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ROTFUCHS/189: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 235 - August 2017



ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

20. Jahrgang, Nr. 235, August 2017


Aus dem Inhalt

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Hinter der Nebelwand von "Freiheit und Demokratie"

Der Aufstieg der alten Bundesrepublik zum ökonomisch und militärisch mächtigsten Staat Westeuropas vollzog sich bis 1990 unter den Schlagworten "Freiheit und Demokratie". Theodor Plivier schrieb 1932, bezogen auf die Situation nach dem Ersten Weltkrieg: "Der Kaiser ging, die Generale blieben." Abgewandelt auf die Lage nach 1945 könnte man sagen: Der Führer war gegangen, seine verbrecherischen Generäle, seine sklavenhalterischen Wehrwirtschaftsführer, seine Blutrichter und Gestapo-Folterer aber blieben. Antisemitismus war nun offiziell verpönt, beim Antikommunismus gab es noch Steigerungen.

Hans Heinz Holz faßte im Frühjahr 2011 die Politik der westdeutschen Kommunisten für deutsche Einheit, gegen Wiederbewaffnung und Notstandsgesetze so zusammen: "Der Kampf der KPD war immer ein Freilegen, ein Offenlegen dessen, daß dieser Demokratisierungsprozeß ein Scheinprozeß und eine Camouflage (Täuschung, Tarnung) war, unter der sich der deutsche Imperialismus wieder installierte, und zwar zunächst einmal in völliger Abhängigkeit vom amerikanischen."(*)

Der Anschluß der DDR an das Bundesgebiet wurde von den deutschen Kommunisten in Ost und West und selbst von imperialistischen Verbündeten der BRD, vor allem von Großbritannien, als das betrachtet, was er war: ein Freibrief für den deutschen Imperialismus, aus der Vormachtstellung in Westeuropa heraus den Weg zur Regional- oder sogar Weltmacht wieder einzuschlagen. Nach 27 Jahren lautet die Bilanz: Die alte BRD ging, ihre Generäle blieben, ihre führenden Konzerne expandierten zu Weltunternehmen. Die höchsten Richter sahen ihre Hauptaufgabe darin, an den Repräsentanten der DDR und an Hunderttausenden ihrer engagierten Bürger Rache zu nehmen. Die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit wurden und werden mit Hilfe einer gewaltigen Maschinerie verfolgt, während die Geheimdienste der BRD weiterarbeiten wie zuvor: Sie fördern den Neofaschismus bis hin zum Terrorismus und erhalten von Legislaturperiode zu Legislaturperiode mehr juristische und technische Handhaben zum Ausbau des größten Überwachungsstaates, den es auf deutschem Boden je gegeben hat.

Die Personalstärke der Bundeswehr wurde zwar auf heute etwa 200.000 Frauen und Männer reduziert, und im "Zwei-plus-vier-Vertrag" erhielt die Formel "Von deutschem Boden soll kein Krieg mehr ausgehen" völkerrechtlichen Rang - am imperialistischen Charakter der Armee und ihrer Führung änderte das keinen Deut. Im Gegenteil: Krieg ist wieder "normaler" Bestandteil der deutschen Außenpolitik. Neben die Camouflage von "Freiheit und Demokratie" sowie von "Werten" ist längst das Betonen klassisch imperialistischer Interessenpolitik getreten: "unsere" Rohstoffe, "unsere" Handelswege, "unsere" Verbündeten, die vor allem gegen eine angebliche russische Aggression "geschützt" werden müssen.

Noch fällt denen, die das alles vorantreiben, niemand in den Arm. Im Gegenteil: Fünf Tage nach dem "Brexit"-Votum am 23. Juni vergangenen Jahres verabschiedeten die EU-Staats- und Regierungschefs eine "globale Strategie" ihres imperialistischen Konstrukts, in dem das Erreichen "strategischer Autonomie", also die relative Unabhängigkeit von den USA, proklamiert wurde. Seitdem treiben die Bundesregierung und nun Macron in Frankreich die Errichtung gemeinsamer Militäreinrichtungen im Eiltempo voran. Am 7. Juni dieses Jahres wurde so z. B. ein "EU-Verteidigungsfonds" gegründet, in dem am selben Tag veröffentlichten "Reflexionspapier" für den Ausbau der globalen EU-Strategie werden drei Szenarien für Rüstung und Militär bis zum Jahr 2025 durchgespielt. Am Ende soll eine "Sicherheits- und Verteidigungsunion" stehen. Das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU dient dazu, das "Schicksal in eigene Hände zu nehmen", wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel im Münchner Bierzelt verkündete. Daß es deutsche Hände sein sollen, steht fest. Es bedurfte nicht des "ein Stück weit nicht verläßlichen" Donald Trump, um diesen Kurs zu forcieren.

Und das Personal ist nach 27 Jahren "Friedensdividende" bereit. Am 27. Juni war in der FAZ ein Interview mit Bundeswehrgeneral a. D. Christian Trull zu lesen, in dem er verkündete: "Soldaten wollen und benötigen Vorbilder, die auch selbst gekämpft haben." Das "Abschneiden von den Soldatengenerationen der kaiserlichen Armee und der Wehrmacht" sei deshalb falsch. Im übrigen sei aktuelle Kampferfahrung da: "Das mittlere Führungskorps der Bundeswehr besteht aber aus Menschen, die von Somalia über das Kosovo bis zu Afghanistan und Mali Erfahrungen in Einsatz- und Gefechtssituationen gesammelt haben." Dazu läßt sich sagen: Es ist wieder einmal vollbracht. Die deutsche Soldateska ist zum "Töten und Getötetwerden" bereit - und darum geht es in der Bundeswehr (wie Trull richtig feststellt). Fehlen nur noch die richtigen Befehle ...

Es ist dringend nötig, daß Kommunisten und Sozialisten im Bundestagswahlkampf diese Entwicklung hin zu imperialistischem Räuber- und Abenteurertum anprangern. Die etablierten Parteien werden das Thema kaum anrühren. Die Mainstream-Medien werden weder von der Blockade des Atombombenlagers in Büchel noch von den Demonstrationen gegen die US-Basis Ramstein berichten, der Antikriegstag am 1. September wird wie üblich übergangen werden. Das ist die aktuelle Form der Camouflage. Sorgen wir dafür, daß sie enttarnt wird!

Arnold Schölzel

(*) Hans Heinz Holz - Die Sinnlichkeit der Vernunft. Gespräche mit Arnold Schölzel und Johannes Oehme - Febr. 2011
Das Buch erscheint demnächst im Verlag Das Neue Berlin.

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Zur Lüge vom angeblichen syrischen Giftgasangriff

US-Geheimdienste haben US-Präsident Trump noch vor dem Angriff auf den Stützpunkt Al-Schairat darüber informiert, daß es keine Beweise für einen Chemiewaffen-Einsatz in der syrischen Stadt Chan Scheichun gibt. Dies geht aus einer Recherche des US-Journalisten Seymour M. Hersh hervor, welche die "Welt am Sonntag" am 25. Juni veröffentlichte.

In seinem Beitrag bezieht sich Hersh auf mehrere Quellen in US-Regierungs- und Geheimdienstkreisen. Er habe diese Quellen gegenüber der "Welt am Sonntag" freigegeben, so die Zeitung. Die Redaktion habe einige von Hershs Informanten kontaktieren können. Trump habe seine Entscheidung über den Angriff auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt Al-Schairat unter Ignorierung der Meinungen der Experten getroffen, schreibt Hersh, den die "Welt" den bekanntesten US-Investigativ-Journalisten nennt. Später habe das Weiße Haus versucht, die Ereignisse so darzustellen, als ob Trumps Entscheidung durchaus berechtigt gewesen wäre.

"Zu diesem Zeitpunkt deuteten die vorhandenen Informationen der Geheimdienste eher darauf hin, daß die syrische Luftwaffe am 4. April ein Dschihadisten-Treffen ins Visier genommen hatte. Dafür hatten die Russen den Syrern extra eine spezielle Bombe zur Verfügung gestellt, eine 'guided bomb', eine gelenkte Bombe, die mit konventionellem Sprengstoff bestückt war", so Hersh.

Washington habe darüber Bescheid gewußt, weil Rußland die USA über den geplanten Angriff im voraus informiert habe, damit die CIA ihre Informanten habe zurückrufen können, die in die Führung der Dschihadisten infiltriert seien und möglicherweise an diesem Treffen hätten teilnehmen können.

Das Ziel der syrischen Luftwaffe in Chan Scheichun sei ein zweistöckiges Gebäude gewesen, in dem das Treffen der Terroristenführer habe stattfinden sollen. Darüber habe Moskau die CIA direkt informiert.

Im Keller des Hauses habe sich ein Lager mit "Medikamenten und Mitteln auf Chlorbasis zur Reinigung Toter vor deren Beerdigung" befunden. Bei dem Angriff der syrischen Luftwaffe habe sich eine giftige Wolke gebildet, die unter anderem Chlor enthalten habe: "Diese Wolke bestand aus freigesetzten Düngemitteln, Desinfektionsmitteln und anderen Stoffen, die im Keller gelagert worden waren. Dies geht aus einem Befund des US-Militärs hervor, einem sogenannten Battle Damage Assessment (BDA)", heißt es im Artikel. Laut Hersh sagte ihm einer von Trumps Sicherheitsberatern: "Das war kein Angriff mit chemischen Waffen. Das ist ein Märchen."

Trump habe den Luftschlag auf den Stützpunkt Al-Schairat nur wenige Stunden, nachdem er die Fotos von Kindern und Erwachsenen gesehen habe, die an den Folgen der Einwirkung von Giftstoffen gestorben waren, als Vergeltungsschlag für den vermutlichen Einsatz von chemischen Waffen in Chan Scheichun beschlossen.

"Ihm wurde gesagt, daß wir keine Beweise für einen syrischen Einsatz von Chemiewaffen hätten, und trotzdem sagte Trump: 'Tut es!'", soll der Sicherheitsberater Hersh berichtet haben.

Hersh zufolge waren Trump vier mögliche Pläne vorgelegt worden. Eine der Optionen habe eine massive Bombardierung der wichtigsten syrischen Luftwaffenstützpunkte und der Kommando- und Kontrollzentralen durch B-1- und B-52-Bomber vorgesehen. Die härteste Variante hätte die physische Vernichtung von Bashar al-Assad und seinen Kommandozentralen "durch die Bombardierung seines Palastes in Damaskus und aller möglichen Untergrundbunker" bedeutet.

Am 7. April hatten die USA einen Luftschlag mit Tomahawk-Marschflugkörpern gegen den syrischen Luftwaffenstützpunkt Al-Schairat in der Provinz Homs geführt. Als Grund dafür nannte die US-Regierung die angebliche Giftgasattacke in der Stadt Chan Scheichun in der Provinz Idlib.

Gestützt auf "Sputnik News"

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XV. Parteitag der PVC in Caracas

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Vertrag zu Atomwaffenverbot verabschiedet

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Ein Beitrag der "Kommunistischen Plattform" zur Wahl-Debatte
Aufrechten Gang wieder lernen

Wir werden innerhalb unserer Partei - wenn wir in Anbetracht der Spekulationen über R2G (Rot-Rot-Grün) unsere Besorgnisse kundtun - häufig mit folgenden zwei Argumenten abgespeist: Erstens: Wir stehen zu unseren friedenspolitischen Grundsätzen - siehe Wahlprogrammentwurf. Zweitens: Diese Grundsätze sind sicher - siehe die Stimmung in der Partei und die Ausführungen maßgeblicher Protagonisten der "Linken". Doch wie sicher sind verbale Bekenntnisse zu unseren friedenspolitischen Grundsätzen, wenn zugleich davor zurückgewichen wird, sich offen damit auseinanderzusetzen, daß es bis dato keinerlei Anzeichen dafür gibt, daß SPD und Grüne diese Grundsätze im Falle von R2G akzeptieren würden? Wir wissen doch alle, daß das Gegenteil der Fall wäre. Und wenn auf dem Berliner SPD-Bundesparteitag am 19. März das Thema Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht einmal angesprochen wurde, dann zeugt das von keinem Kurswechsel. Einen solchen nimmt man in der Politik annähernd nie stillschweigend vor. Es zeugt lediglich davon, daß Ruhe sein soll zu diesem Thema. Schulz wartet auf ungewöhnliche Ereignisse, die es der SPD ermöglichten, offensiv mit ihrer verteidigungspolitischen Linie umzugehen - oder eben auf Koalitionsverhandlungen. Da würde man sich schon durchsetzen. Vermutlich will Schulz zwar keine rot-rot-grüne Koalition, aber - so wird er gleichzeitig denken - man kann ja nie wissen! Wir werden die Frage nach dem möglichen Preis von R2G auch im Wahlkampf offensiv stellen. Schon jetzt hören wir: "Seid doch nicht so mißtrauisch!"

Und wir sagen ohne jede diplomatische Floskel: Doch, das sind wir. Zwingt die SPD, in der Friedensfrage Farbe zu bekennen, und setzt Euch mit ihren sogenannten verteidigungspolitischen Positionen auseinander, und schon wird unser Vertrauen wiederhergestellt sein. Und noch etwas Vertrauensbildendes gäbe es: Hört auf, mit den Begriffen "Auslandseinsätze" und "Kampfeinsätze" zu spielen! Wenn Bernd Riexinger auf der Pressekonferenz am 3. April einräumte, die Entscheidung zwischen Kampfeinsatz und Auslandseinsatz sei in der Praxis nicht ganz einfach, dann fragen wir: Ja, warum bleibt ihr dann nicht dabei, Auslandseinsätze abzulehnen? Und Punkt! Warum wies Bernd Riexinger auf dieser Pressekonferenz darauf hin, daß die Fraktion seiner Partei im Bundestag jeden aktuellen Auslandseinsatz abgelehnt habe, ohne gleichzeitig zu sagen, daß es eine Koalition nur geben kann, wenn ebendiese Einsätze beendet werden?

Warum lehnte der Parteivorstand Anfang April folgenden Antrag der AKL ab: Im Wahlprogramm solle es heißen, daß sich Die Linke nicht an einer Regierung beteiligen wird, die Kriege führt oder Auslandseinsätze der Bundeswehr zuläßt. Es blieb die ursprüngliche Formulierung, es dürften keine Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zugelassen werden. Warum nur? Weil es im Parteiprogramm der "Linken" von 2010 auch - neben dem Begriff Auslandseinsätze - den Begriff Kampfeinsätze gibt? Schlimm genug, daß man schon seinerzeit - und dies nicht zum ersten Mal - diese Zweideutigkeit bewußt verteidigte. Anträge, auf den Begriff Kampfeinsätze zu verzichten, wurden durch das Prinzip der Pool-Abstimmung unter den Tisch gekehrt. Sollte da ein Türchen offenbleiben? Soll jetzt daran erinnert werden, daß es diesen winzigen Türspalt gibt? Wir haben jedenfalls keine bessere Antwort und werden gegen diese spitzfindigen Versuche, SPD und Grünen Verhandlungsangebote zu unterbreiten, kämpfen. So werden wir den Antrag stellen, daß in das aktuelle Wahlprogramm die Formulierung aus dem Wahlprogramm 2013 aufgenommen wird, die da lautete: "Wir haben als einzige Fraktion im Bundestag den Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht zugestimmt und werden es auch in Zukunft nicht tun."

Seit in Berlin eine rot-rot-grüne Landesregierung zustande kam, wird immer wieder die Hoffnung erweckt, eine gleiche Konstellation im Bund würde einen grundlegenden Politikwechsel ermöglichen. Allerdings zählen in der Politik nicht Hoffnungen und Versprechungen, sondern Kräfteverhältnisse und auch Erfahrungen. Eine solche Erfahrung ist, daß die SPD, die zur Zeit noch an der großen Koalition beteiligt ist, seit 1998 - mit Unterbrechung durch die schwarz-gelbe Koalition von 2005 bis 2009 - alle Schweinereien mitzuverantworten hat, vor allem die Aggression gegen Jugoslawien und die Agenda 2010. Eine Erfahrung ist, daß die Grünen seit Beginn des Jugoslawienkrieges jedes imperialistische Abenteuer des Westens frenetisch als Menschenrechtsrettung begrüßten. Mit solchen Parteien in eine Koalition zu gehen, ist - für Kommunisten und Linke nicht nur in der BRD, sondern vielerorts in Europa - immer schiefgegangen. Man muß das nicht ununterbrochen neu ausprobieren - frei nach dem bekannten Ausspruch: "Immer das gleiche zu tun und immer ein anderes Ergebnis zu erwarten, ist auch eine Form des Irrsinns."

Der Irrsinn allerdings wird solchen wie uns unterstellt. "Welche Alternative habt Ihr denn anzubieten?", hören wir schon die vorwurfsvollen Fragen derer, die eigentlich gar nicht fragen wollen, sondern die analytische Debatte über Sinn und Unsinn von Regierungsbeteiligungen im Bund zu vermeiden suchen. "Wollt Ihr vielleicht die Revolution?" Wir meinen, wissend, daß in der Endkonsequenz nichts an der Eigentumsfrage vorbeiführt: Wer gegenwärtig die Revolution hierzulande zu einer Alternative erklärt, ist ähnlich realistisch wie diejenigen, die meinen, mit dieser SPD und mit diesen Grünen könne man einen grundlegenden Politikwechsel herbeiführen. Wie die ticken, wurde auch jüngst in Berlin wieder deutlich.

Deshalb einige Bemerkungen zur Causa Holm. Am 16. Januar trat Andrej Holm zurück. Die Medien kommentierten, er sei der Entlassung zuvorgekommen. Er hat jedenfalls durch seinen Schritt dafür gesorgt, daß Die Linke als Koalitionspartner scheinbar das Gesicht wahren konnte. Der Vorgang Holm zeugt von den tiefen Illusionen, die er und führende Leute der "Linken" von dem System haben, in dem wir leben. Dieses System ist rachsüchtig. Rache wird dafür geübt, daß über vier Jahrzehnte in einem Teil Deutschlands die Macht des Kapitals gebrochen war. Und es ist skrupellos. Aus nicht einmal einer Mücke - aus dem Nichts - wird bei Holm ein Elefant gemacht, um zweierlei zu erreichen: Den Haß gegen die DDR und gegen alle, die ihr loyal dienten, immer wieder neu zu erzeugen, und um einen profunden Kritiker und Fachmann einfach loszuwerden. Wie konnten diejenigen, die Holm unter diesen Voraussetzungen in die Politik holten, glauben, das könnte gutgehen? Gutgegangen wäre es vielleicht, wenn schon im Zusammenhang mit der Präambel durch Die Linke gesagt worden wäre: Ihr - SPD und Grüne - wollt jenseits einer großen Koalition regieren? Dann respektiert die Überzeugungen vieler unserer Mitglieder! Wir werden sie nicht noch einmal so demütigen, wie wir es mit der Präambel 2002 getan haben. Ihr wollt unbedingt regieren? Dann respektiert eine Biographie wie die von Holm - und stellt Euch gemeinsam mit uns vor ihn, wenn die Hatz in den Medien beginnen sollte.

Irgendwann muß Schluß sein mit der Hysterie, wenn es um die DDR und ihre Strukturen geht. Irgendwann sollten die etablierten Parteien des Westens akzeptieren, daß es der Gipfel der Verlogenheit und Dreistigkeit ist, daß in einem Land, in dem schlimme Verbrecher des vergangenen Jahrhunderts - so Globke und Kiesinger - ihre zweite Karriere machen konnten, daß in diesem Land jeder DDR-Bürger, der seinem Land diente, dafür zahlen muß, bis zu seinem Ende. In der Wendezeit war viel die Rede von der Notwendigkeit des aufrechten Gangs. Wir sollten ihn wieder lernen.

Thomas Hecker

(Aus "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform [KPF] der Partei Die Linke", 5/2017) Th. Hecker ist Bundessprecher der KPF

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Faule Früchte aus dem neoliberalen Treibhaus

Aufstand der Massen?" lautet der Titel einer lesenswerten Schrift der marxistischen Publizisten Peter Rath-Sankhakorn und Werner Seppmann aus dem pad-Verlag Bergkamen, erschienen in dessen Schriftenreihe "Forum Gesellschaft & Politik e. V." Wie im gleichnamigen "Kultbuch" von Ortega y Gasset aus dem Jahre 1929 (dort ohne Fragezeichen) geht es um einen philosophischen und soziologischen Essay zum Protestverhalten der Menschen in Krisenzeiten des Kapitalismus. Gassets Ansatz war allerdings ein elitärer, aristokratischer Ansatz. Er war ungehalten darüber, daß der "Massenmensch" sich nicht mehr gehorsam zur Obrigkeit verhält. Rath-Sankhakorn und Seppmann behandeln dagegen das Phänomen einer Politisierung der Massen von rechts als Verwesungsprodukt der etablierten Politik, als Folge eines Krisenkapitalismus, der viele Menschen verunsichert, aber auch als Manöver, das den wahren Charakter der Gesellschaft verschleiert.

Im Mittelpunkt der Schrift steht die Analyse der Hintergründe und der Motivationsbasis der neu entstandenen rechtspopulistischen Bewegungen und Stimmungen aus sozial Verunsicherten und Wutbürgern, gekennzeichnet nicht zuletzt durch erstaunliche Erfolge der Sammlungspartei AfD. Die sozialdarwinistische Agendapolitik "war das neoliberale Treibhaus, in dem der Zustand der Verwirrung und Desorientierung in Politik und Gesellschaft befördert wurde". In der Gesellschaft vorhandene "rechtspopulistische Mentalitäten" wurden "verstärkt und kanalisiert". Vorausgegangen war eine "Inkubationszeit zur Profilierung rechter Einstellungen". Berechtigte Kritik werde umgelenkt - in Richtung von Sündenböcken, aber auch von "abstrakten Größen" wie eines herrschenden "politischen Kartells".

Die Autoren verweisen auf die "alltagspraktische Überzeugungskraft rechter Schablonen" und schätzen ein, daß es keine "geschlossene rechtsextremistische Theorie" gibt, hingegen rechte Schablonen, rechtsextremistische Weltanschauungselemente und rechtspopulistische Signalworte: "Die realen Widersprüche kapitalistischer Vergesellschaftung werden in ein ideologisch konformes Erklärungsschema transferiert." Sie sehen einen Zusammenhang zwischen dieser Überzeugungskraft diffuser Identifikationsmuster und dem konterrevolutionären Charakter unserer Epoche, zu einer Situation, da es an linkem Wissen über gesellschaftliche Zusammenhänge fehle. Nicht übersehen werden dürfe, so die Autoren, daß zivilisatorischer Verfall (wie der rechtsextremistische Terror gegen Flüchtlingsheime) auf diese Bewußtseinsprozesse einwirke. Es erfolge einerseits eine psychische Stabilisierung des Rechtspopulismus durch Haß. Aus rechtspopulistischen Einstellungen erwachsen andererseits Handlungs- und Aggressionsbedürfnisse.

Wie die Ablehnung jeglicher Vermögens- und Erbschaftssteuern zeige, verfolge die AfD eine neoliberale Politik. Dennoch, so schreiben die Autoren, meinen nicht wenige verunsicherte Menschen, diese Partei würde "ihre Interessen" vertreten. Sie verweisen auf die Umweltfrage und das Thema Leiharbeit, wo die AfD sich konkret als "Interessenvertreter der einfachen Leute" zu profilieren sucht. Das aber war offensichtlich nur der Anfang. Mittlerweile hat der Wahlparteitag der AfD mit der Verabschiedung zahlreicher sozialer Forderungen (wie der Verlängerung des Arbeitslosengeldes 1) vor Augen geführt, daß der Rechtspopulismus ganz systematisch den Linken in der sozialen Frage das Wasser abgraben will.

Die Autoren verstehen den Rechtspopulismus als "Ausdruck einer "konkurrenzgeprägten Gesellschaftspraxis". Er sei keine vorübergehende Episode. Er habe faschistische Akzente, ohne faschistisch zu sein. Er habe aber das Potential, bei "einer Zuspitzung der gesellschaftlichen Krisentendenzen und nachhaltigen Legitimationserosionen" bei der Herausbildung eines neuen Faschismus zur Verfügung zu stehen.

Ein bloß argumentierender Antifaschismus als Gegenstrategie sei wichtig. Die Vermittlung von kritischem Wissen sei dabei als ein "voraussetzungsvoller Prozeß" zu begreifen. Aber all das habe nur eine begrenzte Wirkung. Die Linken stünden in erster Linie vor der Aufgabe, "für eine soziale Bewegung" zu mobilisieren, "die mehr als nur aufklärend auf die Menschen wirkt".

Prof. Dr. Ekkehard Lieberam, Leipzig

Peter Rath-Sankhakorn/Werner Seppmann: Aufstand der Massen? Rechtspopulistische Mobilisierung und linke Gegenstrategien. pad-Verlag, Bergkamen 2017. 72 Seiten, 5 € (Am Schlehdorn 6, 59192 Bergkamen; Email: pad-verlag@ gmx.net)

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Die Stunde der Demagogen und der subjektive Faktor

Nach den Wahlniederlagen im Saarland und in Schleswig-Holstein erklärte der SPD-Schönredner Martin Schulz, seine in der historischen Arbeiterbewegung verwurzelte Partei habe immer schon begriffen, daß soziale Gerechtigkeit nur mit einer florierenden (kapitalistischen!) Wirtschaft möglich sei. Mit ihrer Sozialpartnerschaftsideologie tragen europäische Sozialdemokraten ein gerüttelt Maß an Verantwortung dafür, das politische Klassenbewußtsein der arbeitenden Menschen zu untergraben. Nach Jahrzehnten der Fordismus- und Konsum-Propaganda traf der vom Kapital forcierte Kurs in Richtung Neoliberalismus und Globalisierung die Bürger unvorbereitet und schockierend. Erlebt wird die Verarmung der einen und wachsender Reichtum der anderen bei prosperierender Wirtschaft.

Die gebetsmühlenartigen Wahlversprechen, alles würde wieder besser werden, wenn man nur folgsam den Parteiprogrammen vertraue, erwiesen sich als hohle Phrasen, an die jetzt kaum noch jemand glaubt. Dieser Glaubwürdigkeitsverlust trifft besonders linke Parteien in Regierungsverantwortung, wie die jüngste Vergangenheit zeigt. Verlustängste und Bedrängnisse des rasanten gesellschaftlichen Wandels führen über die Erinnerung an etwas bessere und konstantere Lebensbedingungen zu dem Wunsch, das Vergangene zurückzuerlangen. Das begünstigt die Realitätsflucht in reaktionäre, also rückwärtsgewandte Hoffnungen.

Die durch die Entwicklung der technisch-wissenschaftlichen Produktivkräfte bewirkten global-wirtschaftlichen und strukturellen gesellschaftlichen Umwälzungen sind jedoch an ihrer Basis irreversibel. Reaktionäre Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle wie die nationalchauvinistische Volksgemeinschaft oder das mittelalterliche Kalifat bieten den ausgebeuteten Werktätigen und unterdrückten Völkern keine Zukunftschancen, sondern verschärfen nur weltweit deren Lage.

In dieser Krisenlage gerät auch das parlamentarische Modell bürgerlicher Herrschaft in Turbulenzen. Bisher erfolgreich als Sachwalter und Mittler der Kapitalinteressen untereinander konkurrierende Parteien sehen sich plötzlich ultrareaktionären oder populistischen Kontrahenten gegenüber, die zunehmenden Anklang bei einem Teil der Wähler und Wohlwollen in einigen Wirtschaftskreisen finden.

Wenn die Parolen und politischen Inhalte der "Altparteien" sich zunehmend angleichen, dann verlieren sie ihre profilbildende Bedeutung. Die Praxis zeigt, daß das besonders auch linke Kräfte betrifft, die dann von Protestwählern zum etablierten Spektrum ohne Veränderungspotential gezählt werden. Gleichzeitig steigt die Bedeutung von Personen und deren "Charisma" im Wahlkampf. Zumal die Widersprüche hinter den zahllosen gesellschaftspolitischen Problemen den Wählern zu komplex, schwer durchschaubar und vor allem kaum lösbar erscheinen. Nach jahrzehntelanger konsumorientierter Vernebelung und Individualisierung in der Ellenbogengesellschaft herrscht in der Bevölkerung Subjektivismus vor: eine theoretische und praktische Haltung, die das Individuum und seine Aktivität verabsolutiert und dadurch die objektive Beschaffenheit und Gesetzmäßigkeit der materiellen Welt teilweise oder völlig ignoriert. Das führt zur Verzerrung und Mißachtung der objektiven Wahrheit, zu unbegründeten Urteilen, Willkür und Voluntarismus und endet zwangsläufig mit Mißerfolgen. Es macht anfällig für "einfache Lösungen" wie Sündenbock- und Verschwörungstheorien, "Fake-News" und Irrationalismus. Der gewiefte Banker und erfolgreiche Demagoge der Einigkeitsbewegung "France en Marche", Macron, eröffnete vor seinem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen ein schier unglaubliches "Wunderhorn" an Verheißungen: Sowohl den rassistischen Le-Pen-Wählern als auch den sozialistischen Anhängern Melanchons würde er künftig all ihre berechtigten Gründe zu Besorgnis und Unzufriedenheit gegenstandslos machen, denn er wäre "weder rechts noch links". Dafür feierte man ihn als den "jüngsten Staatschef seit Napoleon" und den "Retter Europas". Das hörten wir schon nach dem knappen Wahlsieg von Ruttes VVD in den Niederlanden, der die Parolen der Wilders-Bande übernommen und zuvor das Sozialsystem ruiniert hatte. Die Sozialdemokratie hatte in der Koalition seit 2010 daran tüchtig mitgewirkt und liegt nun mit 9,2 % am Boden zerstört. Die kontinuierlichen Stimmenzuwächse faschistoider Parteien konnten aber beide nicht stoppen, denn sie selbst machten rechte Politik inhaltlich zur eigenen Sache und die Originale damit salonfähig. Und in Deutschland? Ursula von der Leyen war auf der Wahlkampf-Tournee "CDU im Dialog - Meine Idee für Deutschland". Themenbogen: "Sicherheitspolitische Maßnahmen" gegen Alltagskriminalität, Mißachtung der Obrigkeit, politische "Gefährder", Asylmißbrauch und Flüchtlingsflut bis hin zu den "Friedensmissionen", zur Verteidigung unserer "Wertegemeinschaft" gegen Islamisten, mordgierige Tyrannen, terroristische linke Kurden und den kriegslüsternen russischen Erbfeind Putin. Sigmar Gabriel empörte sich unlängst: "Nicht einmal während der Militärdiktatur wäre jemand auf die Idee gekommen, (deswegen) den Ausschluß der Türkei aus der NATO zu fordern!" Und de Maizières Katalog "Deutsche Leitkultur" enthält bekanntlich den Satz: "Wir sind nicht Burka!" "Wir sind nicht Nazi" würde wohl abzuwerbende AfD-Wähler vergrämen?

