen!

Lisa Däne
Berlin

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Schlimmer geht's nimmer

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Stimmen aus aller Welt über die DDR

Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR, existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandspresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint. Entstanden ist so ein Mosaik persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die anderen veröffentlichen wir hier einige dieser Äußerungen - Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt (und für uns) war.


Enith Brigitha

Schwimmerin, mehrfache Medaillengewinnerin bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften, Niederlande

Als junge Schwimmerin hatte ich einen Traum: Ich sah mich ganz oben auf dem Siegerpodest, hatte eine große goldene Medaille umhängen, und alles jubelte mir zu. Viele Jahre habe ich versucht, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Ich habe trainiert, war besessen von meiner Aufgabe, bin noch mehr und noch länger geschwommen. Und ich wurde auch immer besser. Aber da war eine Barriere. Eine für mich unüberwindliche, und die hieß: Kornelia Ender.

Ich habe so etwa knapp 20 Wettkämpfe zusammen mit ihr bestritten - und keinen einzigen gewinnen können. Bei den Europameisterschaften von 1974 schwamm ich über 100 m Freistil einen fabelhaften Landesrekord - Kornelia gewann in Weltrekordzeit; über 200 m Freistil das gleiche Bild. Zu den Weltmeisterschaften von 1973 war ich in prächtiger Form, aber Kornelia war wieder besser, genauso zwei Jahre später. Und auch bei den Olympischen Spielen von 1976 war meine Freundin "Konni" über 100 m Freistil schneller als ich. Hinter ihr und Petra Thümer gewann ich die Bronzemedaille.

Oft wurde ich gefragt: Deprimiert es Sie nicht, immer an Kornelia Ender zu scheitern? Ich antwortete stets: Nein, im Gegenteil, das ist ein Anreiz für mich. Ich versuche, stets zu gewinnen, und ich nehme jeden Wettkampf mit Kornelia Ender besonders ernst. Daß sie beständig besser war als ich und alle anderen Schwimmerinnen, das hat unsere guten Beziehungen in keiner Weise beeinträchtigt. Mir hat es immer sehr imponiert, wenn Konni zu mir kam und sich fast für ihren Sieg entschuldigen wollte. Ich glaube, ihre Größe lag auch in ihrer Bescheidenheit und Natürlichkeit. Das ist übrigens ein Wesenszug, der mir an allen DDR-Schwimmerinnen, die ich gut kenne, besonders gefällt.

Dann trat meine ewige Bezwingerin zurück. Das verdoppelte noch einmal meinen Elan. Und obwohl ich mich weiter verbesserte, gelang es mir bei den Europameisterschaften 1977 nicht, zu gewinnen. Ich scheiterte an Barbara Krause aus der DDR, die dann über 100 m Freistil auch Weltmeisterin wurde. Ich kann von mir sagen, daß ich keine schlechten Trainingsbedingungen habe. Vormittags arbeite ich als Stenotypistin bei einer Kreditbank in Amsterdam, und den Nachmittag habe ich frei, um trainieren zu können. Aber das allein reicht nicht aus. Ich weiß um den hohen Stand der Sportwissenschaft in der DDR und die Vielzahl gutausgebildeter Trainer. Und ich habe mir auch viel von der Spartakiade erzählen lassen, bei der ja auch Konni Ender und Barbara Krause groß geworden sind. Da wachsen die Talente, werden entdeckt und gefördert - im Sport und auch in der beruflichen Ausbildung. Kornelia will Kinderärztin werden. Das hätte mich vielleicht auch reizen können. Aber dann hätte ich nicht Schwimmerin werden dürfen. Und ohne den Sport wiederum wäre sogar die Chance für eine gute berufliche Ausbildung in Frage gestellt.

Mein Traum vom großen Sieg ist nun wohl ausgeträumt. Aber was bleibt, ist die gute Erinnerung an viele schöne Zweikämpfe mit der besten Schwimmerin der Welt.


Vilma Bardauskiene

Europameisterin 1978 und Weltrekordlerin im Weitsprung, UdSSR

Als Land des Sports kenne ich die DDR aus eigenem Erleben schon viele Jahre, aus Veröffentlichungen vor allem in unseren Zeitungen, aber besonders durch meine vielen, vielen Besuche. Ich kann fast behaupten, daß dieses Land für mich so etwas wie ein zweites Zuhause geworden ist. Jedes Jahr bin ich mindestens zweimal bei Hallenwettkämpfen oder im Freien dort am Start. Schon als ich noch mit keinem Moment daran dachte, einmal Weltrekordlerin zu werden, war ich in der Blumenstadt Erfurt. Ich zählte wohl 17 oder 18 Jahre, als ich das erste Mal in diese thüringische Stadt fuhr, die inzwischen für mich so große Bedeutung erlangt hat.

Nach der Geburt meines Sohnes Thomas begann mein Comeback bei einem Sportfest in Thüringen. Auch im Jahr meines Weltrekords war der Ausgangspunkt ein Wettkampf in Erfurt. Die dort zu Beginn der Saison erreichten 6,77 m bestärkten mich in der Gewißheit, daß noch viel mehr möglich sein wird. Nun, und schließlich kenne ich mit Angela Voigt, Heidemarie Wycisk und Sigrun Siegl ja auch einige der besten Weitspringerinnen der Welt seit langem sehr gut. Mit ihnen gibt es immer viel zu besprechen, und immer, wenn wir uns treffen, tuscheln wir miteinander. Zwar gibt es da noch einige Sprachschwierigkeiten, aber die werde ich demnächst in der wettkampfarmen Zeit noch abstellen.


Matti Ahde

Von 1977 bis 1995 Vorsitzender des finnischen Arbeitersportverbandes, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Finnlands (SDP), 1970-1990 und 2003-2011 Abgeordneter

Ich hatte die Freude, mehrere Male die Deutsche Demokratische Republik zu besuchen. Meine Besuche waren mit meinen Aufgaben in der Jugend- und Sportpolitik verbunden; in diesen beiden Bereichen hat die DDR bedeutende Erfolge erreicht. Außerdem besuchte ich die DDR als Vertreter der SDP Finnlands. Während der Fahrten in verschiedene Gegenden des Landes konnte ich mir ein recht vielseitiges Bild über die Entwicklung auf verschiedenen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens machen. Die Leistungen haben mich sehr beeindruckt.

In vielen Gesprächen habe ich festgestellt, daß unsere Auffassungen in internationalen Fragen, trotz der unterschiedlichen Gesellschaftsordnung, weitgehend übereinstimmen. Das Hauptziel ist weiterhin die Sicherung des Friedens und die Vertiefung der internationalen Entspannung.

