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ROTFUCHS/158: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 204 - Januar 2015


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

17. Jahrgang, Nr. 204, Januar 2015



Inhalt

  • Jürgen Kuczynski: Vorfreude auf einen neuen Sozialismus
  • Karl und Rosa: Trotz alledem!
  • Liebknechts welthistorisches Nein
  • Empörung an der Basis der Linkspartei
  • Absage an das Erfurter Programm
  • Transformationstheorie: Eine Sackgasse als Ausweg?
  • Wortmeldung eines SPD-Genossen
  • Zwei Bahnstreiks in Deutschland
  • Für freimütige Debatten über Zukunftsmodelle
  • Ein junger Philosoph zur nationalen Frage
  • "O Heiland, reiß die Himmel auf!"
  • Ranghöchster DDR-Richter zur Lüge vom "Unrechtsstaat"
  • Über Leben und Tod zweier Widerstandshelden
  • Herbert Klinger: Ein Friedensreport
  • Die BRD bekennt sich zur Hymne des Krieges
  • Der "Rechtsstaat" und sein Ex-Präsident
  • Ein Ettersburger "Initiativbau"
  • Agrarsektor: Im Osten was Neues
  • RF-Extra - Erinnern an Portugals "roten General"
  • RF-Extra - Wie lebten ausländische Vertragsarbeiter in der DDR?
  • Zum Charakter der Umwälzungen in Osteuropa
  • USA: Das Fiasko der Mid-Terms
  • Brasilien: Zweite Amtszeit für Dilma
  • Kolumbien: 9500 politische Gefangene
  • Papst Franziskus: Diese Wirtschaft tötet
  • Australiens Eingliederung in die US-Strategie
  • Burkina Faso nach dem Sturz Blaise Compaorés
  • Damaskus: Der Westen schweigt zu IS-Massakern am syrischen Volk
  • Türkei: Treffsicherer Strich linker Karikaturisten
  • Großbritannien: Zum Aufstieg der Rechtsaußenpartei UKIP
  • Belgien: PTB hat gut lachen
  • 25 Jahre Freundeskreis der Sport-Senioren
  • Über Landpartien gestern und heute
  • Compañera Christa: Bei Astrid Lindgren
  • Neue Ehrenmitglieder der Arbeiterfotografie
  • Gisela Steineckert: Hand aufs Herz
  • Leserbriefe

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Unwiderruflicher Bruch mit dem Marxismus als System?

Am 10. November berichtete die linksbürgerliche Tageszeitung "neues deutschland" unter der Schlagzeile "Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaat" von der bedingungslosen Kapitulation Gregor Gysis vor dem Ansturm professioneller Verleumder der DDR. Anläßlich des 25. Jahrestages des "Mauerfalls" ließ der PDL-Fraktionsvorsitzende, dessen unbestrittene Eloquenz bisweilen mit Substanz verwechselt wird, die Hüllen fallen. Die DDR sei als ein Staat zu betrachten, "dem die grundlegende demokratische Legitimation fehlte und in dem politische Willkür jederzeit Recht und Gesetzlichkeit ersetzen konnte", erklärte er. Die Hauptverantwortung für "Fehler und Verbrechen der DDR" lastete er der 1946 von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl gegründeten SED an. Gregor Gysi, der während seines Studiums mit Grundlagen der marxistisch-leninistischen Wissenschaft vertraut gemacht worden war, dankte in einer Erklärung, die er auch von den in dieser Materie wohl weniger bewanderten Parteivorsitzenden mit unterzeichnen ließ, ausdrücklich "jenen, die damals die Mauer von Ost nach West zum Einsturz brachten". Hier kann man nur mit Tucholsky sagen, daß es wohl nichts Schlimmeres gibt, als von dem Kakao auch noch zu trinken, durch den man gezogen wird.

Die "Flexibilität" des vermutlichen Urhebers dieser Kampfansage an den angeblichen Unrechtsstaat DDR wird besonders transparent, wenn weiß, daß Gregor Gysi noch am 5. November an einen Bedenken äußernden Mitstreiter in seiner Partei das Gegenteil dessen geschrieben hatte, was er am 8. November bekundete: "Sicherlich hast Du mitbekommen, daß ich mich gegen den Begriff Unrechtsstaat gewandt habe."

Wie glaubwürdig sind Leute, die - unter welchem Druck oder auf wessen Wink auch immer - innerhalb einer halben Woche die Fronten in einer Kernfrage wechseln?

Gysis Erklärung ist ein Faustschlag ins Gesicht jener der Sache des Sozialismus treu gebliebenen alten und jüngeren Genossen aus der Partei Die Linke, welche - unter der Last des eigenen rechten Flügels und eines von diesem weitgehend beherrschten Apparats - ihre Prinzipien nicht von Sieg oder Niederlage abhängig gemacht haben. Unser Respekt gilt allen, die im Gedenken an die historischen Errungenschaften der DDR den Gedanken des kompromißlosen Kampfes gegen das kapitalistische System der BRD nicht aufzugeben bereit sind.

Der ideologische Kehraus des PDL-Fraktionsvorsitzenden in Sachen DDR ist - was das Maß der Aufgabe von Prinzipien betrifft - wohl am ehesten mit der bedingungslosen Kapitulation der SPD-Reichstagsfraktion im August 1914 zu vergleichen.

Die Entscheidung von Teilen der PDL-Spitze, zur pauschalen Leugnung der Rolle der DDR in der deutschen Geschichte überzugehen, erinnert mich an die Anfänge des großen Ausverkaufs. Im Dezember 1989 beauftragte mich die Redaktionsleitung des damals sozialistischen ND, bei dem ich bereits seit 1967 tätig gewesen war, mit der teilweisen Berichterstattung über den Sonderparteitag in der Berliner Dynamohalle. Aus ihm ging zunächst die SED-PDS und bald darauf die PDS hervor. Die Atmosphäre, die mich bei dieser Veranstaltung umgab, war spannungsgeladen, die Reden unterschieden sich inhaltlich von früher gehaltenen, und zwar sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht. Während "Protokoll und Etikette", die bei vorangegangenen Anlässen dieser Art selbständiges Denken arg behindert hatten, jetzt weggefallen waren, fehlte es an klaren politisch-ideologischen Konturen im Sinne einer sozialistischen Partei. Das große Ausschütten des Kindes mit dem Bade war angesagt, sieht man von Reden wie denen Hans Modrows ab.

Während junge Trotzkisten an den Eingängen zur Halle ihre Zeitschrift "Spartakus" mit der besonders zeitgemäßen Schlagzeile "Für ein rotes Sowjetdeutschland in einem roten Sowjeteuropa" verteilten, wurde von der Tribüne weniger Rotes verkündet. Die nebulöse Parole hieß: "Endgültiger Bruch mit dem Stalinismus als System". Noch nahm man Marx und Engels nicht ins Visier, doch Lenins Name fehlte bereits in der Reihe der Vordenker des Sozialismus. Bald wurde bekannt, daß auch bei den Wegbereitern der Partei ein Austausch stattgefunden hatte: Gregor Gysi reihte, mit einem großen Besen fortan "Überflüssiges" symbolisch hinwegfegend, eine besonders anrüchige Ikone des Revisionismus wie selbstverständlich unter die Väter der im Umbruch befindlichen Partei ein: Eduard Bernstein. Dessen berühmt-berüchtigte Maxime "Das Ziel ist mir gar nichts, die Bewegung alles" sollte schon bald einen spezifischen Stellenwert in der PDL erlangen.

An diesen 25 Jahre zurückliegenden symbolischen Kehraus wurde ich erinnert, als Gregor Gysi - dem magischen Ziel einer Regierungsbeteiligung nach Thüringer Vorbild und um jeden Preis zustrebend - im Bundestag die weiße Fahne hißte. Dabei handelte es sich um ideologischen Ausverkauf, der offensichtlich darauf abzielt, an der sozialistischen Sache festhaltende und daher in ihren DDR-Biographien weiterhin verwurzelte Genossen endlich aus der Partei zu vertreiben. Inzwischen hat sich der Nebel um die Formel "Unwiderruflicher Bruch mit dem Stalinismus als System" gelichtet. Jetzt weiß man besser, welcher Bruch wohl schon im Dezember 1989 perspektivisch angedacht war. Damals äußerten Parteitagsdelegierte mir gegenüber die Vermutung, daß die auf DDR-Verhältnisse - zumindest seit 1953 - keineswegs zutreffende Vokabel "Stalinismus" eigentlich einen anderen Ismus gemeint haben könnte.

Gregor Gysis jüngste Kampfansage an das Vermächtnis des deutschen Friedensstaates DDR, dessen Wirken durch die Lehren von Marx, Engels und Lenin inspiriert wurde, bezweckt inhaltlich eine definitive Absage an den Marxismus als theoretisches Denkgebäude und Anleitung zum praktischen Handeln all jener Kräfte in der Welt, die tatsächlich sozialistische Ziele verfolgen.

Mag dieser neue Kehraus auch den Boden für die Aufnahme in eine künftige Koalitionsregierung mit der SPD und den Grünen auf Bundesebene bereiten - er wird bei allen am Marxismus Festhaltenden auf entschiedene Gegenwehr stoßen.

Klaus Steiniger

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Vorfreude auf einen neuen Sozialismus

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Karl und Rosa - zwei unvergessene Helden des deutschen Proletariats Trotz alledem!

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Henri Barbusse: "Einer hat sein Antlitz über den Krieg erhoben."

Das welthistorische Nein

Am 2. Dezember 1914 stimmte Karl Liebknecht als einziger Abgeordneter im Reichstag gegen die Bewilligung weiterer Kriegskredite. Während die Vertreter aller Fraktionen sich von ihren Plätzen erhoben und damit ihre Zustimmung bekundeten, blieb Liebknecht sitzen. Der Reichstagspräsident mußte feststellen, daß die Kredite gegen die Stimme des Abgeordneten Karl Liebknecht angenommen worden waren. Seine Begründung durfte dieser nicht mündlich vortragen. Daher gab er sie zu Protokoll. "Dieser Krieg", schrieb er, "den keines der beteiligten Völker selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarkts, um die politische Beherrschung wichtiger Siedlungsgebiete für das Industrie- und Bankkapital." Die Erklärung durfte nicht in das stenographische Protokoll der Sitzung aufgenommen werden.

Anläßlich des 100. Jahrestages des Beginns des Ersten Weltkrieges fand der Kampf gegen ihn nur geringe Erwähnung. Auch von seiner systematischen Vorbereitung durch die imperialistischen Mächte, vor allem Deutschland, war oftmals keine Rede. Die Welt sei in die "Urkatastrophe" hineingeschlittert, wurde behauptet.

Liebknechts Worte sind 100 Jahre später immer noch aktuell. Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges hat es auf der Erde keinen Tag Frieden gegeben. Von Kriegen ist gegenwärtig die ganze Welt erfaßt, denn auch australische Truppen beteiligen sich an militärischen Aktionen. Der Unterschied zum Ersten und Zweiten Weltkrieg besteht im wesentlichen darin, daß die überfallenen Staaten in der Regel nicht in gleicher Weise zurückschlagen können, so daß die Bevölkerung der Aggressormächte in relativem Frieden lebt.

"Einer hat dennoch sein Antlitz über den Krieg erhoben, und es wird einst leuchten in der Schönheit und der Bedeutung seines Mutes", schrieb der französische Schriftsteller Henri Barbusse 1916 in seinem Roman "Das Feuer" über Karl Liebknecht. Der Publizist Sebastian Haffner nannte ihn den mutigsten Mann Deutschlands.

Bereits in der Sitzung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion am 3. August 1914 hatte Karl Liebknecht für die Ablehnung der ersten Kriegskreditvorlage gekämpft, brachte aber nur eine Minderheit von 14 Stimmen auf seine Seite. 78 Sozialdemokraten stimmten dafür. Liebknecht glaubte zunächst noch an eine vorübergehende Verwirrung in der Fraktion, die angesichts des eindeutigen Charakters des Krieges bald der besseren Einsicht weichen und zu einer kriegsgegnerischen Haltung führen müsse. Deswegen und weil er die Einheit der Partei als kostbares Gut schätzte, stimmte er am 4. August 1914 noch nicht gegen die Kriegskredite. Versuche von Liebknecht und anderen, Protestversammlungen einzuberufen, blieben ergebnislos.

Auf einer sozialdemokratischen Veranstaltung, die am 21. September 1914 in Stuttgart stattfand, wurde Kritik an Liebknechts Haltung im August geübt, weil er sich dem Fraktionszwang gebeugt habe. Karl Liebknecht bekannte in seinen Schlußbemerkungen, daß ihn die Kritik im Innersten erschüttert und zugleich erfreut habe. Die Genossen wären im Recht, wenn sie ihm den Vorwurf machten, sein Nein nicht in den Sitzungssaal hinausgeschrien zu haben. Das sei ein schwerer Fehler gewesen. Er versprach, in Zukunft einen kompromißlosen Kampf gegen den Krieg zu führen.

Kurze Zeit später stellte er fest: "Im Dezember ging ich dann, die programmzerstörerische Parteidisziplin zum Teufel jagend, zur öffentlichen Ablehnung der Kriegskredite im Plenum des Reichstags über."

Zur Ehrenrettung der internationalen Arbeiterbewegung muß darauf hingewiesen werden, daß die Bolschewiki in Rußland, die Partei der Engherzigen in Bulgarien, die niederländischen Tribunisten, die Serbische Sozialdemokratische Partei und anfangs auch die Italienische Sozialistische Partei einen konsequenten Antikriegskampf geführt haben.