Jobst-Heinrich Müller

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LUTZ JAHODA: LUSTIG IST ANDERS ...
Unruhe im Politgefüge

An den Lenkern flinker Geldströme werden meine Texte - egal ob metrisch gebunden oder in Prosa verfaßt - vorbeiziehen wie Elementarteilchen am äußersten Rand der Wirklichkeit. Selbst wenn sie es zu lesen bekämen, übersetzt oder gar um die Ohren gehauen, würde sie Möwenkot auf dem Smoking mehr aufregen als meine schriftlich fixierten Attacken. Auch Politiker scheinen inzwischen immun zu sein, schütteln oder sonnen sich. Unruhe ins europäische Politgefüge brachte am Donnerstag, 23. Juni 2016, eine Volksbefragung in England. Brexit yes or no? Stay or go? Die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs entschied sich für den Austritt aus der Europäischen Union. Was den Griechen nicht gelungen war, gelang den Briten, hieß es. Das Gerangel aus Brüssel sei ihnen lästig geworden. Möglicherweise nervte auch Frau Merkel, wie überhaupt das erstarkte Deutschland als führende Europamacht. Die Entscheidung war knapp. Fast sah es aus, als würden die Europa-Befürworter gewinnen. Doch zum Abend hin verschob sich das Bild, in London sogar meteorologisch kräftig unterstützt von Blitzen, Donner und Regen. Geschichte bewegt sich, Prognosen bleiben.


Der Brexit-Song

Ob stay, ob go,
ob yes oder no:
Es wird sich nichts ändern,
vielleicht an Gewändern,
zum Schein getragen
an kritischen Tagen,
ähnlich wie diesen,
äußerlich miesen.

Denn ob stay oder go,
ob yes oder no:
Finanzoligarchen
kennen kein Schnarchen.
Der Brexit hat -
wichtig zu wissen -
den Eliten nur scheinbar
in den Hintern gebissen.

Die NATO wird bleiben,
mit Händereiben,
Frau Merkel wird
in ihr Tagebuch schreiben,
so sie eins hat:
"Egal ob mit
oder ohne Rabatt:
Ringedingding,
let me sing!
Diesmal nicht nur
just for fun:
Wir rüsten auf,
zum Hindernislauf!
Sorry, London!
Wir sind jetzt dran!"

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Der Berliner Koalitionsvertrag und die "weißen Flecken" der Geschichte
Westberlin und der kalte Krieg

Der von der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der "Linken" unterzeichnete Koalitionsvertrag enthält als ersten Punkt seiner Präambel Aussagen zur "herausgehobenen historischen Verantwortung Berlins" (Zeile 29), die in ihrer, nennen wir es "Einseitigkeit", nur Verwunderung und Kopfschütteln hervorrufen können. Daß in Koalitionsverträgen von der "Linken" Gesten der Demut und der Unterwürfigkeit verlangt werden, daß die SPD und Bündnis 90/Die Grünen darauf abzielen, den Koalitionspartner als eine Partei erscheinen zu lassen, die sich ihrer Geschichte schämen und sich fortwährend von ihr distanzieren müßte - wer wollte es ihnen verdenken? Geschichte wird hier als ein wohlfeiles Instrument zur Demütigung eines ungeliebten Koalitionspartners mißbraucht. Bedenklich wird diese Angelegenheit erst dann, wenn die Repräsentanten der "Linken", die derartige Verträge unterzeichnen, es ablehnen, den in ihnen formulierten, höchst einseitigen Interpretationen der Zeitgeschichte ihre Zustimmung zu verweigern und zugleich darauf zu dringen, die Aufarbeitung der "weißen Flecken" der Geschichte Berlins in der Nachkriegszeit anzumahnen. Einige Beispiele sollen verdeutlichen, worum es geht bzw. gehen müßte.

Zum kalten Krieg, der eines seiner Hauptaktionszentren in Berlin hatte, heißt es im Koalitionsvertrag lapidar: "Berlin war auch die geteilte Stadt im kalten Krieg. Hier stand die von der SED-Führung errichtete Mauer als Manifestation der Teilung Deutschlands." (Zeile 45/46) Eine in mancherlei Beziehung geradezu groteske Behauptung.

Zum einen war die Teilung der Stadt nicht durch die Errichtung der Mauer am 13. August 1961 herbeigeführt worden, sondern durch die von den Westmächten am 24./25. Juni 1948 unverhofft durchgeführte Währungsreform in den von ihnen verwalteten Sektoren der Stadt. Der ökonomischen Spaltung folgte fast zwangsläufig die politische Trennung. Diese Währungsreform war keine isolierte Aktion, sondern basierte auf einer strategischen Planung der Truman-Administration, die der Diplomat George F. Kennan bereits im Sommer 1945 mit folgenden Worten präzise definierte: "Die Idee, Deutschland gemeinsam mit den Russen regieren zu wollen, ist ein Wahn. (...) Wir haben keine andere Wahl, als unseren Teil von Deutschland zu einer Form von Unabhängigkeit zu führen. (...) Besser ein zerstückeltes Deutschland, von dem wenigstens der westliche Teil als Prellbock für die Kräfte des Totalitarismus wirkt, als ein geeintes Deutschland, das diese Kräfte wieder bis an die Nordsee vorläßt." (George F. Kennan: Memoiren eines Diplomaten. Memoirs 1925-1950, 3. Aufl., Stuttgart 1968, S. 262 f.) Die Teilung Berlins und Deutschlands ergab sich aus der damaligen Strategie der USA, auf Dauer politische, militärstrategische und ökonomische Vorherrschaft gegenüber der UdSSR zu erlangen.

Zum anderen war der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 keineswegs "von der SED-Führung" allein zu verantworten. Zugrunde lag vielmehr ein kurz zuvor gefaßter Beschluß der Staaten des Warschauer Vertrages. Für jeden historisch Informierten dürfte es unbezweifelbar sein, daß eine Maßnahme mit einer derart historischen Tragweite, wie sie der Bau der Berliner Mauer darstellte, gegen den Willen des damaligen Ersten Sekretärs des ZK der KPdSU, Nikita Chruschtschow, vollkommen undenkbar war. Außerdem gilt auch hier, daß die Geschehnisse in Berlin nicht ohne die weltpolitische Lage und den mittlerweile eskalierten kalten Krieg zu verstehen sind.

In einem Berliner Koalitionsvertrag, der historische Ereignisse und Entwicklungen mit dem Ziel behandelt, ihre Aufarbeitung in den kommenden Regierungsjahren anzuregen, sollte nicht nur vom ehemaligen Ostsektor bzw. der Hauptstadt der DDR die Rede sein. Vielmehr ist die Erwartung naheliegend, daß auch eine kritische und selbstkritische Aufarbeitung des Regierungshandelns sowie der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Westberlin seit der Befreiung vom Faschismus angestrebt wird. Doch hierzu findet sich im Koalitionsvertrag kein einziges Wort. Um welche Themen ginge es?

Wenn wir die Zeit des kalten Krieges betrachten, sollten die zahlreichen Organisationen in den Blick genommen werden, die von Westberlin aus den Kampf gegen die DDR auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Ihre Zahl war unermeßlich groß. Ihre getarnten Büros waren über ganz Westberlin verteilt. Es handelte sich dabei vor allem um das "Ost-Büro" der SPD, die "Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" (KgU) und den "Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen", die angesichts offener Grenzen ihren Kampf gegen die DDR forcieren konnten. Die Organisation von geheimen Strukturen innerhalb der SED, Sabotage- und Terroranschläge gegen die Infrastruktur und Industrie, die Anlage von Dossiers über Zehntausende Staats- und Parteifunktionäre, Desinformation mittels Verbreitung von geschmuggelten Flugblättern und Schriften (vornehmlich an Oberschulen und Universitäten), die systematische Abwerbung von Fachkräften und angehenden Akademikern - alles das und noch weitaus mehr hatten sich die oben genannten Organisationen ebenso auf ihre Fahnen geschrieben wie die mit zahlreichem Personal anwesenden westalliierten Geheimdienste. John C. Ausland, Diplomat und im Jahre des Mauerbaus Mitarbeiter der "Berlin Task Force" im State Department der USA, formulierte den Zweck derartiger Aktivitäten mit den dankenswert offenen Worten: "Ein Großteil unserer Planungen war darauf ausgerichtet, eine Wiederholung der Ereignisse vom 17. Juni 1953 herbeizuführen." (Zitiert bei David G. Coleman: Eisenhower and the Berlin Problem, 1953-54, in: Journal of Cold War Studies, Vol. 2, No. 1, Winter 2000, S. 18) Von Westberlin aus war die geballte Kraft westlicher Geheimdienste und zahlreicher, von ihnen alimentierter Organisationen gegen die junge DDR in Stellung gebracht worden. Wäre es nicht ein lohnendes Projekt, das Personal, die Planung, Finanzierung und Logistik solcher Aktivitäten und besonders ihre Unterstützung von seiten deutscher Dienststellen zu erforschen, die vom Westen der Stadt aus ihr Unwesen gegen die DDR trieben? Spielten zum Beispiel das Landesamt für Verfassungsschutz und der Innensenator bei alledem eine Rolle? Welche bundesdeutschen Dienststellen in Westberlin (vor allem der Bundesnachrichtendienst oder die Dependancen der bundesdeutschen Ministerien) müßten in den Blick genommen werden?

Da die britischen und US-amerikanischen Akten mittlerweile weitgehend zugänglich sind - manche wichtige Unterlagen der CIA und der damaligen Präsidenten der USA finden sich sogar im Internet -, würde eine mit finanziellen Mitteln des Senats vorgenommene Aufarbeitung dieser Themen sicherlich wichtige Erkenntnisse über die "Halbstadt" Westberlin und ihre herausragende Rolle im kalten Krieg zutage fördern. Von Zeithistorikern, vor allem aus den USA, ist hierzu bereits manches Erhellende erforscht und publiziert worden. Das sollte allerdings kein Ersatz für ein Studium der Westberliner Akten und für eine vom rot-rot-grünen Senat alimentierte Schriftenreihe sein, die für die politische Bildung und alle historisch Interessierten zur Verfügung stünde. Hierbei bestünde allerdings die Gefahr, daß von vielen Mythen zur Geschichte Westberlins im kalten Krieg, bei denen die Teilstadt seit Jahrzehnten die Rolle als "Opfer" zugewiesen bekommt, Abschied genommen werden müßte.

Sind die wenigen Sätze über den kalten Krieg im Koalitionsvertrag kritisierenswert, so ist die völlige Außerachtlassung der Opfer des kalten Krieges in Westberlin ein Skandal, der seinesgleichen sucht.

Bereits mit dem Einmarsch der westalliierten Truppen im Juli 1945 in ihre Sektoren begann ein sich allmählich beschleunigender Prozeß der Behinderung und Diskriminierung, ja der Verfolgung legaler und legitimer Aktionen von Kommunisten und ihren Sympathisanten im Westen der Stadt. Hierbei standen 1945/46 vielfältige Aktivitäten im Mittelpunkt, die eine Vereinigung von SPD und KPD zu einer Einheitspartei verhindern sollten. Nach der Konstituierung der SED unternahmen die in Westberlin tätigen Militäradministrationen und die Westberliner Autoritäten alles Erdenkliche, um die Mitglieder der SED auszugrenzen, ihre politischen Aktionen zu unterbinden und sie strafrechtlich zu verfolgen. Im Berliner Landesarchiv finden sich zahlreiche Akten, die derartige Machenschaften dokumentieren.

Und weiter: In den fünfziger Jahren wurden zum Beispiel Genossen, aber auch parteilose Westberliner, die Unterschriften für die Ächtung der Atombombe sammelten ("Stockholmer Appell"), verhaftet, vor Gericht gestellt und zu Geld- sowie einige von ihnen sogar zu Haftstrafen verurteilt. Es wurden bei ihnen Haussuchungen durchgeführt. Das Hissen einer roten Fahne am 1. Mai konnte zu polizeilichen Ermittlungen führen. Eine besonders perfide Maßnahme war der Kampf der Justiz und der zuständigen Senatsbehörden gegen Antifaschisten, die Renten als Opfer des braunen Terrors beantragten. Ihnen wurde als Mitglieder der SED oder der VVN in den meisten Fällen eine Rentenzahlung deshalb verweigert, weil sie Anhänger bzw. Mitglieder einer "totalitären" Partei seien. Dies betraf in nicht wenigen Fällen Personen, die jahrelang in Hitlers Konzentrationslagern und Gefängnissen eingesperrt waren. Auch hierzu existiert aussagekräftiges Material (Gerichtsakten, Schriftwechsel) in Archiven, aber auch in privaten Händen. Wann wird endlich dieses ungeheuerliche Verhalten gegenüber Antifaschisten seit den fünfziger Jahren in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt? Wer, wenn nicht die Vertreter der "Linken", sollte dies bei der Gelegenheit von Koalitionsverhandlungen anmahnen?

Wäre es in diesem Zusammenhang nicht auch sinnvoll, etwaige Kontinuitäten beim Personal von Verwaltung, Justiz und Polizei zu untersuchen? War nicht manch ein Richter oder Verwaltungsbeamter, der über den Antrag eines Opfers des Faschismus entschied, vor 1945 bereits in Amt und Würden? Wie viele Mitglieder der NSDAP, der SA und SS waren nach der Befreiung vom Faschismus Mitarbeiter des Senats? Wenn es im Koalitionsvertrag heißt, "die Orte der Täter und der Opfer sind wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur" (Spalte 43/44), dann ließe sich doch hieran anknüpfen. Allmählich lassen die Bundesministerien, zum Beispiel das Auswärtige Amt, diese Fragen erforschen und publizieren die Ergebnisse. Sollte das nicht auch eine "Vorbildfunktion" für den rot-rot-grünen Senat haben? Wäre es nicht interessant zu erfahren, wie viele ehemals braune Polizisten, höhere Verwaltungs- und Justizbeamte beim Senator des Innern oder in den Berliner Gerichten tätig waren? Mehr als 70 Jahre nach dem Ende des braunen Terror-Regimes bestünde ja nicht mehr die Gefahr, daß auch nur ein einziger dieser Beamten noch im Amte wäre; die ältesten Betroffenen haben mittlerweile das 90. Lebensjahr überschritten und genießen ihre Pension - falls sie überhaupt noch am Leben sind.

Zum Abschluß sei ein Thema hervorgehoben, das dringend einer kritischen Aufarbeitung harrt: die Berufsverbote im Westberlin der 70er und 80er Jahre. Daß die SPD Furcht vor einer Untersuchung dieser undemokratischen Thematik haben müßte, ist nicht ganz zutreffend. Zwar waren es sozialdemokratische Senatoren und Regierende Bürgermeister, die sich dazu hergaben, Tausende Lehramts- und andere Beamtenanwärter zu beschnüffeln und auszuhorchen, aber sozialdemokratische Persönlichkeiten wie der langjährige Chef der Senatskanzlei, Innensenator und Regierende Bürgermeister Heinrich Albertz traten mehrfach auf öffentlichen Protestkundgebungen gemeinsam mit Betroffenen auf und protestierten damit gegen die Bespitzelungsaktivitäten ihrer Senats-Genossen, die systematisch "das Leben der Anderen" ausforschen ließen. Aus diesem Grunde hätte auf seiten der "Linken" nicht befürchtet werden müssen, daß die SPD-Seite bei Koalitionsverhandlungen dieses Thema nicht in die Präambel des Koalitionsvertrags zur Geschichtsaufarbeitung aufgenommen hätte. Statt die in diesem Beitrag skizzierten, überaus wichtigen Themen zum Gegenstand der Koalitionsverhandlungen zu machen, sind die Repräsentanten der "Linken" offenbar gemütlich auf der Welle des Zeitgeistes in den Senat geschwommen. Dieser Zeitgeist ruft uns zu: Opfer des kalten Krieges gab es nur in der DDR! Kritisierenswerte und zu verurteilende Praktiken von Geheimdiensten? Das war allein Sache des Staatssicherheitsdienstes! Verantwortung dafür zu übernehmen? Das ist notwendig ausschließlich für Mitarbeiter des MfS, selbst dann, wenn sie nur wenige Monate tätig waren und ihnen nichts konkret an Straftaten nachzuweisen ist.

Worum es geht, ist die längst überfällige juristische, politisch-moralische Rehabilitierung und - soweit dies noch möglich ist - finanzielle Entschädigung der Opfer des kalten Krieges in Westberlin. Für die Koalitionäre der "Linken" aber gilt: Wer so mit der Geschichte umgeht, weckt zugleich Zweifel an seiner Seriosität im politischen Alltagsgeschäft.

Dr. Reiner Zilkenat

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Vorsätzlich die Unwahrheit gesagt

Bei Gericht vorsätzlich etwas Falsches zu sagen, ist strafbar. Das müßte dem studierten Juristen und derzeitigen Bundespräsidenten, Frank-Walter Steinmeier, eigentlich bekannt sein. Oder gibt es für den obersten Repräsentanten des Staates Ausnahmen?

In einem vor kurzem der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gegebenen Interview antwortete Steinmeier auf die Frage "Muß Deutschland aufrüsten?": "Die Risiken sind größer geworden. Ich erinnere nur daran, daß seit der völkerrechtlichen Annexion der Krim durch Rußland die Frage von Krieg und Frieden, die wir auf europäischem Boden für beantwortet hielten, zurückgekehrt ist." Deswegen müsse Deutschland "seine militärischen Fähigkeiten stärken", forderte er. Offensichtlich ist dem ehemaligen Außenminister entfallen, was vor der "Annexion" der Krim passiert ist.

Hat er vielleicht die Erweiterung der NATO bis an die russische Grenze verschlafen, oder glaubt er, daß andere es schon vergessen hätten? Kann er sich nicht mehr daran erinnern, daß sich die NATO-Botschafter an die Spitze der Putschisten in Kiew gestellt haben, was historisch einmalig ist: Akkreditierte Botschafter demonstrieren für gewöhnlich nicht in ihrem Gastland gegen die Gastgeberregierung ... Was sich NATO-Diplomaten damals geleistet haben, war eine eklatante Verletzung des Völker- und des Gastrechtes. Nicht mehr präsent scheint ihm zu sein, daß mit indirekter Unterstützung der NATO-Länder am 20. Februar 2014 ein Putsch gegen den rechtmäßig gewählten und amtierenden ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch durchgeführt wurde, nachdem dessen Regierung sich geweigert hatte, ein für die exportorientierte Wirtschaft der Ukraine ruinöses Freihandelsabkommen mit der EU zu unterzeichnen.

Die Strategie der NATO war, ein ihr höriges Regime in der Ukraine zu installieren, um für den Beitritt der Ukraine in die NATO politische Bedingungen zu schaffen. Erst danach kam es auf der Krim zu einem Plebiszit und anschließend zur Integration der Krim in die Russische Föderation. Steinmeier stellt diese Tatsachen geradezu auf den Kopf.

Wäre die Ukraine NATO-Mitglied geworden, hätte die russische Regierung die Basen ihrer Schwarzmeerflotte auf der Krim schließen müssen; mit allen militärstrategischen Folgen für die Sicherheit Rußlands. Eine weitere Einkreisung dieses Landes durch die NATO hätte unweigerlich die Gefahr eines Krieges gegen Rußland erhöht - dies wurde durch die sogenannte Annexion der Krim verhindert.

Dr. Matin Baraki

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Generalangriff der Herrschenden

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Enttäuschte Hoffnungen oder doch eine Perspektive für Afghanistan? (2) 
V. Die Talibanisierung (1994)

Das von der Weltöffentlichkeit lange Zeit vergessene und zu den "Waisenkindern" der Weltpolitik degradierte Land Afghanistan wurde erst mit dem öffentlichen Auftauchen der Taliban im September 1994, mit der Eroberung Kabuls am 27. September 1996 und mit ihrer fundamentalistischen, extrem frauen- und kulturfeindlichen Politik (die in der Zerstörung der Buddha-Statuen in Bamyan [Zentralafghanistan] Anfang März 2001 kulminierte), zum überragenden Thema der internationalen Medien.

Die Katastrophe vom 11. September 2001 in Washington und New York hätte zu einem Wendepunkt für Afghanistan werden können, wenn die internationale Gemeinschaft nicht nur die partikularen Interessen von bestimmten Mächten, sondern auch die der Afghanen berücksichtigt hätte.

Obwohl die Taliban erst im September 1994 öffentlich auftauchten, wurden sie nach Angaben von General Aslam Beg, dem ehemaligen Generalstabschef Pakistans, schon 1985/86 im Nordosten Afghanistans als Kampftruppe aufgestellt. Sie waren zunächst dort an den "Madrasah", den religiösen Schulen, sowohl religiös-fundamentalistisch als auch militärisch ausgebildet worden. Der französische Afghanistanexperte Olivier Roy beobachtete schon im Sommer 1984 die Aktivitäten an den Fronten der Taliban in den südlichen Regionen Afghanistans, Orusgan, Sabul und Qandahar. Dort "handelte (es) sich im Prinzip um die Umwandlung einer ländlichen Madrassa in eine militärische Front". Rekrutiert wurden sie u. a. aus den Reihen der Waisenkinder Afghanistans in den Flüchtlingslagern in Pakistan. Unter unmittelbarem Kommando der pakistanischen Armee und des Geheimdienstes ISI sind sie je nach Bedarf bei den verschiedenen Modjahedin-Gruppen eingesetzt worden. General Beg zufolge sind die Madrasahs "großzügig von den Regierungen Pakistans und Saudi-Arabiens und vielleicht der USA finanziert worden".

Für die Entscheidung, die Taliban als selbständige militärische Formation in den afghanischen Bürgerkrieg einzusetzen, waren m. E. folgende Aspekte ausschlaggebend:

1. Im Frühjahr 1994 wurden die Führer der in Afghanistan rivalisierenden Modjahedin vom Auswärtigen Ausschuß des US-Kongresses zu einem Gespräch nach Washington zitiert. Die Modjahedin schickten entweder zweitrangige Führungsmitglieder oder folgten dieser "Einladung" erst gar nicht. Den anwesenden Modjahedin-Führern wurde ein Plan zur Durchführung eines Pipeline-Projekts von den weltweit drittgrößten Reserven an Öl und Gas in Mittelasien durch Afghanistan zum Indischen Ozean vorgelegt. Darum hatten die größten westlichen Ölkonzerne seit 1990 einen "gnadenlosen Kampf" geführt. Sie wurden aufgefordert, sich so bald wie möglich zu verständigen, um die Verwirklichung des Projekts nicht zu verzögern. Die Vertreter der Modjahedin versprachen der US-Seite, den Afghanistan-Konflikt bald friedlich lösen zu wollen, ein Versprechen, das nie eingelöst wurde.

Die Taliban sind nichts anderes als das Produkt der ökonomischen Interessen der USA und ihrer regionalen Verbündeten. Das historische Versagen der Modjahedin war die Geburtsstunde der Taliban als eigenständige organisierte Kampfeinheit auf dem Kriegsschauplatz Afghanistan.

Scheinbar aus dem Nichts entstandene, gut organisierte militärische Einheiten, nun als Taliban bekannt, überfielen von Pakistan aus im September 1994 die afghanische Stadt Qandahar. Dies war der Beginn eines erneuten Versuchs einer militärischen Lösung des Afghanistan-Konfliktes, die von den USA und ihren regionalen Verbündeten bevorzugt wurde. Die historische Mission der Taliban wurde darin gesehen, ganz Afghanistan zu besetzen, um die Bedingungen für die Realisierung der ökonomischen, politischen und ideologischen Projekte der USA, Pakistans und Saudi-Arabiens zu schaffen. Hinzu kam noch das spezifische geostrategische Interesse Pakistans am Nachbarland. "Am liebsten wäre uns eine Marionettenregierung in Kabul, die das ganze Land kontrolliert und gegenüber Pakistan freundlich eingestellt ist", stellte ein pakistanischer Stratege fest.

2. Gulbuddin Hekmatyar, der von den USA und ihren Verbündeten im Afghanistan-Konflikt favorisierte Modjahed, fiel in Ungnade wegen seiner antiwestlichen Äußerungen und seiner Unterstützung des irakischen Diktators Saddam Husseins während des 2. Golfkriegs sowie wegen seiner kategorischen Weigerung, die noch in seinem Besitz befindlichen Stinger-Raketen, die er in großen Mengen von den USA erhalten hatte, an diese zurückzugeben. Er provozierte sogar einen direkten Affront gegen die USA, indem er sie teilweise an den Iran verkaufte.

3. Der mittelasiatische Markt wurde als nicht zu vernachlässigendes Exportfeld für pakistanische Produkte angesehen - der einzige Transitweg dahin aber führt über afghanisches Territorium. Nach einem Treffen mit Vertretern saudiarabischer und US-amerikanischer Ölgesellschaften forderte der damalige pakistanische Ministerpräsident Nawaz Sharif die Taliban ultimativ auf, die Besetzung ganz Afghanistans bis Ende des Sommers 1997 abzuschließen. Es war längst kein Geheimnis mehr, daß an den Kampfeinsätzen der Taliban reguläre pakistanische Truppeneinheiten beteiligt waren, um der Aufforderung Nawaz Sharifs Nachdruck zu verleihen, denn "auf sich gestellt, könnten die Taliban nicht einmal ein Dorf erobern".

4. Sowohl die USA als auch Saudi-Arabien wollten den ideologischen Einfluß ihres Rivalen Iran in Afghanistan eindämmen. Da sich die Modjahedin-Gruppen auch hier als unfähig erwiesen hatten, mußten die Taliban an ihre Stelle treten.

VI. US-Krieg am Hindukusch

Noch während des US-Kriegs gegen Afghanistan wurde auf dem Petersberg bei Bonn am 5. Dezember 2001 unter der Federführung der UN eine Regierung für Afghanistan gebildet. Vertreten waren Modjahedin-Führer, die sich aus dem langjährigen Bürgerkrieg kannten. Es waren größtenteils die Kräfte versammelt, die 1992 bis 1996 an der Zerstörung Kabuls maßgeblich mitgewirkt hatten, wobei über 50 000 Zivilisten umkamen. Der Usbekengeneral Abdul Raschid Dostum, der einzige säkulare Milizenführer Afghanistans, war zu dieser Konferenz erst gar nicht eingeladen worden.

Unter den internationalen Beobachtern waren allein die Vereinigten Staaten mit 20 Personen vertreten. Diese überdimensionale Präsenz läßt auf eine nachdrückliche Beeinflussung von Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen schließen. Daher haben sich die USA mit der Ernennung Karseis zum Ministerpräsidenten durchgesetzt, obwohl dieser auf dem Petersberg gar nicht anwesend war, sondern sich auf einem US-Kriegsschiff im Indischen Ozean befand.

Die internationale Gemeinschaft unter US-Führung sprach von einer "Demokratisierung" Afghanistans. An die Macht brachte sie jedoch Islamisten, Warlords und Kriegsverbrecher. Das war nun das vierte Mal, daß die Hoffnungen der geschundenen afghanischen Bevölkerung auf einen dauerhaften Frieden und auf Demokratisierung enttäuscht wurden: 1. nach dem Abzug der sowjetischen Militäreinheiten 1989, 2. mit der Machtübernahme der Modjahedin 1992, 3. mit dem Einmarsch der Taliban 1994 bis 1996, 4. mit der Vertreibung der Taliban 2001. Damit hat die internationale Gemeinschaft nicht nur eine weitere Chance vertan, Afghanistan auf dem Wege einer Demokratisierung zu helfen, sondern auch das Scheitern einer Konfliktlösung mit militärischen Mitteln dokumentiert.

VII. Versuche einer Integration der Taliban

Mit dem Krieg gegen Afghanistan hat die Bush-Administration die Vernichtung von Al-Qaida unter Osama Bin Laden und der Taliban als unmittelbares Ziel des Krieges erklärt. Als sie feststellen mußte, daß die Taliban nicht so einfach wie Al-Qaida zu zerschlagen, geschweige denn aus Afghanistan zu verbannen waren, haben die westlichen Strategen eine Differenzierung vorgenommen. Al-Qaida hätte eine internationale Agenda, die Taliban jedoch eine nationale, hieß es jetzt. D. h., der Kampf der Taliban sei national ausgerichtet und damit nur gegen die westlichen Militärs in Afghanistan. Daher sollte versucht werden, sie in die kolonialähnlichen politischen Strukturen am Hindukusch zu integrieren. Um diese Strategie erfolgreich umzusetzen, sollte zunächst der Druck auf die Taliban verstärkt werden, indem diese gespalten sowie einzelne Feldkommandanten physisch eliminiert werden. Die Regierungsberater bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin befürworteten einen "'Enthauptungsschlag' gegen die Führungen der afghanischen Aufstandsgruppen [Quetta-Shura, gemeint sind die Taliban, Haqqani-Netzwerk und Hezb-e Islami von Gulbuddin Hekmatyar], mit dem Ziel, die militante Opposition [...] signifikant zu schwächen". Das liest sich wie eine Anstiftung zum Mord, was nach StGB, § 26 Anstiftung verboten ist und unter Strafe steht: "Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidrigen Tat bestimmt hat." Demnach wäre der Anstifter genau wie der Täter zu bestrafen.