Das Thema meiner Reisen war meistens mit der Sportpolitik verbunden. Dadurch konnte ich das System des Sports und der Körperkultur der DDR, das in seinem Umfang und seiner Effektivität zu den besten der Welt gehört, kennenlernen. Es erfüllt mich mit Genugtuung, daß die sportlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern in der letzten Zeit neben dem Spitzensport auch auf dem Gebiet der Sportmedizin und -ausbildung sowie zwischen den Sporteinrichtungen entwickelt wurden. Ich bin überzeugt, daß dies beiden Seiten Nutzen bringt. Als fruchtbringend betrachte ich deshalb die Entwicklung der Beziehungen zwischen dem finnischen Arbeitersportverband und dem DTSB der DDR.

Auch das hohe Niveau des kulturellen Lebens in Ihrem Land hat mich tief bewegt. Unvergessen für mich sind die Aufführungen der Neunten Sinfonie von Beethoven in Berlin während der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten sowie die Darbietungen des Leipziger Thomanerchors mit Kompositionen von Bach.

Bei jeder Reise konnte ich ausgezeichnete Gastfreundschaft und Freundlichkeit erleben. Diesen Eindruck teile ich mit vielen Finnen, die die DDR besucht haben.

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Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

Die deutsche Sprache hat strenge Regeln. Scheinbar! Nach über fünfzig Jahren liebevoller Beschäftigung mit ihr weiß ich, daß man sie meist unschwer umgehen kann.

Darf man das Wort gerecht steigern? Eigentlich nicht. Aber wenn mir so ist? Ich habe den schwerfälligen NSU-Prozeß nicht lückenlos verfolgt. Aber nun, hinterher, frage ich mich, ob es nicht gerechter gewesen wäre, wenn die Richter nach fünf Jahren aufwendiger Bemühung um Gerechtigkeit die unbefriedigende Urteilsverkündung unterbrochen hätten, um in Tränen auszubrechen und sich zu Grenzen der eigenen Möglichkeiten zu bekennen.

In den Zeitungen wird betont, daß Beate Zschäpe mit einem sehr harten Urteil belegt wurde. Es wäre gerechter gewesen, wenn ihre Verteidiger einmal einen Moment des Zweifels gezeigt hätten, statt der vorgetragenen Ablehnung des Urteils, an dessen Stelle sie schon vorher die Unschuldsvermutung gelten lassen wollten. In den Zeitungen nahm sich das aus, als wäre die Unschuld der Beklagten nur den doofen Richtern verborgen geblieben.

Wäre es gerecht, und würde es der Liebe zum Rechtsstaat auf die oft müden Beine helfen, wenn sich ein Gewählter mal zu Wort meldet, der dem Minister in Bayern den moralischen Wert seiner Sprüche so vor Augen führt, daß sich Tricks entlarven und das Grinsen wie aufgescheuchter Spuk vom Redner abfällt?

Es ist ja nicht so, daß die Verkündungen zum Grübeln zwingen. Die meisten moralischen Anmerkungen oder Vorschläge werden ohnehin durchschaut. Es findet sich auch genügend gedruckter Widerspruch. Aber dem Altmeister aus Bayern gelingt es immer wieder, die Arroganz als dünne Gewandung über seine wahren Ziele auszubreiten.

Sympathie kann er damit kaum noch erwerben, aber er deckelt seine rechtsstaatliche Gesinnung immer mit der Beschwerde über die ungezogenen Bürger, die ihn schlecht behandeln, ja sogar beschimpfen. Wollen die ihn etwa zum Ruhestand drängen? Um seine Versorgung muß sich ja niemand sorgen. Dem Gesetz nach wird er bis zu seinem Ende komfortabel ausgestattet.

Ginge es uns alten Ossis besser, wenn aufgearbeitet würde, womit die Bundesrepublik Deutschland, der sogenannte reiche Westen, ihr Instrument Treuhand ausgestattet hat, um sich alles zu nehmen, was erkennbar einen Wert hatte, zu haben schien oder irgendwann haben könnte.

Es war so verführerisch einfach, ein ganzes Volksvermögen unter sich zu verteilen. Deutschen (zumeist aus dem Westen) wurde eingeräumt, altehrwürdige Betriebe in die Nähe der Pleite zu bringen und die nach dem Krieg entstandene Industrie als Konkurrenz abzuschaffen. Schlösser und Kulturbauten wurden eingesackt, viele verwahrlosten anschließend jahrzehntelang.

Niemand fragte uns Bürger nach unseren Gefühlen, an jenem heißen Sommertag, an dem in Weimar die Sonnenfinsternis das wichtigste Ereignis schien. Deswegen waren die Straßen gedrängt voll mit Beobachtern - aber in einer großen Ausstellung wurden die bildenden Künstler der Bundesrepublik mit sorgfältiger Präsentierung geehrt, mit allen Mitteln vor dem einsetzenden großen Regen geschützt, während die Maler und Bildhauer der DDR schmähende Beschriftungen ihrer Werke und den ganzen Regen abbekamen. In einem kleinen Kabinett, auch sorgfältig geschützt, waren "Kunstwerke" von Hitler zu sehen. Das war im Sommer 2006.

Es ginge uns besser, wenn all den später veröffentlichten Absichten zum Wohle der wieder Eingeholten je eine Verwirklichung gefolgt wäre.

Höre ich den zuständigen Politikern zu, klingt es, als werde es, zum Beispiel in Berlin, demnächst ausreichend Kita-Plätze geben. Der scheinbare Auftakt, der Paukenschlag "Alles für umsonst", wird aber an der Situation von berufstätigen, alleinerziehenden Frauen gar nichts ändern.

Und es ist ja wirklich ein teuflisch Ding mit der Pressefreiheit. Da preisen die einen freudetrunken einen Einfall eines Ministers, worauf die anderen ihren Computer hochfahren, um nachzuweisen, woran der Vorschlag scheitern wird. Heraus kommt, daß es keine Veränderung geben kann. Nicht jetzt, sondern vielleicht für die nächste Generation oder einen anderen Erdteil.

Der Minister guckte durch seine Brille und betonte, daß die katastrophale Pflegesituation verändert werden muß. Wir haben als Familie in häuslicher Pflege lange das uns Mögliche geleistet, und es schließlich allein nicht mehr geschafft. Die Frauen und Männer, die uns dann über einen sehr langen Zeitraum zur Seite standen, nahmen ihren überfordernden Beruf sehr ernst.