In Deutschland folgten bald einzelne Sozialdemokraten Karl Liebknechts Beispiel. Am 26. März 1915 lehnte der SPD-Abgeordnete Otto Rühle gemeinsam mit ihm die dritte Kriegskreditvorlage ab. Am 21. Dezember 1915 folgten 18 sozialdemokratische Mandatsträger diesem Beispiel. Gerade heute hat die Erinnerung an Karl Liebknechts Kampf gegen Militarismus und Krieg besondere Bedeutung. Es verwundert nicht, daß der Antrag der Partei Die Linke, Liebknechts mutige Tat durch eine Gedenktafel am Reichstagsgebäude zu würdigen, abgelehnt wurde. Für ihre Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914 muß sich die deutsche Sozialdemokratie schämen, auch wenn der Parteivorsitzende Gabriel das in Abrede stellt. Vielleicht wäre die Weltgeschichte anders verlaufen, wenn die SPD als stärkste Fraktion im Reichstag dem Beginn des Völkermordens nicht zugestimmt hätte.

Es gibt eine Reihe weiterer Beispiele für verhängnisvolles Handeln von Sozialdemokraten. 1998 lautete die SPD-Forderung zu den Bundestagswahlen "Kohl muß weg!". Es sollte einen inhaltlichen Politikwechsel geben. Kohl verschwand, doch alles blieb beim alten.

Als die Sozialdemokraten 1914 den Kriegskrediten zustimmten, waren sie noch in der Opposition. 1999, als sie mit den Grünen die Regierung stellten, sprachen sie sich für die erstmalige Beteiligung der BRD an einer völkerrechtswidrigen Aggression aus: dem Überfall auf Jugoslawien.

Die Partei Die Linke ist derzeit die einzige Antikriegspartei im Bundestag. Doch es gibt immer wieder Versuche einzelner ihrer Abgeordneten, von dieser Linie abzuweichen. So stimmte die Bundestagsfraktion im April 2014 erstmals nicht mehr geschlossen gegen militärische Auslandsoperationen, als es um die Entsendung einer BRD-Fregatte ins Mittelmeer ging, die ein US-Kriegsschiff abschirmen sollte, auf dem chemische Kampfstoffe aus Syrien vernichtet wurden. Vier Abgeordnete sprachen sich dafür aus. Trotz der vom Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi empfohlenen Stimmenenthaltung entschieden sich die meisten Abgeordneten in voller Übereinstimmung mit dem Erfurter Programm der Partei für ein klares Nein.

Dr. Kurt Laser

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Ein Geithainer Genosse der Linkspartei zur Erklärung vom 8. November

Empörung an der Basis

Über große Teile der Erklärung vom 8. November 2014 "Brücken bauen - Zeit für eine neue Erinnerungspolitik" bin ich empört.

Mitglied der Partei Die Linke, trage ich mich mit dem Gedanken, sie wegen dieser Erklärung zu verlassen. Ist das gewollt? Wird damit die Absicht verfolgt, Kommunisten und Linkssozialisten loszuwerden?

Zwischen wem sollen "Brücken" gebaut werden? Sicher nicht zwischen uns Ost-Linken und jenen West-Linken, welche die DDR als Alternative zum westdeutschen Kapitalismus betrachteten. Und auch gewiß nicht zwischen der Führung und zahlreichen Mitgliedern unserer Partei, denen der Marxismus-Leninismus für eine konsequent linke Partei und ihr Handeln in Deutschland nach wie vor unverzichtbar ist. In beiden Fällen wäre die Erklärung kontraproduktiv. Wenn aber Brücken gebaut werden sollen zwischen der Bourgeoisie Deutschlands und der Partei Die Linke, dann wären wir endgültig auf dem Weg, uns überflüssig zu machen und damit eine wichtige Partei im politischen Spektrum der BRD verschwinden zu lassen. Dasselbe trifft zu, wenn es darum gehen sollte, Brücken zu anderen etablierten Parteien der BRD zu bauen.

Die Anbiederung an ehemalige Bürger der DDR, die Gegner dieses sozialistischen Landes waren, wird uns keinen Sonderbonus bei ihnen einbringen und sicher nicht dazu führen, daß sich unsere Wählerschaft vergrößert. Man liebt den Verrat, jedoch nicht den Verräter. An diese Binsenweisheit möchte ich erinnern.

Wir sollten vielmehr daran arbeiten, ein eigenständiges, unverwechselbares sozialistisches Profil unserer Partei zu schärfen, das den demokratischen Sozialismus als Endziel unseres Kampfes um die Herzen und Hirne der Menschen sieht. Dazu gehört zuallererst, daß wir auf keinen Fall das Vokabular bürgerlicher Geschichtsfälscher verwenden!

Seit Gründung der BRD und der DDR im Jahre 1949, besonders aber seit den 70er Jahren, gab es keine "innerdeutsche Grenze". Es existierten zwei von der UNO und der übergroßen Mehrheit der Staaten der Erde anerkannte deutsche Republiken - die DDR und die BRD.

Unter "Revolution" verstehe ich die Ablösung einer Gesellschaftsformation durch eine andere im Marxschen Sinn der Höherentwicklung. Beim Rückfall der DDR in die Barbarei des Kapitalismus kann man nicht von einer Revolution sprechen. Zudem wurde der Ruf der Demonstranten "Wir sind das Volk" nicht unwesentlich durch die Manipulation aus dem Westen, auch durch das Wirken westdeutscher Geheimdienste in der DDR, zum Ruf "Wir sind ein Volk".

Mit Sabotageakten gegen die Volkswirtschaft der DDR vom Beginn ihrer Existenz an bis zu ihrem Untergang und dem Mord an zahlreichen Menschen, die unser Land vor solchen Anschlägen zu schützen hatten, wurden mit Duldung staatlicher Stellen der BRD oder organisiert von ihnen Verbrechen in der DDR begangen! Die Akteure rühmen sich heute offen ihrer Taten und werden in den Medien als "Helden" gefeiert. Nach dem Umsturz von 1989 wurden sie amnestiert und rehabilitiert. Von ähnlichen Verbrechen durch die DDR habe ich keine Kenntnis.

Die Lebensleistung vieler Menschen aus der DDR wird heute nicht nur bei Lohn- und Rentenzahlungen mißachtet. Zahlreiche Bildungsabschlüsse der DDR wurden nicht anerkannt. Wo bleibt hier die Entschädigung der Opfer? Verleumdete Biographien führten zu zahlreichen psychischen Schäden und nicht wenigen Suiziden.

Der Begriff "Unrechtsstaat" ist kein wissenschaftlicher Begriff, sondern allein von politischen Interessen geprägt. Zur Zeit wird er in Deutschland als Kampfbegriff verwendet, um die DDR zu delegitimieren und letztlich so zu verunglimpfen, daß es keinem mehr einfällt, den Sozialismus als Alternative zum Kapitalismus zu erkennen, geschweige denn anzustreben.

Verwenden auch wir ihn, ohne zu sagen, was wir darunter verstehen, graben wir uns selbst das Wasser ab.

Außerdem sind "freie Wahlen" nicht die einzige "grundlegende demokratische Legitimation" für einen "Rechtsstaat" und wie wir im täglichen Leben spüren, bedeutet "Rechtsstaat" noch lange nicht gleiches Recht für alle. Der Begriff "geschichtspolitische Rosinenpickerei" verharmlost unserer Meinung nach die Umdeutung der Geschichte durch die "Sieger" in ihrem Sinne.

"Friedlich" war der Umsturz in der DDR in erster Linie deshalb, weil der Staat seine Machtinstrumente nicht mit letzter Konsequenz, d. h. mit der Gewalt seiner bewaffneten Kräfte, eingesetzt hat - letztlich auch durch das besonnene Handeln der Angehörigen der Grenztruppen, der Zollverwaltung und des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Allein schon daran wird das humanistische Wesen des sozialistischen Staates DDR sichtbar. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Niederschlagung progressiver Entwicklungen, die durch das Militär des Kapitals in Indonesien und Chile erfolgte.

Wir waren auch deshalb das bessere Deutschland, weil in der DDR die Grundlage für die Ausbeutung des Menschen beseitigt wurde und dieses kleine Land einen großen Beitrag dazu leistete, in Europa den Frieden zu erhalten. Die DDR setzte sich in Wort und Tat gegen Kriege in der Welt ein. Sie lebte den Gedanken des friedlichen Miteinanders und der Solidarität. Es wurde konsequent entnazifiziert. Antifaschismus war Staatsdoktrin. Unser Land nahm den Schwur "Nie wieder Faschismus. Nie wieder Krieg!" ernst.

Wenn wir von Aufarbeitung reden, müssen wir zugleich fordern, daß der Staat BRD seine Fehler und Verbrechen eingesteht, die Täter zur Verantwortung zieht, die Opfer aber rehabilitiert und entschädigt. Zu nennen wären hier als Beispiele die schnell wieder abgebrochene Entnazifizierung, die Verfolgung von Kommunisten, linken Sozialdemokraten und kapitalismuskritischen Gewerkschaftern, die Berufsverbotspraxis sowie die Beteiligung an Kriegen.

Neue Erinnerungskultur verlangt aber auch die unbedingte Verfügbarkeit aller Quellen. Erst wenn auch bei Ämtern und Geheimdiensten der BRD die Archive geöffnet werden, wie das im Falle des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR geschehen ist, kann sich eine echte Erinnerungskultur entwickeln.

Zuletzt möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß ich keinesfalls jenen danke oder sie würdige, welche dazu beitrugen, daß aus einem (wenn auch unfertigen, mit Fehlern und Mängeln behafteten) Land mit gesamtgesellschaftlichem Eigentum an Produktionsmitteln ein gesellschaftlich rückwärtsgewandtes, kapitalistisches Land mit Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, Armut und Großmachtansprüchen wurde.

Bernd Gnant, Geithain

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Kommentar eines standhaften Lüneburger Sozialisten

Absage an das Erfurter Programm

Sie hatten am 9. November beim Jubelfest der "Mauerfall"-Enthusiasten unbedingt mitfeiern wollen, obwohl es sich dabei um die bisher brutalste Propagandaschlacht der BRD zur öffentlichen Austilgung antikapitalistischer Ideen handelte. De facto wurde mit der verleumderischen These vom "Unrechtsstaat DDR" einmal mehr die berüchtigte Totalitarismusdoktrin von den beiden vergleichbaren Diktaturen in das Vokabular der PDL eingeschleppt.

Was die traditionellen Parteien der Bourgeoisie und die mit ihnen koalierende SPD von der Linkspartei halten, ließen sie Biermann von sich geben. Der abgewrackte Bänkelsänger bezeichnete die einzige antifaschistische Friedenspartei im Bundestag als "elenden Rest dessen, was wir zum Glück überwunden haben".

Während Gysis Bundestagsrede am 7. November noch in Unkenntnis dieser bodenlosen Infamie entworfen worden war, spitzte man den Konflikt schon am folgenden Tag mit einer nichtautorisierten Presseerklärung auf empörende Weise zu. Darin wurde der Untergang des realen Sozialismus de facto mit dem Satz bejubelt, es sei auch "an der Zeit, vor allem jenen zu danken, die damals die Mauer von Ost nach West zum Einsturz brachten".

Man müsse die Menschen würdigen, welche "den politischen, ökonomischen und sozialen (!) Wandel gestaltet haben". Hinter der sanften Formulierung vom Wandel verbergen sich die durchgängige Privatisierung von Volkseigentum, der radikale Abbau sämtlicher Errungenschaften der Werktätigen, eine alles durchdringende Korruption, deutsche Teilnahme an Aggressionskriegen, faschistische Umtriebe und imperialistische Expansion.

Der soziale Wandel, der in der Rückkehr zum Kapitalismus besteht, war in Wirklichkeit eine von den meisten Menschen weder sofort noch später durchschaute Konterrevolution. Die Erklärung, "Wie kein zweiter Tag erinnert uns der 9. November daran, welche Spuren die Geschichte ... in Deutschland hinterlassen hat, Spuren des Unrechts und der Gewalt" diente ebenfalls der Verschleierung. Um den Fall der Mauer "historisch einzubetten", wurden auch die antisemitischen Pogrome der Faschisten, die sich an jenem Tag ereignet hatten, im selben Atemzug erwähnt. Es gelte, unter Zurückweisung "beider Diktaturen" den "großen und kleinen Tätern auf der Spur" zu bleiben und Frauen und Männer der Dissidenz (!) wie des Widerstandes gleichermaßen zu ehren.

Das Geschichtsbild von Verfechtern der Totalitarismusdoktrin - die Gleichsetzung von Sozialismus und Naziherrschaft - gipfelt in der Aufforderung, Personen wie Gauck, Biermann, Kohl, Gorbatschow und ihresgleichen im Rahmen staatlicher "Aufarbeitung des SED-Unrechts" zu ehren.

Andererseits sei jegliche Zusammenarbeit mit "Leugnern und Verharmlosern" in den eigenen Reihen aufzukündigen.

Die Kapitulation in Thüringen war demnach kein regionaler Zufall, sondern Teil der Gesamtstrategie. Eine "neue Erinnerungspolitik" sei angesagt. Die "Verantwortung für Menschen in anderen Ländern, die ebenfalls die Freiheit anstreben", tritt an die Stelle der in der deutschen Arbeiterbewegung fest verankerten Idee des proletarischen Internationalismus.

Eigentliche Absicht ist die Delegitimierung marxistischen Gedankenguts. Doch eine PDL, die sich unter Zurücknahme der eindeutig antikapitalistischen und auf die Verteidigung des Friedens gerichteten Aspekte des Erfurter Programms (Präambel und Kapitel II) am "Suchprozeß für eine sozialere, gerechtere und demokratischere Gesellschaft" weiterhin beteiligen will, erklärt den bürgerlichen Parlamentarismus in seiner jetzigen Ausprägung unter den Bedingungen der "Nachwende-BRD" mit all ihren Grundgesetz-Deformationen zur Ultima ratio des "Rechtsstaates". Ein abstraktes, klassenindifferentes Recht aber gibt es nicht. Seit den Tagen von Marx und Engels wissen wir, daß das Recht immer nur der "zum Gesetz erhobene Wille der jeweils herrschenden Klasse" ist. Staat und Recht sind stets an konkrete Interessen gebunden. Marxistische Restformulierungen werden bei dieser fundamentalen Abkehr vom revolutionären Gedankengut der internationalen Arbeiterbewegung zu Luftschlössern bürgerlicher Phantasie und reiner Makulatur.