Danach sollten den Taliban politische und militärische Forderungen gestellt werden, die sie zu erfüllen hätten. Dann entdeckten die westlichen Strategen die "gemäßigten Taliban", die als Verhandlungspartner in Frage kämen. Im April 2007 hatte der damalige SPD-Chef Kurt Beck eine Friedenskonferenz für Afghanistan angeregt, an der alle am Hindukusch relevanten Gruppen, darunter auch die Taliban, beteiligt werden müßten. Daraus wurde jedoch zunächst nichts. Trotzdem wurden die Geheimgespräche zwischen den Konfliktparteien mehrfach auch in Deutschland fortgeführt. Erst nach sechs Jahren eröffneten die Taliban am 18. Juni 2013 ihr Verbindungsbüro in Katars Hauptstadt Doha. Dort sollten die Islamisten, die USA und die afghanische Regierung Verhandlungen durchführen. Der Hintergrund für die Verhandlungsbereitschaft der USA ist darin zu sehen, daß der Krieg für sie zu teuer geworden war. Nach offiziellen Angaben kostete der Krieg am Hindukusch in den Hochphasen jede Woche 1,5 Mrd. US-Dollar. Deswegen sollten bis Ende 2014 die über 135.000 US- und NATO-Kampftruppen aus Afghanistan abgezogen werden. Von den blühenden Landschaften und weiteren hehren Zielen, die 2001 vom Westen für Afghanistan ausgegeben worden waren (wie z. B. Demokratie, Menschenrechte, gute Regierungsführung), hatten sich die US-Besatzer und ihre Verbündeten längst verabschiedet. "Solange die Taliban künftig darauf verzichten, ihren Herrschaftsbereich zum Rückzugsraum für internationale Terroristen zu machen, dürfen sie dort schalten und walten, haben die USA signalisiert." Ihre Vertretung in Doha versahen die Taliban mit dem Banner "Islamisches Emirat Afghanistan" und damit als Parallelregierung, was von der Kabuler Administration als Affront angesehen wurde. Die Taliban hatten bis dahin Gespräche mit ihr abgelehnt, weil sie Karsei nur als eine Marionette der US-Amerikaner ansahen. Am Ende der Verhandlungen sollten die Taliban an der Regierung beteiligt werden, dafür hätten sie jedoch die afghanische Verfassung von 2004 akzeptieren müssen. Die Taliban beriefen sich aber auf die Scharia. Daher war das Scheitern der Verhandlungen in Doha wegen maximaler Forderungen beider Seiten programmiert.

Anfang 2016 wurde ein neuer Versuch unternommen, um den festgefahrenen Friedensprozeß in und um Afghanistan wiederzubeleben. Am 11. Januar trafen sich Vertreter der afghanischen, pakistanischen, chinesischen und US-amerikanischen Regierungen in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad, um einen Friedensfahrplan für das Land am Hindukusch auszuarbeiten. Der außenpolitische Berater der pakistanische Regierung, Sartaj Aziz, wies bei seiner Eröffnungsrede darauf hin, daß man den Taliban Anreize anbieten solle, damit sie keine Gewalt mehr anwendeten. "Wir sollten keine überzogenen Erwartungen haben", schränkte er jedoch ein.

Nach jahrelangen Geheimverhandlungen ist es der Kabuler Administration gelungen, den Kriegsverbrecher und Führer der Islamischen Partei Afghanistans, Gulbuddin Hekmatyar, in die bestehenden Strukturen Afghanistan zu integrieren. Da seine Gruppe in den letzten Jahren militärisch keine Rolle mehr gespielt hat, ist das aber nur von psychologischer und propagandistischer Bedeutung.

Dr. Matin Baraki

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Deutsche gegen höhere Rüstungsausgaben

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Reiner Meier sieht keinen Grund für mehr Rüstungsausgaben, wie sie US-Präsident Donald Trump fordert. Deutschland werde nicht bedroht, stellte er in einem Interview mit "Sputnik" klar und forderte, zu Dialog und Kooperation mit Rußland zurückzukehren.

Die Bundesrepublik gibt viel Geld für Bundeswehreinsätze in Krisengebieten aus - als Schutzmacht, als Ausbildungsmacht, als "Helfer" vor Ort in vielen Ländern Afrikas und im Nahen Osten. Das werde laut dem Tirschenreuther Bundestagsabgeordneten Reiner Meier nicht in die zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) eingerechnet, die von jedem NATO-Mitgliedsland verlangt werden. So kommentierte er im Interview mit "Sputnik"-Korrespondent Nikolai Jolkin die jüngste Umfrage des französischen Meinungsforschungsinstituts Ifop, nach der nur 36 Prozent der Deutschen eine Erhöhung der Rüstungsausgaben befürworten, aber 47 Prozent das ablehnen. "Wenn man die genannten Leistungen Deutschlands mit einrechnen würde, dann kämen wir auf diese zwei Prozent, zu denen wir stehen", sagte der Politiker. "Wir halten uns an unsere Vereinbarungen."

Er fragte aber auch: "Für was soll ich mich verteidigen lassen?" Der Diplom-Verwaltungswirt Meier sieht Rußland nicht als Gefahr, sondern eher als befreundetes Land.

"Wir sind auch mit den NATO-Ländern und mit den USA befreundet - wenn es derzeit auch zu Spannungen kommt ... Sie sind nachvollziehbar, weil 'America first' - wenn das jedes Land für sich sagt, dann haben wir keine Weltgemeinschaft mehr! Wenn jeder sagt 'Ich komme zuerst, und die anderen sollen nach', das ist nicht die Lösung, die mir vorschwebt. Wir müssen wieder zum Dialog kommen und anständig miteinander umgehen."

Mit dem Fall der "Mauer" und der Öffnung des Ostens hin zum Westen hätte der sogenannte kalte Krieg beerdigt werden können, betonte der Abgeordnete. "Und deshalb gab es auch beiderseitig keine große Gefährdung. Deswegen haben wir Deutschen auch die Wehrpflicht abgeschafft. Und wir haben die Bundeswehr deutlich reduziert, wir haben das Material deutlich reduziert und innerhalb der NATO trotzdem unseren Beitrag geleistet."

(Gestützt auf "Sputnik Deutschland")

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Milliarden für europäische Kriege

Milliardenschwere Rüstungsprogramme auf EU- und auf nationaler Ebene begleiten den Ausbau der Europäischen Union zur weltweit operierenden Militärmacht. Neben einer stärkeren Streitkräftekooperation, die die EU in die Lage versetzen soll, ihre Kriegseinsätze etwa in Afrika auszuweiten, hat der EU-Gipfel in der vergangenen Woche auch die rasche Einrichtung eines "Verteidigungsfonds" beschlossen. Dieser sieht die Umwidmung zivil genutzter Gelder in militärisch verwendete Mittel vor. Bereits in wenigen Jahren wird Brüssel demnach jährlich 1,5 Milliarden Euro für Rüstungsforschung und -entwicklung bereitstellen. Auch die Bundesregierung erhöht ihre Militärausgaben und hat Mitte Juni Rüstungsprojekte im Wert von rund zehn Milliarden Euro beschlossen - Kriegsschiffe, Tankflugzeuge, Satelliten, die Optimierung vorhandener Waffenbestände für die aktuellen Kriege und vieles andere. Zudem sind bereits vollkommen neue, für die Rüstungsindustrie lukrative Milliardenvorhaben in Planung - neben dem Mehrzweckkampfschiff MK 180 vor allem ein neuer Kampfjet, der mit der US-amerikanischen F-35 konkurrieren und Lenkraketen, Drohnen und anderes Kriegsgerät integrieren soll.

(german-foreign-policy)

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Die Linke in Brasilien, ein breiter Strom

So vielgestaltig wie das größte Land Lateinamerikas mit mehr als 200 Millionen Einwohnern verschiedener Ethnien und Kulturen sind auch dessen progressive politische Kräfte. Häufig bündeln die Organisationen der Linken eine große Bandbreite weltanschaulicher Positionen und auch spiritueller Richtungen. Ihre Stärke und die Bedingungen, unter denen sie wirken, unterscheiden sich regional deutlich.

Die sozioökonomische Situation und die Kampfbedingungen etwa im riesigen agrarischen Hinterland und in den städtischen Ballungsgebieten an den Küsten Brasiliens sind anders gelagert. Allerdings lebt hier die große Mehrheit der Bevölkerung. Die historisch gewachsenen Disparitäten zwischen São Paulo, dem größten Wirtschafts-, Finanz- und Handelszentrum des Kontinents mit dem die Metropole umlagernden ABC-Industriegürtel, und dem rückständig gehaltenen Nordosten sind nach wie vor erheblich. Überwiegend afrobrasilianisch geprägten Landesteilen wie dem Bundesstaat Bahia steht ein weiß dominierter Süden gegenüber, den auch die Nachfahren italienischer, spanischer und deutscher Einwanderer prägen.

Für alle Himmelsrichtungen des gewaltigen Landes gilt, daß seine Geschichte einer brutalen Kolonialisierung und die Sklavenhalterepoche bis ins Heute ausstrahlt. Der Gegensatz von "Herrenhaus und Sklavenhütte", mit dem der Soziologe Gilberto Freyre vor Jahrzehnten die brasilianische Gesellschaft charakterisierte, wirkt in das Denken der Beherrschten und speist den brutalen Dünkel, mit dem sich eine kleine reiche Elite von Oligarchen als Eigentümer Brasiliens aufführt. Eine Haltung, die große Teile der Mittelklassen und gesellschaftliche Aufsteiger nachahmen. Konservative sind häufig mit Reaktionären gleichzusetzen, aufgeklärtes liberales Bürgertum ist rar gesät. Kein Wunder also, daß sich gerade Sprößlinge aus dieser Klasse immer wieder radikalisierten, daß aus ihr viele Denker und Anführer der Linken hervorgingen.

Eine Ausnahme von dieser Regel bildet Luiz Inácio Lula da Silva, der aus ärmlichsten Verhältnissen und noch dazu aus dem Nordosten stammt. 2003 zog der frühere Schuhputzer, Dienstbote, Metallarbeiter und Gewerkschafter in den Präsidentschaftspalast in Brasília ein, um acht Jahre lang das für die Bevölkerungsmehrheit und das internationale Ansehen seines Landes hellste Kapitel zu schreiben. Für die Eliten ist Lula, wie er in Brasilien nur genannt wird, ein Emporkömmling, den sie mit glühendem Haß verfolgen. Zumal er in Umfragen bei Präsidentschaftswahlen 2018 klarer Favorit wäre.

In diesen legt nun auch die von ihm 1980 noch unter der zivil-militärischen Diktatur mitgegründete Arbeiterpartei (PT) wieder deutlich zu. Aus dem Tief, in das sie nach dem Sturz der von ihr geführten Regierung von Dilma Rousseff durch einen parlamentarischen Putsch im vergangenen Jahr gerutscht war, ist die größte linke Partei Lateinamerikas heraus. Im Unterschied zu vielen anderen Parteien Brasiliens, deren Etiketten bedeutungslos sind, ist sie eine Programmpartei - mit diversen Flügeln. Sie wird hier meist sozialdemokratisch eingeordnet, ist allerdings antiimperialistisch und hat auch nach links wenig Berührungsängste, etwa nach Kuba. Ihre Wurzeln hat sie in den Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und kirchlichen Basisgemeinden. Diesen hat sie sich neu angenähert, nachdem sie lange auf Lösungen "von oben" setzte. Ob dieser Pakt von Dauer ist, hängt davon ab, ob die PT künftig an einer prinzipienfesten Bündnispolitik festhält. Eine Reihe weiterer, kleinerer Parteien sind dem linken Spektrum zuzuordnen, wie die von PT-Dissidenten gegründete, basisdemokratisch verfaßte Partei Sozialismus und Freiheit (PSOL), die sich weiter im Aufschwung befindet. Von den kommunistischen Parteien landesweit von Bedeutung ist die betont patriotische PCdoB, ein treuer Alliierter der PT. Guerillakampf, Parteienunterwanderung und ein Zickzack durch alle Wirren der Weltbewegung sind Teil ihrer Biographie im 20. Jahrhundert.

Für die Alltagskämpfe ist eine Vielzahl lokaler Initiativen, kirchlicher Zusammenschlüsse und sozialer Bewegungen - wie die der Landlosen (MST) und die in den Favelas verwurzelte MTST - bedeutsam. Gegen den gesellschaftlichen Rückschritt und die wachsende Repression kämpfen Frauengruppen und Organisationen der Afrobrasilianer. Bei der Verteidigung der sozialen Rechte geht die Gewerkschaftszentrale CUT voran. In der ersten Reihe stehen Jugendorganisationen wie Levante Popular und die Ocupa-Bewegung von Schülern und Studenten.

Peter Steiniger

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Offener Brief an die Delegierten des PDL-Parteitages
Für einen kräftigen Oppositionswahlkampf!

In einem offenen Brief wandten sich Mitglieder und Sympathisanten der Partei Die Linke an die Delegierten des Parteitages, der vom 9. bis 11. Juni in Hannover stattfand.

Nicht erst seit den Berliner Abgeordnetenhauswahlen im September 2016 wird von einigen Protagonisten der Linken die Illusion verbreitet, mit einer rot-rot-grünen Bundesregierung sei ein grundlegender Politikwechsel möglich. Stellvertretend sei Bodo Ramelow genannt, oder es sei auf zahlreiche Artikel im ND hingewiesen. Daher haben wir uns entschlossen, den nachfolgenden offenen Brief an die Delegierten des Hannoveraner Parteitages zu initiieren.

Wolfgang Gehrcke und Ellen Brombacher


Der Einzug der Partei Die Linke in den Deutschen Bundestag am 24. September 2017 mit einer starken Fraktion muß unbedingt gewährleistet werden. Das erfordert, den Wahlkampf überall mit großer Überzeugungskraft und einem klaren, linken Oppositionsprofil zu führen. Zugleich muß Schluß sein mit völlig illusorischen Träumereien von einer rot-rot-grünen Koalition im Bund. Dazu reicht es inhaltlich ebensowenig wie zahlenmäßig.

Wir sind keine Umfragefetischisten. Dennoch lassen uns die Umfragen nicht kalt. Für das politische Klima im Land wäre es verheerend, würde die AfD eine maßgeblichere "Oppositionskraft" als Die Linke. Nicht zuletzt deshalb muß ein starker Wahlkampf geführt werden.

Wir brauchen dringend einen Politikwechsel, in Deutschland und in Europa. Aber der ist mit SPD und Grünen in ihrer derzeitigen Verfaßtheit nicht möglich. Zwischen deren und unseren außenpolitischen Vorstellungen liegen Welten. SPD und Grüne rüsten auf, Die Linke will das Gegenteil. Ebenso unterscheidet sich unser Kampf für soziale Gerechtigkeit diametral von dem, was die SPD mit der Agenda 2010 in der rot-grünen Bundesregierung einleitete und bis heute verantwortet. In Regierungsverantwortung wirkt die SPD aktiv an der Aushöhlung der Grundrechte mit.

Denken wir nur an das Asylrecht oder die Privatisierung von öffentlichem Eigentum; jüngstes Stichwort: Autobahnen. Wer den Wahlkampf der Linken 2017 auf eine rot-rot-grüne Bundesregierung ausrichtet, gibt das Heft des Handelns aus der Hand und verschiebt einen Politikwechsel auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.

Bekennen wir uns wieder deutlich dazu, daß unter den gegebenen Bedingungen Veränderung mit Opposition beginnt! Wir bitten Euch, die Delegierten des Hannoveraner Parteitages, diesen zum Auftakt für einen kräftigen Oppositionswahlkampf zu machen.

Ellen Brombacher und Wolfgang Gehrcke, Dr. Gerd Belkius, Arne Brix, Dr. Erhard Crome, Dr. Diether Dehm (MdB), Prof. Dr. Edeltraut Felfe, Kurt Gutmann, Victor Grossman, Harri Grünberg, Thomas Hecker, Heidrun Hegewald, Andrej Hunko (MdB), Dr. Alexander King, Prof. Dr. Hermann Klenner, Horsta Krum, Sabine Lösing (MdEP), Prof. Dr. Christa Luft, Michael Mäde, Prof. Dr. Moritz Mebel, Kurt Neumann, Hartmut Obens, Dr. Artur Pech, Gina Pietsch, Prof. Dr. Gregor Putensen, Friedrich Rabe, Dr. Marianna Schauzu, Dr. Johanna Scheringer-Wright (MdL), Carsten Schulz, Joachim Traut, Dr. Volkmar Vogel, Andreas Wehr, Elisabeth Wissel, Dr. Friedrich Wolff, Dr. Reiner Zilkenat

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Vor 90 Jahren: Justizmord in den USA

In der Nacht vom 22. zum 23. August 1927 wurden die beiden italienischen Arbeiter Nicola Sacco (35) und Bartolomeo Vanzetti (39) auf dem elektrischen Stuhl im USA-Staat Massachusetts hingerichtet.

Im Juli 1977 hatte der damalige Gouverneur dieses US-Staates, Michael Dukakis, eingestanden, daß Sacco und Vanzetti einem Justizmord zum Opfer gefallen sind. Damit erfolgte - wenn auch zögernd und erst nach einem halben Jahrhundert - die Rehabilitierung der beiden Arbeiter, für deren Leben sich Millionen Menschen eingesetzt hatten.

Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti waren 1908 aus Italien nach den USA ausgewandert. Sie arbeiteten beide in der Gewerkschaft. Als sie sich im Mai 1920 an einer Protestaktion gegen die brutalen Methoden der Polizei beteiligten, erfolgte ihre Verhaftung. Sie wurden beschuldigt, einen Raubmord an zwei Lohnboten verübt zu haben. Obwohl sie ihre Schuldlosigkeit beteuerten, Zeugenaussagen ihr Alibi erhärteten und später einer der wirklichen Mörder bestätigte, daß Sacco und Vanzetti mit dem Verbrechen nichts zu tun haben, wurden sie am 14. Juli 1921 schuldig gesprochen.

Demonstrationen und Kundgebungen in aller Welt, ihre Verteidiger, namhafte Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler forderten die Revision des Verfahrens. Aber die Justiz beharrte auf dem Vollzug des auf Fälschungen, Intrigen und Lügen gestützten Urteils.

Sacco und Vanzetti wurden das Opfer einer Klassenjustiz, die mit der Hinrichtung der beiden Arbeiter andere von der Teilnahme am gewerkschaftlichen und politischen Kampf für den Fortschritt abschrecken wollte.

Sie dürfen nicht vergessen werden!

Der preußische Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung 1927: "Millionen und aber Millionen von Proletariern werden die beiden Hingerichteten fortan als vom Kapitalismus hingerichtete Märtyrer betrachten. Wohl werden die Sacco-Vanzetti-Demonstrationen abflauen, aber es wäre ein Irrtum zu glauben, daß damit für die radikale Arbeiterbewegung der Fall Sacco-Vanzetti erledigt wäre."

Wie wahr! Sie sind unvergessen!

Am 23. August 1927 wurden die beiden italienischen Arbeiter Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti auf dem elektrischen Stuhl in den USA zu Tode gefoltert. Sieben Jahre lang war es gelungen, den Tod zu verhindern, die Henker zu stoppen. Kurz vor und nach der Hinrichtung kam es in aller Welt, auch in Deutschland, zu Demonstrationen von einem vorher selten erlebten Ausmaß. Im Mai 1927 waren von über 50 Millionen Menschen unterschriebene Protestresolutionen überreicht worden. Amerikanische Läden und Konsulate wurden gestürmt; in Hamburg und Paris kam es zu Barrikadenkämpfen; Betriebe hörten auf zu arbeiten; im Ruhrgebiet schlossen verschiedene Schachtanlagen; in Leipzig gab Polizeipräsident Fleißner, der sich selbst als linker Sozialdemokrat begriff, Schießbefehl. Arbeiter gaben Leben und Freiheit in der Solidarität. 24 Jahre Zuchthaus, 10 Jahre Gefängnis erhielten 17 Hamburger Arbeiter für ihre Demonstrationsteilnahme.

"Es genügt nicht, einmal empört zu sein und zu trauern. Die Arbeiter müssen zäh und konsequent alle Kräfte anstrengen, um diese verrottete Gesellschaft zu beseitigen", rief Ernst Thälmann 150.000 Berlinern zu.

Kurt Tucholsky versprach in einem aufrüttelnden Gedicht:

Diesen Schwur
an ihrer Bahre:
Alle für zwei.
Ihr starbt nicht allein.
Es soll ihnen
nicht vergessen sein.

Es ist ihnen nicht vergessen.

1908 zwang die Not sie, ihre Heimat Italien zu verlassen, um ihr Glück in dem "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" zu suchen. Schwer wurde es ihnen gemacht. Der Einberufung zum Wehrdienst folgten sie nicht. Sie weigerten sich, auf Klassengenossen zu schießen, und gingen nach Mexiko.

Als sie nach dem 1. Weltkrieg in die USA zurückkehrten, wurde es ihnen noch schwerer gemacht. Sacco, gelernter Schuhmacher, erhielt schließlich Arbeit in einer Schuhfabrik in Brockton; Vanzetti, gelernter Bäcker, blieb erwerbslos, obwohl mit besten Zeugnissen versehen. Sein Fehler, wie er ihn selbst beschrieb? Immer wieder versucht zu haben, etwas Licht in das dunkle Leben seiner Arbeitskollegen zu bringen. Sein Dasein fristete er schließlich durch den Handel mit Fischen.

Die Kriegsgegnerschaft dieser beiden italienischen Arbeitsemigranten war bekannt. Auf den schwarzen Listen der Unternehmer und ihrer Staatsorgane waren sie als "Rote" vermerkt. Unter den Industriearbeitern ihrer Zwangsheimat, natürlich vor allem unter ihren italienischen Landsleuten, waren sie beliebt und geachtet als klassenbewußte, bescheidene, mutige Arbeiter.

Den Herrschenden waren sie ein Dorn im Auge. Mit ihrer Polizei und Justiz schmiedeten sie in Massachusetts ein Komplott. Sacco und Vanzetti wurden von anderen begangene Verbrechen in die Schuhe geschoben.

Fälschlich wurden sie beschuldigt, 15.000 Dollar Lohngelder in South Braintree geraubt und einen Wächter getötet zu haben. Die Polizei kannte die Spuren, die zu den wahren Tätern führte, einer gestand einige Zeit später seine Teilnahme und beteuerte die Unschuld von Nicola und Barto. Aber die Aufdeckung des Verbrechens interessierte nicht.

Im Mai 1920, gerade als Nicola und Barto für die Aufklärung des Todes eines italienischen Kollegen arbeiteten, wurden sie verhaftet. Mit ihrer Festnahme, Verurteilung und Hinrichtung sollte die amerikanische Arbeiterbewegung getroffen werden. Sacco und Vanzetti waren bei Streiks dabei, halfen sie organisieren, hatten durch ihr konsequentes Handeln Vertrauen unter ihren Klassengenossen. Sie lasen, nahmen an Zirkeln teil, um Antworten zu finden, wie die Lage, ihre eigene und die ihrer Brüder, verbessert werden, wo der Ausweg aus ihrer Misere sein könnte.

Das Ergebnis beschrieb Vanzetti in einem seiner Briefe aus dem Gefängnis: "Ich lernte, daß Klassenbewußtsein keine Phrase ist, die von Propagandisten erfunden wurde, sondern eine reale lebensspendende Kraft, und daß jene, die diese Bedeutung spürten, nicht mehr Lastenträger blieben, sondern zu Menschen wurden." Er und Sacco waren zu Menschen geworden.

Ihren Ideen nach waren sie Anarchosyndikalisten. Während Anarchismus und Syndikalismus in Europa - mit Ausnahme von Spanien - in der Zwischenkriegszeit zur völligen Bedeutungslosigkeit herabgesunken waren, galt dies nicht für Lateinamerika und auch nicht für das Rumpfamerika, die Vereinigten Staaten.

In den USA verbreiteten sich gerade unter den grenzenlos ausgebeuteten italienischen und spanischen Einwanderern sehr spontan anarchistische Ideen. Sie hatten halbfeudale Verhältnisse, die solche Ideen gefördert hatten, hinter sich gelassen und fanden eine zur Verzweiflung und sofortigen Lösung drängende neue Umwelt vor, die sie zwang, die schlechtest bezahlten Stellen anzunehmen.

Anarchistisch in ihren Ideen, waren Sacco und Vanzetti in erster Linie Arbeiter, bewußte, tätige Revolutionäre, Kollegen und Genossen. Wie spuckte doch ihr Gerichtsvorsitzender über Vanzetti: "Dieser Mensch, wenn er auch das Verbrechen, das ihm zugeschrieben wird, nicht materiell begangen hat, ist immerhin moralisch schuldig: weil er der Feind der gegenwärtigen Institutionen ist."

Die, die Nicolas und Bartos schnellen Tod wollten, hatten sich verrechnet, sie hatten außer acht gelassen, daß längst die Zeit vorbei war, in der Arbeiter allein standen, isoliert ihren Kampf führten. Vor allem hatten sie das Land Lenins nicht einkalkuliert, das Land, in dem seit dem Roten Oktober proletarischer Internationalismus zur Maxime von Regierung und Volk geworden war. Basis und Zentrum der Solidaritätsbewegung war die Internationale Rote Hilfe (IRH), in der eine machtvolle Einheitsfront der Werktätigen aller Länder gegen den imperialistischen Terror geschaffen worden war. Sie rief, wie Clara Zetkin es beschrieb, zur Rettung von Sacco und Vanzetti auf. Auch in der Bewegung selbst wurde, je intensiver der Kampf sich entfaltete, die Frage der Parteizugehörigkeit in den Hintergrund gestellt. Sozialdemokratische, kommunistische, parteilose, christliche, anarchistische Arbeiter fanden sich im Gedanken der Klassensolidarität zusammen. Sie wußten: Die Hetze gegen Sacco und Vanzetti, das Urteil der Klassenjustiz war gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung insgesamt gerichtet, gegen "Rote, Radikale, Bolschewisten, Kommunisten" im Namen des Antikommunismus.

Auch wenn das Leben von Nicola und Barto nicht gerettet werden konnte - trotz Streiks, Protesten, Demonstrationen in aller Welt - gehört dieser Kampf zu den größten Taten der internationalen Arbeiterklasse, der Kommunisten der Welt, allen voran den Kommunisten der Sowjetunion. Hier zeigte sich, was es bedeutet, nicht national borniert, sondern internationalistisch orientiert und auch organisiert zu sein. Ohne die Internationale der Kommunisten - Ergebnis der gemeinsamen Interessen - wäre die Solidaritätsbewegung für das Leben von Sacco und Vanzetti in ihrer Massenhaftigkeit, Wirkung, Vielfalt, Phantasie und Kraft nicht vorstellbar gewesen.

Der Kampf um ihr Leben erzog Millionen Arbeiter im Geist des proletarischen Internationalismus, der zu einer immer mächtigeren und stärkeren, schließlich den Faschismus überwindenden Kraft wuchs. Eine Kraft, die mit zum Sieg des vietnamesischen Volkes beitrug, die Luis Corvalan und Angela Davis retten half.


"Wollen wir es schnell erreichen, brauchen wir noch Dich und Dich, wer im Stich läßt seinesgleichen, läßt ja nur sich selbst im Stich."
(Bertolt Brecht)

RA Herbert Lederer, Essen

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Solidarität mit dem Donbass

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Hilfe für leidgeprüfte Menschen im Donbass
"Immer lebe die Sonne!"

Sie wissen, daß Sie ins Kriegsgebiet fahren?", fragt uns der russische Grenzer bei der Paßkontrolle. Ja, wir wissen es. Unser Verein "Friedensbrücke - Kriegsopferhilfe e. V." leistet dort seit 2015 humanitäre Hilfe. Nur einen Kilometer weiter: Der Grenzposten der Donezker Volksrepublik begrüßt uns: "Nun seid Ihr also bei den Terroristen und Separatisten angekommen ..." Wir verstehen den ironischen Unterton, schließlich wissen wir um die Informationsblockade der bürgerlichen deutschen Massenmedien und um deren Jargon, wenn vom Donbass die Rede ist.

Unser Ziel: Gorlowka, einst viertgrößte Stadt der Ukraine, heute eine der leidgeprüftesten Orte des Donbass. Unsere Freunde, Raissa und Viktor, haben uns in Rostow am Don abgeholt. Fünf Stunden Autofahrt liegen vor uns, ehe wir die Bergarbeiterstadt erreichen. Hier gab es einst 18 große Schachtanlagen. Eine ist noch in Betrieb. Obwohl die Steinkohlevorräte noch 50 Jahre reichen würden, wurden viele Bergwerke ganz bewußt nicht instandgehalten und später geschlossen. Der Grund und Boden wurde an Konzerne wie ESSO und SHELL verhökert. Durch die Stillegung wollte man auch die starken Gewerkschaften des Donbass ausschalten.

Frühstück in Gorlowka ... Brandlöcher in der Küchengardine. Wir erfahren, das Haus habe einen Volltreffer abbekommen, die Löcher seien durch Granatsplitter entstanden. Dort, wo ich sitze, hatte ein großer Splitter die Polsterung der Bank zerfetzt. Jeden Tag schaue ich mit einem mulmigen Gefühl auf den Lederflicken. Seit 2014 herrscht der unerklärte Krieg im Donbass. Die vom "Blutpastor" Turtschinow (Pastor in der Baptistenkirche, Übergangspräsident nach dem Maidan, Parlamentsvorsitzender der Rada in Kiew und später durch Präsident Poroschenko zum Verantwortlichen für nationale Verteidigung ernannt) angeordnete Anti-Terror-Operation im Donbass forderte Tausende Menschenleben.