Die Pflicht hätte für das, was der Kranke brauchte, nicht ausgereicht. Solange ich lebe, werde ich dankbar sein für die Hilfe, die weit über das Vorgeschriebene hinausging. Es war das Mitdenken und Einspringen in überfordernde Situationen, was meinen Respekt gegenüber dieser nicht eben attraktiv ausgestatteten Arbeit stärkte. Und der Kranke, dem diese mitmenschlichen Augenblicke als Hilfe zuteil wurden, hat es bis zu seinem letzten Moment so gesehen und empfunden. Die Pfleger waren alle ganz normale Werktätige, die für ihre Familien zu sorgen hatten, unbequeme Wege auf sich nehmen mußten, und sie wurden, im Vergleich zum Westen, schlecht bezahlt. Daran hat sich nichts geändert.

Der Minister scheint zu glauben, daß irgendwo in Europa ausgebildete Abhelfer und Abhelferinnen darauf warten, daß wir ihnen wenigstens etwas versprechen. Ich würde gern wissen, ob er wenigstens versucht, Lösungen zu schaffen. Er weiß natürlich, daß sie bei sich zu Hause noch weniger verdienen, und daß sie dort erst recht nichts für ihr Alter zurücklegen können.

Das können die meisten von uns hier auch nicht. Die Gleichstellung der Renten zwischen Ost und West hat bisher nicht stattgefunden. Und alles vorher Gesparte unterlag zweimaliger Währungsumstellung, also mehrfacher Entwertung.

Ich frage mich: Was machen die im Parlament eigentlich mit all den Fragen, auf die keiner von ihnen persönlich antworten muß? Wenn eine Anfrage nicht zum eigenen Arbeits- und Aufgabenbereich paßt, dann klatschen nur die direkt Angesprochenen. Auf Einlassungen anderer Gewählter kann auch verbreitetes Schweigen folgen. Gebimmelt wird nur, wenn einer zu lange redet. Dummheit oder Ungehörigkeit wird kaum geahndet.

Wen oder was sollen wir ganz normalen Bürger wählen? Wir können nicht aufhören, über Lösungen nachzudenken. Eine Rückkehr zu kindlichem Glauben, der sich zu oft als Aberglaube erwies, ist nicht möglich. Uns fehlt eine glaubhafte Adresse für unsere Anliegen, wenn sie denn je den Status der Forderung erreichen.

Aber zu resignieren, das schaffe ich nicht. Obwohl: Niemand fällt tiefer als der Gutgläubige. Jener, der den eigenen Ohren und dem eigenen Hirn aus Erfahrung mißtraut, Gegenargumente nicht gelten läßt, um sich selber nicht dumm dastehen zu lassen. Es gibt immer Linderung, Trost. Davon habe ich früher manchen Genossen reden hören - meistens mit zwei Zungen -, und er lehnte ab, was er nicht selber gesagt hatte.

Wir waren Zeitgenossen, Verflochtene in den gleichen historischen Versuch, haben ihn auf unterschiedliche Weise gelebt und überlebt und Narben davongetragen, manche aus Selbstverletzung, aber auch Beulen, die uns Verbündete in den Helm schlugen.

Alles, das Begeisternde wie das am Ende Elende war eigentlich verständlich, manches sogar, historisch gesehen, folgerichtig. Ich weiß, das Leben ist ungerecht. Aber es wäre unkeusch, die einzige Gerechte sein zu wollen. Das klappt ohnehin nie.

So bleiben wir einander ermutigende, oft enttäuschte, uns immer wieder zu Hoffnung aufrappelnde Bürger im Getriebe einer Macht mit viel Ohnmacht. Die Völker schreien nach Umkehr. Weg von dieser drohenden Nähe zu einem Weltenbrand! Sie schreien nach Gerechtigkeit. In einer Zeit, die uns jeden Tag beweist, daß es wieder einmal gefährlich ungerecht zugeht.

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Alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn
die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge
unmittelbar zusammenfielen.

Karl Marx

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Heraus zur Demonstration am 13. Oktober in Berlin!

Zahlreiche Institutionen und prominente Künstler, Wissenschaftler und politische Aktivisten rufen für den 13. Oktober um 13 Uhr zu einer großen Demonstration für eine offene und solidarische Gesellschaft auf. Es sei Zeit zu handeln, denn aktuell finde eine "dramatische politische Verschiebung" statt, heißt es in dem Aufruf, den bundesweit bisher über 450 Organisationen unterzeichnet haben.

"Rassismus und Menschenverachtung werden gesellschaftsfähig. Was gestern noch undenkbar war und als unsagbar galt, ist kurz darauf Realität", heißt es in dem Aufruf. Und weiter: "Humanität und Menschenrechte, Religionsfreiheit und Rechtsstaat werden offen angegriffen. Es ist ein Angriff, der uns allen gilt."

Die Zahl der Unterstützer wird von Tag zu Tag größer, wohl auch wegen der ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz. Die Veranstalter rechnen am 13. Oktober mit mehren zehntausend Teilnehmern.

Die Liste der Erstunterzeichnenden ist lang: Dazu zählen Esther Bejarano, Jan Böhmermann, Benno Fürmann, Rolf Gössner, Eva Menasse, Volker Pispers, Romani Rose, die Bands Feine Sahne Fischfilet und Die Ärzte sowie die Intendantin des Maxim-Gorki-Theaters Shermin Langhoff. Zu den Organisatoren gehören u. a. Pro Asyl, die Tafel Deutschland, Attac, Brot für die Welt, Aktion Sühnezeichen, der Zentralrat der Muslime, die Humanistische Union, der Paritätische Wohlfahrtsverband, antirassistische Organisationen und Migrantenverbände.

"Gemeinsam werden wir die solidarische Gesellschaft sichtbar machen! Am 13. Oktober wird von Berlin ein klares Signal ausgehen", kündigt das Bündnis unter dem Hashtag #unteilbar an. Die Initiatoren wollen mit diesem Begriff deutlich machen, daß Sozialstaat und Migranten nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.

Weiteres und Aktuelles zur Demo unter www.unteilbar.org

Die geplanten Verschärfungen der Polizeigesetze bedrohen den Rechtsstaat von Bundesland zu Bundesland: Bayern, Hessen, Bremen, NRW, Niedersachsen, Sachsen, Berlin, Brandenburg, und am Ende droht ein Musterpolizeigesetz. Überwachung wird uferlos, Freiheitsrechte werden eingeschränkt. Zum Beispiel sollen Staatstrojaner auf Landesebene eingeführt werden und ein möglicher Präventivgewahrsam in Niedersachsen von 10 Tagen auf bis zu 74 Tage ausgedehnt werden.