Die vermutlich durch Gysi initiierte Presseerklärung der ja offiziell aus einem Trio bestehenden Parteiführung, in dem man sich unterschiedliche Positionen durchaus vorstellen könnte, ist als politische Bankrotterklärung und Gipfel der Anbiederung, nicht aber als gültige Basismeinung jener Partei zu betrachten, welcher auch ich angehöre.

Der Weg prinzipienloser Koalitions- und Pöstchenhascherei führt mittel- oder langfristig in die völlige Bedeutungslosigkeit. Durch Wähler- und Substanzverluste, wie sie bereits in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Brandenburg massiv aufgetreten sind, könnte unter solchen Bedingungen der PDL irgendwann das Schicksal der FDP drohen, die viele ihrer Anhänger angesichts gebrochener Versprechen sowie infolge von Wahlmüdigkeit und Parteiverdrossenheit verloren hat.

Es fragt sich, ob der arrogante und eigenmächtige Kurs gewisser PDL-Funktionäre sowie der Wunsch nach öffentlicher Wertschätzung allein auf Unkenntnis einer tonangebenden "Elite" beruhen. Handelt es sich hier aber um das Begehren ambitiöser Postenjäger, die Tricks und Hinterhältigkeiten bourgeoiser Politiker nachzuvollziehen, um den durch eine Konterrevolution zur Wiederherstellung bereits überwundener gesellschaftlicher Zustände herbeigeführten Untergang der DDR mitzufeiern, dann hat das mit irgendeiner Art von Sozialismus nicht das geringste zu tun.

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

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Marxistische Auseinandersetzung mit der "Transformationstheorie"

Eine Sackgasse als Ausweg?

Im vergangenen Herbst hat sich unser Parteizirkel "Rote Runde" in Eisenhüttenstadt mit der Transformationstheorie auseinandergesetzt. Dazu gab eine Genossin den Hauptinhalt des Buches "Das Morgen tanzt im Heute" von Prof. Dr. Dieter Klein wieder. Ich hatte den Auftrag, einen Gegenstandpunkt darzulegen.

Prof. Kleins Transformationstheorie halte ich für einen gefährlichen Irrweg. Sie hat schon in den zurückliegenden Jahren erheblichen Schaden angerichtet. Die Politik der Regierungsbeteiligungen, die vor allem auf den von ihm und den Brüdern André und Michael Brie entworfenen theoretischen Auffassungen beruht, hat die Parteien all jener Länder, in denen sie praktiziert wurde, zurückgeworfen und errungene Positionen zunichte gemacht. Im folgenden konzentriere ich mich auf Prof. Kleins Thesen zur Konzeption der doppelten Transformation und zur Rolle des Staates, der angeblich kein Machtinstrument der herrschenden Klasse mehr sein soll.

Kein vernünftiger Genosse der Partei Die Linke wird in Abrede stellen, daß man sich für Reformen im Interesse der Bürger einsetzen muß. Dennoch dichtet man den Marxisten innerhalb der Partei seitens des Forums demokratischer Sozialismus (FdS) Reformfeindlichkeit an. Partiell hat die Partei mit ihren Reforminitiativen ja auch Fortschritte erreicht. Doch in den wirklich bedeutenden gesellschaftlichen Fragen konnte kein Durchbruch erzielt werden. Das betrifft vor allem die Nichtbeteiligung der Bundeswehr an militärischen Einsätzen außerhalb der BRD, die Abschaffung der Hartz-IV-Gesetze sowie dringende Maßnahmen auf dem Gebiet des Umweltschutzes.

Am 25./26. Oktober 2014 stellte das ND in der Rubrik "Standpunkt" folgendes fest: "Kohle- und Wirtschaftslobby haben im Vorfeld (des EU-Gipfels - K. H.) sehr viel Druck ausgeübt, um ambitionierte Klimaziele ... zu verhindern." Schon in der ersten Stufe der vermeintlichen Transformation stoßen wir also auf harte Grenzen, die durch das Kapital gesetzt werden. Teilerfolge lassen sich nur erzielen, wenn es gelingt, große Mehrheiten der Bürger für Reformziele zu gewinnen. Aber wie soll das funktionieren, wenn Die Linke nach jeder Regierungsbeteiligung an Zustimmung verliert? Hinzu kommt ja, daß die öffentliche Meinung nicht durch uns bestimmt wird.

In einer zweiten Stufe der Transformation würde das noch schwieriger, da sie - der Vorstellung nach - die Macht des Großkapitals tangiert. Wer glaubt denn ernsthaft daran, daß dieses seine Positionen untergrabende Reformen durchgehen ließe! Das Gegenteil ist der Fall: Wenn es hart auf hart kommt, wird das Kapital seine Interessen rücksichtslos verteidigen. Wie das läuft, wurde ja 1973 in Chile demonstriert.

"Eher als die einst erstrebte Enteignung aller wichtigen Privatunternehmen könnte es beispielsweise gelingen, etwa in den nächsten tiefen Finanzkrisen eine demokratische Kontrolle über die größten Finanzakteure ... durchzusetzen", errichtet Prof. Klein sein illusionäres Gedankengebäude. Das läßt mich auf die Rolle des Staates kommen. Wer hat denn den "Finanzakteuren" die Freiräume gerade für jene Maßnahmen überlassen, die zu der Krise führten, aus der wir noch keineswegs heraus sind? Und als die Krise "hereingebrochen" war, hat der Staat diejenigen gerettet, welche sie verursacht haben. Den Schaden mußten unzählige Bürger tragen, die nicht nur um ihre Einlagen betrogen, sondern aus deren Steuern dann auch noch die Verursacher entschädigt wurden.

Es ist doch bekannt, daß die Mehrzahl der Gesetze, die man den Bundestagsabgeordneten unterbreitet, in den Stäben der großen Konzerne ausgebrütet werden. Sie sind es, welche die Maßstäbe setzen! Wer möchte da noch bezweifeln, daß der Staat tatsächlich das Machtinstrument der herrschenden Klasse ist!

Zu sozialistischen Zeiten haben wir nicht verheimlicht, die Macht im Interesse der Werktätigen und gegen die Ausbeuterklassen zu nutzen. Das geschah mitunter zwar auf fehlerhafte Weise, doch wir waren in dieser Hinsicht absolut ehrlich.

Der bürgerliche Staat kann sich solche Wahrheitsliebe nicht leisten. Er preist seine Form der Demokratie als die einzig wahre an und gaukelt den Bürgern einen klassenindifferenten Rechtsstaat vor. Doch das Recht ist ein Machtinstrument der jeweils herrschenden Klasse. Die sogenannten Reformer leugnen das und stellen den Staat als zivilisatorische Errungenschaft dar. Daß Recht und Gerechtigkeit nicht miteinander identisch sind, haben wir seit 1990 erfahren müssen. Oder war die faktische Enteignung der Partei, bei der sogar die Beiträge der SED-Mitglieder vom kapitalistischen Staat eingestrichen wurden, etwa kein Willkürakt! Man hoffte dadurch auch der PDS den Boden entziehen zu können.

Um eine wirkliche gesellschaftliche Wende in Richtung auf einen Sozialismus zu erreichen, der den gewesenen an Qualität übertrifft, gibt es nur einen Weg: Das Großkapital muß entmachtet werden.

Das wird nicht einfach sein und erfordert ein geduldiges Ringen um Bündnisse für eine echte Wende. Diese dürfte nicht ohne Gewalt abgehen, womit nicht der alternativlose Einsatz militärischer Mittel gemeint ist. Auch die Waffe des Generalstreiks und ökonomische Instrumentarien gehören zum Arsenal.

Wer sich mit dem Problem näher befassen möchte, dem empfehle ich "Gewaltlosigkeit und Klassenkampf" aus der Feder von Prof. Dr. Herbert Meißner.

Auch Dr. Klaus Blessing hat sich in "Die sozialistische Zukunft" sehr prinzipiell mit der Transformationstheorie auseinandergesetzt. Ich fasse meine Auffassung zur Überwindung des Kapitalismus und zur Gestaltung eines neuen Sozialismus zusammen: 1. Er kann nur auf breiter demokratischer Basis und in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Bürger eines Landes errungen werden. Das erfordert eine geduldige und beharrliche Überzeugungsarbeit. Blinder Aktionismus führt nicht zum Ziel. Er dient letztlich nur der Erhaltung der bürgerlichen Gesellschaft. 2. Sozialismus ist allein durch Klassenkampf erreichbar. Dieser wird uns vom Kapital aufgezwungen. 3. Eine neue sozialistische Gesellschaft bedarf einer verläßlichen Orientierung. Marxistische Parteien müssen dabei überzeugende Ideengeber sein, was mit einer dekretierten "führenden Rolle" nicht gleichzusetzen ist. Der kapitalistischen Ideologie ist eine dynamische sozialistische Weltanschauung im marxistischen Sinne entgegenzusetzen, wobei für nationale Besonderheiten hinreichend Spielraum bleiben muß.

Obwohl zu diesem Thema noch viel zu sagen wäre, hoffe ich, genügend Anstöße für ein kritisches Überdenken der Transformationstheorie, die von einer reformerischen Umwandlung gesellschaftlicher Verhältnisse im Rahmen des bestehenden Systems ausgeht, gegeben zu haben.

Konrad Hannemann, Eisenhüttenstadt

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Neu erschienen

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Jeder Vergleich der DDR mit Nazi-Deutschland ist entschieden zurückzuweisen

Wortmeldung eines SPD-Genossen aus Niederbayern

Das Wort "DDR-Unrechtsstaat" vernahm ich zum ersten Mal im hessischen Landtagswahlkampf 2008, als Andrea Ypsilanti mit einer verabscheuungswürdigen Kampagne vieler Politiker (leider auch aus der SPD) und der Medien zu Fall gebracht wurde. Der Begriff "Unrechtsstaat" war bei mir mit den Genozid-Verbrechen Nazi-Deutschlands verbunden. Aber "Unrechtsstaat" DDR? Für mich stand damals fest: Die haben mit Gewißheit Menschen ermordet!

Am 21. November 2013 las ich in der FAZ, "ein gut getarntes Terrorkommando der britischen Armee soll auf dem Höhepunkt des Bürgerkriegs in Nordirland gezielt IRA-Kämpfer liquidiert haben. Zwischen Ende der 60er und Ende der 90er Jahre kamen etwa 3500 Menschen ums Leben, die meisten durch die militanten Untergrundorganisationen auf katholischer und protestantischer Seite. Etwa elf Prozent sollen von britischen Sicherheitskräften getötet worden sein." Für mich unfaßbar, 380 Menschen wurden von einem Terrorkommando der britischen Regierung getötet.

Ich dachte sofort, das sind doch Verbrechen eines Unrechtsstaates! Warum verwendet da keiner diesen Begriff? Und ich erinnerte mich wieder an die "DDR-Unrechtsstaats-Kampagne" im hessischen Landtagswahlkampf. Die müßten doch auch solche Verbrechen auf ihrem Konto haben mit Hunderten von Toten ...

Ich überlegte, wer mir hier kompetent Auskunft geben könne. Mir fielen nur die "Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR" ein. Also schrieb ich an sie in Berlin, Brandenburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Ich wies auf den Bericht in der FAZ hin und bat sie: "Bitte teilen Sie mir mit, ob vergleichbare Terroranschläge mit Tötung von Menschen durch die Stasi ausgeführt wurden. Wenn ja, bitte ich um Mitteilung, wie viele es belegbar gewesen sind."

Zu meiner Überraschung bekam ich von allen Landesbeauftragten Antwort. Zwei von ihnen konnten keine Auskunft geben und verwiesen mich an den Bundesbeauftragten.

Einer schrieb: "Tatsächlich war die Staatssicherheit an der Tötung von Personen beteiligt. Der bisher wohl bekannteste Fall betrifft Michael Gartenschläger, der im April 1976 an der innerdeutschen Grenze erschossen wurde. Wie Sie richtig betonen, müssen weitere Einzelheiten aus den Akten der Staatssicherheit ermittelt werden. Allerdings verwahren wir diese Akten nicht; sie befinden sich im Archiv des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU), der zudem über eine eigene Forschungsabteilung verfügt." Dieser Landesbeauftragte erhielt von mir noch folgende Notiz. "Auf Ihre Anregung hin habe ich mich mit dem Fall Gartenschläger befaßt. Die Kernaussage dazu ist, er sei von der Stasi, die im Hinterhalt auf ihn gelauert habe, ermordet worden. Ich ging vor ein paar Tagen wieder auf die Google-Such-Reise zum Thema "Schießbefehl". Hier bekam ich Informationen, daß Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre an der BRD-Westgrenze Dutzende Menschen, darunter auch Kinder und Jugendliche, erschossen wurden. Der Landesbeauftragte erwiderte darauf. "Da ich die angeführten Vorgänge nicht kenne, kann ich sie selbstredend nicht kommentieren. Zudem ist das Internet, wie Sie ohne Zweifel wissen, mitunter eine mehr als fragwürdige Informationsquelle." Ich teilte ihm mit, daß die Informationsquelle "Der Spiegel" sei und bekam keine Antwort mehr.

Ein anderer Beauftragter schrieb: "Wir haben zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen kein eigenes Forschungsprojekt bearbeitet. Daher möchte ich Sie bezüglich Ihrer Anfrage auf einen Artikel in der Zeitschrift 'Horch und Guck' hinweisen, der 2008 veröffentlicht wurde und im Internet abgerufen werden kann. Weiterhin empfehle ich Ihnen, sich mit Ihrer Anfrage direkt an die mit der Verwaltung der Stasi-Unterlagen betraute Behörde des Bundesbeauftragten zu wenden."