Während unseres Aufenthalts erleben wir täglich Leid, Tränen und Zerstörung. Tag und Nacht hören wir den Geschützdonner, Artillerie, Maschinengewehre, erleben die Zerstörung durch den Beschuß der ukrainischen Armee und der faschistischen Freiwilligenverbände.

Von Donezk aus fahren wir nach Jassinowataja, nachdem dort mehrere Häuser beschossen worden waren.

Es gab drei Tote. Von dem Haus einer 77jährigen Rentnerin am Rande der Siedlung ist nicht viel übriggeblieben. Kinder, Enkel und Nachbarn bergen die Habseligkeiten der alten Frau. Auf der anderen Seite des Hauses sehen wir die ukrainischen Panzer in nur einem Kilometer Entfernung. Sie schießen auf wehrlose Zivilisten. Das gleiche Bild in Sajzewo. Wir können nur durch einen Teil der Siedlung fahren, unmittelbar hinter der Schule liegen ukrainische Scharfschützen in Stellung. Die Menschen in Sajzewo bitten uns um Kerzen, Taschenlampen und Matratzen für die Keller, in denen sie oft den Tag und die Nächte verbringen. Sponsoren aus Deutschland machen es möglich, daß wir vor Ort Hilfe leisten können. Wir verteilen Lebensmittelpakete, versorgen Kindergärten mit frischem Obst, Bonbons und Spielzeug, lassen die Sandkästen auffüllen, nachdem der Sand im Herbst zum Ausbessern der zerstörten Häuser benutzt wurde. Auch Staubsauger und Bügeleisen haben sich die Leiterinnen für ihre Kitas gewünscht. Der integrativen Berufsschule in Gorlowka besorgen wir einen Laserdrucker mit allem Zubehör, für die Diplomarbeiten der Auszubildenden wird er dringend benötigt. Außerdem übergeben wir der Nähwerkstatt Geld für Stoffe. Den jungen Boxern in Gorlowka können wir Trikots, Trainingsgeräte sowie einen Warmwasserboiler übergeben.

Auch die Kinder und Mädchen der Fußballmannschaft von "Chemie Gorlowka" können sich über eine neue Ausstattung freuen. Eine Gruppe krebskranker Frauen aus Leipzig hat für die Kinder im Donbass gestrickt, auch diese Spende löst viel Freude aus.

Ein Höhepunkt unseres Aufenthalts dort ist die Preisverleihung an die Teilnehmer des von uns gesponserten Malwettbewerbs "Kinder malen den Frieden" und "Krieg mit den Augen der Kinder".

Wir erleben zwei wunderschöne Konzerte in Donezk und Dokuschajewsk. Letzteres liegt unter starkem Beschuß, während wir im Kulturhaus mit den Kindern feiern und singen.

Kurz tauchen Fahrzeuge der OSZE vor dem Klubhaus auf, verschwinden aber, noch ehe die Veranstaltung beendet ist.

Hochachtung haben wir vor den Verantwortlichen des Kulturhauses in Gorlowka, die, obwohl das Gebäude teilweise stark zerstört ist, alles möglich machen, damit die Kinder auch weiterhin singen, tanzen, malen und basteln können. Noch klafft ein großes Loch in der Decke des Konzertsaales, auch hier werden wir helfen.

Wir haben im Donbass weder Terroristen noch Separatisten gesehen, wir haben Menschen erlebt, die sich nichts Wichtigeres wünschen als Frieden. Gemeinsam mit den Kindern und Erziehern der Kindergärten in Gorlowka haben wir das Lied "Immer lebe die Sonne!" und "Kleine weiße Friedenstaube" gesungen.

Liane Kilinc,
Vorsitzende des Vereins Friedensbrücke - Kriegsopferhilfe e. V.

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Feindbild Rußland

In Prag wechselt der ukrainischer Botschafter. Als eine der ersten Übungen fordert er, nach wirkungsvollen Maßnahmen zu suchen, der russischen Propaganda entgegenzuwirken, und vergleicht deren Auswirkungen mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen.

"Feindschaft erzeugt Feindbilder", stellt Hannes Hofbauer in seinem exzellent recherchierten Buch "Feindbild Rußland. Geschichte einer Dämonisierung" fest. Zu ergänzen wäre, daß der Satz auch im Umkehrschluß funktioniert, wie die gegenwärtige politische Praxis zeigt.

In seiner Untersuchung verfolgt der Wiener Historiker und Publizist die 500 Jahre Geschichte der Beziehungen zwischen Rußland und dem Westen. Das Bild des "asiatischen, barbarischen Rußland" entstand im 15. Jahrhundert. Mit dem Schisma von 1054 stellte die römisch-katholische Kirche die russisch-orthodoxe Kirche als "Hort der Abtrünnigen" dar. Im 16. Jahrhundert ging von der Universität Krakau die Charakterisierung der Russen als "ein Ketzervolk" aus, die prägend für die Einstellung des westlichen Europa wurde. Eine Haltung, die offensichtlich bis auf den heutigen Tag nachwirkt. Mit wenigen historischen Ausnahmen bleiben Rußland und später die Sowjetunion das "Reich des Bösen". Hofbauer zählt zu diesen Ausnahmen die Begeisterung für Zar Peter den Großen. Nützlich und lieb war der russische Bär auch während der Befreiungskriege von 1813 bis 1814, oder wenn wirtschaftliche und geopolitische Interessen des Westens im Spiel waren (Preußen und Habsburg "konnten" zeitweise recht gut mit dem Zarenreich), und auch Gorbatschow löste eine kurze Welle des Enthusiasmus aus. Wir wissen warum. Aber selbst in diesen Zeiten blieb im Westen die "russophobe Einstellung" - wenigstens unterschwellig - bestehen.

Mit der Oktoberrevolution und dem Sieg der Bolschewiki waren nicht nur unermeßliche Energie- und Rohstoffquellen dem Kreislauf der Profitmaximierung entzogen, auch drohte da über das Land hinaus eine Idee zur materiellen Gewalt zu werden, die an den Grundlagen kapitalistischen Wirtschaftens nagte.

Hofbauer zeigt, daß die USA und ihre Verbündeten es sich einiges kosten ließen, um diese Gefahr von der Landkarte der Welt zu tilgen: wirtschaftlich, mit geheimdienstlichen Mitteln und Methoden, mit offener militärischer Bedrohung. Der Rüstungswettlauf war eröffnet, in den die Sowjetunion - auch daran erinnert das Buch - erst nach Zurückweisung der Stalin-Note 1952 eingestiegen ist. Einen Wettlauf, den die Vereinigten Staaten nicht nur verkraften konnten, der auch Gewinn und wirtschaftlichen Aufschwung brachte. Die Profitraten der größten Waffenproduzenten waren, so Hofbauer, dreimal so hoch wie in zivilen Unternehmungen.

Neben der Strategie, die Sowjetunion - jetzt Rußland - totzurüsten, war der Krieg im Wirtschafts- und Rohstoffsektor die dominante Komponente. Hofbauer erinnert daran, daß schon unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg ein penibel ausgearbeitetes Embargoregime gegen die Sowjetunion und ihre Partnerländer errichtet wurde (COCOM-Liste), zu dem auch der gepriesene Marshallplan, den Hofbauer als aufwendige und teure Exportförderung für US-Firmen enthüllt, zu rechnen ist. Vergleiche zu den gegenwärtigen Wirtschaftssanktionen gegen Rußland drängen sich geradezu auf, wenngleich sich diese - oft zum Nachteil besonders der europäischen Partner der USA - als Bumerang erweisen. Nicht so offensichtlich, aber nachweisbar ist, daß die USA-Administration schon Mitte der 80er Jahre darauf setzte, die Ölpreise zu senken, um der Sowjetunion zu schaden. Dabei waren die Saudis einer der "wichtigsten Komponenten in der Strategie Reagans". Auch heute versucht man, Rußland damit in die Knie zu zwingen, indem man sein wichtigstes Exportgut (Öl, Erdgas) entwertet.

"Rosen in Georgien, Zedern im Libanon, Tulpen in Kirgisien ..." - wer steckt hinter den "Farbrevolutionen"? Roß und Reiter werden benannt, Geldgeber, Dienste und Hintermänner erscheinen im Klartext, und es wird deutlich, wie wenig in den meisten Fällen NGOs wirklich "Nichtregierungsorganisationen" sind.

Naturgemäß widmet der Autor ein großes Kapitel dem "Kampf um die Ukraine". Welche Rolle die Ukraine für die Destabilisierung der Sowjetunion und später Rußlands spielte und spielt, sprach Zbigniew Brzezinski aus: "Spätestens Mitte Dezember 2013 war auch klar, daß die Ukraine Brüssel und Washington nur als Kampffeld gegen Rußland diente."

Zahlen und Fakten breitet Hofbauer aus (und das durchaus spannend!), die in solcher Fülle anderweitig selten zu finden sind.

Bernd Gutte


Hannes Hofbauer: Feindbild Rußland. Geschichte einer Dämonisierung.
Promedia-Verlag, Wien 2016, 304 S., 19,90 €

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Konfrontation oder Kooperation mit Rußland?

Alexander Rahr - Osteuropa-Historiker, Unternehmensberater, Politologe und Publizist - hat sich am 21. April in Dresden bei einer Veranstaltung des Deutsch-Russischen Instituts e.V. zum Thema "Rußland und der Westen: Konfrontation oder Kooperation?" geäußert. Einige Aussagen scheinen mir wichtig, um Unterlassungen und Verzerrungen der bürgerlichen Medien zum Verhältnis Deutschland-Rußland nachweisen bzw. korrigieren zu können. Rahr faßte zunächst die April-Aussagen der Kanzlerin zur Ostpolitik zusammen. Sie warne EU-Staaten vor einer einseitigen Aufhebung der Sanktionen gegen Rußland, trete für die weitere "Bestrafung" des Landes wegen der angeblichen Nichterfüllung des Minsker Abkommens ein und erweise sich als zahnloser Tiger gegenüber Poroschenko, der alles, auch militärische Aktionen im eigenen Land, gegen die Erfüllung dieses Abkommens einsetze. Merkel wolle Rußland mittels westlicher Wertepolitik isolieren und einen politischen Interessenausgleich mit dem für die europäische Sicherheit so wichtigen Land blockieren. Der schnelle Sieg des Westens im kalten Krieg, die Auflösung der Sowjetunion in 15 selbständige Staaten, der Anschluß der DDR an die BRD, der Abzug der russischen Truppen aus Osteuropa, die Ostausdehnung der NATO (trotz vorheriger anderslautender Versprechen) - das alles sei den US-Eliten und auch Angela Merkel zu Kopf gestiegen. Kein Marshallplan habe den wirtschaftlich notleidenden Ex-Sowjetrepubliken und deren verarmter Bevölkerung geholfen. Vom Westen habe es lediglich Schnell-Schulungen in westlicher Demokratie, Marktwirtschaft, Recht und Militärwesen gegeben. Nach 25 Jahren habe keine der Ex-Unionsrepubliken die westliche Demokratie angenommen, auch die Ukraine nicht. Rußland habe sich vom Freund und strategischen Partner zum Gegner gewandelt und sich zu einem Nationalstaat entwickelt. Der Westen habe es in diesen Jahren (trotz mehrerer russischer Initiativen) nicht vermocht, in Europa am Aufbau einer Friedensordnung mitzuwirken.

Früher hätten die Welt-Atom-Mächte, trotz Gegnerschaft, Wege zu Entspannungsmaßnahmen gefunden. Heute hingegen glaube der Westen, obwohl Rußland waffentechnisch mehr als aufgeholt habe, an einen planbaren Sieg über die "Regionalmacht" Rußland. Was ist in den Beziehungen zwischen beiden Seiten schiefgelaufen, und sind diese Beziehungen irreparabel zerstört? Die Konflikte seien von Jahr zu Jahr gefährlicher geworden. Der Westen habe den Krieg Rußlands gegen die Separatisten in Tschetschenien mißbilligt, im Gasstreit ungerechtfertigt die Position der Ukraine eingenommen, und nur mit großer Mühe sei es gelungen, die 2008 von den USA angestrebte Aufnahme von Ukraine und Georgien in die NATO zu verhindern. Die USA seien aus dem ABM-Vertrag, der die Anzahl der Raketenabwehrsysteme auf beiden Seiten begrenzte, ausgetreten. Jetzt installierten sie in Mitteleuropa ein Antiraketensystem, welches angeblich gegen den Iran gerichtet ist und doch nur die Zweitschlagfähigkeit Rußlands zerstören soll, und würden sich mit der Verstärkung der "Ostfront" befassen sowie mit Kriegsplanungen gegen Rußland. Dazu komme, daß die gemeinsamen Institutionen des Westens und Rußlands auf Eis gelegt wurden - so der NATO-Rußland-Rat, das Partnerschaftsabkommen zwischen EU und Moskau, der KSE-Abrüstungsvertrag (Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa) und die deutsch-französisch-russische Troika. Die EU- und NATO-Staaten in Osteuropa seien Opfer ihrer eigenen Russophobie und fühlten sich von Rußland bedroht. Hitler und Stalin würden gleichermaßen für den zweiten Weltkrieg verantwortlich gemacht, die "Befreiungsfunktion" der Sowjetarmee werde durch den Begriff "Besatzung" ersetzt. Der Westen verfälsche die Geschichte. Diese Positionen dürften nicht nur für Rußland ein Affront sein.

Heute sei die Russische Föderation, so Rahr weiter, kein Teil der europäischen Sicherheitsarchitektur. Rußland baue mit der "Eurasischen Wirtschaftsunion" an einem anderen Europa, welches aber nicht zu einem neuen russischen Imperium werden soll. Rußland nehme sich möglicherweise den "Wiener Kongreß" zum Vorbild, wobei die Großmächte über Europa entschieden hätten, und es fordere für sich die Wiederherstellung des Mitspracherechts in Europa. Letzteres lehne der Westen zur Zeit kategorisch ab. Rußland sei aber stärker und einflußreicher geworden und habe Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Darauf sollte der Westen konstruktiv reagieren. Gegenwärtig verfolge der Westen gegenüber Rußland eine aggressive "Bedrohungs- und Abschreckungspolitik" mit schwacher Dialogbereitschaft. Auch Rußland schrecke den Westen ab, betreibe aber gleichzeitig eine aktive Sicherheits- und Konfliktlösungspolitik auf der Grundlage des internationalen Rechts (Syrien). Das Land sehe, daß der Westen sein Wertesystem über "farbige Revolutionen" und "Regime Changes" auch auf Rußland ausdehnen wolle. Der Westen bezichtige Rußland des Neoimperialismus und der Absicht, die alten Einflußsphären wieder herstellen zu wollen (Abchasien, Südossetien, Krim, Ostukraine). Diese geopolitische Auseinandersetzung sei brandgefährlich, denn sie könne in einem militärischen Konflikt enden. Eine Kooperation des Westens mit Rußland könnte einen Ausweg aus der jetzigen Konfrontation bringen. Er böte die Chance eines friedlichen Übergangs der Welt von einer unipolaren (westlichen) zu einer polyzentrischen Weltordnung. Wer überleben wolle, sollte bereit sein, sich auf einen solchen Weg zu begeben.

Oberst a. D. Gerhard Giese, Strausberg

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GEDANKEN ZUR OKTOBERREVOLUTION

Die bloße Existenz der siegreichen Proletarier-Republiken der Sowjetunion ist für mich als Mensch und Schriftsteller unermeßlich bedeutungsvoll geworden. Verwandelte sich doch durch sie unsere Utopie, die manchmal der bösen Wirklichkeit gegenüber als verrückt erscheinen mußte, in schöne, handgreifliche Wirklichkeit. Und die Leistungen, der Aufbau, das ununterbrochene Vorwärts- und Aufwärtsgehen mit einem hinsiechenden Westeuropa als Hintergrund! Es sieht heute böse aus in der alten Welt. Wie würde es erst aussehen, wenn die frohe Tatsache Sowjetunion nicht existierte!

Mir selbst hat diese Tatsache oft Mut eingeflößt, wenn ich müde und zaghaft wurde. Auf meine Initiative haben die siegreiche Oktoberrevolution und der sozialistische Aufbau in erster Reihe propagandistisch anregend gewirkt. Ich habe es als die Hauptsache betrachtet, den entmutigten Proletariern Westeuropas Mut einzuflößen, und zwar dadurch, daß sie soviel wie möglich über das proletarische Rußland erfuhren: also der Lügenpropaganda entgegenzutreten, sie einzudämmen und über die Riesenerfolge zu berichten! Es ist meine Erfahrung, daß nichts derart revolutionierend auf den westlichen Proletarier wirkt wie die Darstellung des Lebens und Wirkens in der Sowjetunion.
Martin Andersen Nexö

Als im Jahre 1917 zu uns jungen Menschen, die gegen den Imperialismus aktiv kämpften, die Nachricht von der Oktoberrevolution kam, wußten wir, daß hier endlich der "Traum der Millionen" Wirklichkeit, daß diese Welt des Mordens und des kapitalistischen Raubbaus an menschlicher Kraft durch eine sozialistische Welt voll Sinn und Vernunft überwunden wurde.

Wir erlebten mit leidenschaftlicher Teilnahme die schweren Jahre der Selbstbehauptung und der heroischen Verteidigung gegen die Konterrevolution an allen Fronten. Wir erlebten den Aufbau des Fünfjahrplanes, wir waren Zeugen, wie die UdSSR, umgeben von faschistischen Staaten, unbeirrt ihren Weg verfolgte, wie Völker, die bis vor wenigen Jahren dumpf und versklavt lebten, in fieberhafter Arbeit zu eigenem kulturellem Leben erwachten.

Was haben wir der UdSSR zu danken? Ihr Dasein. Heute mehr denn je. Ihr Schutz, ihre Verteidigung ist die Pflicht aller, die sich den Glauben an die historische Mission der arbeitenden Klassen bewahrt haben.
Ernst Toller

Angesichts der ungeheuren Bedeutung, welche die Oktoberrevolution für die Geschichte der Menschheit besitzt, nimmt es sich etwas komisch aus, wenn ein einzelner ihr bedingungslos zustimmt. Wollen Sie bitte daher diese Zustimmung als das nehmen, was sie nur bedeuten kann: als Ausdruck der Gesinnung.
Franz Blei

Ich sehe in der Oktoberrevolution und im Aufbau des Sowjetstaates das kühnste und durchdachteste soziale Experiment, das die Weltgeschichte kennt.
Rudolf Kayser

Ich glaube, daß die Oktoberrevolution das bedeutsamste geschichtliche Ereignis war, das in diesem Jahrhundert stattgefunden hat.

Aus der gegenwärtigen wirtschaftlichen und kulturellen Krise Europas gibt es meiner Meinung nach zwei Auswege: einen kapitalistischen und einen sozialistischen. Es hat den Anschein, als ob Europa entschlossen ist, es mit dem kapitalistischen Ausweg zu versuchen. Die Krise hat dann den Sinn gehabt, den alle Krisen im kapitalistischen System hatten, das kranke System nämlich wieder gesund zu machen. Von einem Zusammenbruch des Kapitalismus kann keine Rede sein. Er entwickelt sich weiter und nimmt genau die Bahn, die Marx ihm prophezeit hat.

Über den sozialistischen Ausweg brauche ich mich wohl weiter nicht zu äußern. Ich möchte hinzufügen, daß ich, obwohl bürgerlich erzogen und in einem bürgerlichen Milieu lebend, diesen unwahrscheinlichen sozialistischen Ausweg von Herzen herbeisehne. Er kann allerdings lediglich durch die Arbeiterklasse herbeigeführt werden, die aber offenbar noch nicht aufgeklärt genug ist.
Dr. Manfred Hausmann

Lunatscharski fragte mich unlängst: "Warum kommen Sie nicht mal nach Rußland?" Ich sagte darauf: "Weil ich fürchte, daß ich dann den Wunsch hätte, dort zu bleiben."

Das Faktum "Sowjetrepublik" ist für mein Bewußtsein eine der größten und beglückendsten Tatsachen. Weil hier seit zweitausend Jahren zum ersten Male der ganz ehrliche Versuch gemacht wird, durch Energie Gerechtigkeit in die Welt zu bringen.

Wenn ich morgen sterben sollte, wird der Gedanke an dies vereinzelte Phänomen inmitten einer zaghaften und rückständigen Welt der letzte, der einzige solide Trost sein.
Alfred Kerr

Meiner Überzeugung nach wird die Oktoberrevolution das unvergleichlich wichtigste Ereignis des zwanzigsten Jahrhunderts bleiben.
Klaus Mann

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Die letzten Wochen vor der Oktoberrevolution (4)
Die Revolution sollte ausgehungert werden

Ende Juli 1917 hatte sich die Lage in Rußland zunächst zuungunsten der revolutionären Arbeiter und Bauern verändert. Die großen Demonstrationen in der Hauptstadt Petrograd hatten mit einer Niederlage geendet.

Der Bourgeoisie war es gelungen, mit Hilfe regierungstreuer Truppen und der Unterstützung der kleinbürgerlichen Parteien der Menschewiki und Sozialrevolutionäre die gesamte Macht an sich zu reißen. Jetzt konzentrierte sie sich ganz darauf, die revolutionäre Bewegung völlig zu zerschlagen.

Ein Mittel dazu war, mit der "knöchernen Hand des Hungers die Revolution an der Kehle zu packen und zu erwürgen", wie es der Millionär Rjabuschinski auf einem Kongreß des Gesamtrussischen Handels- und Industrieverbandes formulierte. Um dieses Ziel zu verwirklichen, trieb die Bourgeoisie die wirtschaftliche Zerrüttung des Landes noch weiter voran.

In diesem dritten Kriegsjahr lag der Eisenbahnverkehr des Landes bereits darnieder. Die Rohstofflieferungen für die Fabriken gingen zurück. Die Kohleförderung verringerte sich. Die Inflation grassierte. Die Preise für Lebensmittel stiegen im Vergleich zum Vorkriegsjahr um das Neun- bis Zwölffache, während die Löhne höchstens um das 3,5fache erhöht worden waren. Im August 1917 verdoppelte die Provisorische Regierung die Brotpreise, während sie gleichzeitig jegliche Lohnerhöhung verbot. Die Hungersnot wuchs. Hand in Hand mit dem Versuch, die Revolution "auszuhungern" ging die brutale Verfolgung der Partei der Bolschewiki und ganz besonders ihres Führers. Um den Mordplänen der Reaktion zu entgehen, mußte Lenin den Kampf aus der Illegalität heraus fortführen. Als Schnitter verkleidet hielt er sich zunächst in Rasliw auf. Dort entwickelte er aufgrund einer exakten Einschätzung der neuen Bedingungen die Taktik für den weiteren Kampf der Bolschewiki.

Diese Frage stand auch im Mittelpunkt des Sechsten Parteitages der SDAPR(B); also der Bolschewiki. Er fand in der Zeit vom 8. bis 16. August 1917 in Petrograd statt und mußte infolge der Verfolgung durch die Reaktion halbillegal tagen. Mehrfach wurde der Versammlungsort gewechselt, Lenin wurde zum Ehrenvorsitzenden gewählt und leitete die Arbeit des Parteitages in Abwesenheit.

Die Delegierten konnten eine erfolgreiche Bilanz seit der ersten legalen Konferenz der Bolschewiki, der sogenannten Aprilkonferenz, ziehen. In den seitdem vergangenen drei Monaten hatte sich die Zahl der Parteigrundorganisationen von 76 auf 162 verdoppelt. 140.000 neue Mitglieder waren in die Partei aufgenommen worden, die jetzt 240.000 Mitglieder zählte. Besonders rasch war ihr Einfluß in den größten Industriezentren gewachsen.

Kurs auf den bewaffneten Aufstand

Der Parteitag folgte der Einschätzung Lenins, daß die Periode der friedlichen Entwicklung der Revolution beendet und der friedliche Übergang der Macht an die Sowjets unmöglich geworden war.

Angesichts der neuen Lage stellte der Parteitag die Weichen für den einzig möglichen Weg zum Sieg der Revolution: Er orientierte die Bolschewiki auf den bewaffneten Aufstand zur völligen Beseitigung der Diktatur der Bourgeoisie. Allerdings rief er nicht zur sofortigen bewaffneten Aktion auf. Der neue Aufschwung der Revolution, von Lenin als unerläßliche Bedingung für den bewaffneten Aufstand bezeichnet, war noch nicht eingetreten. Als Voraussetzung für den Erfolg sah Lenin, daß "dieser Aufstand mit einer machtvollen Erhebung der Massen gegen die Regierung und gegen die Bourgeoisie, zusammenfällt". Den Zeitpunkt dafür sagte er bereits Anfang August für September oder Oktober voraus. "Das war verblüffend", erinnerte sich später der Bolschewik Ordshonikidse. "Wir waren soeben geschlagen worden, er aber sagte den siegreichen Aufstand in ein bis zwei Monaten voraus." Lenin sollte recht behalten.

General Kornilow wird Oberbefehlshaber

Im August 1917 beschloß die Provisorische Regierung, mit den noch vorhandenen demokratischen Errungenschaften endgültig Schluß zu machen. In General I.G. Kornilow, der zum Obersten Befehlshaber ernannt wurde, fand sie den geeigneten Diktator, der auch den englischen, französischen und amerikanischen Imperialisten genehm war.

Kornilow bereitete den Feldzug gegen die Revolution vor. Am 14. August befahl er die Auflösung von 59 "kampfunfähigen Divisionen". Als "kampfunfähig" wurden vor allem revolutionär gesinnte Einheiten bezeichnet, die nicht gewillt waren, auf Befehl des Obersten Kommandos in sinnlosen Offensiven zu verbluten. Gleichzeitig gelang es dem Hauptquartier des Obersten Kommandos, bis Ende August 33 Stoßbataillone zum Kampf gegen die Revolution aufzustellen.

Der Umsturz wird vorbereitet

Am 16. August tagte in Moskau der II. Gesamtrussische Handels- und Industriekongreß, auf dem sich die "Beratung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens", die insgesamt 300 Vertreter reaktionärer Parteien umfaßte, konstituierte.

Hier wurden alle Einzelheiten des geplanten Umsturzes und der Errichtung der Militärdiktatur endgültig gebilligt. Am 22. August sandte der Kongreß ein Telegramm an General Kornilow, in dem es u. a. hieß: "Möge Ihnen Gott helfen bei Ihrer großen Tat ... zur Rettung Rußlands!"

Die Staatsberatung

Am 25. August begann im Bolschoi-Theater in Moskau die von der Provisorischen Regierung einberufene Staatsberatung von Vertretern der Großbourgeoisie, der Gutsbesitzer, der Generalität, der Oberschicht der Kosaken, der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre. Diese Beratung diente dem Ziel, alle konterrevolutionären Kräfte für die Niederschlagung der Revolution zu mobilisieren.

Das Zentralkomitee der Partei der Bolschewiki rief zu Massenkundgebungen der Arbeiter und Soldaten, zu Demonstrationen und Streiks gegen die Staatsberatung auf. Entsprechend diesem Appell traten die Arbeiter von Moskau und Umgebung am 25. August in einen allgemeinen Streik, an dem sich über 400.000 Menschen beteiligten. Arbeiter und Soldaten hielten das nach Moskau beorderte Kosakenregiment auf und nahmen in Moskau kornilowtreue Truppenteile unter scharfe Kontrolle. "Der Streik vom 25. August in Moskau", schrieb W.I. Lenin, "hat bewiesen, daß das aktive Proletariat für die Bolschewiki eintritt ..."

Das Zentrum der Konterrevolution

Nach der Staatsberatung wurde das Hauptquartier zum Zentrum der Konterrevolution. Hier empfing General Kornilow Bankiers, Fabrikanten und Führer konterrevolutionärer Parteien. Im Hauptquartier versammelten sich die konterrevolutionären Generale zu ihren Beratungen.

In jenen Tagen schrieb der amerikanische Botschafter Francis an den Außenminister der USA: "Wir müssen alles in unseren Kräften stehende tun, um die hiesige Lage zu stützen und zu festigen." Um die Revolution mitten ins Herz zu treffen, wurde im Hauptquartier beschlossen, Petrograd den deutschen Truppen auszuliefern.

(Gestützt auf UZ)

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Wissenschaftliche Weltanschauung
Über den Artikel W. I. Lenins
"Wie soll man den Wettbewerb organisieren?"

Sendung des Deutschlandsenders vom 17. Januar 1974

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Ein Jahrhundertbriefwechsel

Im März ist Martin Schulz euphorisch zum Parteivorsitzenden der deutschen Sozialdemokraten gewählt worden. Er ist nun Hoffnungsträger einer sich selbst verleugnenden Partei, die aus ihrem Wortschatz die Begriffe Klasse, Klassenkampf, Privateigentum an Produktionsmitteln, Grundwiderspruch des Kapitalismus, Sozialismus längst verbannt hat.

"In einer Zeit des totalen Bankrotts aller bürgerlichen Weltanschauungen ist eine festgefügte, in sich geschlossene, wissenschaftliche Weltanschauung von größter Lebenswichtigkeit", schrieb Hermann Duncker 1931 (in: Einführungen in den Marxismus. Verlag Tribüne, Berlin 1958, S. 3). Seit seiner frühesten Jugend mit der organisierten Arbeiterbewegung aufs engste verbunden, trug er maßgeblich dazu bei, marxistisches Grundwissen jenen zu vermitteln, die Auswege aus Unterdrückung und Krieg suchten. "Was ich für die Arbeiterbewegung habe leisten können, verdanke ich wesentlich der kameradschaftlichen Unterstützung meiner Frau" (ebenda, S. XIII), stellte er fest. Käte und Hermann Duncker entwickelten sich zu führenden Persönlichkeiten in den Reihen deutscher Linker und gehörten zu den Mitbegründern des Spartakusbundes und der Kommunistischen Partei Deutschlands.