In Bayern ist der Präventivgewahrsam sogar endlos verlängerbar. Zehntausende haben in München, Düsseldorf und Hannover bereits dagegen protestiert - Datenschützer und Fußballfans, Umweltaktivisten und Bürger, Seite an Seite! Trotzdem stellen die Innenminister sich stur. Auf der unteilbar-Demo organisieren wir ("digitalcourage") deshalb einen großen Block für Freiheitsrechte unter dem Motto: "Freiheit statt Angst - Stoppt die Polizeigesetze!"

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LESERBRIEFE

"NATO-Großmanöver in Norwegen", "Üben für den Krieg gegen Rußland", "Bundeswehr kommandiert 'Speerspitze'" - mit solchen Schlagzeilen wird eine NATO-Kriegsübung der Superlative angekündigt. Vom 25. Oktober bis zum 7. November soll das Großmanöver "Trident Juncture 2018" stattfinden. Der Übung liegt die Annahme zugrunde, daß die Souveränität Norwegens als NATO-Partner von Rußland verletzt wird und die NATO daraufhin militärisch reagieren müsse. Mit mehr als 40.000 Soldaten, davon 8000 der deutschen Bundeswehr, wird es das größte NATO-Manöver seit 1990 sein.
"Trident Juncture 2018" ist - stets unter Beteiligung der Bundeswehr - nur eine von etlichen anderen gegen Rußland gerichteten Attacken der NATO. Im Bundestag reden sie von Frieden und rüsten zugleich für den Krieg. Frau von der Leyen hatte die Stirn, 25 Milliarden Euro mehr für die Aufrüstung zu fordern.
Mit meinen 84 Jahren bleibt es mein Lebensideal, mich für den Frieden zu engagieren. Meinen Traum von einer besseren Welt will ich weiter träumen. Dabei bin ich mir bewußt, daß er sich unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen, wo Banken und Monopole das Sagen haben, auf unabsehbare Zeit nicht erfüllen kann. Doch es gibt auch mutige, kluge Denker, die sich auf die Analyse des Kapitalismus von Karl Marx besinnen - das Rüstzeug, mit dem es gelingen kann, die Welt dauerhaft zu verändern und zu befrieden.
Der Tod meines Vaters im Krieg gegen die Sowjetunion, Vertreibung aus Schlesien, schreckliche Bombennächte in Potsdam, Hunger und Elend in den Nachkriegsjahren haben meine linke politische Haltung und Überzeugung dauerhaft geprägt. Mit Sorge und auch Enttäuschung bemerke ich, daß sich viele in Ost und West der Kriegspolitik der Regierenden von CDU, CSU und SPD unterwerfen, anstatt Merkel und ihresgleichen zu einer Politik des Friedens und der Verständigung unter den Völkern zu zwingen.

Friedhelm Schulz, Hoyerswerda


Kriegstreiber stoppen, aber wie? Wir brauchen eine Friedensbewegung wie in der Vergangenheit, als es gegen die Stationierung der Pershing-2-Raketen in der alten BRD ging. Diese neue Rüstungsspirale ist nicht hinnehmbar und bedroht unseren Planeten!
Immer wieder wird Rußland als Feindbild Nr. 1 präsentiert, um Aufrüstung und Stationierung von NATO-Truppen an seinen Grenzen zu rechtfertigen. Aber worum geht es in Wirklichkeit? Es geht um die Neuverteilung der letzten Ressourcen in der Welt und den Hegemonialanspruch der USA.
Die Rüstungsindustrie braucht diese Scharfmacher, die mit ihren Kriegen die Gewinne des militärisch-industriellen Komplexes in ungeahnte Höhen treiben.
Wir alle - die Partei Die Linke insbesondere - müssen uns dieser kriegstreiberischen Politik entgegenstellen. Notwendig ist ein Kurs gegen Kriege, Aufrüstung und Waffenexporte.
Eine linke Politik, die sich im kapitalistischen System verankert, bindet sich selbst die Hände.

René Osselmann, Magdeburg


Der im Interesse der Eigentümer an Produktionsmitteln immer stärker forcierte schrankenlose Waren- und Kapitalverkehr löst nicht nur kriegsbedingte Fluchtbewegungen, sondern auch weltweite Arbeitsmigration aus. Menschen, die in ihren Heimatländern nicht mehr von ihrer Hände Arbeit leben können, müssen versuchen, ihren Lebensunterhalt woanders zu finden. Da ist es nachvollziehbar, daß sie dorthin zu gelangen trachten, wo gesellschaftlicher Reichtum vorhanden ist. Der nordamerikanische Kontinent ist für afrikanische und arabische Flüchtlinge und Emigranten nahezu unerreichbar, so daß ihr Ziel zwangsläufig Europa ist, zu dessen Wohlstand sie und ihre Vorfahren erzwungenermaßen beigetragen haben.
Doch die ökonomischen und sozialen Folgen für die Heimatländer sind enorm. Wissen und Arbeitsvermögen geht ihnen verloren. In den regierungsamtlichen Debatten über die Anwerbung z. B. von Pflegekräften wird deutlich, daß das deutsche Kapital Migranten als billige Arbeitskräfte betrachtet, die dann zu sehr niedrigen Löhnen und Gehältern Dienstleistungen erbringen.
Auf allen Ebenen wachsen so Konflikte zwischen Einheimischen und Zugewanderten, was künftig noch weiter zunehmen wird. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich einige Zeit für eine Firma in Bremerhaven und später für eine andere in Frankfurt am Main als Bauleiter tätig war. Bei dem Bauträger in Frankfurt arbeiteten, als ich dort begann, ein Bauingenieur aus dem Osten und zwei aus dem Westen. Als ich dort wegging, gab es nur noch Ossis. Wenn wir abends Gaststätten besuchten, waren uns die Einheimischen oftmals nicht wohlgesonnen, weil wir ihnen in ihren Augen die Arbeit wegnahmen. Auch auf dem Wohnungsmarkt waren wir Konkurrenten. Übrigens beschäftigte der Bauträger nur ein Gewerk aus der Umgebung. Alle anderen kamen aus Thüringen, weil sie ihre Arbeitskraft billiger verkauften. Genau dieses Problem zeichnet sich auch zwischen Flüchtlingen und der einheimischen Bevölkerung immer deutlicher ab.
Wichtig wäre es, Druck auf die EU-Regierungen auszuüben, damit diese den Entwicklungsländern echte Hilfe für den Aufbau ihrer Landwirtschaft, des Handwerks und der Industrie gewähren und ihnen die Möglichkeit einräumen, protektionistische Maßnahmen zum Schutz ihrer Wirtschaft und ihrer Arbeitskräfte durchzuführen, damit die Menschen dort wieder eine Zukunft haben.