Ich habe mir den Artikel "Liquidierung = Mord?" der Zeitschrift "Horch und Guck" (die jährlich mit 65.000 Euro von der Bundesstiftung Aufarbeitung finanziell unterstützt wird) angesehen. Ich fand keine einzige Beschreibung einer tatsächlich ausgeführten Tötungshandlung. Nur Unterstellungen. Ein weiterer Landesbeauftragter meinte u. a., "Ich vermute mal, Sie sind der Meinung, die Verbrechen der Stasi würden aufgebauscht und das Unrecht in der westlichen Welt zugedeckt. Die Stasi hat keine Terrorkommandos losgeschickt, allerdings sind, soviel ich weiß, einzelne gezielte Tötungen auch inzwischen belegt." Ich fragte noch einmal nach und bekam folgende Auskunft: "Mit dem Satz 'Die Stasi hat keine Terrorkommandos losgeschickt', allerdings ..." habe ich doch Ihre Frage beantwortet!

Einen Landesbeauftragten ließ mein Bohren nicht in Ruhe. Er schrieb mir nochmals: "Die terroristischen Aktivitäten der DDR sind in zwei Bereiche zu gliedern: Erstens die offiziell politisch vertretenen (im staatlichen Auftrag) mit verborgenen Handlungsanweisungen. Zweitens strikt verborgene terroristische Aktivitäten, die vorwiegend vom MfS oder seinem Pendant in der Armee (NVA) durchgeführt worden sind und von der Planung her auch vor dem eigenen Apparat und Dienst verborgen wurden. Dennoch haben Sie insofern recht, daß die Tötung von echten oder vermeintlichen Gegnern kein bevorzugtes Machtmittel in der DDR war."

Am Ende erhielt ich doch noch eine Antwort von der Jahn-Behörde. Die beiden ersten Sätze sorgten für Klarheit. Sie schrieb mir: "Zu durchgeführten Tötungsanschlägen der Staatssicherheit in einer Größenordnung, auf die Sie Bezug nehmen, liegen uns keine Informationen vor, und sie sind auch in dieser Weise nicht anzunehmen. An tatsächlich durchgeführten (jedoch glücklicherweise fehlgeschlagenen Tötungsakten) ist bislang nur jener auf einen Fluchthelfer während einer Israel-Reise bekanntgeworden, der meist als Bouletten-Mord rezipiert worden ist."

Welches Fazit ziehe ich aus meinen Erkundigungen? Das Hauptquartier der Stasibehörde (BstU) und auch deren Landesgeschäftsstellen konnten mir keine Liste vorlegen, aus der zu ersehen war, daß die Staatssicherheit vergleichbare Terroranschläge - wie von britischen Sicherheitskräften durchgeführt - unternommen hätte. Präsentiert wurde außer dem dubiosen "Bouletten-Mord" lediglich der Fall Gartenschläger. Wie dieser zu bewerten ist, konnte man einem RF-Artikel von Ulrich Guhl entnehmen. Alles andere sind Spekulationen. Läge nur eine Liste mit - sagen wir - fünf Morden vor, die der Staatssicherheit anzulasten wären, hätte ich sie mit Gewißheit von allen sieben angeschriebenen Stellen bekommen.

Ich werde mich gegen jeden stellen, der versucht, die Verbrechen der Hitlerfaschisten durch Vergleiche mit der DDR zu verharmlosen. Das bin ich Gewerkschaftern, Sozialdemokraten, Kommunisten und anderen schuldig, die Widerstand gegen das Naziregime leisteten und dafür ihr Leben lassen oder in Konzentrationslagern Schweres erleiden mußten.

Johann Weber, Ruhstorf (Niederbayern)

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Die Reaktion des Klassenfeindes war das Unterscheidungsmerkmal

Zwei Bahnstreiks in Deutschland

Hier soll von zwei konträren Arbeitsniederlegungen bei der Bahn die Rede sein: einer im Klasseninteresse der Beschäftigten und einer anderen, die nur den Ausbeutern diente. Diese trug sich im Mai 1949 zu.

Dabei handelte es sich in Wirklichkeit um einen als Streik ausgegebenen Putsch, der zur Spaltung der Berliner Gewerkschaftsbewegung führte und die Existenzgrundlagen der zur sowjetischen Besatzungszone gehörenden Deutschen Reichsbahn in Westberlin zerstören sollte.

Die zweite - im Herbst 2014 - war ein in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte und der Chronik ihrer Gewerkschaftsbewegung bislang einmaliger Vorgang. Der wiederholte und mehrtägige Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) unter ihrem beherzten Vorsitzenden Claus Weselsky traf einen Lebensnerv des Kapitalismus und eine gigantische Profitquelle des die Deutsche Bahn AG kontrollierenden Staates BRD. Da aber auch Millionen Zugreisende negativ betroffen waren, hatten die gewerkschaftsfeindlichen Stimmungsmacher leichtes Spiel, ihren Rufmord gegen eine zwangsläufig unpopuläre Aktion und einen der seltenen Gewerkschaftsführer der BRD, der wirklich Arbeiterpositionen verteidigte, auf die Spitze zu treiben. Besonders empörte sie natürlich die ursprüngliche Festlegung, daß der Streik über den 9. November hinausgehen sollte, was ihnen obendrein auch noch die Petersilie ihrer Jubelfeier zum 25. Jahrestag des "Mauerfalls" verhagelt hätte.

Doch kehren wir noch einmal zu jenen Ereignissen zurück, welche sich vor fast 65 Jahren zutrugen. Sie wurden von ihren Drahtziehern und Hintermännern als "Berliner S-Bahn-Streik", vom klassenbewußten Teil der Arbeiterschaft und jenen, gegen die sich diese Aktion richtete, aber als UGO-Putsch bezeichnet. Da ich damals als FDJler und ganz junger Genosse der Westberliner SED bei der Erstürmung des von uns besetzten S-Bahnhofs Steglitz durch nach ihrem Präsidenten benannte Stumm-Polizisten - übrigens Seite an Seite mit meinem Schulkameraden Micha Benjamin - erste staatliche Prügel bezogen habe, darf ich als Zeitzeuge zum Sachverhalt folgendes aussagen: Nach der separaten Währungsreform vom 20. Juli 1948, die zur Einführung der D-Mark auch in Westberlin geführt hatte, geriet die in der ganzen Stadt (übrigens bis 1990!) operierende Deutsche Reichsbahn in arge Bedrängnis. Sie konnte ihre zahlreichen Westberliner Beschäftigten - mangels entsprechender Einnahmen und Reserven - nur zum Teil in D-Mark vergüten und mußte ihnen überwiegend Ost-Mark bezahlen.

Da ihnen der FDGB als einheitliche Gewerkschaftszentrale ganz Berlins ein Dorn im Auge war, dachten sich Antikommunisten aus Schumachers, Neumanns und Reuters SPD einen Trick aus, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Sie gründeten über Nacht die Unabhängige Gewerkschaftsopposition (UGO), die sofort zum Generalstreik bei der S-Bahn aufrief, um das ihnen verhaßte volkseigene Unternehmen Deutsche Reichsbahn finanziell fertigzumachen und es wenigstens im Westteil der Stadt "den Russen zu entreißen".

Der UGO-Putsch stieß ins Leere. Für die Bezahlung der Reichsbahnbeschäftigten, die zur Zeit der US-"Luftbrücke" wie auch andere Westberliner im Osten rationierte Lebensmittel einkaufen konnten, wurde eine angemessene Übergangslösung gefunden.

Der Vollständigkeit halber sei noch berichtet: Meine "Karriere" am Steglitzer Gymnasium war damals beendet. Nach Empfang einer entsprechenden Polizeiinformation legte mir dessen Direktor nahe, den Schulbesuch doch besser in Ostberlin fortzusetzen, während ein UGO-Mob tagelang unser Haus belagerte.

Ich erzähle das Ganze nur deshalb, weil es in jenen Tagen für die Medien des sich neu formierenden deutschen Kapitals kein anderes Jubelthema gab als den "grandiosen Bahnstreik gegen die Kommunisten". Die Bourgeoisie überschlug sich geradezu in "Solidaritätsbekundungen" für die Arbeiter. Sie übte sich dabei im Gebrauch ihr völlig wesensfremder Vokabeln.

Als aber Weselskys GDL - von gewissen "Gewerkschaftern" konsequent im Stich gelassen und den Hyänen des Mediendschungels zum Fraß vorgeworfen - sechseinhalb Jahrzehnte später den Kragen hochstellte und, ohne jemals dieses Wort zu gebrauchen, eindeutig Klassenpositionen bezog, brach die Hölle los.

Warum? Weil sich bei der GDL, aber auch bei ver.di und in einigen anderen Verbänden erste Vorboten einer neuen Qualität der BRD-Gewerkschaftsbewegung gezeigt haben.

Zwei Bahnstreiks in Deutschland. Doch nur einer verdient diesen Namen. Die Reaktionen des Klassenfeindes sind als verläßliches Unterscheidungsmerkmal zu betrachten.

Klaus Steiniger

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Für freimütige Debatten über Zukunftsmodelle

Leider erhalte ich erst seit kurzer Zeit den "RotFuchs". Es ist mir ein Bedürfnis, der Redaktion, den vielen Autoren und allen Mitwirkenden für den Mut und die hohe Qualität der Zeitschrift zu danken. In dieser komplizierten Welt ist es unabdingbar, solche sachlich fundierten Informationen zu erhalten, wie sie von Ihnen zur Verfügung gestellt werden.

Wir leben unter Bedingungen einer manipulierten Informationspolitik, die nur darauf gerichtet ist, die Macht des Kapitalismus zu sichern und die Menschen vom Erkennen der wahren Hintergründe des Geschehens fernzuhalten. Ich war und bin davon überzeugt, daß der Sozialismus erstmals im historischen Verlauf dazu in der Lage gewesen wäre, die Hauptursachen der verhängnisvollen globalen Entwicklungen zu beseitigen, die allein im Kapitalismus zu suchen sind.

In Diskussionen mit Freunden und Bekannten stelle ich immer wieder fest, daß Verunsicherung, ja auch Angst vor der Zukunft mehr und mehr das Denken und Handeln der meisten Menschen prägen. Oftmals herrscht Resignation, die sich nicht zuletzt in Politikmüdigkeit offenbart. Ein Ausdruck dafür ist die geringe Beteiligung an Wahlen.

Ein früherer Mitstreiter beim Aufbau des Sozialismus in der DDR hält nur noch die derzeitige Gesellschaftsordnung für möglich, wobei er in einem Schreiben an mich allerdings einräumt: "Die heutige Realität, geprägt von hoher Wirtschaftskraft, erinnert mich dennoch immer an das Ende der DDR: Fast alle sind sich einig, daß es so, wie es ist, nicht weitergehen kann, doch keiner sagt, was zu tun ist."

Beim Lesen Ihrer Zeitschrift fällt mir auf, daß Geschichte und Gegenwart den Schwerpunkt bilden, was ich für enorm wichtig halte. Dennoch bleibt für mich die Frage: Welche Perspektive bieten wir den Heranwachsenden?

Reicht die Auseinandersetzung über das Für und Wider bisheriger philosophischer Modelle und Gesellschaftsordnungen aus? Ich würde mir wünschen, wenn Erörterungen zu diesem Thema auch im "RotFuchs" einen höheren Stellenwert erhielten. Dabei bin ich mir darüber im klaren, daß eine freimütige Debatte darüber zu inhaltlichen Auseinandersetzungen führen könnte. Aber gibt es einen anderen Weg als einen solchen Dialog?

1948 wurde die Charta der Menschenrechte verkündet. Es war richtig, sie als Handlungslinie der Völkergemeinschaft zu definieren. Aber werden die Menschenrechte nicht auch von derzeit Herrschenden angemahnt, denen es in Wirklichkeit nur um ihre Machtinteressen geht? Und um noch mehr Geld für die Reichen, noch weniger für die übergroße Zahl der Armen. Artikel 1 der Charta lautet: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen."

Doch wo stehen wir heute tatsächlich? Gilt dies auch für die Palästinenser oder für die einstigen Bürger der DDR, die seit 1990 in einem nie gekannten Ausmaß enteignet wurden? Und was ist mit den Menschen in Asien und Afrika, die für Löhne schuften müssen, welche nicht einmal ausreichen, ihre nackte Existenz zu sichern? Was ist mit den Millionen und aber Millionen Jugendlichen ohne Arbeit, Ausbildung und Perspektive in vielen kapitalistischen Ländern? Wo liegen die Grenzen für das Wüten der Konzerne, die pausenlos Wälder abholzen, die Weltmeere verunreinigen und die Luft verpesten? Und wie steht es mit dem Verhalten der USA, der EU und der NATO gegenüber Rußland? Wie sind die weltweiten Waffenexporte der BRD einzuordnen?

Auf der einen Seite stehen die 30 Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, auf der anderen die weltweite Realität.

Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, mit Hilfe Ihrer Zeitschrift eine wirkliche Diskussion über Zukunftsmodelle der menschlichen Gesellschaft zu führen. Bitte betrachten Sie meine Zeilen als einen Standpunkt unter vielen, der dazu beitragen soll, die Debatte zu dieser äußerst komplizierten Problematik anzuregen.

Dr. Dieter Müller, Dresden

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Ein junger Philosoph zur nationalen Frage

Es gibt derzeit ein gewaltiges Konfliktpotential in der Welt, welches nicht nur die konträren Interessen der Staaten und Klassen widerspiegelt, sondern auch den regionalen Separatismus ins Kraut schießen läßt.

Die Unabhängigkeitsbekundungen artikulieren sich zumeist als Gegensatz zu den jeweils im gesamtnationalen Rahmen staatstragenden Kräften, die - wie in Katalonien oder Teilen Italiens - nicht grundlos beschuldigt werden, der Entwicklung einzelner Regionen Hindernisse in den Weg zu legen. Zur imperialen Machtbehauptung ist die Destabilisierung und Spaltung strukturschwacher Staaten stets ein adäquates Mittel, was sich zuvor in Kongo oder Sudan vollzog und heute in Syrien, Irak und Libyen beobachten läßt.

Doch trifft das auch auf Staaten wie Großbritannien und Spanien zu, in deren Grenzen regionale Autonomiebestrebungen nicht in erster Linie auf äußere Machteinflüsse zurückzuführen sind? Kann man diese aus unserer Klassenposition begrüßen?