Die nahezu lückenlose Korrespondenz der Eheleute ist in ihrer Einmaligkeit erhalten geblieben und von dem Historiker und profunden Duncker-Kenner Heinz Deutschland unter Mitarbeit seiner Ehefrau Ruth als "Tagebuch in Briefen (1894-1953)" veröffentlicht worden. Langjährige intensive, akribische Arbeit führte zu einem wohl einzigartigen Zeitdokument, das der Herausgeber uneingeschränkt zu Recht als Jahrhundertbriefwechsel bezeichnet.

In diesem Buch berührt u. a. ein Foto den Betrachter: Zwei alte Leute schauen freundlich in die Kamera. Zierlich ist die Frau, sie reicht dem links von ihr stehenden Mann knapp bis an die Schulter. Er beugt sich leicht zu ihr, inniglich. Barhäuptig stehen beide im Schnee. "Winter 1941 in den USA" steht unter dem Bild. Käte, siebzig Jahre alt, und der siebenundsechzigjährige Hermann waren endlich vereint, nachdem sie Hitlerdeutschland verlassen hatten. Hermann war nach seiner Inhaftierung durch die Nazis 1936 zunächst nach Dänemark emigriert, Käte 1938 in die USA. Wieder war der fast ein halbes Jahrhundert währende Briefwechsel miteinander die wichtigste und zumeist einzige Kommunikationsmöglichkeit. Die Briefe widerspiegeln, wie sich beide am Beginn des 20. Jahrhunderts bewußt auf die Seite der Unterdrückten stellen. Käte kämpft um die Rechte von Frauen und Kindern, Hermann sieht in der marxistischen Bildung der Arbeiterklasse seine Aufgabe. Unermüdlich ist er als Wanderlehrer unterwegs. Der Erste Weltkrieg ist für sie Massenmord, und Hermann schreibt als Soldat von den Fronten. In der Novemberrevolution sehen sie die Möglichkeit der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse. In ihren Briefen tauschen die überzeugten Sozialisten ihre politischen Ansichten, Erkenntnisse und Erfahrungen aus. Sie diskutieren Ausarbeitungen und ihre politischen Positionen. Zur Vielfalt der Themen in den Briefen gehören Literatur, bildende Kunst, Musik, pädagogische, philosophische, ökonomische, religiöse Probleme ebenso wie naturwissenschaftliche. Beeindruckend ist die ausgeprägte Analysefähigkeit. Immer wieder stehen die familiäre Situation und die Entwicklung der Kinder im Mittelpunkt. Die Briefe offenbaren Stärken und Schwächen, zeugen jedoch zugleich von tiefer Liebe und großer gegenseitiger Achtung. Erstaunlich ist, daß man sich beim Lesen der Briefe in die Gedanken der Schreiber einbezogen und freundlich aufgenommen fühlt. Der vollständige Briefwechsel ist auf einer dem Buch beigefügten USB-Card nachlesbar. Exkurse des Herausgebers, ein hervorragender Anmerkungsapparat und Abbildungen sind wertvolle Bestandteile dieses gut gestalteten und lesenswerten Buches, das an bei manchen in Vergessenheit geratene linke Wurzeln führt.

Gerhard Hoffmann, Frankfurt (Oder)


Heinz Deutschland (Hrsg.): Käte und Hermann Duncker. Ein Tagebuch in Briefen (1894-1953). Unter Mitarbeit von Ruth Deutschland.
Karl-Dietz-Verlag, Berlin 2016. 606 S., mit USB-Card, 49,90 €

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"Niemand darf wegen seiner Rasse benachteiligt oder bevorzugt werden"
Gibt es Rassismus?

Welch törichte Frage, mag mancher denken. Haben wir es nicht mit dem Rassismus deutscher Faschisten zu tun, mit dem der südafrikanischen Apartheid und dem der israelischen Machthaber, mit dem Rassismus, auf dem sich die nordamerikanische Gesellschaft gründet? Wie in vielen anderen Fragen sollten wir genauer hinschauen, sollten unsere Sprache, unsere Begriffe untersuchen.

In Artikel 3 des Grundgesetzes der BRD heißt es: "Niemand darf wegen (...) seiner Rasse (...) benachteiligt oder bevorzugt werden."

Rassismus leitet sich von "Rasse" ab. Hier ist offensichtlich "menschliche Rasse" gemeint. Aber gibt es überhaupt Menschenrassen? Noch in den 60er Jahren wurden wir in Westdeutschland unterrichtet, es gebe "Pykniker, Athletiker, Astheniker/Leptosome und Dysplastiker", worunter Körperbau, Psyche und Charakter kategorisiert wurden. Diese Einteilung kam in den 20er Jahren auf und wurde von den Faschisten begeistert aufgegriffen. Wir Elfjährigen wurden 1966 vom Lehrer gefragt, wer denn bereit sei, mit einem "Negerkind" in einem Zimmer zu schlafen. Zu meiner Erschütterung war ich der einzige von 30 Schülern, der sich meldete. Im Elternhaus wurde ich vor "Zigeunern" gewarnt, und die großbürgerliche Oma regte sich noch in den 50ern darüber auf, daß nach dem Krieg ein "Neger", ein schwarzer amerikanischer Soldat, auf einem ihrer Biedermeierstühle Platz genommen hatte.

Heute weiß man, daß "Rassemerkmale" keine Rolle spielen. Europa (insbesondere in dem Landstrich, in dem seit 1871 Deutschland existiert) war über Jahrtausende Durchwanderungsland. Menschen fast aller Erdteile mischten sich hier - wir sind "multikulti" seit Äonen. Mittlerweile hat die Anthropologie anhand von Gen-Untersuchungen sogar nachgewiesen, daß sich bereits die Neandertaler mit dem Homo erectus verbandelten. Und da soll es noch "Rassen" geben?

Apropos Neandertal: Das Neanderthal-Museum (offiziell noch benannt nach der alten Rechtschreibung) nahe Wuppertal zeigte nach der Jahrtausendwende eine Sonderausstellung zu "Rassenunterschieden". Dort erfuhr der Besucher, daß der Unterschied zwischen Menschen, die gemeinhin verschiedenen "Rassen" zugeordnet werden, lediglich 0,1 Prozent des Genmaterials beträgt. Damit sich diese Erkenntnis nicht allzu stark verbreitete, hatte man die Ausstellung vorsichtshalber in einem Außengebäude des Museums untergebracht, das tief im Wald lag, knapp zwei Kilometer Fußweg vom Haupthaus entfernt. Hinweisschilder gab es nicht. Doch war hier der Stand der Anthropologieforschung auf den Punkt gebracht: Es gibt heute keine Menschenrassen - wenn es sie denn jemals gegeben haben sollte. Die landläufigen Unterschiede - Hautfarbe, Haarfarbe und Physiognomie - sind ebenso unbedeutende Eigenschaften wie eine etwaige Vorliebe für Nudeln gegenüber Kartoffeln. Verhalten und Gedankengut werden nicht genetisch, sondern kulturell geprägt - für Marxisten: durch die Produktionsverhältnisse.

Was folgt daraus? Mangels Rassen kann es ebensowenig Rassismus geben wie Antirassismus - legt man die geläufige Vorstellung der Begriffsbedeutung zugrunde. Allerdings wird mit einer anderen Herleitung ein Schuh daraus, nämlich wenn unter "Rassisten" jene verstanden werden, die wahrheitswidrig behaupten, es gebe Menschenrassen. (Und von solchem Verständnis ist offensichtlich das Grundgesetz nicht frei, siehe oben.) Von dieser Vorstellung ist es nicht mehr weit zum unmenschlichen Bild von Höher- und Minderwertigkeit. Sprechen wir also ruhig weiter von Rassismus und Antirassismus - mit dem Wissen um diesen Hintergrund.

Bis hierhin erscheint die Diskussion für aktuelle Auseinandersetzungen überflüssig. Sie wird jedoch wichtig, wenn wir uns mit einem Wort befassen, das dazugehört: Antisemitismus. Laut Altem Testament erzählt die jüdisch-christliche Legende von Noah und seinen drei Söhnen Sem, Ham und Japhet, die die Stammväter menschlicher Rassen sein sollen. Nach Sem wurde die Volksgruppe der Semiten benannt, eine Kategorie, die nicht einmal im Altertum ihre Berechtigung besaß. Was heute jedoch unter "Antisemitismus" verstanden wird, hat nichts damit zu tun. Fröhlich werden Antizionismus, Antijudaismus und Antiisraelismus durcheinandergeworfen. Mit Rassismus gibt es gleich gar keinen Zusammenhang, denn "Semiten", falls sie es denn geben sollte, sind keine Rasse - wie oben beschrieben.

Wenn man überhaupt jemanden zur Volksgruppe der Semiten rechnen will, dann sicherlich die Palästinenser, die seit Jahrtausenden in dem Landstrich leben. Die Einwohner Israels dagegen stammen zu einem Großteil aus allen Ecken der Welt. Die Machthaber des Staates bezeichnen ihn als "jüdisch" - auch das ist keine ethnische Kategorie. Der jüdische Glaube ist nichts anderes als eine Religion und beschreibt keine Volkszugehörigkeit.

Diese Unklarheiten machten sich die Hitler-Faschisten zunutze. Es wurde alles zu einer nicht vorhandenen "jüdischen Rasse" gezählt, was vielleicht einmal Ahnen hatte, die dem mosaischen Glauben anhingen. Wird denn ein Christ, der etwa zum Buddhismus übertritt, noch immer als Christ bezeichnet? Gehört er am Ende einer "christlichen Rasse" an? Die Antwort darauf macht die Absurdität des Begriffs "jüdische Rasse" deutlich. Interessanterweise bedienen sich nicht nur Faschisten, sondern auch die israelischen Machthaber dieses falschen Begriffs.

Der Mordfeldzug der israelischen Herrschenden ist das Gesicht des gewöhnlichen Imperialismus. Die Kritik an dessen Politik als "Antisemitismus" zu bezeichnen, ist falsch und bewußt irreführend.

Fazit: Religion hat nichts mit Volkszugehörigkeit zu tun. Antiisraelismus richtet sich gegen die Machthaber in Israel, nicht gegen dessen Volk. Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten.

Hans Dölzer, Hirschberg

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Demokratie = Volksherrschaft!

Als DDR-Bürger hatten wir gelernt, daß man bei allen politischen Ereignissen stets fragen sollte: Wem nützt das? Ich empfand das immer als eine hilfreiche Anleitung zur Standpunktbildung zu bestimmten Sachverhalten oder politischen Meinungen, weil sie darauf orientierte, nach Zusammenhängen zu fragen und nach den ihnen zugrunde liegenden Interessen- und Machtkonstellationen. Das ist eben mehr, als nur einzelne Elemente und Erscheinungsformen zu beschreiben. Das zeigt sich m. E. anschaulich am Beispiel des Begriffs "Demokratie". Wenn heute über Demokratie geredet wird, dann wird - einerseits durchaus gewollt, andererseits auch nur gewohnheitsmäßig - oft nur in Schlagworten geantwortet und gedacht, nämlich "Meinungsfreiheit", "Pressefreiheit", "Mehrparteiensystem", "freie Wahlen" und anderes.

Das ist alles nicht verkehrt, aber wenn man in der heutigen Realität der BRD die Frage so stellt: Und wem nützen diese Forderungen tatsächlich? dann erkennt man, daß es sich in Wirklichkeit nur um schön klingende Phrasen, also um reinen Populismus, handelt und die Wirklichkeit dabei ausgeblendet wird. Auf deutsch heißt Demokratie doch nichts weiter als "Volksherrschaft". Wem sollte Demokratie also nützen, wenn nicht dem Volke?

Kann es aber denn wirklich dem Willen des Volkes entsprechen, wenn ein sehr geringer Teil der Bevölkerung einen übermäßigen Anteil am Volksvermögen besitzt und die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht? Liegt es wirklich im Interesse des Volkes, wenn ein großer Teil der Menschen ausgeschlossen wird von der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben insbesondere am Arbeitsleben?

Wie sind solche Erscheinungen wie Zweiklassenmedizin, Bildungsnotstand, Zukunftsängste, Altersarmut usw. mit dem Gerede von "demokratischer Grundordnung" in Übereinklang zu bringen? Wem nützen also wirklich diese "Spielregeln der Demokratie"? Die Erklärung liegt für mich darin, daß die reale Macht eben nicht vom Volke ausgeht, sondern von den Eigentumsverhältnissen in diesem Lande.

Privateigentum an Produktionsmitteln und Demokratie schließen sich gegenseitig aus, weil der Eigentümer nur der Zielstellung verpflichtet ist, den eigenen Profit zu sichern und zu mehren und nicht etwa dem Gemeinwohl zu dienen (obwohl die Verfassung dies vorschreibt). Er wird weder gewählt, noch kann er abgesetzt werden - nicht von der eigenen Belegschaft, geschweige denn vom "Volk". Er ist also nicht demokratisch legitimiert. Man kann sagen, daß nichts diktatorischer funktioniert als privateigentümerisch geführte kapitalistische Unternehmen: Den Kapitaleigentümern steht das Recht zu, Menschen für Zwecke der Profiterwirtschaftung zu beschäftigen und auszunutzen, sie aber auch wieder auf die Straße zu setzen und sie ihrem Schicksal zu überlassen. Und das soll Demokratie, also des Volkes Wille sein?

Aber auch dort, wo die "Spielregeln" der bürgerlichen Demokratie noch eingehalten werden, sind große Zweifel angesagt, ob sie wirklich dem Wohle des Volkes dienen.

Zunächst müssen wir zugestehen, daß das gesellschaftliche System BRD zur Zeit noch eine gewisse Stabilität aufweist. Das liegt einerseits daran, daß dieses System eine starke Wirtschaftskraft im Hintergrund hat. Andererseits aber auch daran, daß die "Spielregeln" von vielen akzeptiert werden. Demokratie wird weitgehend als selbständiger Wert anerkannt. Gerade las ich, daß bei einer entsprechenden Umfrage 90 % der Befragten die Demokratie als beste Regierungsform betrachten. Nur die Tatsache, daß sich regelmäßig mehrere Parteien zur Wahl stellen, wird schon als eine zentrale zivilisatorische Errungenschaft angesehen. Die realen täglichen Probleme der Menschen werden einfach ausgeblendet, wenn über Demokratie geredet wird. Gründe für Probleme werden überall gesucht (schicksalhafte Einzelfälle, Bürokratie, unfähige Politiker, durchgeknallte Banker), nur nicht in dem Herrschaftssystem, das mit "Demokratie" umschrieben wird und in Wirklichkeit Herrschaft des Kapitals ist.

Die politische Landschaft der BRD wird seit Jahrzehnten von vier bis fünf Parteien geprägt, die sich abwechselnd die Regierungs- bzw. Oppositionsarbeit teilen. Aber jeder dieser Wechsel ist praktisch immer nur kontinuierliche Fortsetzung der Politik der Vorgängerregierung. Die großen etablierten Parteien bilden sozusagen eine "Einheitsfront", in die sich jetzt auch noch Die Linke einreihen will. Die jeweils regierenden (bzw. oppositionellen) Parteien können sich als demokratisch legitimiert betrachten. Aber wird damit tatsächlich eine "Herrschaft des Volkes" ausgeübt?

Nehmen wir als Beispiel die Hartz-IV-Problematik. Wem nützt Hartz IV? Nicht nur, daß damit immer mehr Menschen in Armut abgedrängt und obendrein noch gedemütigt werden, werden Niedriglöhne auch noch staatlich gestützt als Geschenke an die Unternehmen. Zum zehnten Jahrestag dieser Gesetzgebung wurde sie als großer Erfolg gefeiert, da sie die Wirtschaft angekurbelt habe. Das Wohlergehen der Wirtschaft zählt mehr als das des gedemütigten Wahlvolkes.

So verhält es sich auch mit der sogenannten Bankenrettung. Hier wurden nicht irgendwelche anonymen Banken oder gar der Euro gerettet, sondern die Geldgeber der Banken, nämlich die Millionäre und Milliardäre, die ohnehin nicht wissen, wohin mit dem ganzen Reichtum. Deren über die Banken vermittelten Kredite an leichtgläubige Schuldner, wie z. B. Griechenland, drohten verlorenzugehen nebst den erwarteten Zinsen. Das konnten die "demokratisch gewählten" Volksvertreter nicht zulassen und verordneten diesen Ländern daher eine erbarmungslose Austeritätspolitik. Die sich daraus ergebenden finanziellen Lasten hat das eigene Volk zu tragen. Hauptsache, der Wirtschaft geht es gut. Und als Griechenland wieder Kredite vom Markt bekommen konnte, sich also wieder neu verschuldete, wurde das als Beweis der Richtigkeit der Austeritätspolitik gefeiert.

Beispiele könnten beliebig weitergeführt werden. (Stichworte: Steuerpolitik oder Waffenexporte - alles Dinge, die nicht dem Volk dienen, sondern den wirtschaftlich und politisch Mächtigen.)

Die bürgerliche Demokratie erweist sich immer weniger als ein System der Volksherrschaft und immer mehr als ein System der Herrschaft des Kapitals. Die Politik wird von den Interessen des Kapitals getrieben. Aber nicht aus Einsicht, sondern durch aktive Beeinflussung der politischen Entscheidungen durch Lobbyisten, Parteispenden, Korruption bis hin zu Erpressungen z. B. durch Androhung der Abwanderung ins Ausland.

An der Wahlurne haben der Bankpräsident oder die Chefs von Unternehmerverbänden die gleichen Rechte wie z. B. Arbeitslose oder Rentner, und das wird für die ganze Wahrheit ausgegeben. In Wirklichkeit stehen die Möglichkeiten der genannten Personengruppen, auf die Politik Einfluß zu nehmen, in direkter Relation zu ihren jeweiligen Einkommens- bzw. Vermögensverhältnissen.

Die grundlegende Maxime allen Denkens und Handelns der in der BRD jeweils regierungsbildenden Parteien scheint zu sein: Stärkung der Wirtschaft mit allen Mitteln, die der Politik zur Verfügung stehen in dem (Irr-)Glauben, daß es dadurch dann dem Wahlvolk auch mal besser gehen kann - sofern dieses überhaupt die Kraft hat, sich solche Verbesserungen zu erkämpfen. Vor allem geht es auch darum, die deutsche Wirtschaft so zu stärken, daß dieses Land seinen Einfluß auf das internationale Kräfteverhältnis behält.

Zur Zeit gelingt es den Herrschenden immer noch, vielen Menschen das Gefühl zu vermitteln, als seien sie zumindest indirekt an der Macht beteiligt. Dieser Glaube wird gehegt und gepflegt. Dazu werden Wahlschlachten inszeniert, und die Spannung um deren Ausgang wird angeheizt. Hinter den Kulissen agieren die wirklich Herrschenden, die sich der Stimmen des Wahlvolkes bedienen, besser: die sie mißbrauchen.

Die Wahlen verkommen immer mehr zu einer Farce. Inhaltlich werden keine wirklichen politischen Alternativen zur Wahl gestellt. Vielmehr werden nichtssagende Allgemeinplätze verkündet wie Aufschwung, Zukunft, Gerechtigkeit usw., was zwischen den Parteien beliebig austauschbar ist. Und nach der Wahl kümmert sich keine der gewählten Parteien mehr um ihr "Geschwätz von gestern".

Sogar echter Wahlbetrug bleibt ungeahndet. Ich erinnere daran, daß z. B. der spätere Verteidigungsminister Rudolph Scharping vor der Wahl versprochen hatte, der ehemalige Truppenübungsplatz Wittstocker Heide würde nicht mehr militärisch genutzt. Nach der Wahl wurde von ihm dann als Verteidigungsminister die Weiterführung der Bombardierung des Gebiets bestimmt. Er hat sich also die Wählerstimmen regelrecht erschwindelt, was aber zu keinerlei Konsequenzen führte.

Daß es sich heute in der BRD (und in anderen kapitalistischen Ländern ist es nicht anders) um eine Scheindemokratie handelt, beginnen immer mehr Menschen zu ahnen.

Bei manchen Wahlen zeigen bereits mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ihren Protest dadurch, daß sie erst gar nicht zur Wahl gehen. Ein deutliche Willensbekundung, aber eine für das System ungefährliche. Gefährlicher wird es schon, wenn sich der Frust der Enttäuschten in radikalen Widerstandsformen äußert, wie z. B. der Teilnahme an Pegida-Aufmärschen oder der Wahl von Parteien wie NPD oder AfD. Nach außen fremden-, vor allem islamfeindlich, liegt die Ursache für das Aufkommen solcher Bewegungen bzw. Parteien auch in der Verbitterung über die Verhältnisse in diesem Lande: himmelschreiende soziale Ungerechtigkeiten, Ängste vor sozialer Ausgrenzung, Arbeitsplatzverlust, Altersarmut, "Lügenpresse", Ohnmachtsgefühle gegenüber den Mächtigen im Staate. Das Versagen der Demokratie als einer den tatsächlichen Interessen der Menschen zugewandten bzw. von ihnen ausgehenden Politik wird nun Ausländern, insbesondere Islamisten angelastet. Das zeigt, daß die Saat des seit vielen Jahren geschürten Islamhasses aufgeht. Aber auch lauter werdende Forderungen nach einer direkten Demokratie entspringen der Erkenntnis, daß die etablierten Parteien nicht fähig oder nicht willens sind, die eigentlichen Probleme der Menschen anzupacken und zu lösen.

Eine besondere Tragik besteht nach meiner Auffassung vor allem darin, daß gerade eine Partei, die sich Die Linke nennt (also dazu berufen wäre, diese bürgerliche Demokratie als das zu entlarven, was sie ist, nämlich Herrschaft des Kapitals), sich darum bemüht, neben den anderen Parteien ein weiterer Sachwalter des Kapitals zu werden. Die Kehrseite dieser Medaille ist, daß auch Teile dieser Partei nicht müde werden, einzustimmen in den Chor der Verunglimpfung der DDR als Diktatur, Unrechtsstaat usw.

Dr. Peter Elz

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"Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit"
Dreißig Jahre Dialogpapier von SED und SPD

Vor dreißig Jahren, am 27. August 1987, erlebten politisch Interessierte eine Sensation. An jenem Tag wurde das Dialogpapier von SED und SPD "Der Streit der Ideologien ..." veröffentlicht. Wer das Dokument mit den Augen von heute betrachtet, kann kaum glauben, daß so etwas zwischen SPD und SED vereinbart wurde. Schon der erste Abschnitt war ein Paukenschlag: "Unsere weltgeschichtlich neue Situation besteht darin, daß die Menschheit nur noch gemeinsam überleben oder gemeinsam untergehen kann. Eine solche Alternative ist historisch ohne Beispiel. Sie verlangt ein politisches Denken, das historisch ebenfalls ohne Beispiel ist, ein neues Herangehen an die internationalen Angelegenheiten, besonders an die Sicherung des Friedens. Der Krieg darf im Nuklearzeitalter kein Mittel der Politik mehr sein."

Mit diesem Bekenntnis übernahmen Politiker die Mahnung der Atomphysiker und Friedenskräfte, für die hier die Worte Lord Bertrand Russells stehen: "Es gibt gegen diesen irrsinnigen Wettlauf in den Tod nur ein Mittel: auf dem Absatz kehrtzumachen und, statt in die totale Selbstvernichtung, dem Leben und der Zukunft entgegenzugehen." (1959)

Zwingt die geschichtliche Entwicklung seit 1990, diese Erkenntnis zu korrigieren? Welche Menschheitsprobleme sind durch die NATO-Kriege unter deutscher Beteiligung gelöst worden?

Am 7. Mai - unmittelbar vor dem Jahrestag der Befreiung vom Faschismus - ertönt im "Spiegel" die Kriegsfanfare eines Christian Neef: "Die Antwort auf die aggressive russische Militärstrategie muß lauten: Nicht die Erhöhung der Militärausgaben ist entscheidend, sondern die Entschlossenheit, zur Abschreckung gegebenenfalls auch militärische Signale zu senden." Was sind das für "Signale"? Natürlich ist Neef die Stimme seiner Herrn, und die geben Anlaß, wie wir sehen, die Aktualität des Dialogpapiers zu betonen.

Worin bestand das damals Herausragende und heute zu Bedenkende?

Das Dokument entstand als Dokument der SED, die in der sozialistischen DDR regierte, und der SPD, die in der imperialistischen BRD Opposition war. Es war die erste gemeinsame Erklärung von Kommunisten und Sozialdemokraten seit der Spaltung im ersten Weltkrieg. Gegenstand des Dokuments war die wichtigste Frage der Menschheit, die gemeinsame Sicherheit, die vom Atomkrieg bedroht war.

Seit der Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO und der Helsinki-Konferenz verstärkten sich Elemente der Entspannungspolitik. Die SED setzte damit die Kette der Gesprächsangebote fort, die Walter Ulbricht am 27. April 1966 begründet hatte: "Wir betrachten die Diskussion mit der SPD nicht als eine Art Freistilringen im Schlammbad, bei dem jeder Griff erlaubt ist. Wir führen die Diskussion mit der SPD sachlich mit dem Ziel der Annäherung und Verständigung. Und dabei bleiben wir."

Das "Dialogpapier" enthält in fünf Abschnitten in Thesenform die Ziele und Grundsätze, zu denen sich beide Parteien bekannten. Im zweiten Abschnitt folgen Vorschläge für den Wettbewerb der Systeme, der ausschließlich mit friedlichen Mitteln ausgetragen werden darf.

Aus heutiger Sicht mag es merkwürdig erscheinen, daß die folgenden drei Abschnitte sich mit der Kultur des politischen Streits und des Dialogs beschäftigen. Zunächst ging es um die Notwendigkeit des Dialogs, die sich aus bitteren geschichtlichen Erfahrungen ergab, die Darstellung der entstandenen Lage und die Gegenüberstellung unterschiedlicher Standpunkte in wichtigen Fragen der Politik. "Es muß zum Normalfall werden, daß wir miteinander handeln, verhandeln und zusammenarbeiten, während wir gleichzeitig die offene und klare Kritik äußern können ..." Die Verfasser des Papiers einigten sich auf Grundregeln der Kultur des politischen Streits, die einschließen, darauf zu verzichten, Machtkonflikte als Kämpfe zwischen Gut und Böse erscheinen zu lassen. Niemand, der dreißig Jahre später die Weltpolitik betrachtet, wird behaupten, die Lage habe sich verbessert. Auch SPD-Politiker wie Steinmeier und Gabriel beklagen die Situation, aber wissen keinen Ausweg.

War das "Dialogpapier" ein Schritt auf einem Irrweg? Es sind im Dokument auch Sätze enthalten, die sich als verhängnisvolle Irrtümer erwiesen, vor allem die These von der "Friedensfähigkeit" des Imperialismus. Wer hätte 1987 vorausgesagt, daß zwölf Jahre später, 1999, das Trio Schröder/Scharping/Fischer die Bundeswehr in Jugoslawien einsetzt und das Völkerrecht bricht? Erhard Eppler, der im Wechsel mit Otto Reinhold die "Dialog-Kommission" geleitet hatte, erhielt im ND am 26. August 1997 die Möglichkeit zu seinem abschließenden Urteil: "Wenn dieses Papier dazu beigetragen hat, daß 1989 kein Blut geflossen ist - und das hat es wohl -, dann war es richtig."

Die aktuelle Frage lautet: Wie gehen SPD und Linkspartei heute mit den Erkenntnissen und dem Vermächtnis des "Dialogpapiers" um?

Prof. Dr. Horst Schneider

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Sozialismus und Wertgesetz - eine widersprüchliche Einheit

Im Mai-"RotFuchs" unternimmt Hermann Jacobs den Versuch, der theoretischen und politischen Diskussion über das Wertgesetz im Sozialismus einen neuen Pfad zu weisen. Seine Notwendigkeit und seine Wirkungsmöglichkeiten im Sozialismus lehnt er allerdings ab. So ist Jacobs der Auffassung, daß das Wertgesetz mit Beginn des Sozialismus durch das Gesetz der proportionalen Entwicklung ersetzt, sogar aufgesogen wird. Das Wertgesetz reflektiert das elementare ökonomische Interesse, nur das zu akzeptieren, was unter gesellschaftlichen Durchschnittsbedingungen produziert wurde und nach dem Äquivalenzprinzip in der Zirkulation verkauft werden kann. Hermann Jacobs versteht das Wertgesetz nur einseitig, als Äquivalenzrealisierung im Austausch, womit aber nur ein Erfordernis dieses Gesetzes erfaßt ist. Proportionalität bringt, ökonomisch wie technisch betrachtet, Abhängigkeiten und Relationen in allen Bereichen der Volkswirtschaft zum Ausdruck. Sie existiert immer in dialektischer Einheit mit der Disproportionalität.

Proportionalität und Disproportionalität wechseln sich ab, gehen durch mannigfache ökonomische, finanzielle, technologische, organisatorische und subjektive Faktoren bedingt ständig ineinander über. Das Gesetz der proportionalen und disproportionalen Entwicklung kann als das allgemeinste ökonomische Gesetz arbeitsteiliger Produktion bezeichnet werden. Es begleitet alle anderen ökonomischen Gesetze der jeweiligen Produktionsweise. Das Wertgesetz ist ein ökonomisches Gesetz der Interessenrealisierung. Das Gesetz der proportionalen und disproportionalen Entwicklung orientiert auf qualitativ und quantitativ bestimmte Abhängigkeiten, Notwendigkeiten und Sachzwänge, ohne die keine einfache, geschweige denn eine erweiterte Reproduktion möglich wären. Es ist aber kein Ersatzgesetz für das Wertgesetz.