Wolfgang Reinhardt, Nordhausen


Zu Friedrich Wolff: Was wir wollen (RF 246, S. 11)
Der Artikel war für mich deshalb so interessant, weil er in bezug auf die Partei Die Linke zum Nachdenken anregt. Natürlich war unter der Führung der SED zu DDR-Zeiten auch nicht alles zufriedenstellend, aber was in sozialen Belangen getan wurde, ist heute kaum noch in der Diskussion, und viele erkennen immer mehr, daß der Kapitalismus nichts Gutes bringt. So verwundert es nicht, daß Initiativen und Vorschläge der Linken im Bundestag regierungsseitig schon aus Prinzip abgelehnt werden. Deshalb ist es wichtig, Protestbewegungen landesweit und geschlossen zu führen und vor allem junge Kämpfer zu gewinnen. Letztlich sollte es sich dann auch im künftigen Wahlverhalten ausdrücken, um eine ansprechende Prozentzahl für die Sache zu erreichen.

Siegfried Tietz, Altenberg


Nicht erst als Jugendlicher - ich bin Jahrgang 1950 - nahm ich an den unterschiedlichsten Veranstaltungen zum "Weltfriedenstag" teil. In der DDR war seit ihrer Gründung das Friedensbekenntnis eines der obersten staatlichen Gebote.
Und damit war es folgerichtig, diesen Gedenktag, der sich auf den Beginn des schrecklichen Zweiten Weltkrieges bezog, "Tag des Friedens" bzw. "Weltfriedenstag" zu nennen.
Das Eintreten für den Frieden manifestierte die DDR in mehreren Artikeln ihrer Verfassung. So forderte Artikel 8, Absatz 1: "Die allgemein anerkannten, dem Frieden und der friedlichen Zusammenarbeit der Völker dienenden Regeln des Völkerrechts sind für die Staatsmacht und jeden Bürger verbindlich." In diesem Sinne nahm die Partei- und Staatsführung von Anfang an Einfluß auf ihre Bürger. Das betraf im besonderen Maße die Soldaten und Offiziere der Nationalen Volksarmee. Diese Armee war, im Gegensatz zu heute, nicht dazu da, "deutsche Interessen" durch Beteiligung an Kriegshandlungen an den unterschiedlichsten Orten in der Welt zu vertreten.
Vor allem auf Initiativen des Deutschen Gewerkschaftsbundes wird in der BRD der Gedenktag seit vielen Jahres als "Antikriegstag" begangen. Auch diesmal rief der DGB am 1. September zu Kundgebungen und Veranstaltungen auf (siehe diese Ausgabe, Seite 3). Angesichts der gegenwärtigen friedensgefährdenden Aktivitäten der NATO, die sich u. a. in militärischen Drohungen gegenüber Rußland, enorm steigenden Rüstungsausgaben und im Willen zum Einsatz von Atomwaffen zeigt, ist es ein Gebot der Stunde, daß so viele Menschen wie möglich ihre Stimme für die Erhaltung des Weltfriedens erheben. Am "Antikriegstag", aber auch danach, müssen die Kriegstreiber, auch die deutschen, nachhaltig spüren: Die Völker wollen keine Kriege, sie wollen FRIEDEN!

Reinhardt Koblischke, Aschersleben


Fritz Bauer, Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Stuttgart, lernte das Naziregime recht früh kennen. Bereits 1933 mußte er sein Richteramt aufgeben und wurde von den Nazis für neun Monate im Konzentrationslager Heuberg interniert. Später floh er aus Nazideutschland, erst nach Dänemark und dann nach Schweden. 1949 kehrte er nach Deutschland zurück. Hier wollte Fritz Bauer beim Aufbau eines demokratischen Justizwesens im Nachkriegsdeutschland helfen. 1956 wurde er Generalstaatsanwalt in Frankfurt am Main. Das muß für ihn kein leichtes Amt gewesen sein, sah er sich doch dabei auch Richtern und Staatsanwälten aus der Nazizeit gegenüber, die nach 1945 weiter im Staatsdienst blieben. Nicht selten sabotierten sie seine Arbeit.
Fritz Bauer soll mal gesagt haben: "Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland." Er hatte wohl recht, zumal er mehrere Morddrohungen erhielt. Allein dieser Ausspruch sagt alles über das Wesen der Nachkriegsjustiz in Westdeutschland aus.
Allein in Frankfurt a. M. ließ er über 1000 Zeugen vernehmen und bereitete den Auschwitz-Prozeß gegen die SS-Wachmannschaften vor. Er gab auch den entscheidenden Tip zum Auffinden Adolf Eichmanns in Argentinien, der als Organisator der Massendeportationen von Juden mitverantwortlich war für die Ermordung von sechs Millionen Menschen.
Bauer hat gegen alle Widerstände Täter und Mitläufer verfolgt. Leider folgte die westdeutsche Justiz ihm selten bzw. nur widerwillig. Verfahren in Westdeutschland hatten eher symbolischen Charakter. Allein an den Verbrechen in Auschwitz waren 8000 Deutsche beteiligt - lediglich 40 von ihnen wurden von der westdeutschen Justiz dafür zur Rechenschaft gezogen.
Für Fritz Bauer wäre es nie infrage gekommen, lockerzulassen. Selbst zum Zeitpunkt seines Todes war er noch mit Ermittlungen gegen führende Justizbeamte des dritten Reiches befaßt. Das muß den Herrschenden ein Dorn im Auge gewesen sein. Folge ich dem ARD-Autor Ulrich Chaussy, wurde Fritz Bauer vom Auslandsgeheimdienst BND überwacht.
Ich denke, er würde sich freuen, wenn er wüßte, daß die Auschwitz-Tonbänder aus dem von ihm initiierten Prozeß seit einigen Monaten zum "Gedächtnis der Welt" der UNESCO gehören.
Fritz Bauer erkannte klarsichtig, daß der faschistische Staat kein Betriebsunfall der Geschichte war. Er hielt eine Wiederholung der Naziverbrechen für denkbar, wenn sich die Gesellschaft nicht vollständig demokratisiert.
Seien wir wachsam!