Marx kritisierte an Hegels Rechtsphilosophie, sie sähe nur die subjektive Seite der Weltgeschichte, nicht aber die objektive, welche durch die sozialökonomischen Verhältnisse bestimmt wird.

Die genauere Ausarbeitung dieses theoretischen Ansatzes finden wir später in der "Deutschen Ideologie", wo Marx das theoretische Fundament seiner Theorie von Basis und Überbau skizziert. Der Überbau, zu dem der Staat gehört, erhebe sich auf dem Fundament einer gleichgearteten ökonomischen Basis, die indes weitgehend ausgereift sein müsse, wobei der Überbau auf die Basis in dialektischer Weise einwirke. Die bürgerliche Revolution kämpfte in der Epoche der Aufklärung nicht grundlos für die Formierung des Nationalstaates und das Ende der Vielstaatlerei. Sie tat das aus ökonomischen wie aus praktischen Gründen.

In seiner Schrift "Marxismus und nationale Frage" bezeichnete Stalin die Nation als "eine historisch entstandene Gemeinschaft von Menschen". So wäre es ein Fehler, nationalen Separatismus grundsätzlich und für sich genommen als eine dem Fortschritt dienende Kategorie zu betrachten.

Auf die heutigen Verhältnisse angewandt, ergibt sich aus meiner Sicht für Marxisten, die bekanntlich national verwurzelt und zugleich proletarische Internationalisten sind, folgende Position: Die Nation muß als historische Errungenschaft des bürgerlichen Zeitalters, welche der Imperialismus durch seine Dynamik zu zerstören droht, verteidigt werden. Abtrennungsbestrebungen sollte man stets konkret analysieren. Im Falle reaktionärer oder sogar faschistischer Bedrohung wie derzeit in der Ostukraine sind sie als zeitweiliges, zum eigenen Überleben notwendiges Mittel zu unterstützen. Eine auf Dauer ausgerichtete Kleinstaatlerei aber wäre historisch rückschrittlich und diente nur dem Imperialismus, auf dessen Überwindung unser gesamter Kampf gerichtet ist.

Nico Jühe, Wuppertal

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Ketzerisches Lied eines römisch-katholischen Moraltheologen

"O Heiland, reiß die Himmel auf !"

O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab, vom Himmel lauf!
Reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloß und Riegel für!

O Gott, ein' Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.

O Erd', schlag aus, schlag aus, o Erd',
daß Berg und Tal grün alles werd'!
O Erd', herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring!

Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all' ihr' Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm tröst uns hier im Jammertal!

O klare Sonn', du schöner Stern,
dich wollten wir anschauen gern.
O Sonn', geh auf, ohn' deinen Schein
in Finsternis wir alle sein.

Hier leiden wir die größte Not,
vor Augen steht der ewig' Tod;
ach komm, führ uns mit starker Hand
vom Elend zu dem Vaterland!


Wieso ist dieses Lied ketzerisch? Es verherrlicht doch den Heiland Jesus, das Heil der Welt?

Der Dichter nimmt den Kampf mit der römischen Kirche auf, die in ihrer scholastischen Weltsicht von der Dreiteilung des Kosmos ausgeht. Danach ist die Welt eine Art "Torte" und besteht aus den drei Schichten: der Unterwelt ("Hölle"), der Menschenwelt ("Erde") und der Oberwelt ("Himmel"). Das Leben der Bewohner der Menschenwelt wird von der staatlichen Gewalt über die Leiber und von der kirchlichen Gewalt über die Seelen gelenkt.

Die staatliche Obrigkeit sorgt für die Sicherheit der äußeren Ordnung, für den Schutz von Handwerk und Gewerbe, die kirchliche für die Einhaltung der religiösen Regeln, von Sitte und Brauch sowie für die Reinigung der Seelen. Die allseits lauernden Gefahren, die aus der Unterwelt (Anschläge des "Teufels") in die Menschenwelt dringen, verführen die Gläubigen zur Sünde in ihren verschiedenen Formen. Davon aber können sie gereinigt werden, wenn sie das Amt der Beichte einhalten. Die beamteten, von der Oberwelt ("Gott, Christus, Heiliger Geist, Engel, Gottesmutter, Heilige") gesegneten Priester haben die Kraft, den Menschen ihre Sünden zu vergeben und sie auf den Weg bis ans Lebensende immer wieder frei zu machen, so daß sie nach ihrem Tod ebenfalls in die Oberwelt gelangen können, um sich mit Christus, den Engeln und Erzengeln dieser himmlischen Gemeinschaft erfreuen zu können. Der erste Apostel Petrus, der die Schlüssel zu Himmel und Hölle in der Hand trägt, bewacht die Tür zur Oberwelt und läßt nur jene ein, welche die kirchlichen Aufgaben und Pflichten regelmäßig befolgten und der Kirche gehorsam waren.

Leider gibt es aber immer wieder Menschen, die das Amt der Kirche mißachten, sich schwerer Sünden schuldig machen und nicht die Vergebung erlangen. Wenn das bis zu ihrem Lebensende so bleibt, dann verfallen sie der Verdammnis des ewigen Todes: Sie werden von den Toren der Hölle verschlungen und sind den Qualen der Unterwelt ausgeliefert. Viele solcher Menschen mußten von der Kirche bereits zu Lebzeiten dem Höllenfeuer ausgeliefert werden - man konnte unmöglich bis zu ihrem Tode warten: die Feuer, in denen Ketzer, Ungläubige, Hexen und Zauberer verbrannt werden. Das war auch als Abschreckung für die unbußfertigen Sünder nötig, denn bei denen bildeten sich nicht nur eigene Vorstellungen von dem, was freie Menschen dürfen sollen, sondern auch ketzerische Gedanken über die Menschenfeindlichkeit dieser Welt mit den drei Tortenschichten.

In diese gnadenlose Dreiteilung des Kosmos hinein, über deren ewige Ordnung die geistlichen Hüter stets mißtrauisch wachten, läßt Friedrich Spee den befreienden Atem seiner Adventsverse hineinströmen. "O Heiland, reiß die Himmel auf!", die diese Kirche und ihr oberster Petrus mit seinem Schlüssel in der Hand bewacht. Schlimmer noch: Die Himmelstür, über deren Öffnung allein der erste Papst und sein Stellvertreter zu entscheiden haben, soll ganz und gar eingestoßen werden: "Reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloß und Riegel für!" Wenn das endlich geschieht, wird das menschenfreundliche Heil Gottes wie Tau herabfließen und sich ausregnen über der Menschenwelt, die nach ihm dürstet. Und wenn auch das geschehen ist, dann kann es in der Menschenwelt endlich grünen: "O Erd' schlag aus, schlag aus, o Erd', daß Berg und Tal grün alles werd'."

Die Menschenwelt soll allen grünen - nicht nur Reichen, die sich die Gnade Gottes mit hundertfältigem Ablaß erkaufen können, sondern auch die armen Ackerknechte, die im Schweiße ihres Angesichts den Boden bestellen, dessen Früchte sie abliefern müssen, sollen etwas spüren von dem Heil, das ihnen gilt: "O Erd', herfür dies Blümlein bring, o Heiland, aus der Erden spring." Weil die bewohnte Erde für die Mehrzahl der Menschen eine Welt des Elends und der Würdelosigkeit geworden ist, sollen die Menschen hoffen dürfen auf den, der endlich den Himmel verläßt: "O komm, ach komm vom höchsten Saal, komm tröst uns hier im Jammertal."

Dieses Jammertal ist wahrlich ein Ort der menschlichen, aber auch der geistlichen Finsternis. Wenn doch endlich die Sonne über diesem Land aufgehen würde! Nicht die Sonne, die ihnen im Alltag aufs Haupt brennt und die Arbeit zur Qual macht, sondern die Sonne des Heils, die ihnen im Heiland verkündet wird: "O Sonn', geh auf, ohn' deinen Schein in Finsternis wir alle sein." Gemeint ist nicht die wohltuende Dunkelheit der Nacht, in der man endlich erquickenden Schlaf findet nach der Schinderei des Tages. Gemeint ist vielmehr die größte Not: die Drohung der Kirche mit den Höllenstrafen, mit der ewigen Verdammnis, in die der Mensch fällt, dem die Kirche seine Sünde nicht vergeben will, der ewige Tod. Wenn man nach dem Tod nicht in den Himmel kommen kann - wohin dann? Friedrich Spee gibt mit dem Lied den Verzweifelten seine Stimme:

"Hier leiden wir die größte Not, vor Augen steht der ewig' Tod; ach komm, führ uns mit starker Hand vom Elend zu dem Vaterland."

Weil sich solche Hoffnungen auch nach Jahrhunderten nicht erfüllen wollten, aber die Drohung mit dem verschlossenen Himmel nicht mehr durchschlagend wirkte, konnte ein Heinrich Heine 200 Jahre später sein eigenes Befreiungslied so dichten:

"Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.

­...

Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen."

Peter Franz, Ev.-Luth.Theologe


Friedrich von Spee (1591-1635) war römisch-katholischer Theologe und Ordenspriester der Jesuiten. Er erhielt eine Professur für Moraltheologie, die ihm nach einem Jahr bereits wieder entzogen wurde. Die Kritik am Hexenwahn seiner Kirche konnte er unter dem Titel "Cautio criminalis" nur anonym veröffentlichen. Zeitweise lief er Gefahr, aus seinem Orden ausgeschlossen zu werden. Als Beichtvater begleitete er tatsächliche und angebliche Übeltäter zur Hinrichtung. Als einer der ersten erkannte er, daß unter Folter abgelegte Schuldeingeständnisse keine Wahrheit enthalten müssen.

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Der ranghöchste DDR-Richter zur Lüge vom Unrechtsstaat

Bei Attacken nicht gleich den Kopf einziehen!

Wirklich tot ist jemand erst, wenn niemand mehr über ihn spricht, heißt es. Was auf Menschen zutrifft, gilt nicht minder für Staaten. Ein Vierteljahrhundert nach der Niederlage des sozialistischen deutschen Staates vergeht kein Tag, an dem die angeblich aus den Geschichtsbüchern längst gestrichene DDR nicht unablässig im Mittelpunkt von Anfeindungen, Spekulationen und Verleumdungen stehen würde. Das Ganze gipfelt in der bis zum äußersten strapazierten Lüge vom Unrechtsstaat DDR.

Geht man davon aus, in welchem Maße heute Freund und Feind über die DDR sprechen oder herziehen, dann erweist sich die Kampagne gegen die Totgesagte als ein Schuß in den Ofen. Das gilt auch für den jüngsten Haßfeldzug im Zusammenhang mit der Thüringenwahl einschließlich der dabei geschossenen Selbsttore einiger Politiker. Man könnte bedenkenlos darüber hinweggehen und sagen: "Ach Gott, was haben diese Leute nur für Sorgen? Sollen sie sich doch um das Wohl der Thüringer kümmern, schließlich wurden sie ja dafür gewählt."

Politisch anrüchig wurde die Sache, nachdem die Grünen mit einem Akt der Erpressung die Festschreibung der Floskel vom Unrechtsstaat in einem Koalitionspapier durchsetzen konnten, ohne auf Widerstand zu stoßen.

Übrigens trifft Grün hier im doppelten Sinne zu. Grünen-Sprecherin Anja Siegesmund war wirklich noch grün, als die DDR in den letzten Zügen lag. Wahrscheinlich ergibt sich daraus ihre besondere Sachkunde. Der damals Zwölfjährigen hat die DDR mit Sicherheit kein Unrecht zugefügt. Doch für den "Spiegel"-Reporter galt sie als sachkundige Zeitzeugin. "Hat die Erklärung zum Koalitionspapier praktische Folgen?" wollte das Hamburger Blatt von der jungen Dame wissen. "Unbedingt", antwortete Frau Siegesmund. "Es geht nicht nur um eine Unterschrift. Wir wollen etwa die wissenschaftliche Aufarbeitung der SED-Diktatur ausbauen, wobei es bei der SED nicht aufhören darf. Auch die Rolle der Blockparteien kommt in den Fokus."

Na prächtig, dafür hat die grüne Nachwuchspolitikerin ja die allerbesten Voraussetzungen! Was für ein Übermaß an Selbstvertrauen! Solange sich die Grünen um den Schutz der Kröten und Fledermäuse bemühen, tun sie etwas Nützliches. Doch bedauerlicherweise mangelt es ihnen an Erinnerungsvermögen. Offenbar haben viele inzwischen vergessen, daß ihr wandlungsfähiger Ex-Außenminister Joseph Fischer einst ein "zweites Auschwitz" erfand, um die völkerrechtswidrige Teilnahme der BRD-Luftwaffe am Überfall auf Jugoslawien zu rechtfertigen. Der tausendfache Mord an Serben geht so auch auf das Konto eines damals grünen Politikers.

Wenn Aufarbeitung, dann bitte allseitig und ohne Einschränkungen! Das trifft auch auf Gabriels SPD zu, deren Außenminister Steinmeier bei der völkerrechtswidrigen Einmischung zum Sturz des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch und der Installierung faschistoider Kräfte in Kiew zu den Regisseuren gehörte.

Wer die SPD beurteilen will, muß deren Geschichte überblicken können: Viel Positives gehört dazu. Aufrechte Sozialdemokraten haben z. B. im April 1946 in der sowjetischen Besatzungszone, aus der später die DDR hervorging, die inzwischen geschmähte SED mit gegründet und deren Werden aktiv beeinflußt. Daß dies auf marxistischer Grundlage geschehen konnte, trug auch einem Beschluß Rechnung, den die SPD-Führung 1934 im Prager Exil gefaßt hatte. Zur Zeit der Vereinigung zählte Thüringens KPD rund 62.000 Genossen, während der SPD etwa 75.000 Genossen angehörten. Ich wurde 1950 in Apolda von einem früheren SPD-Funktionär, der auch mein Bürge war, für die SED geworben - ein völlig normaler Vorgang. Mit Otto Grotewohl, Otto Buchwitz, Friedrich Ebert, Erich Mückenberger standen viele Tausende, die aus der SPD kamen, für die SED und die DDR konsequent ein.