Obwohl nach Jacobs das Gesetz der proportionalen Entwicklung ein Heilsbringer für den Sozialismus ist, bleibt sein Inhalt weitgehend unklar. Es ist falsch, für die Entstehung des Finanzkapitals ursächlich das Proportionalitätsgesetz zu benennen. Da liegen die Ursachen vielmehr im Mehrwertgesetz, in der Dynamik der Profitraten, in der zyklischen Entwicklung des Kapitalismus. Es ist auch nicht die Arbeit als Geburtsquelle für das Proportionalitätsgesetz, sondern die gesellschaftliche Arbeitsteilung, der arbeitsteilige Produktions- und Zirkulationsprozeß im besonderen. Jacobs ersetzt die von Marx skizzierten Prozesse Ware - Geld - Ware bzw. Geld - Ware - Geld plus als Wesenselemente jeder arbeitsteiligen Produktion durch eine proportionale Zuordnung bzw. Verteilung von Arbeit in der Gesellschaft. Das Kriterium für eine solche Zuteilungspraxis wäre der Bedarf in Menge und Qualität, der eine wirtschaftspolitische Größe mit der größten Veränderlichkeit ist und täglich tausendfach auftretenden Einflüssen unterliegt. In dieser Hinsicht wurde beim Aufbau des Sozialismus in der DDR auch bitteres Lehrgeld gezahlt.

Mit der von ihm hervorgehobenen Dominanz der Gebrauchswerte in der Produktion und in der Zirkulation, der Abkopplung der Gebrauchswerte vom Wert, meint er, mögliche Ungerechtigkeiten, Benachteiligungen und fehlende soziale Sicherheiten, die dem Wertgesetz anhaften, wirksamer überwinden zu können. Die einseitige, scheinrevolutionäre Fokussierung auf Gebrauchswerte mündet folgerichtig in dem Vorschlag, alles in der Volkswirtschaft mit Zuteilungen, Kontingenten und Genehmigungen zu regeln. Die Produzenten sind nach diesem Konstrukt nur noch ausführende Subjekte, die durch zentral regulierte Güter und Geldfonds versorgt und kontrolliert werden. Das Tor in die zentral verwaltete, ohne dynamische Impulse dahindümpelnde Mangelwirtschaft wäre geöffnet. Jacobs fällt mit seiner Auffassung noch hinter Konzepte der Äquivalenzökonomen zurück, die für computergestützte Aufwandsmessungen, mathematisch basierte Wertgrößenbestimmungen und Austauschbeziehungen, also für eine Mathematisierung des Wertgesetzes, eintreten.

Die Wertgröße erfüllt auch im Sozialismus - wie in der kapitalistischen Gesellschaft - einige Grundfunktionen, die der Warenproduktion unabhängig von der Gesellschaftsordnung eigen sind. Dazu gehören: Messen des Quantums und der Qualität der aufgewandten gesellschaftlichen Arbeit; Bemessung des Anteils der Einkommen der Produzenten und der Eigentümer, Besitzer (Verteilungsfunktion); sie ist eine Orientierungsgröße hinsichtlich des Erkennens von Vorteilen bzw. von Defiziten im Niveau der Arbeitsproduktivität; sie ist eine Lenkungsgröße für mögliche Investitionen und Rationalisierungsmaßnahmen in der Produktion.

Es ist nicht übertrieben zu sagen, ohne Wert, Wertgröße, Tauschbeziehungen, Preise etc. wäre die bisher erreichte zivilisatorische Höhe der gesellschaftlichen Entwicklung nicht möglich gewesen.

Die Kategorien der Warenproduktion und das Wertgesetz selbst sind seit über 2000 Jahren existent. Sie sind, bezogen auf die Gesellschaftsordnung, neutrale Kategorien einer arbeitsteiligen Produktion, bei Vorhandensein mannigfacher Eigentumsformen. Entscheidend ist, in welcher Produktionsweise, unter welchen Klassenverhältnissen, auf der Grundlage welcher Interessengruppen und Interessenkonflikte und im Rahmen welcher Staats- und Rechtsordnung ihr Wirken genutzt wird. Es genügt nicht, die Ware-Wert-Kategorien nur mit einem bestimmten vorherrschenden Eigentumstyp in Verbindung zu bringen.

Natürlich enthalten die Ware-Wert-Kategorien auch im Sozialismus nicht solche Attribute wie soziale Gerechtigkeit, Existenzsicherheit, Solidarität und Humanisierung der Arbeitswelt. Sie legen von ihrem Inhalt her objektiv die Vor- und Nachteile arbeitsteiligen Wirtschaftens offen, liefern die Grundlage für alternative Wirtschaftsentscheidungen und treiben über den Lohn, das Gehalt, die Prämien, den Status etc. dazu an, mutiger, innovationsfreudiger und gewissenhafter zu handeln. Sie zielen auch nicht auf die Überwindung sozialer Widersprüche und die Verringerung der Abstände zwischen Arm und Reich in der Gesellschaft.

Die Ware-Wert-Kategorien widerspiegeln objektiv schon am Anfang des beginnenden sozialistischen Wegs noch alte kapitalistische, aber zugleich schon neue, sich entfaltende Produktionsverhältnisse. Sie werden in Abhängigkeit von der Produktivitätssteigerung und dem wachsenden ökonomischen und finanziellen Potential stärker von sozialen Komponenten begleitet, sind wirksamer und vorteilhafter für die Arbeiter in gesetzliche Rahmenbedingungen eingeordnet und werden damit auch schrittweise profitgebremst realisiert. Nach und nach werden die Ware-Wert-Kategorien auf eine gesellschaftlich gewollte und ökonomisch verkraftbare soziale Schiene geschoben, ohne ihre Grundfunktionen in einer warenproduzierenden Gesellschaft aufzuheben.

Es wäre eine Art moderner ökonomischer "Maschinenstürmerei", würde man aus revolutionärer Überzeugung und aus Ablehnung der Gebrechen des Kapitals heraus die Warenproduktion und das Wertgesetz mit ihrem hervorgebrachten Geflecht rationeller ökonomischer und finanzieller Abhängigkeiten abschaffen. An ihre Stelle müßten ineffiziente Verwaltungsakte, papierne Festlegungen und subjektivistisch gefärbte Berechnungen treten, die dem beginnenden Sozialismus den sicheren Tod bringen würden.

Die Warenproduktion und das Wertgesetz sind auch in einer sozialistischen Gesellschaft das ökonomische "Perpetuum mobile", das dauerhaft kollektive und individuelle Triebkräfte zur Entwicklung und Beschleunigung von Wissenschaft, Technik und Technologie auslöst, das zur Findung optimaler Wirtschaftsentscheidungen drängt, das zu größerer Tatkraft, zur Übernahme von Risiken, zur Leistungssteigerung am Arbeitsplatz und zur Qualifizierung anregt.

Sozialismus und Wertgesetz sind eine widersprüchliche Einheit, die aber von der ökonomischen Interessenlenkung und -realisierung objektiv erforderlich, in dieser Einheitlichkeit sogar alternativlos ist. Eine starke sozialistische Staatsmacht macht sie trotz ihrer großen inneren Dynamik beherrschbar.

Prof. Dr. Achim Dippe, Berlin
Seite 26 RotFuchs / August 2017

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Vor 40 Jahren: Hans Heinz Holz zum Tod Ernst Blochs

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GEDANKEN ZUR ZEIT

Statt einer Dichterlesung ...

Meine Damen und Herren, eine Autorenlesung im Jahr 2017 kann nicht eine Stunde der Erbauung, sondern allenfalls eine Stunde der Ernüchterung sein, und mit welchen Erwartungen Sie immer hierhergekommen sind - ich bin nicht gekommen, um Erwartungen zu erfüllen, sondern um Erwartungen in Frage zu stellen.

Wo immer in diesem Land, in Hörsälen und Schul- und Spinn-Stuben, die deutsche Dichtung gepriesen wird als "edelstes Geistesgut der Nation", als "unschätzbarer Hort alterslos gültiger, ewiger Werte", da bin ich rat- und sprachlos, da fühle ich mich fehl am Platze und suche das Weite. Eine Literatur, die das Ideale rühmt, anstatt die Realität zu analysieren, ist mir langweilig und verdächtig. Nicht nur, daß eine solche Literatur nicht beiträgt zur Aufklärung - sie schwärzt auch noch das Trübe, stabilisiert die verrotteten gesellschaftlichen Systeme, verklärt die Misere, rührt das Herz und vernebelt das Hirn, sie dient den Herrschern und verhöhnt den Menschen, der zwar nicht vom Brot allein, aber zunächst vom Brote lebt.

Meine Damen und Herren, seien Sie mißtrauisch, wann immer man Ihnen mit dem Wort "Dichtung" kommt und wo immer eine Autorenlesung mit dem Wort "Dichterlesung" angekündigt wird! Denn wo Dichtung im oben skizzierten Sinn gepriesen wird, da wird die Literatur als Politikum aus dem Tempel gejagt, da verleitet man zur Flucht ins Idyll, in die deutsche Innerlichkeit, und lenkt ab von den Aufgaben der Zeit. Im Hambacher Schloß liegt keine Dokumentation über Guantánamo, kein Dichterwort reimt auf Syrien, und Goethes Iphigenie ist kein Trost für die Opfer des IS.

Literatur ereignet sich - anders als viele Studienräte glauben - nicht in der raum- und zeitlosen Sphäre des Idealen. Literatur ereignet sich am genauen historischen Ort. Sie ist bezogen auf gegenwärtige Realität, die gesellschaftliche Realität, in der wir leben, mit der wir es tagtäglich zu tun haben, und kein Bereich dieser bedrückenden und provozierenden Realität ist der Literatur unwürdig. Literatur ist geistige Aktion in der Zeit, sie spricht hinein in eine konkrete gesellschaftliche Lage und sucht mit den Mitteln der Aufklärung die bestehenden Verhältnisse zu ändern. Ihre Aufgabe ist demnach nicht Verherrlichung, sondern Kritik, Kritik an den offenbaren oder verschleierten gesellschaftlichen Übeln, und das Nahziel dieser Kritik heiße: Zersetzung.

Ich wähle dieses Wort sehr bewußt, und ich meine damit: Zersetzung der Schein-Werte, der Un-Werte, die unsere Gesellschaft in veralteten Institutionen durch reaktionäre Personen propagiert, also Zersetzung dessen, was der Zersetzung bedarf und was nichts anderes als Zersetzung verdient.

Was - genau - bedarf der Zersetzung? Ich werde konkret: Zersetzt werden müssen die autoritären Strukturen dieser Gesellschaft, die Willkür und die Stupidität der Behörden, namentlich der Kontrollbehörden, die "keinen Handlungsbedarf" sehen selbst da, wo das Unrecht zum Himmel schreit, zersetzt werden muß unser Anteil an diesen Strukturen: unsere Autoritätshörigkeit, unser Gehorsam, zersetzt werden muß die latente wie die aktuelle faschistoide Aggressionswut nicht nur der Machthaber, die neue Atomraketen stationieren, sondern auch des Mannes auf der Straße, die atavistische Neigung, Meinungsverschiedenheiten nicht mit Argumenten, sondern mit der Faust auszutragen.

Zersetzt werden muß unsere Bereitschaft, persönliche Verantwortung zu delegieren, unsere schweigende Zustimmung, mit der wir die staatlichen Mordmaschinerien ölen, anstatt Sand in ihre Getriebe zu streuen, zersetzt werden muß unsere Unfähigkeit, Haß in kritische Energie, Aggressivität in Aktivität umzuwandeln, zersetzt werden muß unsere Vorliebe, abseits vom öffentlichen Geschehen unsern privaten Schrebergarten zu kultivieren und die politische Arbeit den andern zu überlassen.

Zersetzt werden muß die Flucht in den Rausch, in den Drogenkonsum, die Bewußtseinstrübung, die uns als Bewußtseinserweiterung verkauft wird. Zersetzt werden muß die Zufriedenheit, die uns blind macht für eigene und fremde Not, jene Ergebenheit in ein vermeintlich unabwendbares Schicksal und jene Bereitschaft zur Einsicht in vorgetäuschte politische Notwendigkeit, die den Mißbrauch der Macht durch die Herrschenden allererst ermöglichen. Denn die Herrschenden - wie könnte es anders sein! - wollen die Not ihrer Völker nicht wenden, sie sind ja selber diese Not!

Zersetzt werden muß die moralische Korruption jener Militärseelsorger, die als Handlanger kirchlicher und staatlicher Machtpolitik Gewissensbildung in Richtung auf Kampfbereitschaft und Einsatzfreude manipulieren, Bewußtwerdung verhindern und Anpassung lehren gerade da, wo sie zur Revolte aufrufen müßten, und welche die Lehre Jesu zur ideologischen Vorbereitung des nächsten Massakers mißbrauchen.

Zersetzt werden müssen die Vorurteile, aufgrund derer sauber gewaschene, persilgepflegte und auch sonst gut christliche Zimmerwirtinnen an farbige Studenten keine Zimmer vermieten wollen.

Zersetzt werden muß die NPD, zersetzt werden muß die AfD - ja, freilich -, aber zersetzt werden muß vor allem die weniger auffällige und darum gefährlichere antidemokratische Gesinnung zahlreicher Mitglieder der im Bundestag etablierten Parteien, die den Lobbyismus der Pharmaindustrie verschleiern, eine Vermögensabgabe der Reichen und Superreichen verhindern und immer wieder neuen Waffenexporten zustimmen.

Einige wenige Beispiele nur, die zeigen mögen, daß unsere gegenwärtige schwarzrote Regierung innerhalb wie außerhalb des Parlaments schärfster Opposition bedarf, allerdings - um eine für die Verwirklichung unserer Verfassung lebensgefährliche Verwechslung auszuschließen - einer Opposition von links, nicht von rechts!

Und schließlich: Zersetzt werden muß der Zynismus karitativer Hilfe, soweit den für die soziale Not Verantwortlichen die Verantwortung dadurch abgenommen wird, soweit die Mechanismen der Ausbeutung durch diese Hilfe verschleiert werden, dieser karitative Zynismus, der dem Notleidenden Almosen gibt, um ihm ungestört die Rechte vorenthalten zu können, die ihm zustehen.

Meine Damen und Herren, ich war konkret, und ich breche hier ab. Die Schmährede ist eine literarische Gattungsform, und eine Literatur, die sich selbst versteht als Kritik an der Gesellschaft, muß ätzen wie Salzsäure.

Wenn also Demokratie nicht nur ein leeres Wort ist und wenn wir mit der Demokratisierung unserer Gesellschaft und ihrer Institutionen Ernst machen wollen, dann lade ich Sie ein: Seien Sie beherzt und unbefangen, und wirken Sie - ein jeder an seinem Platz - zersetzend! Versagen Sie sich den Ansprüchen des Unrechts, mißtrauen Sie den gewählten Vertretern des Volkes, die nicht die Sache des Volkes, sondern die seiner privilegierten Oberschicht vertreten! Zerstören Sie die Übereinkunft der schweigenden Mehrheit, weisen Sie die falschen Normen der Leistung und des Erfolgs zurück, anstatt sie zu verinnerlichen!

Tun Sie das Unerwartete, das Verpönte, fallen Sie aus den Rollen, die man Ihnen zumutet und mittels deren man sie entmündigt, brechen Sie den Stil kultivierter Unverbindlichkeit in den öffentlichen politischen Diskussionen, seien Sie nicht verschämt, sondern unverschämt, wo immer es der Sache der Demokratie oder - um ein gleichbedeutendes Wort zu gebrauchen - des Sozialismus dienlich ist, und noch einmal: Wirken Sie zersetzend!

Sie tragen dadurch mit dazu bei, eine intellektuelle Tugend zu rehabilitieren, die durch Goebbels und seine Gesinnungsgenossen in Mißkredit gebracht worden ist: ich meine die Tugend der intellektuellen Zersetzung, die auch heute noch geschmäht wird von jenen Geistern, die diese Tugend am ehesten zu fürchten haben, eine Tugend, die gleichwohl in der Geschichte des deutschen Geistes und in der Geschichte der deutschen Literatur - von Lessing über Büchner, Heine, Tucholsky und andere bis hin zu Günter Wallraff - eine politisch und sozial notwendige, eine humane Haltung kennzeichnet.

Theodor Weißenborn

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"Die Newa fließt wie unter Nikolai ..."

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BUCHTIPS

Uli Gellermann: Die Macht um acht - Der Faktor Tagesschau
PapyRossa, Köln 2017, 174 S., 13,90 €

15 Minuten lang informiert die Tagesschau über die vorgeblich wichtigsten Ereignisse des Tages. Als "Flaggschiff der ARD" gibt sie sich als verläßlich, neutral und seriös. Diesen Anspruch hinterfragen Uli Gellermann, Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer detailliert und gründlich. Sie gehen der Geschichte der Tagesschau nach, beleuchten ihre Vermittlung und Auswahl von Nachrichten, kommentieren ihre Berichterstattung zu zentralen aktuellen Themenschwerpunkten wie dem Krieg gegen Syrien und dem Konflikt um die Ukraine und stellen "Programmbeschwerden" als Möglichkeit des Zuschauerprotests und der demokratischen Auseinandersetzung mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar. Ihr Fazit ist ernüchternd. Sie halten die Tagesschau weder für verläßlich noch für neutral, nur für bedingt seriös und bestenfalls für schlau. Nach diesen 15 Minuten weiß man, was die Regierung denkt; was die Republik denken soll - und was zu denken unter den Tisch fallen kann.


Gesine Lötzsch: Immer schön auf Augenhöhe
Eulenspiegel-Verlag, Berlin 2017, 160 S., 9,99 €

Gesine Lötzsch ist die Berliner Powerfrau der Linkspartei. Seit 2002 sitzt sie im Bundestag und hat als Stellvertretende Fraktionsvorsitzende manche Schlacht geschlagen. Ob im Kampf gegen Schikanen bei der Raumvergabe oder bei der Erfüllung von Wahlkampfversprechen - Gesine Lötzsch hat sich ihren politischen Schneid bis heute erhalten. Für wen der Osten Deutschlands noch immer Ausland ist, wieso jede Zahl im Bundeshaushalt besser frisiert wird als sämtliche Finanzminister zusammen und warum gewisse Parteien über Fußfesseln für ihre Abgeordneten nachdenken sollten, darüber schreibt Lötzsch so heiter wie klug. Entstanden ist ein kurzweiliges Buch, das zum Lachen, Ärgern, aber vor allem zum Nachdenken über Politik in Deutschland anregt.


Heiner Karuscheit / Alfred Schröder: Das Revolutionsjahr 1917
VSA-Verlag, Hamburg 2017, 172 S., 17,80 €

Ein Jahrhundert nach den Revolutionen vom Februar und Oktober 1917 in Russland sind deren Ursachen, Verlauf und Ergebnisse immer noch umstritten. Von Richard Pipes, der in seinem Standardwerk über die Russische Revolution den "Oktober" als Staatsstreich einer Gruppe von Verschwörern interpretiert, über Alexander Rabinowitsch, der die Bolschewiki 1917 als eine demokratische, heftig um ihren Kurs ringende Partei an der Spitze der proletarischen Massen sieht, bis hin zur Geschichtsschreibung der siegreichen Revolutionäre selbst gibt es ganz unterschiedliche Darstellungen des Geschehens, das den Beginn des "kurzen" 20. Jahrhunderts markiert. Die Autoren zeichnen ein lebendiges Bild des vorrevolutionären Rußland, das sich durch den autokratischen Charakter des zaristischen Staates und die Eigenarten der verschiedenen Klassen erheblich vom westlichen Europa unterschied.


Manfred Wekwerth: Erinnern ist Leben. Eine dramatische Autobiographie

Neues Leben, Berlin 2015, 400 S., 19,99 €

Manfred Wekwerth (1929-2014) hat in seinem Leben viel gesehen, viel gearbeitet, viel bewegt. Er war auf den Bühnen Berlins und Europas unterwegs, inszenierte wichtige Stücke, ging produktive und streitbare Arbeitsbündnisse ein, verkehrte mit den Großen aus Kunst und Kultur. Seine Biographie ist eine Mentalitätsstudie, wesentlich von der politischen Teilung der Welt geprägt. Der Regisseur entwirft ein intellektuelles Panorama der Jahre 1950 bis 2000. Es versteht sich, daß sein Lehrmeister Brecht darin einen zentralen Platz einnimmt, aber auch Schauspieler und Theaterleute wie Harry Buckwitz, Therese Giehse, Anthony Hopkins, Helmut Lohner, Hilmar Thate, Laurence Olivier oder Giorgio Strehler gewinnen eindrucksvoll Konturen, desgleichen maßgebliche Bühnenautoren wie Volker Braun, Heinar Kipphardt, Heiner Müller oder Peter Weiss.

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"Die Grenzgänger" - ein Folk-Phänomen

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In memoriam Hans Jendretzky (1897-1992)

Im Juli jährten sich Geburtstag und Todestag des aufrechten und standhaften Kämpfers für Recht und Gerechtigkeit der arbeitenden Menschen in Deutschland. Mitglieder des "Vereins Freie Deutsche Gewerkschaften e. V." und der Basisorganisation Berlin-Adlershof der Partei Die Linke ehren sein Andenken besonders, weil etliche von uns noch als Zeitzeugen leben, die ihn aus seiner Tätigkeit vor allem in gewerkschaftlicher Arbeit kannten, mit ihm kämpften oder gar verwandtschaftlich mit ihm verbunden waren.


Hans Jendretzky wurde vor nunmehr 120 Jahren, am 20. Juli 1897, als Sohn einer Buchdruckerfamilie in Berlin geboren. Nach seinem Schulabschluß erlernte er den Beruf eines Schlossers. Schon im Alter von 15 Jahren wurde er Mitglied der Metallarbeiterjugend und als 19jähriger Mitglied im Deutschen Metallarbeiter-Verband. 22jährig trat er 1919 der USPD bei und begann ein Jahr später in der KPD seine politische Laufbahn. Er leitete den Roten Frontkämpferbund in Berlin-Brandenburg und gehörte von 1928 bis 1932 dem Preußischen Landtag an. 1933/34 war er Mitglied der illegalen KPD-Bezirksleitung Berlin. 1934 wurde er wegen angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat von den Nazis verhaftet und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, die er im Zuchthaus Luckau verbüßte. Danach wurde er ins KZ Sachsenhausen verschleppt und erst 1938 entlassen. Im Oktober 1944 wurde er wegen Mitarbeit in der Widerstandsgruppe Saefkow-Jacob-Bästlein ein weiteres Mal verhaftet und erneut zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Er verbüßte sie im Zuchthaus Brandenburg und in Nürnberg. Kurz vor der endgültigen Zerschlagung des faschistischen Deutschland konnte er im April 1945 aus der Haft fliehen.

Unmittelbar nach Kriegsende engagierte sich Jendretzky beim Wiederaufbau der KPD und war Mitunterzeichner des Aufrufs der KPD vom 11. Juni 1945. Zu dieser Zeit ging es noch in allen Besatzungszonen und Berlin um die Bildung einheitlicher freier deutscher Gewerkschaften.

Hans Jendretzky stand in Berlin an der Spitze dieser historischen gesamtdeutschen Bewegung. Er war Initiator, Mitverfasser und Mitunterzeichner des entsprechenden Aufrufs des Vorbereitenden Gewerkschaftsausschusses für Groß-Berlin vom 15. Juni 1945. Wie man heute weiß, wurden diese Bestrebungen von den westlichen Besatzungsmächten hintertrieben und damit die gesamtdeutsche Gewerkschaftsbewegung gespalten. Mit dem Befehl Nr. 2 der Sowjetischen Militäradministration in der sowjetischen Besatzungszone vom 10. Juni 1945 wurden die begonnenen Aktivitäten des gewerkschaftlichen Neubeginns anerkannt und die Gründung antifaschistischer Parteien und freier Gewerkschaften zugelassen. Damit wurde der Gründungsaufruf vom 15. Juni 1945 die Geburtsurkunde des FDGB.

Voller Energie widmete sich Hans Jendretzky nun dem organisatorischen und strukturellen Aufbau des FDGB und war dessen Vorsitzender bis 1948. Von 1948 bis 1953 stand er an der Spitze der Berliner Parteiorganisation der SED. Zudem war er Mitglied des ZK der SED und ab 1950 Kandidat des Politbüros. Im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 17. Juni 1953 und den darauf folgenden Anklagen gegen die Zaisser-Herrnstadt-Gruppe wurde er seiner Parteifunktionen enthoben. Bis 1957 war er Vorsitzender des Rates des Bezirks Neubrandenburg. 1956 wurde Jendretzky rehabilitiert und wieder ins Zentralkomitee der SED kooptiert. Danach machte er sich in verschiedenen Staatsämtern verdient. Mitglied der Volkskammer der DDR war Hans Jendretzky von 1950 bis 1954 und wieder ab 1958, nun als Vorsitzender der FDGB-Fraktion der Volkskammer der DDR.

Für seine Leistungen wurde er mehrfach mit staatlichen Auszeichnungen geehrt, so mit dem Karl-Marx-Orden (1962), dem Großen Stern der Völkerfreundschaft (1977) und anläßlich seines 90. Geburtstages 1987 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold. Vor 25 Jahren, am 2. Juli 1992, starb der hochgeachtete Kommunist und glühende Antifaschist Hans Jendretzky im Alter von 95 Jahren nach einem erfüllten Leben, in dem er alle Kraft stets dem Wohl der arbeitenden Menschen gab.

Wir und andere noch lebende Weggefährten ehren ihn jedes Jahr am 8. Mai an einem Gedenkstein auf dem Gelände des Treptower Ehrenmals, den er am 1. Mai 1946 an den Gräbern Tausender gefallener Sowjetsoldaten einweihte.

a. k. / hgb

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Einstehen für das Wohl der Kinder - im Leben und im Tod
Janusz Korczak - Arzt, Wissenschaftler, Autor und Humanist

Kinderrechte sind Menschenrechte - das erklärten bereits die frühen europäischen Aufklärer im 19. Jahrhundert. Das Credo "Erziehung vom Kinde aus" bildete zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Kerngedanken der später so genannten Reformpädagogik. Der jüdisch-polnische Arzt, Autor und Erziehungswissenschaftler Janusz Korczak (1879-1942) hat dieses humanistische Ideal nicht allein theoretisch durchdrungen, publiziert und praktisch aktiv gelebt. Seine Liebe zu den Kindern schloß auch die letzte Konsequenz ein. Als das inmitten des jüdischen Ghettos im faschistisch besetzten Warschau gelegene, von Janusz Korczak geleitete Waisenhaus aufgelöst und 200 Kinder von dort nach dem Vernichtungslager Treblinka deportiert wurden, begleitete er die Kleinen bis hinein in die Gaskammer. Er stand ihnen fürsorglich bei, besänftigte ihre Angst. Die Chance, sein eigenes Leben zu retten, vergab Korczak freiwillig. Seine heldenhafte Tat bleibt unvergessen. Im August jährt sie sich zum 75. Male.

Luxus kannte er ebenso wie Armut. Henryk Goldszmit wuchs als Sohn eines Warschauer Anwalts in materiellem und geistigem Wohlstand auf. Die Herkunft aus der weltoffen aufgeklärten Familie des jüdischen assimilierten Bürgertums verhalf dem Heranwachsenden zu einer vielseitigen, humanistisch geprägten Bildung. Infolge einer unheilbaren Erkrankung des Vaters verarmt, mußte Henryk dann weitgehend für sich selbst sorgen.

Der Studierende versuchte sich schriftstellerisch unter dem Pseudonym Janusz Korczak - und hatte ab 1901 damit Erfolg. Den Künstlernamen behielt er fortan bei. Seine Einnahmen als Arzt und als Schriftsteller sowie auch sein Engagement als Betreuer setzte Janusz Korczak für Projekte zugunsten notleidender Arbeiterkinder ein, zum Beispiel für die Durchführung von Sommerferienlagern. Längst hatte er die gesellschaftlichen Verhältnisse im Kapitalismus, die sozialen Gegensätze als Hauptursachen für Kinderelend und -leid erkannt. Darüber sprechen sehr beredt seine Erzählungen "Kinder der Straße" und "Kinder der Salons". Korczak entwickelte pädagogische Ideen einer Erziehung zur Gerechtigkeit und entwarf Modelle zu ihrer Umsetzung. Wie viele bürgerliche Humanisten hing er der Idee an, daß die solidarische Gesellschaft von innen heraus reformerisch verwirklicht werden könne. Er glaubte, diesem edlen Ziel mit der Heranbildung von friedfertigen, vernunftgeleiteten, aufrechten Menschen näher zu kommen. Als sich ihm 1912 die Chance bot, die Leitung des jüdischen Waisenhauses in der Warschauer Krochmalnastraße zu übernehmen, ergriff er sie. Seine gutgehende Arztpraxis gab er auf, um sich ganz dem Engagement für die Kinder zu widmen. Denn daß Kinder unveräußerliche Rechte haben, war der Mittel- und Ausgangspunkt seiner erzieherischen Mühen, der theoretischen wie der praktischen. Korczaks Erziehungsprogramm gründet auf dem "Recht des Kindes auf Achtung und Liebe". Er führte diesen Grundsatz, seine Folgerungen sowie die Möglichkeiten der Verwirklichung in pädagogischen Fachtexten aus und publizierte sie, noch bevor 1924 die internationale Staatengemeinschaft eine erste Deklaration der Kinderrechte verabschiedete. Dreißig Jahre lang stand er dem Kinderheim "Dom Sierot" (Haus der Waisen), später zusätzlich einer weiteren Einrichtung mit Namen "Nasz Dom" (Unser Haus) vor. Die jungen Bewohnerinnen und Bewohner übten Formen demokratischen Zusammenlebens in "Kinderparlamenten", bestimmten mit beim Aufstellen von Gesetzen und Regelwerken, lernten Streitigkeiten gewaltfrei in Kameradschaftsgerichten beizulegen. Die erste Zeitung von Kindern für Kinder weltweit, "Maly Przeglad" (Kleine Rundschau), hat Janusz Korczak 1926 initiiert - ein eigenes Instrument der Öffentlichkeitsarbeit, das die in der Einrichtung zusammenlebenden Mädchen und Jungen zum Kommunizieren ihrer Angelegenheiten gebrauchen lernten. Korczak gilt damit als ein erster Fachlehrer für Medienerziehung. Das zur damaligen Zeit neue Medium des Rundfunks nutzte er kreativ. Er gestaltete die bei den Hörern des polnischen Rundfunks beliebte Sendung "Radioplaudereien des alten Doktors": Hörspiele, Reportagen und Lesungen.