Wilfried Steinfath, Berlin


Zu Ludwig Elm: Geschichtsverzerrung (RF 246, S. 8)
Prof. Dr. Elm wandte sich mit seinem sehr aufschlußreichen Artikel einer Thematik zu, die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung weiten Kreisen der Bevölkerung zugänglich gemacht werden müßte. Die bisher von bürgerlichen Historikern betriebene Aufarbeitung deutscher Geschichte hatte schon immer zu einem erheblichen Teil DDR-Geschichte mit weithin diffamierendem Inhalt zum Gegenstand. Es ist grotesk, wenn sich nun die thüringische Regierungskoalition unter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) anmaßt, der Öffentlichkeit endlich eine "wissenschaftlich gestützte Aufarbeitung" der deutschen Geschichte vorlegen zu wollen, die nichts anderes bedeutet als eine nachträgliche Diffamierung der DDR als "Unrechtsstaat".
Offensichtlich geht es darum zu verhindern, daß in der Öffentlichkeit die sozialen und kulturellen Errungenschaften der DDR positiv bewertet und das gesamte gesellschaftliche System als mögliche Alternative zur jetzigen kapitalistischen Gesellschaftsordnung betrachtet wird.
Diese Art der "Geschichtsaufarbeitung" wird bereits seit dem Anschluß der DDR an die BRD betrieben und soll jetzt offenbar neue Impulse erhalten. Zentral gesteuert werden solche Projekte u. a. von der "Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur", deren Vorsitzender Rainer Eppelmann ist.
Abzusehen ist, daß die ständigen Verketzerungen, wirtschaftlichen Sanktionen und subversiven Vorgehensweisen des Gegners, derer sich die DDR über Jahrzehnte zu erwehren hatte, kaum eine Rolle spielen werden. Auch die Tatsache, daß die Geheimdienste nahezu der gesamten kapitalistischen Welt, insbesondere aber der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der BRD, über Jahrzehnte von Westberlin aus mit großem Aufwand gegen uns agierten, wird in dieser "wissenschaftlichen Aufarbeitung" wohl kaum Erwähnung finden.
Leider haben wir es versäumt, die vielfältigen geheimdienstlichen Initiativen wie Brandstiftungen, Sabotage- und Spionageakte und vor allem auch die ständigen Abwerbungen hochqualifizierter und gut ausgebildeter Fachkräfte in ihrem tatsächlichen Ausmaß in der Öffentlichkeit bekanntzumachen. Welch unermeßlicher Schaden der Volkswirtschaft allein dadurch entstanden ist, kann kaum beziffert werden.
Seitens der Bezirksverwaltung des MfS Neubrandenburg war Mitte/Ende der 50er Jahre festgelegt worden, im Zusammenwirken mit der Abteilung I der Staatsanwaltschaft über jedes abgeschlossene Ermittlungsverfahren vor dem jeweiligen Arbeitskollektiv des Betreffenden gewissermaßen Rechenschaft abzulegen. Das wurde immer mit großem Interesse, aber auch kritischen Hinweisen aufgenommen. Dabei kam allerdings auch fehlerhaftes Verhalten örtlicher Institutionen und Funktionäre zur Sprache, was von den zuständigen Leitungen kritisch hätte verarbeitet werden müssen.
Aus heutiger Sicht unverständlich ist, daß uns und der Staatsanwaltschaft durch die Bezirksleitung der Partei untersagt wurde, künftig weitere Veranstaltungen dieser Art durchzuführen. Begründet wurde es damit, daß bestimmte Personenkreise dadurch zu eigenen ähnlichen subversiven Aktivitäten ermuntert würden und das Ansehen örtlicher Institutionen und einzelner Funktionäre der Partei beschädigt werden könnte. Die Darstellung des Geschehens überließen wir so leider der Gerüchteküche und der Propaganda der Gegenseite.
Ich will nicht unerwähnt lassen, daß es in Sachen "Geschichtsaufarbeitung" auch bürgerliche Historiker mit nüchternem und sachlichem Blick auf die DDR, wie z. B. Prof. Dr. Erhard Klöss, gibt. Er formulierte u. a.: "Die westdeutsche Ostpolitik folgte den jeweils von den USA gesetzten Spielregeln des kalten Krieges und praktizierte eine Politik der Stärke und der Abgrenzung gegenüber dem Ostblock und insbesondere gegen den 'Spalterstaat', die DDR ... Die geteilte Stadt (Westberlin) wurde zum 'Schaufenster des Westens', an dem sich die DDR-Bewohner die Nase plattdrückten." Viele erlagen der Sogwirkung des "goldenen Westens".

Dr. jur. Heinz Günther, Berlin


Vor 120 Jahren, am 7. Mai 1898, sprach der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete August Bebel in einer großen "öffentlichen Versammlung für Männer und Frauen" im Lokal Magnus (heute Heimatmuseum) in Strausberg bei Berlin.
Das war eine Sternstunde der Sozialdemokratie in dieser kleinen Stadt. Vor mehr als 400 Personen aus allen Parteien wies er der Reichsregierung eine unzumutbare "Mehrbelastung des Volkes durch Militärvermehrung und Flottenvermehrung" nach. Dem neuen Reichstag prophezeite er "neue Aufwendungen für das Landheer" und brandmarkte, daß "die eigentlichen Kulturaufgaben nach wie vor Not leiden". Darum müßte die Sozialdemokratie der Regierung und den herrschenden Klassen zurufen: "So geht es nicht mehr weiter, wir wollen, daß mit der Volkswohlfahrt voller und ganzer Ernst gemacht wird." ("Strausberger Wochenblatt" vom 11. Mai 1898).
Dieser konsequent antimilitaristische Kurs wurde von den Sozialdemokraten voll unterstützt und fand auch bei der übrigen Bevölkerung Zustimmung. Deutlich wurde das besonders bei den Reichstagswahlen 1898, bei denen Parteifreund Bernhard Bruns in Strausberg 57,6 Prozent aller abgegebenen Stimmen erhielt. Auch in den folgenden Jahren hatten die Strausberger Sozialdemokraten immer dann Erfolg, wenn sie der Bebelschen antikapitalistischen Politik folgten. Mit dem Kampf, Lohnverbesserungen zu erreichen, erwarben sie eine starke Anhängerschaft.
Bei der Reichstagswahl 1912 brachte das den Sozialdemokraten 47,7 Prozent aller in Strausberg gültigen Stimmen. Später sank ihr Einfluß. Sie mußten sich die linken Wählerstimmen mit der KPD teilen. Das hinderte die Strausberger SPD jedoch nicht, weiter im Sinne des Aufrufs des sozialdemokratischen Parteivorstandes vom 7. November 1918 zu wirken. Dieser schließt mit den Worten: "Vorwärts zu den Zielen der Demokratie und des Sozialismus!"
Wie tief mußte die deutsche Sozialdemokratie sinken, um August Bebel und den Sozialismus auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen?