Man sollte nicht bei jedem unsachlichen Angriff auf unsere Geschichte gleich den Kopf einziehen und in falsches Schuldbewußtsein verfallen. In Berlin bekam die Partei Die Linke schon vor Jahren von den Wählern die Quittung für ihr Einknicken in wichtigen Fragen. Auch eine auf der Basis von Erpressung zusammengezimmerte Koalition in Thüringen dürfte letztlich ohne Perspektive sein.

Das antisozialistische Schmähwort "Unrechtsstaat DDR" stößt übrigens im Osten keineswegs auf besondere Resonanz. 2014 ergab eine Befragung früherer DDR-Bürger, daß 70 % der Angesprochenen diesen verleumderischen Begriff für die DDR ablehnten.

Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg Dr. Rautenberg schrieb dazu am 13. März 2013 in der Presseschau: "Obwohl auch ich schon die DDR so bezeichnet habe, werde ich weiterhin alle diejenigen in Schutz nehmen, die sich - wie mein derzeitiger Justizminister - in der wissenschaftlichen Diskussion weigern, dies zu tun. Denn der Begriff 'Unrechtsstaat' ist anders als 'Rechtsstaat' kein juristischer, sondern ein politischer Terminus. Zudem begünstigt eine derartige Wortwahl die Gleichsetzung der SED mit der NS-Diktatur, die sich allein wegen der nationalsozialistischen Massenmorde verbietet."

Immer wieder muß die Gewaltenteilung - ein klassisches Prinzip der bürgerlichen Revolution - als Beweis für die Existenz eines Rechtsstaates herhalten. Die Dreiteilung in Legislative, Exekutive und Gerichtswesen ist aber schon längst eine dem Wahlvolk vorgegaukelte Illusion.

Das Parlament (Legislative) wird zunehmend durch Lobbyisten beherrscht, die im Auftrag von Interessengruppen die Weichen stellen und sogar die Gesetze vorgeben. Der Regierungsapparat (Exekutive) zerlegt sich nach amerikanischem Muster in ähnliche Einflußsphären und ist der Wählerkontrolle entzogen. Die jurisdiktive Gewalt erweist sich immer stärker als Zweiklassenjustiz. Und vor allem sollte die Macht der Medienoligarchen, die längst zur vierten Gewalt geworden ist, im Auge behalten werden. Sie vermag die drei anderen Gewalten auszuhebeln und schachmatt zu setzen.

In jedem Land der Welt gab und gibt es Unrecht. Kein Staat ist davon ausgenommen. Die Behauptung, die BRD sei ein rechtsstaatlicher Musterknabe, widerspricht der Realität. Dabei muß man gar nicht in die Vergangenheit schweifen. Auch heute gelten die Sicherheitsverwahrung, die Beugehaft, die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche mit Hilfe des Strafrechts und der strafprozessuale Ablaßhandel als normal.

Die Partei Die Linke sollte die DDR so sehen und bewerten, wie sie tatsächlich war: mit ihren Stärken und Schwächen. Die geschichtliche Deutungshoheit aber sollte man der Wahrheit verpflichteten Historikern, objektiven Zeitzeugen, Archiven und Museen sowie dem Nachlaß auch der DDR-Gerichte anvertrauen. Vor allem aber darf die Erinnerung an das Leben in der DDR nicht jenen ausgeliefert bleiben, die uns aus der Ferne - ohne auch nur einen Ziegelstein beim Aufbau des schwer zerstörten Landes bewegt zu haben - heute sagen wollen, wie wir hätten leben sollen.

Aus Sicht der Kapitalisten, denen die DDR in einem Drittel Deutschlands vier Jahrzehnte lang die politische Macht und das ausbeuterische Eigentum entzog, war der sozialistische deutsche Staat in der Tat durch und durch ein Unrechtsstaat. Für eine solche Bewertung aus dieser Klassensicht sollte man durchaus Verständnis haben.

Dr. Günther Sarge, Grünheide


Unser Autor war Präsident des Obersten Gerichts der DDR.

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Rotarmist Arthur Pieck barg 1945 in Berlin eine vergrabene Kassette der KPD

Über Leben und Tod zweier Widerstandshelden

Charlotte wird 1906 in einer Berliner Arbeiterfamilie geboren, Erich 1907. Nach dem Volksschulbesuch erlernt das Mädchen den kaufmännischen Beruf und arbeitet als Kontoristin. Erich muß als Laufbursche und später als Hilfsarbeiter kärglich sein Brot verdienen. Oft sind beide ohne Einkommen. Im Arbeitersportverein "Fichte" lernen sie sich kennen, demonstrieren sie mit den roten Sportlern gegen das Elend und die drohende faschistische Gefahr. 1930 treten beide der KPD bei. Sie heiraten im selben Jahr.

Nach der Machtauslieferung an Hitler wirken Erich und Charlotte, ihr Bruder Walter Schaewe sowie die Schwestern Annemarie Lerche und Gertrud Maykowsky - alle Mitglieder der Partei Ernst Thälmanns - im antifaschistischen Widerstand. Sie knüpfen abgerissene Verbindungen, übermitteln Parteibeschlüsse, kassieren Beiträge und verteilen illegale Schriften. 1934 helfen sie Bruno Leuschner bei Herstellung und Vertrieb der "Neuköllner Sturmfahne". Garskes gewähren in ihrer kleinen Wohnung Illegalen oft wochenlang Unterkunft. Seit 1935 arbeitet Charlotte als Kontoristin bei der Firma Schapirograph. Diese stellt Vervielfältigungs- und Druckmaschinen her. Im Frühjahr 1934 bezieht die Familie eine Dreiraumwohnung in einem teilweise stillgelegten Fabrikgebäude. Diese eignet sich gut für Treffs. Der KPD-Funktionär Eugen Schwebinghaus, der die zentrale Leitung der Partei unterstützt, bewohnt dort ein Zimmer.

Charlotte gelingt es, ein Kopiergerät an einen "Wehrmachtsbetrieb" außerhalb Berlins zu schicken, das Gerd Fischer, ihr Sohn aus erster Ehe - zerlegt und in 10 Paketen als Wurstmaschine deklariert - an der Gepäckausgabe des Schlesischen Bahnhofs empfängt. Er liefert es per Handwagen in der Gartensiedlung Johannisthal ab.

1938 qualifiziert sich Erich zum Technischen Zeichner. Drei Jahre später arbeitet er in diesem Beruf bei der Berliner Firma Argus, die Antriebsmittel für Hitlers "Wunderwaffe V1" herstellt.

Seit Ende Januar 1942 wohnt Wilhelm Knöchel ("Paul") bei Garskes. Er gehört dem ZK der KPD an und leitet gemeinsam mit Alfred Kowalke und Robert Uhrig den landesweiten Widerstand. Sie unterhalten neben anderen Auslandskontakten eine ständige Verbindung zum ZK der KPD in Moskau, arbeiten nach dessen Direktiven und informieren die Genossen über die jeweilige Situation.

"Paul" verfaßt die Zeitung "Der Friedenskämpfer". Sie erscheint von Februar bis Dezember 1942 monatlich im Umfang von 8 bis 16 Seiten. In einem redaktionellen Kommentar bewertet er die jeweilige politisch-militärische Situation sowie die Stimmung der Bevölkerung. Er fordert zu Aktionen gegen den Krieg auf. Erich Garske entwirft den Kopf des kleinen Blattes und zeichnet für die meisten Ausgaben wirkungsvolle Titelbilder. So zeigt er den Tod in faschistischer Uniform, der sich mit einer Pistole in der Knochenhand über die mit vielen Grabkreuzen bedeckte Erdkugel beugt.

Für die Januarausgabe 1943 skizziert Erich den "Führer", der durch Stiefeltritte aus den Staaten der Antihitlerkoalition vornüber zu Boden stürzt. Die Texte schreibt Charlotte auf Matrizen, die sie aus ihrem Betrieb beschafft. Am 30. Januar 1943 klingelt es gegen 22 Uhr heftig an Garskes Wohnungstür. Acht Gestapoleute dringen ein. Sie durchwühlen alles, ohne belastendes Material zu finden. Erich und "Paul" werden sofort verhaftet, Gerd festgenommen, Charlotte täuscht einen Nervenzusammenbruch vor und kommt zunächst in die Heilanstalt Berlin-Lichtenberg.

Kurz danach fährt Elli Schaewe auf Umwegen zu Charlottes Schwester Gertrud. Sie verbrennen alles Schriftgut. Danach begibt sich Gertrud sofort zu Schwester Annemarie, in deren Wohnung sich eine Kassette der Operativen Leitung befindet. Beide Schwestern bringen sie zu einer entfernten Verwandten. Dieser gehört an der Friedländer Straße direkt hinter der Friedhofsmauer in Berlin-Adlershof ein Garten. Dort wickeln sie die Kassette in Ölpapier und vergraben sie beim Vorbau der Sommerlaube.

Während dieser Zeit besucht Elli ihre Schwägerin in der Nervenheilanstalt. Charlotte bittet dringend, aus ihrer Abstellkammer die Aktentasche hinter der Kartoffelkiste und die Kassette unter den Dielen zu bergen und sicher zu verwahren. Außerdem soll Elli von verschiedenen Telefonzellen aus Genossen anrufen und sagen: "Der Koffer ist verlorengegangen." Dazu muß sie vier Fernsprechnummern auswendig lernen. Es gelingt ihr, diesen Auftrag noch am selben Tag zu erfüllen. Die Genossen sind gewarnt!

Charlottes Sohn Gerd kommt nach einigen Wochen frei. Im März 1943 steigt der 16jährige Klempnerlehrling in Arbeitskleidung leise bis zur 4. Etage des Hauses, in dem er bis Januar mit seinen Eltern gewohnt hat, hinauf. Ihn sichern die mit Pistolen bewaffneten Walter Schaewe und Wilhelm Weidhöner.

Es gelingt Gerd, in ihre Abstellkammer, einen stillgelegten Fahrstuhl, lautlos einzudringen. Die Aktentasche fehlt. Vorsichtig schiebt der Junge die Kartoffelkiste zur Seite, hebt die Dielen hoch, birgt die Kassette, wickelt sie in seine Arbeitsjacke und verläßt unbemerkt das Haus. Danach fährt er mit U-, S- und Straßenbahn kreuz und quer durch Berlin, bevor er sich in Schaewes Wohnung wagt, die nun auch sein Zuhause ist. Sie entscheiden, die Kassette aufzubrechen. Diese enthält Dokumente, Stempel und 15.000 Reichsmark. Das Geld verwahrt Walter sicher, Dokumente und Stempel vernichtet er.

Am 17. Februar wird auch Charlotte verhaftet. Der faschistische "Volksgerichtshof" verurteilt sie und Erich Garske am 9. November 1943 zum Tode. Erich wird am 13. Dezember, Charlotte drei Tage später hingerichtet. Am 14. Juli 1944 ermorden die Faschisten auch Wilhelm Knöchel ("Paul").

Am 26. Juni 1945 sind Charlottes Schwestern Annemarie und Gertrud dabei, als ein Offizier in der Uniform der Roten Armee im Kleingarten an der Adlershofer Friedhofsmauer eine Kassette ausgräbt. Es ist Arthur, Wilhelm Piecks Sohn. Das Fundstück enthält 24.900 Reichsmark, die noch gültige Währung, und drei Dokumente, wie Arthur Pieck bescheinigt. Walter und Elli Schaewe übergeben die 15.000 RM aus Charlottes Kassette an Wilhelm Pieck.

In der DDR trugen zahlreiche Kollektive und Einrichtungen den Ehrennamen dieser aufrechten Kommunisten und Kämpfer für ein sozialistisches Deutschland.

Margitta Wiehle, Greifswald

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Warum der Nimritzer Ortschronist Herbert Klinger auch mit 90 nicht aufgibt

Ein Friedensreport über den Krieg

Vor vier Jahren wurden auf einer Ausstellung im Stadtmuseum Jena die Kriegstagebücher von Angehörigen der faschistischen Wehrmacht - darunter auch meine Aufzeichnungen seit 1942 - gezeigt. Organisatorinnen der in insgesamt acht Räumen untergebrachten Exposition waren die Mitarbeiterinnen der Universität Oldenburg Dr. Petra Popp und Dr. Sandra Starke, die meine Notizen kommentierend vorstellten. Ich meldete mich als Kriegszeuge zu Wort, weil ich - wie andere noch Übriggebliebene des großen Gemetzels - nur auf Frieden eingestellt bin. Hier ein Auszug aus der seinerzeitigen Präsentation in Jena.

Sein Leben als Soldat hat er minutiös dokumentiert. Als Warnung und Mahnung möchte Herbert Klinger seine Dokumentation verstanden wissen. "Jeden Tag, im Stehen, im Liegen, im Sitzen, wie es eben ging", hielt er seine Eindrücke fest, nachdem auch der Jahrgang 1924 die Einberufungsbefehle bekommen hatte. ... Wenn er die einstigen Soldaten, heute Männer weit über 80, wiedersieht, sind sie ihm dafür dankbar, selbst wenn es jedesmal weniger werden, denen er ein neues aktualisiertes Exemplar seiner Erinnerungen übergeben kann. In Nimritz bei Pößneck ist er zu Hause. Als ehrenamtlicher Chronist sichert er in mittlerweile meterlangen Reihen von Aktenordnern Jahr für Jahr die Geschichte seines Ortes und dabei die seines eigenen Lebens. Der erste Band stammt aus dem Jahr 1942 und trägt den Titel: "17- bis 18jährige an die Ostfront befohlen! Jugendgeschichte gegen Wiederholungen, mit Kriegen muß Schluß sein!"