Janusz Korczak und seine Mitarbeiterinnen stehen mit ihrer fortschrittlichen Erneuerung der Pädagogik in einer Reihe mit Pionieren einer Erziehung zu Frieden, Solidarität und Zusammenarbeit. Dazu gehörten neben Anton Semjonowitsch Makarenko (s. RF März 2016) und Wassili Suchomlinski bürgerliche Pädagogen wie Maria Montessori oder Lawrence Kohlberg.

Der verbrecherische Überfall der faschistischen Wehrmacht auf Polen im September 1939, die Besetzung Warschaus und die Errichtung des Warschauer Ghettos bedeuteten das Ende des "normalen" Arbeitsalltags Janusz Korczaks - nicht jedoch seines humanistischen Engagements. Das jüdische Kinderheim "Dom Sierot" siedelten die faschistischen Besatzer 1940 zwangsweise nach der im Ghetto gelegenen Sliskastraße um. Alle publizistischen Tätigkeiten, so auch die Arbeit im Rundfunk, waren Janusz Korczak ab jetzt verboten. Ab Mai 1942 legte er in täglichen Aufzeichnungen Zeugnis ab über die Arbeit mit den Kindern unter den grausamen Bedingungen des Ghetto-Alltags. Diese Ghetto-Tagebücher wurden gerettet und konnten nach dem Tod ihres Verfassers erscheinen. Anfang August deportierten die Faschisten die Bewohner und Erzieher des "Dom Sierot" in das Vernichtungslager Treblinka. Der Waisenhaus-Leiter wußte um die Konsequenz des gewaltsamen Transports als "Endlösung". Die ihm angebotene Rettung lehnte er ab. Janusz Korczak und zahlreiche seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen begleiteten die rund 200 Kinder auf ihrem letzten Weg, beschützten sie vor der Todesangst. Wahrscheinlich war es der 5. August 1942, an dem Janusz Korczak zusammen mit den ihm anvertrauten Kindern ermordet wurde.

Marianne Walz


Buchtips

Hanna Mortkowicz-Olczakowa: Janusz Korczak. Biographie. Gustav Kiepenheuer, Weimar 1961

Marek Jaworski: Janusz Korczak. Aufopferungsvolle Liebe zum Kind. S. Hirzel, Leipzig 1983

Janusz Korczak: Wie man ein Kind lieben soll. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1967

Janusz Korczak: Die Kinder zuerst. Aus den Schriften eines Pädagogen. Kinderbuchverlag, Berlin/DDR 1982

Janusz Korczak: Verteidigt die Kinder! Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2001

Janusz Korczak: König Hänschen I. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen

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Fakten zur Staatsgrenze zwischen der DDR und der BRD sowie zur Grenze um Westberlin (2 u. Schluß)

9. Die Staatsgrenze zwischen der DDR und der VR Polen wurde durch Vertrag vom 6. Juli 1950 festgelegt. Die Staatsgrenze wurde als Oder-Neiße-Friedensgrenze bezeichnet. Mit der Vereinnahmung der DDR durch die BRD wurde aus der Staatsgrenze zwischen der DDR und Polen die deutsch-polnische Staatsgrenze.

Der Vertrag vom 12. September 1990 zwischen beiden deutschen Staaten und den ehemaligen Besatzungsmächten (Zwei-plus-vier-Vertrag) schuf die Voraussetzungen für den Vertrag vom 14. November 1990 zwischen der BRD und der Republik Polen, der die zwischen ihnen bestehende Grenze aus dem Jahre 1950 bestätigte.

10. Die gemeinsame Staatsgrenze zwischen der DDR und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik wurde von der historisch entstandenen Grenze gebildet und im Vertrag vom 27. März 1957 markiert. Mit Vertrag vom 4. Dezember 1980 sind Verlauf und Markierung am Dreiländereck DDR/CSSR/VRP sowie am Dreiländereck DDR/CSSR/BRD bestimmt worden.

In der Zeit vom 4. März 1982 bis zum 6. Dezember 1996 haben 19 Treffen der Grenzbevollmächtigten und 31 Tagungen zu Vermessungsfragen stattgefunden. Das geschah, obwohl die DDR an die BRD angeschlossen wurde und die CSSR sich als Staat auflöste und in zwei Teile zerfiel. Das "Grenzurkundenwerk" allein über den sächsischen Grenzabschnitt umfaßt 780 Seiten. Für den bayrischen Grenzabschnitt sind es etwa 2500 Seiten.

11. Das Hoheitsgebiet (auch Territorium, Staatsgebiet) der DDR umfaßte wie jedes andere nicht nur die Erdoberfläche mit allen Wasserflächen, sondern auch den darüber befindlichen Luftraum und das Erdinnere. Der Verlauf der Staatsgrenze (Seegrenze) in der Lübecker Bucht zur BRD "bzw. den gegenüberliegenden Staaten" wird ebenfalls im Grenzgesetz und seinen Nachfolgebestimmungen geregelt. Dazu gehören Bestimmungen über die "Territorialgewässer", die "Küstenlinie", die "Grundlinie", die "Seegewässer" und "inneren Seegewässer".

12. Die "sture" Haltung der BRD zum Grenzverlauf in einem Teil der Elbe geschah wider besseres Wissen! Beispiel ist die 87. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 6. November 1974 zu den "Verhandlungen mit der DDR über den Problembereich Elbe". Während dieser Kabinettssitzung erläuterten die Bundesminister Maihofer und Gscheidle die Rechtslage zum Grenzverlauf auf der Elbe. Ein Grenzverlauf in der Mitte des Stromes, den die DDR vertritt und der auch von den Briten geteilt wird, würde bedeuten, daß die Bundesregierung die falschen Ansichten der ansässigen Bevölkerung, der Bundestagsabgeordneten, der Korrespondenten "sowie der in viele Konfrontationen verwickelten Angehörigen des Bundesgrenzschutzes, des Zollgrenzdienstes und der Hamburgischen Wasserschutzpolizei" korrigieren müßte. Es hätte bedeutet, daß es falsch sei, wenn behauptet würde, daß das Ostufer der Elbe die Staatsgrenze "bilde und die Hoheitsfahrzeuge der DDR sich auf der Elbe ohne Rechtsgrundlage bewegen" würden!

Weiter wurde auf ein Gespräch am 13. November 1974 zwischen Bundesminister Maihofer, Staatsekretär Schmude u. a. mit Bundestagsabgeordneten von CDU/CSU aufmerksam gemacht, das "in einer ausgesprochen unangenehmen Atmosphäre" stattfand. In Unkenntnis der tatsächlichen Rechtslage (Grenzverlauf Elbe - K. E.) sei die Oppositionsführung kaum für Argumente zugänglich gewesen und habe abschließend zum Ausdruck gebracht, daß sie "mit oder ohne Einsichtnahme in die alliierten Dokumente, die die Basis für unsere Haltung in der Elbefrage sein müssen, das Thema im Bundestag aufzugreifen" gedenke, heißt es in einem Vermerk Schierbaums vom 14. November 1974.

13. Die Grenze um Westberlin war eine innere Grenze der DDR, weil sich Westberlin inmitten der DDR und auf deren Hoheitsgebiet (Territorium) befand. Die allgemeinen völkerrechtlichen Regeln, die für eine Staatsgrenze gelten (wie z. B. die Ausdehnung in die Höhe bis an die Grenze von Luft- zum Weltraum oder in die Tiefe), galten für das Gebiet von Westberlin nicht. Westberlin war kein Bestandteil oder Teil der BRD, auch wenn das gern behauptet wurde und wird. Alle diesbezüglichen Regelungen der BRD wurden von den Westalliierten suspendiert.

14. Die Benennung der Grenze um Westberlin während der 41jährigen Existenz der DDR als Staatsgrenze ändert nichts an der hier skizzierten Realität.

RA Dr. Klaus Emmerich, Edertal

Veröffentlichungen u. a.
  • In guter Verfassung? Warum das Grundgesetz auf den Prüfstand gehört. edition ost, Berlin 2010
  • Befohlene Entnazifizierung oder "verordneter" Antifaschismus in Deutschland 1945 bis 1948? Eine Quellenedition. Books on Demand 2014
  • Staatsgrenzen im Kontext ihrer Zeit. Rechtshistorische Betrachtungen. Books on Demand 2017

Bezug über Emmerichdrklaus@t-online.de

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Chile: Die Solidarität geht weiter

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Stimmen aus aller Welt über die DDR

Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR, existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandspresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint.

Entstanden ist so ein Mosaik persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die anderen veröffentlichen wir hier einige dieser Äußerungen - Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt - und für uns - war.

Marie Jarošová
Stellvertreterin des Vorsitzenden des Tschechischen Nationalrates, Vorsitzende des Ortsausschusses in Lidice (1920-1998)

Der erste deutsche sozialistische Staat in der Geschichte hat viel erreicht, was zu seinem wachsenden Ansehen in der Welt beiträgt. Wir Tschechen und Slowaken freuen uns über seine Erfolge und sind glücklich, nach den vielen Jahren Feindschaft einen deutschen Staat zum Nachbarn zu haben, mit dem uns eine feste Freundschaft und friedliche Zusammenarbeit verbinden.

Jahrestage pflegen eine geeignete Gelegenheit zur Rückschau auf das Erreichte zu sein. Und wenn ich in die Vergangenheit zurückblicke, dann kann ich nicht anders beginnen als mit der für unsere Völker schwersten Zeit. Ich bin eine der Frauen, die von den Hitlerfaschisten nach der Ausrottung von Lidice am 10. Juni 1942 ins Konzentrationslager Ravensbrück gebracht wurde. Dort, wo Frauen aus 18 Nationen gefangengehalten wurden, habe ich auch deutsche Kommunistinnen und andere Demokratinnen kennengelernt, die uns mit ihrem unbeugsamen Widerstand gegen den Faschismus Mut und Kraft gaben. Vielen von uns haben sie das Leben gerettet und ließen uns ihre unermüdliche Fürsorge zuteil werden. Nach der Befreiung sahen wir Deutschland in Schutt und Trümmern.

Jahre später kam ich in die DDR und bemerkte überall großen Elan und Begeisterung für den friedlichen sozialistischen Aufbau. An den leitenden Stellen saßen Menschen, deren antifaschistische Vergangenheit die Gewähr dafür bot, daß sich die Geschichte nicht wiederholen kann. Ich konnte mich auch davon überzeugen, daß die Jugend im Geiste des Humanismus, der Demokratie und der Völkerverständigung erzogen wird.

Im Jahre 1955 wurde in Lidice der Garten der Freundschaft und des Friedens angelegt. Es war ein Symbol, daß die erste Sendung von 8000 Rosenstöcken aus der DDR kam und von Rosa Thälmann, der Witwe des großen Kommunisten und Kämpfers gegen den Faschismus Ernst Thälmann, überbracht wurde.


Prof. Jao de Freitas Branco

Musikwissenschaftler, Präsident der Gesellschaft Portugal-DDR (1922-1989)

Ich kenne die DDR aus persönlichem Erleben fast zwanzig Jahre, und ich glaube, über viele Aspekte des Lebens in diesem Land und seiner Entwicklung gut informiert zu sein. Ich habe in dieser Zeit die Gewißheit über einen nicht nur ständigen, sondern auch gleichbleibend großen und bewunderungswürdigen Fortschritt erlangt. Wenn man mich fragen würde, auf welchem Gebiet ich diese kontinuierliche Entwicklung am meisten gespürt habe, dann würde ich vor allem zwei Aspekte nennen: den Städtebau und -Wiederaufbau und das Leben der Bevölkerung, das sich im Bild der Straßen, im Äußeren der Menschen und ihren Aktivitäten widerspiegelt.

Wenn ich diese beiden Gesichtspunkte besonders anführe, dann, weil ich sie für grundlegend halte. Denn was den Städtebau betrifft, so setzt seine so offensichtliche und beeindruckende Entwicklung eine ausgezeichnete Planung, Methodik und praktische Arbeitskapazität voraus, die zutiefst Ausdruck des Wertes und der Wirksamkeit eines Staates sind. Was den zweiten Aspekt betrifft, so meine ich, daß der wachsende Wohlstand, die ständig sichtbare allgemeine Lebensfreude des Volkes der DDR einen wesentlichen ethischen Wert im Sinne von "Mens sana in corpore sano" besitzen, wie ich ihn in Ländern der kapitalistischen Welt nicht getroffen habe.

Ich hatte einmal die Gelegenheit, am Tag der Wahlen zu den Volksvertretungen in der DDR fünf oder sechs Wahllokale aufzusuchen und mich mit den Wählern zu unterhalten. Es waren Bürger mit den unterschiedlichsten Berufen, vom Theaterangestellten bis hin zur Ärztin, die auch verschiedenen politischen Parteien angehörten. Ich gelangte am Ende zu der Schlußfolgerung, daß mit ungeheurer Ernsthaftigkeit gearbeitet wurde, um die Interessen aller zu berücksichtigen. Und so waren die Wähler fest davon überzeugt, ihr gemeinsames Programm der Fortführung des wirtschaftlichen und sozialkulturellen Fortschritts des Volkes verwirklichen zu können.

Als Musikliebhaber kann ich nicht umhin, auch die hohe Qualität des Musikschaffens in der DDR zu erwähnen. Davon überzeugten mich nicht zuletzt zwei äußerst bemerkenswerte Aufführungen in der Komischen Oper Berlin und in Dresden - letztere erlebte ich im Rahmen der herrlichen Musikfestspiele im Mai/Juni 1978. Es waren zwei Werke mit progressivem Inhalt, die jedoch nichts rein Propagandistisches oder oberflächlich Tendenziöses an sich haben - ich meine die Opern "Schuhu und die fliegende Prinzessin" (nach Peter Hacks) von Udo Zimmermann und "Litauische Claviere" (nach Johannes Bobrowski) von Rainer Kunad.

Was ich von meinem beruflichen Standpunkt aus am meisten bewundere - und worauf ich als Portugiese in gewisser Weise neidisch bin, ist außerdem der beispielgebende Umfang und die Vollständigkeit des Musiklebens in der DDR, das aus einem ganzen Bildungssystem hervorgeht und der geistig-kulturellen Bereicherung des Volkes dient. Dies geschieht stets im Sinne einer ethisch-sozialen Integration, die auf und durch das kollektive Bewußtsein orientiert ist, die auf die freundschaftliche Annäherung der Völker und somit auf den Frieden gerichtet ist.


Enrique Pastorino

Generalsekretär des Weltgewerkschaftsbundes (WGB) (1918-1995)

Was ich fühle, fühlen sicher auch viele andere werktätige Menschen in der Welt. Aus verständlichen Gründen bringen wir der Deutschen Demokratischen Republik eine besondere Zuneigung entgegen. Die DDR ist ein sozialistisches Land, das nach seiner Gründung schwere Jahre erlebte und sich vom ersten Tag seines Bestehens gegen antikommunistische Verleumdungen und revanchistische Hetze behaupten mußte. Das alles richtete sich gegen den Aufbau eines friedliebenden demokratischen Staates, der das Erbe von Marx, Engels, Bach und Goethe angetreten hat, in dem die größten humanistischen Traditionen fortbestehen, aber der Geist Bismarcks, Krupps und Hitlers keinen Platz mehr hat. Zwanzig Jahre lang haben Arbeiter in aller Welt für die Anerkennung der DDR gekämpft, und daran hatte auch der WGB einen Anteil. Den überzeugendsten Beweis aber für den Charakter dieses jungen Staates lieferte das eigene Volk.

Wenn heute Ausländer in die DDR kommen, so entdecken sie einen modernen Staat mit einer gut entwickelten Industrie und einem hohen Lebensstandard. Die Familien- und Sozialpolitik würde ich ohne weiteres als beispielgebend bezeichnen, hier gibt es weder Arbeitslose noch Ausbeuter, weder Arme noch Millionäre. In dieser Gesellschaft wird täglich der lebendige Beweis für die Überlegenheit des Sozialismus erbracht.

Wiederholt konnte ich mich davon überzeugen, wie die Gewerkschaften in der DDR ihre Verantwortung und Aufgaben gegenüber den Werktätigen wahrnehmen. Sie genießen ihr Vertrauen, weil sie sich für das Wohl ihrer Mitglieder, für die ständige Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen einsetzen.

Innerhalb des WGB ist der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund besonders aktiv. Er hat sich die Achtung und Zuneigung der Werktätigen vieler Länder erworben, vor allem besonders jener, die er im Kampf gegen Kolonialismus und Neokolonialismus, gegen Rassismus und Faschismus wirksam unterstützt. Die Werktätigen der DDR bekunden ihre Solidarität in konkretester Form mit Geldspenden, mit Lieferungen von Ausrüstungen, Medikamenten und Nahrungsmitteln, der Entsendung von Technikern und der Ausbildung von Studenten.

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Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

Es gibt Tragödien, die kann eine Familie überstehen, obwohl sie erst scheinbar zerbricht. Aber nach und nach rappelt sie sich für ein zweites Leben auf. Mir ging es so. Aber ich war nie allein damit.

Geholfen hat mir auch, daß ich inzwischen - mehr als früher - Anteil haben darf am Leben anderer Menschen, anderer Familien. Ob mit der Hand geschrieben oder durch die neue Technik zugestellt, gelangen sie zu mir: Berichte von glücklichem Überleben oder nie gekannter Übereinstimmung der Generationen. Aber eben auch die Tragödien.

Es gibt Veränderungen im Alltag, die man nie plante, vielleicht früher sogar entrüstet abgelehnt hätte. Sie schleichen sich ein, für sie ist niemand verantwortlich, sie sind niemandes "Schuld". Nur: Etwas ist den Preis nicht wert, nicht den Platz, den es einnimmt. Auch das Nötige wird im alltäglichen Leben zunehmend belastet durch Hast, durch Unruhe, durch ständige Vorläufigkeiten.

Haben die da oben, hat das Vorschreibende, Mächtige, immer Teil, auch an plötzlich Einschlagendem? Manches daran müssen wir dem modernen Leben zuschreiben, also der Technik, die uns bedient und verschlingt, dem überzüchteten Verkehr, um der Erreichbarkeit auch der fernsten Erdpunkte willen.

Wäre alles anders gekommen, wenn wir ein bißchen beschränkter leben und sein würden?

Du hast alles richtig gemacht!? Alles getan, unterlassen, vorgerichtet? Deine Patientenverfügung, zum Beispiel. Richtig! Das Fehlen wird sich sonst als überaus wichtig erweisen; sobald du und der Mensch deines Vertrauens kein ausgewiesenes, gestempeltes Recht vorweisen können.

Sobald ihr euch vor Verfügungen schützen müßtet, die ihr nicht mittragen wollt.

Ich brauchte Wahrheiten und bekam sie in seltsamen Gewändern.

Die Wahrheit des Tages kann ein Fächer sein, der sich unvermutet entfaltet und alles wegwedelt, was vordem richtig war.

Ich habe abgeschüttelt, womit ich überschüttet werde. Es gibt neue Irrtümer über das Machbare. Ob erst einmal gehandelt werden muß, um dann langsam Reife zu entwickeln, das kann sein. Oder sollten die Oberen uns einfach mal schenken, was bisher nirgendwo erkämpft wurde? Die feiern sich dafür, besonders vor Wahlen. Danach weniger. Man nennt das Entwicklung. Für beide Seiten. Und selbst der Kompromiß scheint manchmal wie ein Teilsieg, auch für beide Seiten. Was ich am Abend auf dem Bildschirm sehe und höre, hat eine schwer abzuweisende Richtigkeit. Welche? Die in der Zeitung steht? Gegen die ich meinen eigenen Widerspruch aufzurufen habe? Als Vorschlag, Einschränkung oder Bestätigung?

Mich befremdet die scheinbare Richtigkeit des Unumkehrbaren. Aber was so global aussieht, ist oft die Bemühung einer einzelnen Stimme. Manchmal versuche ich die meine. Aber ich soll überschaubar sein, beeinflußbar, soll treuherzig zu Markte tragen, was ich nicht entscheiden kann, aber doch als Stimme scheinbar mitgestalten.

Meine Betroffenheit über die Vergänglichkeit des gewählten Programms kommt erst hinterher, wenn ein Versprechen der Wahrheit standhalten muß. Ich könnte mich rühmen, nicht käuflich zu sein, nicht rumzukriegen, wie man so sagt. Geschenkt! Aber wen bestärke ich? Wir sind ja zu Hause nicht unter Feinden, es geht vordergründig nicht um Tod oder Leben, jedenfalls nicht um meins. Oder desjenigen, der die Macht besitzt, sie anstrebt. Wenn ich da nicht mitmache, kostet es die Übereinstimmung, die schöne, immer erhoffte, nie gesehene.

Es gibt einen Moment von tapferer Einsamkeit. Da weiß man, wie das Leben ist, und verfügt über alle Einwände, die einem gerade dann einfallen, wenn man mal alle Bedenken unterdrücken möchte. Solche besonderen Augenblicke sind anstrengender als die normal genannten, die es auch nie sind.

Du kannst unvermutet einem Menschen begegnen, von dem du genug weißt, um dich aller Phrasen zu enthalten. Die Bilder in deinem Kopf kannst du nicht verdrängen, sie haben mit der ganzen Welt und diesem Menschen zu tun, der dich angeht, auch wenn ihr euch noch nie begegnet seid. Er hat die Enge gesprengt, die du einhältst. Dieser Mensch hat nicht mehr Kraft und Gesundheit als jeder andere, als die meisten. Und hat dennoch Grenzen überschritten, etwas getan, was ein Beispiel liefert: für innere Kraft, gesichertes Wissen - und für Moral. Seine Gedanken haben sich in Handeln umgesetzt. Das ist gefährlich in dieser Welt, in der wir leben. Wenn Patrioten herauskriegen wollen, ob ihrer Heimat unverdiente Schläge drohen, dann weiß der Gegner sich zu wehren. Auch für nicht bewiesenes Handeln gibt es Todesstrafen. Daß fünf Kubaner überlebt haben, kann nicht vergessen machen, daß es sie die Hälfte ihres Lebens, in ständiger Gefahr, gekostet hat. Gerettet wurden sie nur, weil ein zugleich überschätzter und unterschätzter Präsident sie im Augenblick seines Abschieds freiließ.

Du kannst hoch geehrt werden, weil du eine Weile im Himmel verschwunden warst und gesund zurückkehrtest, oder weil du für dein Land der Sieger auf einer Laufstrecke bist oder mit deinem schnellen Fuß am Ball. Seltener mit deines Herzens und deines Verstandes Kraft auf Klaviertasten oder den Brettern, die die Welt bedeuten. Geehrt, aber nicht geliebt, wenn du die Erklärung für einen Virus findest, an dem die Welt lange gelitten hat.

Aber hebe nicht den Finger, wenn die Macht sich gerade sicher fühlt. Sie kann blöd sein, ungebildet sogar, gefährlich ausgestattet mit Geld. So lehrt es die Geschichte. Ob sie mit Lippenbärtchen oder gelbrosa Hauptes daherkommt.

Seit ich erwachsen bin, tue ich meinen Mund auf, auch für die andern. Nur manchmal gehe ich aus dem Visier, denn ich habe auch ein Recht auf Schwachsein. Aber nun überfällt mich oft die Bedrängung, daß ich zu wenig Richtiges an der richtigen Stelle tue. Es fällt mir schwer, wenigstens Ansätze für das Richtige zu erkennen, um einzugreifen, oder mich anzuschließen. Das Alter? Ja, aber nicht nur.

Ich bin nicht einverstanden damit, wieviel die von mir gewählte Regierung einem Mißbraucher von Recht, Gesetz und Moral zugesteht. Wie durchsichtig die Ausreden sind, wie zögerlich die Reaktionen auf neues zu erwartendes Unrecht. Kann ich darauf vertrauen, daß es in Deutschland keine Abstimmung über die Todesstrafe in der Türkei geben wird? Daß wir türkischen Mitbürgern keine Gelegenheit geben, ihre ursprüngliche Heimat zu verraten? Mein Vertrauen in die Sicherheit von Gesetzen schwankt. Es reicht nicht aus, die Politiker unserer Meinung zu versichern, die kennen sie. Und sie ahnen nicht nur, sie wissen, welches Risiko sie eingehen, wenn wir auch das noch unsicherer Abstimmung überlassen würden.

Es klingt fast selbstverständlich, und du blöder Bürger mußt das wohl einsehen, daß in der Türkei 50.000 - im weitesten Sinne Kollegen - eingesperrt sind. Ohne das Recht, nach einem ordentlichen Verfahren zu verlangen: weil das derzeit nicht existiert. Was denkt Deniz Yücel heute über das Wagnis, sich den Behörden zu stellen und eine ordentliche Abarbeitung der Vorwürfe zu verlangen?

Ich habe versucht, nach Möglichkeit, immer der Vernunft den Vorrang zu geben - also zu denken, ehe ich mich bereitwilligen Gefühlen hingebe. Auf die Dauer führt auch das zu Defiziten. Es drängt mich, aufzuschreiben, was sich in den letzten 27 Jahren neben den Einsichten auch eingefunden hat: ein Recht darauf, Defizite auch so zu nennen. Ich will Verlust empfinden, wo er mir entstanden ist. Um so wertvoller, wo die Beharrung sich gegen Verdrängung wendet. Ich finde mich damit ab, daß ich einige Verluste nicht ertrage. Obwohl vieles im Alltag zur Gewohnheit geworden ist, erhofft oder unerwünscht.

Aber bin ich zu Hause?

Wo wär' denn Heimat ... aus der sind wir rausgeflogen ... aufgeflogen? Erwartung ... Erinnern ... überfüllte Zeit ... was für ein seltsamer Ort - Heimat ist mehr als ein Wort.

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Ein Buch der Bücher nicht nur für Linke

Im November 2017 jährt sich die Herausgabe von Band 1 des Hauptwerks von Karl Marx "Das Kapital" zum 150. Male. Der Verlag würdigt dieses Werk in einer besonderen Form: Mit kurzen Textauszügen und amüsanten Cartoons liefert Burghardt Hollstein dafür die Grundlage. Für alle, die schon immer wissen wollten, wie der Kapitalismus funktioniert, bietet diese illustrierte Kritik der politischen Ökonomie einen anschaulichen Anreiz zur Vertiefung durch die Lektüre des Originals. Sahra Wagenknecht steuert das Vorwort bei. Urte Sperling und Georg Fülberth gehen zwei Geheimnissen des Mehrwerts und dem blinden Fleck in der Marxschen Arbeitswerttheorie nach. Harald Werner setzt sich mit der digitalen Mutation des Kapitalismus auseinander, Christiane Reymann mit der Notwendigkeit, die Befreiungstheorie fortzuschreiben, indem die Ausbeutung und Kolonisierung von Frauen einbezogen wird, Wolfgang Gehrcke steuert eine Auseinandersetzung "Keine 'Marx-freien' Räume!" bei und beschäftigt sich mit den wechselnden Methoden und gleichbleibenden Absichten der Marx-Töter.


Gehrcke, Wolfgang/Reymann, Christiane (Hg.): Das Kapital. Ein Buch der Bücher nicht nur für Linke. Mit 22 colorierten Illustrationen von Burghardt Hollstein. Vorwort von Sahra Wagenknecht. PapyRossa-Verlag, Köln 2017, 76 Seiten, 10 €

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LESERBRIEFE

Durch einen glücklichen Zufall bin ich in den Besitz der Mai-Ausgabe des "RotFuchs" gekommen. Die Erinnerung und Würdigung der Schriftstellerin Ruth Werner - ich habe sie persönlich kennengelernt - hat mich sehr gefreut. Auch der Leitartikel von Arnold Schölzel "Dank den Sowjetsoldaten!" sprach mir voll aus dem Herzen. Seit dem Einmarsch von Sowjetsoldaten 1945 in meine Heimatstadt Crimmitschau - ich war damals sieben Jahre alt - erfüllt mich tiefe Dankbarkeit. Sie sind mir als hilfsbereite, freundliche und kinderliebe Kämpfer in Erinnerung.
1987 durfte ich zwei Wochen in Moskau und Leningrad sein - ein Erlebnis, das bis heute nachklingt. Auch meine beiden Töchter sind im Sinne der Achtung und Liebe zu den Menschen in der Sowjetunion und deren Kultur aufgewachsen. Es entstanden berührende Brieffreundschaften. Diese Kontakte und die Förderung durch die Schule führten dazu, daß eine von ihnen nach dem Abitur Dolmetscherin oder Russisch-Lehrerin werden wollte. Trotz ihrer sehr guten Zeugnisse wurde ihr großer Traum mit der "Wende" 1989 zerstört.
Russisch paßte damals - wie heute auch - nicht in das Gesellschaftsbild der neuen Ordnung. Ich bin froh, daß Putin, trotz der Sanktionen und militärischen Drohgebärden an Rußlands Grenzen, seine Nerven behält.
Sie haben mir mit Ihrer Ausgabe ein Stück Heimat geschenkt, die ich 1989 verloren habe. Ich würde mich sehr freuen, Bezieherin des "RotFuchs" zu werden.