Heinz Pocher, Strausberg


Zu Udo Stunz: Großdemonstration gegen Personalnot im Gesundheitswesen (RF 247/248, S. 7)
Ich möchte diesem Artikel meine volle Zustimmung geben. Fast jeder kommt mit den Folgen des gesundheitspolitischen Kahlschlags in Berührung. Allein die fehlenden Fachkräften - 63.000 in der Altenpflege und 800.000 in den Krankenhäusern - sind für mich beängstigend. Der Beruf einer Krankenschwester oder eines Pflegers verlangt den Einsatz rund um die Uhr, an den Wochenenden genauso wie an Sonn- und Feiertagen. Das ist nicht für jeden selbstverständlich. Deshalb kann man Menschen, die unter diesen Bedingungen arbeiten, nicht genug Hochachtung zollen. Das Gerede der Politiker, es müsse was getan werden, reicht nicht. Es ist Zeit zum Handeln. Deshalb unterstütze ich die Forderungen der Gewerkschaft, nicht nachzulassen und weiter zu kämpfen.

Siegfried Tietz, Altenberg/Sachsen


Erneut bestätigt sich, daß das kapitalistische System aus Profitinteressen nicht in der Lage ist, grundlegende Menschheitsprobleme zu lösen, wie es u. a. an den Folgen der monatelangen Hitzeperiode deutlich wird. Der Ausstoß von Kohlekraft in die Atmosphäre, vor allem zu verantworten von den wirtschaftlich starken Industrienationen wie der BRD, geht ungebremst weiter, gefolgt von den Abgasen der Verkehrsmittel in ungeahnter Dimension. Aber gerade die Bundesrepublik hat Probleme, internationalen Klimaschutzverträgen zuzustimmen bzw. ihnen beizutreten.

Hans-Georg Vogl, Zwickau


Zu Peter Elz: Von Privateigentum, "Quasi-Eigentum" und Volkseigentum (RF 246, S. 22)
In seinem Beitrag hat Dr. Elz sehr überzeugend die Triebkraftfunktion des Privateigentums an Produktionsmitteln und damit verbundener Manipulationen herausgearbeitet. Entsprechend dem Hauptgegenstand seiner Ausführungen gibt es nur am Schluß knappe Ausführungen zum Volkseigentum.
Es handelt sich hier um eine Problematik, die weiter der Erforschung aus mehreren Jahrzehnten sozialistischer Entwicklung und der theoretischen Aufarbeitung bedarf. Das Kernproblem besteht darin, das Volkseigentum im Sinne der Hinweise von Marx u. a. in seinen "Ökonomischphilosophischen Schriften" aus dem Jahr 1844 als gesellschaftliches Verhältnis zu begreifen und zu organisieren. Die rein juristische Seite des Volkseigentums, es als "dem ganzen Volk gehörend" zu deklarieren, reicht da nicht aus. Dieses gesellschaftliche Verhältnis muß von den Werktätigen mitgestaltet werden, und es muß erreicht werden, daß sie sich damit auch ideell identifizieren. Dazu gehören eine gut entwickelte Demokratie bei der Planung, umfassende Mitbestimmung bei der Leitung und Organisation der Produktion und eine für jeden erlebbare und ihn stimulierende materielle und moralische Interessiertheit an den Ergebnissen der Nutzung des Eigentums.
Das alles muß auch durch ideologische Arbeit vermittelt werden, aber solange das täglich Erlebte noch unzureichend ist, bleibt ihre Wirksamkeit ungenügend. Das ist ein weites Feld. In seiner nicht genügenden Beachtung sehe ich eine wesentliche Ursache unserer Niederlage bei der Gestaltung einer neuen Gesellschaftsordnung.

Dr. Dr. Ernst Albrecht, Dormagen


Zwei weitere Überlegungen zu den im "RotFuchs" geäußerten Gedanken zur Frage der Arbeitsproduktivität: Herbert Münchow erwähnt in seinem Beitrag im RF 247/248 Fritz Behrens und die von ihm entwickelte Zeitsummen-Methode. Sie ist - im Unterschied zur Wert- oder Warenform der Arbeitszeit-Messung - rein innerbetrieblich angelegt, erfaßt daher auch nur die real produktiv Arbeitenden eines Betriebes. Nur sie besitzen Produktivkraft, nur sie können sie auch verändern/bewegen. Sie liegt allerdings der Wert- oder Warenform einer Bestimmung von produktiver Kraft der Arbeit zugrunde, d. h. ist deren elementare Form. Nicht einmal Meister, Produktions- und Werkleiter, sonstige Angestellte des Betriebes, weder im Betrieb soziale Arbeit noch kulturelle Arbeit Leistende sind in ihr erfaßt wie auch erfaßbar. (Die Krankenschwester oder den Arzt einer Krankenstation mit in die Produktivitätsmessung hineinzunehmen, macht ja keinen Sinn.) Bei der Wertform der Arbeitszeit-Bestimmung aber würde alles, was Kosten verursacht, mit in den Preis eines Produkts aufgenommen sein, d. h. die "Arbeitszeit" mitbestimmen; die Wertform bläht die Zeit auf, macht sie ungenau. Die rein auf die produktiv Arbeitenden orientierende Zeitsummen-Methode nimmt praktisch den Kommunismus voraus, in dem die Produkte "nicht mehr die sachliche Eigenschaft des Wertes besitzen" (Marx), aber "der Wert wesentlicher denn je wird" (wieder Marx). D. h., die elementare Wert"form" wird wesentlicher denn je.
Zum Beitrag von Achim Dippe (im RF 246). Er nennt Zahlen: "Die Produktivitätsrückstände, die über drei Jahrzehnte hinweg nicht kleiner wurden (sie betrugen Jahr für Jahr ca. 25 bis 30 %), waren Auslöser für viele Initiativen in den Betrieben und Kombinaten ..." Und: "Das Produktivitätsniveau, gemessen auf der Basis Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, lag 1989 bei 65 Prozent des westdeutschen Niveaus." Ich konstatiere: Ein drei Jahrzehnte lang stets gleichbleibender Rückstand von 25 bis 30 % hinter dem westdeutschen Niveau, 1989 = 35 %. Was folgt daraus? Daß die Planwirtschaft in der DDR einen Anstieg in der Arbeitsproduktivität erzeugte, der zwar den Rückstand hinter der BRD nicht aufhob, aber dennoch mit der der BRD - gerechnet je Einwohner des jeweiligen Landes - parallel lief. Und die 80er Jahre? Sie sind offensichtlich auf besondere Weise zu erklären, heben aber das, was über die Fähigkeit einer Plan-Ökonomie an sich gesagt worden ist, nicht auf. Auf Basis der Zahlen kann ich kein "langsames Sterben des Sozialismus", jedenfalls nicht in der DDR, erkennen.