Herbert Klingers Kompanie bestand zur Hälfte aus jungen Männern vom Niederrhein, die anderen stammten wie er selbst aus Thüringen. Zunächst waren sie im Rahmen des Reichsarbeitsdienstes bei Minsk und bis zum Don hin eingesetzt. "Nur wenige haben überlebt", erzählt er bei der Durchsicht seiner Aufzeichnungen immer wieder. Doch diese Wenigen wollte er suchen. ...

Seit 1990 fahndete Herbert Klinger gezielt nach Überlebenden des RAD-Einsatzes in Westdeutschland. Die dadurch ermöglichten Wiedersehen stehen für ihn aber nicht im Zeichen eines rückwärtsgewandten Kameradschaftstreffens, sondern im Sinne eines bescheidenen Beitrags für Frieden und Verständigung. ... Der Krieg endete für ihn im Januar 1945, nachdem er zuletzt an der "Ardennenoffensive" teilgenommen hatte, mit amerikanischer Gefangenschaft. Zu seiner Sammlung gehören auch Flugblätter, die deutsche Soldaten zur Aufgabe und zum Überlaufen aufforderten.


Seit der Ausstellung habe ich mein Tagebuch auf 240 Seiten vervollkommnet. Vier Überlebende unserer Einheit - sie wurden 2014 wie ich 90 Jahre alt - halten Verbindung untereinander. Wir alle sind mit dem Buch als Friedens-Agitatoren und Zeitzeugen vor allem an Schulen unterwegs.

Für mich als Mitglied der Partei Die Linke hat unsere jahrzehntelange Propaganda nur einen Inhalt: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!

Herbert Klinger, Nimritz (Saale-Orla-Kreis)

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BRD bekennt sich zur Hymne des Chauvinismus

Die Melodie der BRD-Hymne wurde von Joseph Haydn 1796/97 in Wien als Kaiserhymne komponiert. Den Text schrieb August Heinrich Hoffmann von Fallersleben im Jahre 1841 als "Lied der Deutschen".

Am 10. August 1922 erklärte Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) alle drei Strophen zur Nationalhymne der Weimarer Republik. Bei August Bebel gebliebene redliche Sozialdemokraten wandten sich gegen den Text, der von ihnen nicht ohne Grund als Aufforderung zur Revanche für die Niederlage im Ersten Weltkrieg betrachtet wurde. Nach der Machtauslieferung an die Hitlerfaschisten trat genau das ein. Dieser Tatsache war sich Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) durchaus bewußt, als er 1952 gemeinsam mit Bundespräsident Theodor Heuss (FDP) die dritte Strophe des Deutschlandliedes als BRD-Nationalhymne durchsetzte. Auch SPD-Vorsitzender Kurt Schumacher unterstützte trotz eigener bitterer Erfahrungen mit dem Faschismus den Vorschlag. Heuss war 1933 Reichstagsabgeordneter der Deutschen Demokratischen Partei/Deutsche Staatspartei, die wie die Deutsche Zentrumspartei, der Adenauer angehörte, am 23. März 1933 dem berüchtigten "Ermächtigungsgesetz" zur Legitimierung der Gewaltherrschaft Hitlers zustimmte.

Im Zeichen dieser Hymne, die meist zusammen mit dem Horst-Wessel-Lied der SA gesungen wurde, brach das faschistische Deutschland den Millionen Menschenleben fordernden Zweiten Weltkrieg vom Zaun.

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin

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Der "Rechtsstaat" und sein Ex-Präsident

Es gibt inzwischen kaum einen Politiker, der auf gedruckte "Erinnerungen" verzichten mag. Die einen haben - wie Willy Brandt und Franz Joseph Strauß - am Ende ihres Lebens versucht, den durch sie eingeschlagenen politischen Weg zu rechtfertigen. Helmut Kohl oder auch Michail Gorbatschow sind bemüht, sich noch zu ihren Lebzeiten Denkmäler zu errichten. Motive dieser Art sind bei Christian Wulff nicht auszumachen.

In seinem Buch "Ganz oben. Ganz unten" schildert er kaum die eigene Vergangenheit und die Amtszeit im Schloß Bellevue, die nur 598 Tage dauerte. Er berichtet über seinen erzwungenen Rücktritt und den anschließend gegen ihn geführten Prozeß. Christian Wullf will Licht in die Arbeit der Ermittler bringen und die Vorwürfe bestimmter Meinungsmacher entkräften: "Mein Freispruch hat die mediale Vorverurteilung nicht aufwiegen können. Die Herstellung meiner Ehre im staatsbürgerlichen Sinn ersetzt nicht den Verlust meiner Ehre als öffentliche Person."

Wulffs Anliegen ist es, sich vor der Allgemeinheit zu rehabilitieren. Die Fakten, die er anführt, gehen weit über eine private Abrechnung hinaus. Das trifft vor allem auf seine Polemik gegen "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann zu, der die Verleumdungskampagne gegen ihn eingeleitet hatte: "Wer bestimmt den Kurs in diesem Land, die 'Bild'-Zeitung oder ein Richter am Landgericht Hannover?", fragt Wulff.

Er hat folgendes zu beklagen: "Eine 24köpfige Ermittlergruppe des Landeskriminalamtes hat mein gesamtes Leben durchleuchtet. Bis in die Schulzeit reichen die Nachforschungen. Das Ergebnis ist in 30.000 Seiten Hauptakten niedergelegt. Am Ende wurde wegen des Verdachts der Vorteilsnahme beim Münchner Oktoberfest 2008 Anklage erhoben. Die Große Strafkammer beim Landgericht Hannover setzte 22 Verhandlungstage fest. Die Aufklärung der gegen mich erhobenen Vorwürfe dürfte insgesamt vier- bis fünf Millionen Euro gekostet haben. Der Ermittlungsaufwand ... stand ... schon bald in keinem Verhältnis zu den Anschuldigungen. Im Zuge der Ermittlungen wurden Grundrechte wie die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Fernmelde- und Postgeheimnis, das Bank- und Steuergeheimnis, die Verschwiegenheitspflicht eingeschränkt."

Der Leser merke auf: Dieser Ex-Präsident der BRD klagt nicht etwa den "Unrechtsstaat" DDR an, sondern jenen selbstproklamierten Rechtsstaat, dessen oberster Repräsentant er war. Auch sein Urteil über die grenzenlose Allmacht der Presse in der BRD ist vernichtend: "Im Kampf zwischen Medien und Politik geht es ... längst nicht mehr um die Feststellung von Schuld und Unschuld. Das Urteil ist gefällt, bevor der Prozeß begonnen hat."

Der Leser erfährt, falls er das noch nicht wissen sollte, was in der Politik dieses Landes vonstatten geht: Parteitage seien "häufig Inszenierungen, bei denen im Vorfeld genau festgelegt wird, wer ... zu welchem Zeitpunkt redet. Bereits die Tagesordnung ist ein Kompromiß mit Blick auf die Außenwirkung." Bemerkungen Kurt Biedenkopfs, Richard von Weizsäckers, Jürgen Trittins und anderer werden von Wulff als Beleg dafür angeführt, die Empörung seines Vorgängers Horst Köhler über den "Schweinejournalismus" zu begründen. Übrigens verwendete auch Oskar Lafontaine diesen Begriff.

Hier hätte eine Recherche darüber Platz gehabt, wie Joachim Gauck mit maßgeblicher Hilfe von "Bild" als Nachfolger des Gestürzten auf den Präsidentenstuhl gehievt worden ist.

Wulffs Buch erhält eine weitere Dimension, wenn wir es auf dem Hintergrund der Tatsache lesen, daß dieselbe Justiz und dieselben Medien, die der Ex-Präsident an den Pranger stellt, zugleich auch Ankläger und Richter über Zehntausende von den Inquisitoren der Gauck-Behörde gehetzte DDR-Bürger gewesen sind.

Prof. Dr. Horst Schneider

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Ein Ettersburger "Initiativbau"

Nach den mich anwidernden "Mauerfall"-Arien, die im Bundestagsauftritt eines abgewrackten antikommunistischen Krakeelers kulminierten, drängt es mich, den Lesern des RF eine "Wendegeschichte" besonderer Art zu erzählen.

Damals wohnte ich in Ettersburg, einem Ort unweit des Nazi-Konzentrationslagers Buchenwald. Unser Bürgermeister Lothar Geis war ein früherer Offizier der DDR-Grenztruppen. Der Gemeinderat und der Ortschaftsrat der Nationalen Front, den ich leitete, bildeten die "Lokalregierung" und gaben den "Ettersburger Landboten", eine beliebte Informationsquelle, heraus. 1988 planten wir einen "Initiativbau", wie nicht im Staatsplan aufgeführte Vorhaben bezeichnet wurden. Es ging um die Befestigung von Straßen und Wegen. Seele dieses unter unseren Verhältnissen recht kühnen Unterfangens war Oberstleutnant der NVA a. D. Kurt Kmetsch, damals Direktor des volkseigenen Weimarer Schlachthofes. Eine Straßenbaufirma sagte uns die notwendige materielle und logistische Unterstützung zu, während die Arbeitskräfte von der Gemeinde gestellt werden mußten.

Unser Projekt kam bald in die Gänge. Als anderswo DDR-Bürger bereits die "Wende"-Parole "Wir sind das Volk" skandierten, sorgte dasselbe Volk in Ettersburg für Verbesserungen der Infrastruktur. Auch etliche Kritiker der DDR ackerten unverdrossen in der Straßenbaubrigade und überhörten das Geschrei anderer. Uns Kommunisten verschaffte die Aktion unter schwierigen Bedingungen Aufwind. Doch jene, welche die DDR aufs Kreuz legen wollten, hatten noch einen besonderen Pfeil im Köcher: "freie Wahlen".

In Ettersburg befand sich das modernste Altersheim Thüringens. Am Wahltag stellte es zwei Drittel aller Stimmberechtigten des Ortes. Da es der CDU gelungen war, eine im Heim besonders beliebte Schwester als örtliche Spitzenkandidatin zu gewinnen, errangen die Schwarzen einen klaren Sieg. Lothar Geis wurde "ganz demokratisch" abgewählt, an seine Stelle trat ein gewendeter Bürgermeister. Doch nach nur einer Wahlperiode mußte Kohls Mann die Segel streichen. Genosse Geis kehrte auf seinen Posten zurück.

Heute entrichten die alten Leute nicht mehr wie zu DDR-Zeiten 150 Mark im Monat für einen Heimplatz, sondern müssen bis zu 3000 Euro berappen. An den Rentenzahltagen stehen auch keine Angehörigen in der Schlange, weil für sie nichts abfällt. Im Gegenteil: Die meisten Jungen müssen für den Heimaufenthalt der Alten blechen.

Die damals von uns instandgesetzten Ettersburger Straßen und Wege aber sind weiterhin intakt: Es wird sie vermutlich noch geben, wenn wieder einmal bessere Zeiten anbrechen.

Peter Pöschmann, Döbeln

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Wie DDR-Erfahrungen den Agrarsektor vor dem Ruin bewahrten

Im Osten was Neues

Als ein seit 1945 an der Entwicklung der Landwirtschaft in SBZ wie DDR unmittelbar Beteiligter und Mitgestalter des Neuen, stehe ich nun im 87. Lebensjahr. Hinter mir liegen hochinteressante Jahrzehnte, in denen Bedeutendes geschah.

Wir besaßen auf dem Agrarsektor ein sozialistisch-genossenschaftliches System, das neben dem staatlichen Sektor existierte und erstmals in einem Teil Deutschlands verwirklicht wurde. Im Westen vervollkommnete man lediglich die ökonomischen Prinzipien des traditionellen bäuerlichen Familienbetriebs unter den Bedingungen eines sich beschleunigenden kapitalistischen Konzentrationsprozesses. Das pries man weiterhin als das Nonplusultra bürgerlicher Agrarökonomie.

Wie sieht es heute in einem brandenburgischen Landkreis, meinem Herzberg an der Schwarzen Elster, aus?

In der DDR-Endphase wurde dort die Landwirtschaftliche Nutzfläche (LN), also Äcker wie Grünland, von sechs LPG Pflanzenproduktion, 17 LPG Tierproduktion und vier Volkseigenen Gütern sowie einer Anlage für 2000 Milchkühe bearbeitet. Die mittlere Ackerwertzahl beträgt 28. Mit anderen Worten: wenig fruchtbar.

Die seit 1969 in der DDR-Landwirtschaft verfolgte Spezialisierung hatte große Vorzüge, aber auch gewisse Nachteile, wobei die Positiva zweifellos überwogen. Das zeigt sich besonders auf dem Gebiet der Pflanzenproduktion, wo die seit 1990 in der Nachfolge der LPG vorwiegend auf Genossenschaftsbasis entstandenen landwirtschaftlichen Großbetriebe wesentlich stabiler am Markt sind als bäuerliche Familienbetriebe. Die Grünen hätten natürlich gerne althergebrachte Bauernhöfe anstelle von "Agrarfabriken". Das aber ist im kapitalistischen Konzentrationsprozeß unserer Tage eine Illusion.

Auf den relativ leichten Böden des Kreises Herzberg - es handelt sich vorwiegend um märkischen Sand - gedeihen vor allem Roggen, Mais, Gerste und Raps.

Die jahrzehntelange genossenschaftliche Produktion in der DDR-Landwirtschaft hatte zur Folge, daß der Gedanke gemeinsamen Arbeitens tief in das Bewußtsein der bäuerlichen Bevölkerung eingedrungen ist. Das war auch eine der Ursachen dafür, daß sehr schnell wieder Genossenschaften entstanden, nun allerdings nach bürgerlichem Recht.

Übrigens gab es während des Prozesses der LPG-Bildung in der DDR auch stabile Mittel- und Großbauern, die sich aus den verschiedensten Gründen der genossenschaftlichen Produktion verweigerten. Viele von ihnen setzten sich in den Westen ab, solange die Grenze noch offen war. Dadurch verlor die DDR-Landwirtschaft nicht wenige Fachleute. Zu den ernsthaften Gründen für deren Weggang zählten das nach Hofgröße gestaffelte System der Ablieferungspflicht für Agrarprodukte und Überspitzungen beim Entstehen der LPG.