Annerose Thorhauer, Crimmitschau


Allzu schnell sprach die Kanzlerin vom Zerbröckeln der unverbrüchlichen Freundschaft zwischen den USA und der Europäischen Union. Und wenn sie von EU spricht, meint sie die "Führungsmacht" Deutschland und damit sich selbst - vielleicht noch Herrn Schäuble und die Verteidigungs-, sprich Kriegs-Ministerin. Nachdem lange Zeit nicht klar war, was der Neue in den USA, Mr. Trump, für einer sein wird, krachte es sofort nach dessen Amtsantritt im Gebälk der beschworenen Freundschaft wie nie zuvor zwischen einem US-Präsidenten und einem BRD-Kanzler. Persönliche Antipathie spielte schon im Vorfeld eine Rolle; und als Donald Trump dann seine Präsidenten-Lehrstelle antrat und wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen nicht nur drohte, sondern (in Syrien) losballerte, da legte auch Angela Merkel los und ergriff im Namen aller Europäer (aller?) die Initiative für mehr "Einheit in Europa" und mehr Rüstung.
Jahrzehntelang hatte der UNO-Sicherheitsrat der BRD den Zugriff zu Atombomben verweigert, jetzt aber scheint die Zeit gekommen, wo sich die EU selber schützen muß ...
"Von einem, der auszog, das Gruseln zu lernen" heißt ein Märchen der Gebrüder Grimm. Weder mit Märchen noch mit dem "lieben Gott" brachte man uns das Gruseln bei. Anders war das schon mit dem Bombenterror, den wir als Kinder in Berlin und anderswo er- und überlebten. Die furchtbaren Nachkriegsjahre, der kalte Krieg mit der ständigen Drohung eines Atomkriegs, Adenauers Wiederaufrüstung Westdeutschlands, sein Bemühen, über den Beitritt der BRD in die NATO auch an die Verfügungsgewalt über Atomwaffen heranzukommen, der Widerstand der Friedenskämpfer und ihre Verfolgung mit Berufsverboten, die Gegenwehr der Sowjetunion, die Sammlung der deutschen Friedenskräfte in Form der DDR, der jahrzehntelange (und immer noch anhaltende) Haß und die Hetze gegen alles, was wir taten, um ein kleines, aber besseres friedliebendes Deutschland zu erbauen, ließen uns nicht müde werden im Kampf für die Erhaltung des Weltfriedens. Es hat nicht ausgereicht - aus vielerlei Gründen. Sollen aber die teuflischen Kräfte des Kapitals gesiegt haben? Es hat derzeit den Anschein.
Da üben Bundeswehrsoldaten "für ihren Einsatz in Litauen" und "anderen fernen Weltgegenden". "Deutschland ist bereit, sich früh, entschieden und substantiell als Impulsgeber in die internationale Debatte einzubringen, Verantwortung zu leben und Führung zu übernehmen", wie es der kürzlich gegangene Bundespräsident und Anti-Russist Gauck nach seinem Amtsantritt 2012 mit der Ermunterung "Mehr Mut, Soldaten!" gefordert hatte. Danach "soll die Bundeswehr eine Grundaufstellung einnehmen, die sie in die Lage versetzt, die Territorien Deutschlands und seiner Verbündeten umfassend zu verteidigen - zu Lande, zu Wasser und in der Luft, im Weltall und im Cyberraum", womit der virtuelle Raum von Computernetzwerken und das Internet zum Kriegsschauplatz erklärt wird. Jetzt gehören nicht einige tausend Friedenskämpfer auf die Straße, sondern Millionen Menschen - weltweit! Die "politische Klasse" kann sich ja unterdessen in ihre explosions- und strahlengeschützten Bunker zurückziehen ...
Und noch etwas: Das Baltikum war schon im ersten Weltkrieg von deutschen Truppen besetzt. Kaiser Wilhelm II. wollte mit diesem Krieg für Deutschland einen "Platz an der Sonne" erobern. Das Resultat: etwa 20 Millionen Tote. Der "geliebte Führer" Hitler wollte "mehr Lebensraum für das deutsche Volk" und zwar bis zum Pazifik und Indien. Der Preis: 50 bis 60 Millionen Tote. Die Deutschen hatten, wie fast alle Europäer und die mit der Sowjetunion kämpfenden Alliierten, die Zeche zu bezahlen. Als 1945 nicht mehr geschossen und gebombt wurde, haben die Erwachsenen gejammert: "Ein Leben lang trocken Brot wollen wir essen, nur so was nie wieder!" Das Gejammer wurde spätestens 1948 mit der Einführung der D-Mark von vielen in Adenauers Trizone und in Westberlin vergessen ...

Klaus J. Hesse, Berlin


Seit Wochen wird in den Medien die Frage diskutiert, wie der "Druck" auf Putin erhöht werden kann. Bundeswehreinheiten in den baltischen Staaten sind ein Teil der reaktionären Antwort. Im "Spiegel" Nr. 20/2017 wird in dem Artikel "Der Scheinriese" festgestellt: "Rußland ist dem Westen militärisch, ökonomisch und politisch unterlegen. Gegen ein Land in der Krise hilft Aufrüstung nichts." Der Autor macht die Leser mit einem Vortrag bekannt, den Jan Wolfsthal, ranghöchster Experte für Rüstungskontrolle unter Präsident Obama, kürzlich im USA-Kongreß gehalten hat. Die Beichte dieses Experten ist von großer aktueller politischer Bedeutung. Wir erfahren, daß die Angst vor einem sowjetischen Angriff, mit der der kalte Krieg geschürt worden ist, völlig unbegründet war. Die atomare "Abschreckung" sei die Folge einer Fehleinschätzung gewesen: "Der Lauf der Geschichte habe dann aber gezeigt, wie dumm wir waren und wieviel Glück wir hatten ..., weil der Rüstungswettlauf trotz dieser Fehleinschätzung friedlich zu Ende ging."
Er resümierte: "Die Raketenlücke gab es nicht, das Fenster der Verwundbarkeit ebensowenig und Pläne für einen isolierten SS-20-Einsatz schon gar nicht." Er gab also zu, daß die "sowjetische Gefahr" nur eine Erfindung war. Welcher Segen wäre es gewesen, wenn den Völkern die Last des kalten Krieges erspart geblieben wäre?
Im "Spiegel"-Artikel wird die Frage, wer für diese verhängnisvolle Entwicklung verantwortlich ist, nicht gestellt. Das würde an die aktuelle Politik heranführen, die kurz aus "deutscher" Sicht skizziert wird. Den Regierenden in Berlin rät man, "Augenmaß, Kompromißbereitschaft und selbstbewußte Gelassenheit" walten zu lassen. Doch es wird wohl mehr vonnöten sein! Der neue kalte Krieg muß beendet werden!


Nachtrag zu "Politkrimi ...", RF 233 (Juni)

Meinen Artikel über Dr. Rudolf Friedrichs beendete ich mit dem Satz: "Der 70. Todestag Rudolf Friedrichs' könnte eine Gelegenheit sein, dem Ehrenbürger und seinen Mitstreitern den Platz in der Geschichte Dresdens zuzuweisen, der ihnen gebührt."
Das war eine falsche Hoffnung. Ich habe mich geirrt. Die "Sächsische Zeitung", die bis 1989 Organ der SED-Bezirksleitung war, druckte im Vorfeld des 70. Jahrestages des Todes von Friedrichs am 11./12. März 2017 einen ganzseitigen Artikel "War es Mord? Der Sozialdemokrat Rudolf Friedrichs und der Kommunist Kurt Fischer waren erbitterte Gegner. Ein Politthriller". Ein Foto zeigt die beiden nebeneinander bei einer Konferenz mit dem Untertitel: "Die gegenseitige Abneigung stand ihnen ins Gesicht geschrieben: Rudolf Friedrichs und Kurt Fischer".
Warum wurden den Lesern die Lügen von 1997 wieder aufgetischt? Friedrichs und Fischer waren 1947 führende Funktionäre der sächsischen SED. Meinungsverschiedenheiten gab es zu dieser Zeit in Hülle und Fülle, wie jeder damals Mitstreitende weiß. "Politthriller" ist der bedauerliche Herztod von Friedrichs erst 1997 auf Anregung Wolfgang Leonhards geworden, der 1947 selbst führender Ideologe der SED war - durch den Auftrag Biedenkopfs und die Lügenkonstruktionen hochdotierter "Totalitarismus"forscher. Das Tollste an der Affäre von 2017 ist für mich: Lars Kühl, der Verfasser des o. g. Artikels von 2017, ist "Westimport" und hat nach eigenen Aussagen von den Auseinandersetzungen nichts gewußt. Er habe nur das Buch der "Totalitarismus"forscher Richter und Schmeitzner gekannt und verwendet. Ein Musterbeispiel für Berichte über die DDR?

Prof. Dr. Horst Schneider, Dresden


Zu "Atombombe bannen!", RF 233
Jüngst haben 112 nicht Atomwaffen besitzende Staaten in der UNO über ein internationales Verbot aller Atomwaffen verhandelt, was sehr begrüßenswert ist. Leider kann ich die Zuversicht von Sascha Hach nicht teilen, daß die Blockierer - gemeint sind atomwaffenbesitzende Mächte - den Prozeß nicht aufhalten können und ein Atomwaffenverbot kommen wird. Es deutet nichts darauf hin, daß die Atomwaffenmächte dem Druck nachgeben werden und auf diese Waffen verzichten. Dabei geht die größte Gefahr für die Menschheit nicht von Nordkorea, sondern von den USA mit ihrem Präsidenten Trump aus. Bedauerlich ist, daß auch Deutschland die Verhandlungen boykottiert. Die Wähler sollten für keine Partei stimmen, die dieses "Teufelszeug" nicht ablehnt.
Auf jeden Fall müssen die Aktionen gegen die in Deutschland lagernden Atombomben der USA entschieden verstärkt werden.

Dr. Kurt Laser, Berlin


Dem Anschlag in London folgen Bestürzung, Entsetzen, Trauer und trotzige Sprüche. Der Krieg gegen den Terror wird wieder tausendfach beschworen. Wo bleibt Vernunft und Verstand, Realitätssinn, Fragen und Antworten nach Ursachen, Hintergründen, Interessen? Wie kann Terror und Krieg mit gut und böse erklärt werden? War es das jemals? Es sei an wahre Worte Peter Ustinovs erinnert, der Krieg den Terror der Reichen gegen die Armen und Terror den Krieg der Armen gegen die Reichen nannte. So einfach die Antwort sein mag, soviel Wahrheit steckt darin. Mit den von USA und NATO geführten Kriegen gegen andere Staaten, mit unablässiger wirtschaftlicher Ausplünderung und schließlich einer Terror nur fördernden Flüchtlingspolitik wie -abwehr wird mehr und mehr Gewalt provoziert. Jedes Opfer des Krieges gegen den Terror militarisiert die Hoffnungslosen und Ohnmächtigen in anderen Kulturen und Religionen.

Roland Winkler, Aue


Ich erinnere mich an den Olaf-Palme-Friedensmarsch 1987. Friedensgruppen aus Schweden hatten die Initiative ergriffen und zu einem Dialogtreffen eingeladen. Im September des Jahres entsteht eine breite Bewegung für einen atomwaffenfreien Korridor in Mitteleuropa.
In der DDR, der CSSR, Österreich, der BRD - dort vor allem getragen von der Deutschen Friedensgesellschaft - gab es eine große Unterstützung für diesen Vorschlag. Und heute?
Gerade wir Älteren spüren die ständig zunehmenden Spannungen zwischen NATO und Rußland. Möge im Herbst eine neue große Initiative entstehen, diese gefährliche Entwicklung zu stoppen.

Fritz Rick, Dresden


Die Initiative "Welt ohne Waffen" Weimar und die attac-Gruppe Weimar luden am 1. Juni ins Kino "mon ami" zum Dokumentarfilm "National Bird" ein.
Dieser Film zeigt drei mutige Whistleblower aus den USA, welche, trotz der Gefahr, im Gefängnis zu landen, ihr Schweigen brechen. Sie sprechen offen über ihren Dienst beim Drohnenkrieg der USA. Sie sind aus Idealismus und Pflichtgefühl in die Armee eingetreten. Doch schon bald kamen ihnen Zweifel an der moralischen und politischen Legitimation des Drohnen-Krieges.
Wer übernimmt die Verantwortung für viele Unschuldige, für tote Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, welche dann zynisch als Kollateralschaden bezeichnet werden?
Der Krieg kommt immer dorthin zurück, wo er angefangen hat. Die terroristischen Attentate in Europa mit vielen unschuldigen Opfern sind der Preis dafür.
Wir dürfen die selbsternannten Weltpolizisten nicht aus Bequemlichkeit dulden. Die BRD ist dabei, sich an die Spitze zu stellen. Von den Bundestagsabgeordneten muß gefordert werden, sich für globale Sicherheitssysteme und Gewaltprävention einzusetzen. Nur so kann es Frieden geben.

Stanislav Sedlacik, Weimar


Der zweifache Rad-Weltmeister (Amateure 1958, 1959) und zweifache Friedensfahrtsieger (1955, 1959) Gustav-Adolf Schur besitzt Charakter. Diese Tugend bewies er auch nach 1989/90. Er verbog sich nicht, wurde kein Wendehals und diffamierte auch nicht die DDR. Diese Haltung ist mit die Ursache dafür, daß das hochbetagte Radsportidol von einer umstrittenen Jury zum wiederholten Male nicht in die Ruhmeshalle des deutschen Sports aufgenommen wurde. Der kalte Krieg ist noch nicht vorbei. Die Entscheidung fiel im Sinne der herrschenden Klasse.
Schurs Erfolge und sein Auftreten trugen damals dazu bei, daß sich viele mit dem jungen Staat DDR identifizierten. Er löste Begeisterung in der Bevölkerung aus. Ich z. B. fertigte als 13jähriger eine Bleistiftzeichnung meines Vorbildes an und hängte sie über mein Bett. Etwa 50 Jahre später traf ich "Täve" nach einer Veranstaltung auf dem Leipziger Marktplatz vor dem alten Rathaus. Er lachte, als er von der Zeichnung über meinem Bett erfuhr, und meinte: "Hoffentlich konntest Du auch gut schlafen."
Für mich und für viele andere bleibt "Täve" der beste DDR-Sportler aller Zeiten - auch ohne "Hall of Fame".

Günther Röska, Leipzig


Im Mai fand erneut das traditionelle Treffen mit ehemaligen Sport- und Wanderfreunden statt, an dem meine Frau und ich teilnahmen. Auf dem Plan stand u. a. eine Fahrt nach Bad Kösen. Wir erlebten ein landschaftlich beeindruckendes Panorama, rechts und links bewaldete Berge, die Saale fließt im Tal, große Brücken überqueren den Fluß, er ist hier noch nicht schiffbar, aber Wassersportler bezwingen ihn häufig.
In einer Gartenschänke am Hang wurde Rast gemacht. In der Ferne - von vielen nicht bemerkt - fuhr ein Eisenbahnzug vorbei. Man hätte meinen können, ein Spielzeug-Zug. Aber weit gefehlt. Wie sich herausstellte, war es ein langer Zug mit etwa 40 Waggons, voll beladen mit Kriegsgerät: Panzer, Geschütze, Kisten mit militärischen Ausrüstungen. Die Fahrt ging von West nach Ost. Sicherlich war die nächste Stadt Leipzig und dann weiter Richtung russischer Grenze. Da hörte bei mir - ich bin inzwischen 85 - die Gemütlichkeit auf. Erinnerungen wurden wach. Es ist hohe Zeit für eine machtvolle Antikriegsbewegung in Deutschland!

Gerd Rossignol, Berlin


Zu "Mord an der Grenze", RF 229

Am 11. Mai 2017 wurde auf dem kleinen Friedhof in Gera-Zeulsdorf feierlich eine Gedenktafel am Grab von VP-Wachtmeister Herbert Liebs enthüllt. Herbert Liebs war 1951 von Angehörigen der US-Armee während seines Streifendienstes an der Demarkationslinie in der Nähe von Pferdsdorf hinterrücks ermordet worden. Er zählte zu den ersten Grenzpolizisten der DDR, die an der Grenze zur BRD ums Leben kamen. Angehörige einer Militärpolizeieinheit, die aus dem 14. Panzeraufklärungsregiment der US-Armee hervorging, waren die Mörder. Im gleichen Jahr ermordeten sie auch die VP-Wachtmeister Werner Schmidt und Heinz Janello nahe Gerstungen.
Ich hatte meinen Grenzdienst in dieser Einheit begonnen und sehe heute noch das Foto der Uniformjacke von Heinz Janello vor mir, das im Traditionszimmer der Grenzkompanie hing. Sie war im Rücken zerschossen.
Heute wird das 14. Panzeraufklärungsregiment und sein Nachfolger, die 11. Cavalry, auf dem Point Alpha bei Geisa mit einem Museum gewürdigt. Dieses Regiment war bekanntermaßen eine der verbrecherischsten Truppenteile im Vietnamkrieg.
Eigentlich sollte das Grab von Herbert Liebs verschwinden, nachdem es bereits 1991 von der Denkmalliste gestrichen worden war. Im Gegensatz zu diesen US-Soldaten wurde er nicht mehr für würdig befunden. Dank einer Initiative von Stabsfeldwebel a. D. Bernd Dehn und des Verständnisses der Geraer Friedhofsverwaltung konnte das Grab erhalten werden und bekam im Beisein der Schwester von Herbert Liebs eine Gedenktafel.

Oberst a. D. Jochen Sladko


Bei aller Kritik über manche Äußerungen einiger Politiker der PDL ist es wichtig, diese Partei zu wählen. Die DKP hat zwar in einigen Positionen eine konsequentere Haltung, aber was nützt es, wenn sie statt 0,2 vielleicht 0,3 % bekommt und die PDL büßt damit einen oder zwei mögliche Sitze ein, die dann gar noch an die AfD gehen? Was haben wir dann erreicht? Bei allem Kritikwürdigen ist die PDL für uns die mit Abstand beste Partei, die eine Chance hat, in den Bundestag gewählt zu werden. Sie kann dort auch als Opposition, z. B. durch Anfragen und klare Positionen zu den Themen Frieden, Abrüstung und gegen Sozialabbau, einiges bewirken. Wir wissen, daß es in dieser Partei viele gute Genossinnen und Genossen gibt, die eindeutig und klar Stellung zu den wichtigsten Problemen unserer Zeit beziehen. Eine Stimme für die PDL ist eine Stimme gegen CDU, SPD, Grüne, aber auch gegen die AfD. Das sollten wir bei allem Zweifel über manche Positionen einzelner Vertreter ernsthaft bedenken.

Jürgen Förster, Dresden


Linke Regierungssozialisten haben eine neue Rolle gefunden, sie sind unter die politischen Händler gegangen. Sie akzeptieren letztendlich die Grundgesetzänderungen für eine drohende Privatisierung der Infrastruktur für die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzierung. Da bleibt der Änderungsantrag bzw. der Ruf nach einer Volksabstimmung durch die Linken nur politische Kosmetik. Als es zum Schwur (zur Abstimmung) kam, haben die linken Regierungsvertreter versagt! Dabei übernimmt Bodo Ramelow noch die Rolle eines Oberlehrers, der die Kompetenz der eigenen Bundestagsabgeordneten, die dies wohlwissend ablehnen, in Frage stellt. Ein erklärtes und im Parteiprogramm manifestiertes Ziel (Keine Privatisierung öffentlichen Eigentums) wird nunmehr auf dem Altar der Macht geopfert.
Dieser Kotau vor den herrschenden politischen Verhältnissen und Parteien ist unerträglich und offenbart eine nicht geringe Gewissenlosigkeit in der Wahl der Mittel. Für Bodo Ramelow existiert nach eigenen Worten auch kein Parteiprogramm der Linken, wenn es um die Stabilisierung und Durchsetzung eigener definierter politischer Ziele beim Regieren geht. Unter den gegeben politischen Bedingungen beginnen Veränderungen aber nur mit einer klaren und starken Opposition.

Raimon Brete, Chemnitz


Selbst Innenminister Thomas de Maizière (CDU) mußte feststellen, daß in der BRD "etwas ins Rutschen gekommen" ist, was er auf eine spürbare Zunahme von Gewalt bezog. Das hat zunächst nichts mit dem Internet an sich zu tun, wohl aber mit neuen Dimensionen, die sich hier aufgetan haben. Das Internet wirkt lediglich als Katalysator, als Verstärker dieses "Phänomens", dessen Ursachen viel tiefer liegen. Und auch nicht hauptsächlich Jugendliche sind davon betroffen. Aber es veranlaßt Politiker, nach schärferen Gesetzen, mehr Überwachung, Repression nach innen und außen zu rufen.
Betroffen von eskalierender Gewalt sind nach meinem Eindruck vor allem die angelsächsischen Länder und Länder, in denen sich der gesellschaftliche Zusammenhalt rapide verschlechtert hat. Schon vor der Finanzkrise 2008 sprach man in England vom Zusammenbruch der Gesellschaft aufgrund mangelnden Gemeinschaftsgefühls und Zunahme asozialen Verhaltens. Sehr viel deutlicher noch ist dies in den USA ausgeprägt.
In keinem zivilisierten Land der Welt (der Wissenschaftler Noam Chomsky bezeichnete die USA als "Failed State" [gescheiterter Staat]) sind soviel Menschen in Gefängnissen wie in den USA.
Auch in Europa einschließlich Deutschland ist die Atmosphäre in der Gesellschaft angstbesetzt und wird immer bedrückender. Der eingeschlagene Weg - mehr Überwachung, mehr Repression - wird genau das Gegenteil von dem erreichen, was er bezwecken soll. Die soziale Unsicherheit wird zunehmen und damit die Gewalt in unserer Gesellschaft. Der von den Herrschenden verfolgte Kurs zur Festigung und zum Ausbau ihrer Macht wird unweigerlich in den Ruin führen und muß gestoppt werden.

Volker Büst, Kalbe


Angesichts der himmelschreiend katastrophalen Verhältnisse in Afrika ist Hilfe nötig! Im Jemen sind es 17 Millionen Menschen, in Nigeria 4,7, in Somalia 6,2, in Südsudan 7,5, am Horn von Afrika 23 Millionen Menschen, die dem Hungertod ausgeliefert sind!
Wir sollten von den in Verantwortung stehenden Regierenden, von Bundespräsident Steinmeier, der permanent die Bevölkerung zu Spenden aufruft, von Bundeskanzlerin Merkel, die dabei ist, Europa weiter zu militarisieren, von Finanzminister Schäuble, der mit einem positiven Finanzhaushalt protzt, von Außenminister Gabriel, der statt Friedensdiplomatie die uneingeschränkte Durchsetzung deutscher Interessen fordert, an Verteidigungsministerin von der Leyen, der die -zig Milliarden für die robuste Rüstung nie genug sind, fordern, für das verdurstende, verhungernde Afrika eine durchgreifende sofortige, wirksame Hilfe zu organisieren.
Die katastrophale Lage der afrikanischen Bevölkerung ist keine Folge von Naturkatastrophen. Sie ist das Resultat von Plünderung, Raubbau und Krieg - organisiert durch USA und "westliche Staatengemeinschaft".
Anstatt immer die "kleinen Leute" zu bemühen, muß im großen, im globalen Maßstab sofortige Hilfe geleistet werden. Warum werden Staaten wie Deutschland, die kurzfristig stets Riesensummen zur Verfügung haben, wenn es darum geht, Banken zu retten, nicht aktiv?
Angesichts der Dramatik der Lage fordern wir dazu auf, Wege zu finden, die Mittel für das gewaltige Rüstungsprogramm sofort umzuleiten und zur Hilfe und zur Abwendung der humanitären Katastrophe zur Verfügung zu stellen! Wir brauchen nicht 40 Milliarden für Kriegsgerät, für Aufrüstung, für weitere Zerstörung! Wir benötigen diese Milliarden für Nahrung, Trinkwasser und Medizin gegen Seuchen!
Wir brauchen keine Soldaten für Kampfhandlungen in Ländern, die uns nicht darum gebeten haben. Nötig wäre, sie unter UNO-Mandat mit Wasser, Nahrung und Medizin dorthin zu schicken, wo die Not zu lindern ist!

Fred D. Schlicke, Dresden


Ist die Bundesrepublik Deutschland eine Demokratie oder eine "Lobbykratie"?
Im deutschen Bundestag gibt es trotz Verschärfung der Zugangsregeln immer noch mehr Lobbyisten mit eigenem Ausweis als Abgeordnete. Bis Mitte Mai hat die Verwaltung des Parlaments insgesamt 706 Jahresausweise an "Interessenvertreter von Verbänden", d. h. an deren Agenten, ausgestellt. Interessant ist auch, daß 1103 Hausausweise an Lobbyisten durch die parlamentarischen Geschäftsführer der Parteien vergeben worden waren. Mit diesen Ausweisen haben die Lobbyisten Zugang zu allen Bundestagsgebäuden ...

Dr. Matin Baraki, Marburg


Besonders berührt hat mich in der RF-Ausgabe Nr. 223 der Beitrag zum 17. Juni 1953. Diesen Tag erlebte ich damals in Leipzig. Auf meinem Weg zum Konfirmandenunterricht sah ich friedlich Streikende am Gewerkschaftshaus in der Karl-Liebknecht-Straße vorüberziehen. Während des Unterrichts in den Räumen der Peterskirchgemeinde mutierte dann die Demo zum "Aufstand". Das erfuhren wir später. Aber der Herr Pfarrer wurde mehrmals ans Telefon geholt und hielt uns nach der Unterrichtsstunde im Gemeindehaus fest. Etwa drei Stunden später entließ er uns. Er hatte erfahren, daß sowjetische Panzer entlang der Hauptstraße vor dem Gewerkschaftshaus aufgefahren waren.
Da ich dort im Schutz der Panzer vorbei mußte, sah ich das Werk der "Aufständischen": Rauch aus den Fenstern, die Feuerwehr löschte noch, und Unmengen Papier und Bücher lagen auf der Straße. Es war der Versuch, die politischen Verhältnisse in der DDR umzukehren. Viele verbanden damit offensichtlich die Hoffnung auf Rückkehr in die "alte Heimat" östlich der Lausitzer Neiße.
Für bedenklich halte ich, daß aus heutiger Sicht über das Geschehen von Nachgeborenen geurteilt wird, die außer acht lassen, daß über Geschichte nur im historischen Kontext befunden werden sollte. Menschen waren und sind verführbar. Warum jubelten nach der politischen "Wende" so viele Görlitzer mit schlesischen Fahnen dem damaligen Bundeskanzler zu? Wenn sie gewußt hätten, daß er kurze Zeit später die Oder-Neiße-Grenze anerkennen würde, hätten sie ihn wohl ausgepfiffen. Bis heute wirkt es sich in Görlitz lähmend aus, daß es Leute gibt, die am "Gau Niederschlesien" ab 1941 festhalten und auf ihrem reaktionären Geschichtsbild beharren. Dies fand übrigens seinen Niederschlag in der sächsischen Staatsverfassung, in der von einem schlesischen Teil, gemeint ist die ehemals preußische Oberlausitz, gesprochen wird.

Wolfgang Schubert, Görlitz


Die Freunde des DDR-Kabinetts Bochum e. V. organisieren anläßlich des 68. Jahrestages der Gründung der DDR am Sonnabend, 7. Oktober 2017, in Bochum eine festliche Veranstaltung. Am Tag zuvor findet ein Begegnungsabend mit Buffet statt.
Der Vorstand der GRH e. V. wird für die Fahrt am 6.10. von Berlin nach Bochum und am 7.10. zurück einen Bus organisieren. Er ruft seine Mitglieder und Sympathisanten sowie die Mitglieder befreundeter Parteien, Vereine, Organisationen und Verbände zur Teilnahme an dieser Geburtstagsfeier in Bochum auf. Die entstehenden Kosten für die Busfahrt, die Hotelübernachtung und für die Teilnahme am Begegnungsabend und an der Festveranstaltung tragen die Teilnehmer selbst.
Interessenten melden bitte telefonisch, per Post oder Mail verbindlich ihre Teilnahme der Geschäftsstelle der GRH e.V., Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Tel./Fax: 030/29 78 42 25, Mail: verein@grh-ev.org; Meldeschluß ist der 31. August.

Dieter Stiebert, Geschäftsführer der GRH, Berlin


Als ständiger Leser des "RotFuchs" erwarte ich mit Spannung und Freude die jeweils nächste Ausgabe. Ich möchte einschätzen, daß Ihr Euch mit jedem neuen Heft selbst übertrefft.
Fast alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens werden berücksichtigt - ob wertvolle Rückblicke auf geschichtliche Ereignisse, nützliche Vermittlung der wissenschaftlichen Weltanschauung, Bewertungen der gegenwärtigen politischen Probleme bis hin zur Würdigung von Kämpfern, die sich auch heute noch bis ins hohe Alter für Frieden und Sozialismus einsetzen.
Obwohl ja der Umfang der Zeitschrift begrenzt ist, wird immer ein Weg gesucht, soviel wie möglich zu veröffentlichen.
Gerne werde ich die Herausgabe des RF auch weiter mit Spenden unterstützen.

Siegfried Tietz, Altenberg


Nach wie vor freue ich mich über jede "RotFuchs"-Ausgabe, gratuliere Euch dazu, wie Ihr es immer wieder schafft, und wünsche Euch weiterhin alles Gute.
Solidarische Grüße aus dem Ruhrpott

RA Herbert Lederer, Essen


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RotFuchs Nr. 234, 20. Jahrgang, August 2017
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2017

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