Hermann Jacobs, Berlin


Vielen Dank für den Abdruck meiner Leserzuschrift zu Arnold Schölzels "Ist Marxismus noch zeitgemäß?". Leider ist durch eine Korrektur ein völlig widersprüchlicher Satz entstanden. Der vorletzte Satz der Zuschrift muß lauten: Ich selber schied Ende 1990 - obwohl es mir nicht leicht fiel - neben vielen anderen Mitarbeitern nach einer über 30jährigen Tätigkeit in der Akademie aus, davon 16 Jahre im Bereich des Vizepräsidenten. Ich war nicht der Vizepräsident, ich war der Abwesenheitsvertreter.

Dr. Heinz Heikenroth, Berlin


Im "RotFuchs" Nr. 242 habt Ihr auf der Leserbriefseite (S. 33) unsere Spendenbitte für die Restauration des Fliegerehrenmals bei Syhra veröffentlicht. Die Arbeiten am Ehrenmal konnten jetzt abgeschlossen werden.
Wir würden gern die Gelegenheit nutzen, uns bei allen Spendern auf diesem Weg zu bedanken.
Danke und herzliche Grüße!

Bernd Gnant, Geithain


Der Anlaß für diese Zeilen (der Geburtstag des Innenministers) liegt schon etwas zurück, aber wir wollen sie unseren Lesern dennoch nicht vorenthalten.

Das Geburtstagspräsent
Zum Wiegenfeste - man beachte -
des Ministers für Krachledernes
verehrten ihm seine Leute
die exzellenteste Freude:
So viele Migranten wie er an Jahren
ließen sie in die Hölle fahren -
geradewegs nach Afghanistan.
Er hörte die Zahl amüsiert sich an.

Brigitte Müller, Dresden


Ob wir es bereuen, aus Beeskow wegzuziehen? Mein Mann, der hier geboren ist, längere Zeit nur zu Besuch herkam und über die letzten 22 Jahre in Beeskow lebte, meint, es hält ihn nichts, und ich bin nie wirklich warm in seiner Geburtsstadt geworden. Der hohe Pflegeaufwand für Schwiegermutter, für meinen Mann und mein eigener desolater Gesundheitszustand ist in der Kreisstadt nur schwer zu stemmen. Wir haben versucht, heimisch zu werden und uns einzubringen.
Aber auch hier gibt es Menschen, die uns etwas bedeuten, die wir hoffentlich nicht ganz aus den Augen verlieren, obwohl uns einige aufgrund unserer zunehmenden Behinderung aus ihrem Leben ausgeschlossen haben. Wir sind dadurch auf ganz neue, nicht unbedingt gewollte Wege gestoßen, die eine andere Sichtweise auf das Leben und die Gesellschaft mit sich brachten.
Der Kampf mit Gesetzen und Verordnungen, mit Ämtern, Behörden, Kranken- und Pflegekassen, Bordsteinkanten und menschlicher Kälte nagt an unseren Reserven, aber wer nicht kämpft, hat schon verloren. Und zum Glück fanden wir auch jene, die uns zur Seite standen, die unser Leben bereicherten und erleichterten. Der Pflegedienst OhneSorge kümmerte sich um die Rundumversorgung an Leib und Seele, die Küche des Pflegeheims um unsere tägliche warme Mahlzeit, die GefAS um unsere Solidaritätsarbeit, Genossen der PDL um die politische Mitnahme, Frau Dr. Gottschall, ihre Mitarbeiterinnen und die Adler-Apotheke um unsere gesundheitliche Betreuung. Allen, Klaus und Ilona Weichselbaum - bleibende Freundschaft aus Kindertagen -, unseren Nachbarn Familie Kurz und Frau Schaller, den netten Verkäuferinnen bei Lidl und Netto, einfach allen, die auf einen Schwatz über das Hier und die Welt nur gewartet haben, danken wir für ihre Zuwendung. Gern habe ich mich um die Streitschlichtung in Beeskow und vor den Gerichten gekümmert, lernte dabei auch, wie schnell einstige gute Nachbarschaften kaputtgehen können und wo die Ursachen für Kriminalität und Verrohung der Gesellschaft liegen.
Ja, wir gedenken, nicht aufzugeben. Wer uns kennengelernt hat, weiß, wie wir tickten und es weiter tun werden. Wenn auch die Knochen bröseln, ist der Kopf doch noch immer wach. Den bei dem einen oder anderen zurechtrücken zu helfen, fühlen wir uns verpflichtet.
Versprochen: auch in unserer neuen alten Heimat werden wir uns einmischen. Der erste Eindruck läßt vermuten, daß auch dort noch viele "Dornröschen" schlummern. Wo wir helfen können, wird geholfen, und wenn es nur ein Rat ist. Von unseren Erfahrungen geben wir gern etwas ab. In diesem Sinne - Eisenhüttenstadt - wir kommen und hoffen ...

Cornelia und Wolfgang Noack, Eisenhüttenstadt


Als ehemaliger DDR-Bürger, der wegen der Arbeit in den Westen "gegangen worden ist", bin ich erst viel zu spät auf Ihre wunderbare Zeitschrift aufmerksam geworden. Daher würde ich mich freuen, diese ab sofort beziehen zu können.

Timo König, Buchholz i. d. N.


Anmerkung der Redaktion: Besser spät als nie ... und: Alle bisher erschienenen Ausgaben stehen im Internet zur Nach-Lese zur Verfügung: http://rotfuchs.net/pdf-archiv.html Und: Gute Freunde gibt's in Buchholz z. B. hier: Wohn- und Ferienheim Heideruh e.V., Ahornweg 45, Telefon 04181/8726


Jede Ausgabe der Zeitschrift vermittelt mir wichtige Informationen, Anregungen und Argumente, die auf Erfahrung und Wissen beruhen. Für einen Genossen in der "Diaspora" ist dies von besonderer Bedeutung. Stark beeindruckt hat mich in der letzten Ausgabe die Dokumentation der "Tagesspiegel"- Erwiderung auf Gauland und die kommentierende Anmerkung hierzu.

Rudolf Schwinn, Bonn


Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift.

HERAUSGEBER: "RotFuchs"-Förderverein e. V.
Postfach 02 12 19, 10123 Berlin


Das Impressum für die obenstehende Ausgabe ist zu finden unter:
www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2018/RF-249-10-18.pdf

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Quelle:
RotFuchs Nr. 249, 21. Jahrgang, Oktober 2018
Internet: www.rotfuchs.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2018

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