Zweifellos hingen Sympathien und Antipathien, die in jedem Dorf eine Rolle spielen, oftmals mit den Besitzverhältnissen zusammen. Es kam auch zu Ungerechtigkeiten bei der Bewertung eingebrachten Eigentums an Boden und Produktionsmitteln. Solche Konflikte setzten sich nach 1989/90 bis zur Bildung der neuen Genossenschaften fort. So mußte im Kreis Herzberg eine gerade erst entstandene Agrargenossenschaft 1991 sogar in Liquidation gehen. Mehrere Inventareinbringer hatten gegen sie gerichtlich geklagt und die Auszahlung des Fondsausgleichs gefordert. Die Justiz gab dem statt. Die Kooperative sollte 150.000 DM zahlen, was ihre Möglichkeiten überstieg. Der Konflikt beruhte auf beim Eintritt in die LPG aus der Sicht der Kläger falsch bewerteten Anlagen und Besitztümern. Ob das bewußt geschehen war oder nur aus Unerfahrenheit, mag dahingestellt sein. Auf alle Fälle führte der Rechtsstreit zur Liquidierung einer neuen Genossenschaft, die eigentlich gut begonnen hatte.

Noch ein Rückblick in die erste Hälfte der 50er Jahre: Für die damalige DDR-Führung war die Existenz von etwa 850.000 einzelbäuerlichen Betrieben bei offener Grenze zwischen zwei gegensätzlichen deutschen Staaten ein erheblicher Unsicherheitsfaktor, der die stabile Versorgung von 17 Millionen Bürgern der Republik in Frage stellte.

Da eine beträchtliche Anzahl von Besitzern einzelbäuerlicher Betriebe die DDR verlassen hatte, fielen immer mehr Höfe an, die nicht mehr bewirtschaftet werden konnten, also auch keine Produktion lieferten. Man schlug sie meist den jungen LPG zu, womit diese maßlos überfordert waren, zumal es an Arbeitskräften mangelte. In dieser verzweifelten Lage war die Initiative werktätiger Bauern und Landarbeiter, in verschiedenen Bezirken der DDR Produktionsgenossenschaften zu bilden, eine günstige Lösung.

Im Bezirk Erfurt zählte die LPG Merxleben zu den Wegbereitern. Während meines Fachschulstudiums in Weimar besuchte ich sie 1954 mit meiner Klasse. Der damalige LPG-Vorsitzende - er gehörte übrigens dem ZK der SED an - erläuterte uns die Vorteile genossenschaftlicher Arbeit. Im Dorf gab es bereits erste Neubauten, vor allem Ställe. Auch in anderen DDR-Bezirken fanden sich Initiatoren, die auf diesem schwierigen Weg erfolgreich vorangingen.

Bei all dem berücksichtigten wir die konkreten deutschen Bedingungen in der Landwirtschaft, überstürzten nichts und wählten eine stufenweise Vergesellschaftung. Beginnend mit Typ I (genossenschaftliche Bewirtschaftung und von Äckern und Grünland), ging es über den seltenen Mischtyp II zum Typ III, wo auch die Tierproduktion gemeinsam betrieben wurde. Darin unterschied sich die Genossenschaftsbildung in der DDR deutlich von der Kollektivierung der Landwirtschaft in der UdSSR, wo gleich alles Gemeineigentum war.

Noch eine Kuriosität: In Hopfgarten (Kreis Weimar) gab es einen Großbauern, der nie mit seinem Betrieb in die LPG einzutreten bereit war. Da er drei Söhne hatte, die alle mit ihren Familien auf dem Hof tätig waren, kannte er kein Arbeitskräfteproblem und vermochte als Einzelbauer problemlos weiterzumachen. Er war ein erfolgreicher Rinderzüchter mit sicheren Einnahmen. Die LPG Hopfgarten bot ihm an, eine große Herdbuchherde aufzubauen und dabei die Leitung zu übernehmen. Das lehnte er ab. Zwangsmaßnahmen gegen ihn gab es nicht. Auch so etwas gehörte zur Realität der DDR.

Noch ein Wort zur heutigen Besitzstruktur in der Landwirtschaft des Kreises Herzberg. Nach wie vor überwiegen dort Großbetriebe, die rund 61 % der LN bewirtschaften und die meisten Arbeitsplätze im Kreismaßstab anbieten.

Man stelle sich einmal vor, 1991 seien im Osten sämtliche Großbetriebe zerschlagen worden und nur Einzelbauern übriggeblieben. Ein totales Chaos hätte sich nicht vermeiden lassen.

Eberhard Herr

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RF-Extra

Vasco Gonçalves führte vier aufeinanderfolgende Regierungen

Erinnern an Portugals "roten General"

Im Sommer 1974 - Monate vor meiner Akkreditierung als ständiger Lissaboner Korrespondent des ND - logierte ich einige Wochen im innerstädtischen Hotel "Diplomático". Dessen Personal schien mir - von Ausnahmen abgesehen - den Ideen der Aprilrevolution nicht gerade nahezustehen. Der antifaschistische Militäraufstand, dem Teile der Arbeiterschaft unter Führung der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) unverzüglich zu Hilfe gekommen waren, schien an den Portiers, Kellnern, Köchen und Zimmermädchen vorübergegangen zu sein.

Aber eines Tages sollte ich eine Überraschung erleben. Gäste hin, Gäste her - die Damen am Empfangstresen, der Mann an der Tür und alle anderen Beschäftigten schienen wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Bald schon entdeckte ich sie an anderer Stelle. Alles drängte sich vor einem Fernsehgerät in der Eingangshalle zusammen. Der Reporter berichtete von einer Begegnung des gerade erst zum Ministerpräsidenten der 2. Provisorischen Regierung ernannten Obersten (und späteren Generals) Vasco Gonçalves mit Einwohnern des nahegelegenen Ortes Buçaco.

Hierzu bedarf es einer kurzen Erklärung: Nach dem Aufstand vom 25. April, der die bereits 1926 durch Salazar errichtete und dann von Caetano fortgesetzte faschistische Diktatur im NATO-Staat Portugal hinweggefegt hatte, waren die politisch unerfahrenen jungen Hauptleute der Bewegung der Streitkräfte (MFA) außerstande gewesen, die Zügel selbst in die Hand zu nehmen. Sie hatten dem monokeltragenden General António de Spínola vorerst die Präsidentschaft der Republik überlassen. Dieser berief eine 1. Provisorische Regierung unter dem Magnaten Palma Carlos. Aufgrund des Kräfteverhältnisses war Spínola dazu gezwungen, auch PCP-Generalsekretär Álvaro Cunhal als Minister ohne Geschäftsbereich in das Kabinett einzubeziehen.

Doch zurück in die Lobby des "Diplomático". Dort schien alles aus dem Häuschen geraten zu sein. Immer wieder brachen die befrackten Ober und die weißgeschürzten Zimmerfrauen in Beifallsstürme aus. Leute, die mir zuvor äußerst zurückhaltend erschienen waren, debattierten leidenschaftlich und überschlugen sich in Begeisterung für einen hageren Mann auf dem Bildschirm. Sie erlebten ihren neuen Premier bei dessen erstem öffentlichem Auftritt. Der war kein Redner im üblichen Sinne, sondern führte mit der Menge eher ein "vertrauliches Gespräch". In der Halle des "Diplomático" war man sich einig: Dieser warmherzige und volksnahe Mann verdiene jede Unterstützung.

Was ich an jenem Tag in dem mir bis dahin zumindest indifferent erschienenen Umfeld erlebte, war für die Massenstimmung in den entwickelteren Landesteilen Portugals charakteristisch. So sagte mir in der Chemiearbeiterstadt Barreiro - einer traditionellen Hochburg der Kommunisten - damals eine ältere Frau: "Ich nehme sonst nicht an Wallfahrten nach Fátima teil. Doch wenn Vasco dort wäre, würde ich sogar zur Pilgerin."

Um so verblüffender war es, in welchem Tempo die von den ausländischen Todfeinden der Portugiesischen Revolution - vor allem den Stäben der meisten BRD-Parteien - in Windeseile aufgebaute und massiv finanzierte 5. Kolonne des Imperialismus die Atmosphäre vergiftete. Enorme Mittel wurden aufgewandt, um dem populären Staatsmann das Wasser abzugraben. Als sich Vasco Gonçalves, über dessen genauen politischen Standort in den Medien des In- und Auslands zunächst nur Vermutungen angestellt wurden, als Wegbereiter einer bürgerlich-demokratischen Revolution mit sozialistischer Perspektive zu erkennen gab, setzte noch am selben Tag die Rufmordkampagne ein. Es ging um die moralische Vernichtung eines lauteren und unbestechlichen Politikers.

Mit welchen Mitteln und Methoden die Sympathien für den Sohn des einstigen Mannschaftskapitäns von Benfica Lissabon untergraben wurden, ist kaum zu beschreiben. Der durch Salazars und Caetanos Kolonialkriege in Afrika sehend gewordene stellvertretende Chef der Pioniertruppen hatte als ranghöchstes Mitglied der die Erhebung am 25. April vorbereitenden Koordinierungskommission der Bewegung der Streitkräfte eine herausragende Rolle gespielt. Auf Geheiß der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, wo die Sozialistische Partei des Mário Soares erst 1973 neu gegründet worden war, wurde zum großen Halali gegen Portugals Ministerpräsidenten geblasen. Der Pseudosozialist Soares, der sich des Symbols der geballten Faust bediente und die Internationale als Parteihymne mißbrauchte, gab die Parole "Tod dem Gonçalvismus!" aus.

Obwohl der klassenbewußte Teil des portugiesischen Industrie- und Agrarproletariats, die Militärische Linke innerhalb der heterogenen MFA und nicht wenige fortschrittliche Intellektuelle weiter zu Vasco Gonçalvis hielten, gelang es der Konterrevolution, im Frühherbst 1975 die von ihm geführte 5. Provisorische Regierung zu Fall zu bringen.

Für den Klassenhaß der Ausbeuter gab es gute Gründe: Unter Gonçalves waren sämtliche inländischen Konzerne, Banken und Versicherungen nationalisiert sowie 1,3 Millionen Hektar Gutsbesitzerland im Alentejo nach dessen schlagartiger Besetzung durch das Agrarproletariat in 550 ausbeutungsfreie Kollektive Produktionseinheiten (UCP) umgewandelt worden.

Schon im Frühsommer 1974, als ich in einem verläßlich abgesicherten Quartier mit PCP-Generalsekretär Álvaro Cunhal mehrere Stunden unter vier Augen sprechen konnte, ging es auch um den damals amtierenden Präsidenten Spínola und den durch ihn attackierten Premier Gonçalves. Spätestens im Herbst werde der Monokel-General gegen das Gonçalves-Kabinett putschen, meinte Genosse Cunhal. Es bestehe aber kaum ein Zweifel daran, daß dann nicht der Premier, zu dem die Kommunisten trotz gelegentlicher taktischer Meinungsunterschiede volles Vertrauen hätten, sondern Spínola fallen werde. Genauso ist es am 28. September dann auch gekommen.

Obwohl ich zu den Bewunderern des couragierten Mannes an der portugiesischen Regierungsspitze gehörte, war ich ihm persönlich noch nie begegnet. Das sollte erst im Frühjahr 1979 geschehen und war einem Zufall geschuldet. Zu jener Zeit hielt sich ein DDR-Kameramann, von dem es hieß, er betreibe zugleich eine Firma in der Schweiz, längere Zeit in Lissabon auf, um - wie verlautete - bei der PCP auf eigene Initiative ein Filmarchiv einzurichten. Er kam bisweilen auf recht sonderbare Ideen. So ließ er z. B. am 8. März erst vor seinem Hotel und danach am Haus des ZK der Partei einen Kleinlaster voller Blumensträuße vorfahren, um sämtliche die Gebäude betretenden oder verlassenden Frauen zu beschenken.

Über solche Kuriositäten im Bilde, erfuhr ich eines Tages, daß sich der kulante Spender auch bei General Vasco Gonçalves angemeldet hatte, um ihm ein Filmvorführgerät zu überreichen. Einen möglichen Eklat nicht ausschließend, fragte ich den "Mäzen", ob ihm meine Begleitung bei dieser Visite angenehm sei, was er bejahte.

Als wir die Lissaboner Stadtwohnung der Familie Gonçalves in der Avenida dos Estados Unidos betraten, ahnte ich nicht, daß diese Stunde der Beginn einer jahrzehntelangen Freundschaft mit dem "Architekten der Aprilrevolution" sein würde. Oft so bezeichnet, lehnte Vasco diesen Begriff übrigens ab. Auch dadurch erwies er sich als ein Mensch, bei dem Größe und Schlichtheit zusammenfielen. Schon in der folgenden Woche besuchten uns der General und dessen Frau Aida am Platz bei der Stierkampfarena Campo Pequeno, wo wir wohnten.

Nachdem wir im Hochsommer 1979 in die DDR zurückgekehrt waren, riß der Kontakt nicht ab. Wir blieben durch eine intensive Korrespondenz in freundschaftlicher Verbindung. Etwa 120 von Vasco handschriftlich verfaßte Briefe zu einer großen Themenpalette zählen zu den Kostbarkeiten meines Lebens.

Schon bald konnten wir uns auch persönlich wieder in die Arme schließen.

Als stellvertretender Vorsitzender der später von mir geleiteten Freundschaftsgesellschaft DDR-Portugal durfte ich Vasco Gonçalves und dessen Frau wiederholt zu ausgedehnten Informationsreisen in unser Land einladen. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Gesellschaft Portugal-DDR - dem berühmten Musikologen und ehemaligen Staatssekretär für Kultur der Gonçalves-Regierung Prof. Joâo de Freitas Branco - durchquerten wir fast die gesamte Republik. Übrigens hielt Vasco an einem DDR-Geburtstag der 80er Jahre in Erfurts Thüringenhalle eine begeisternde Rede. Unvergessen bleibt mir auch ein gemeinsamer Besuch der Mühlhausener LPG "Thomas Münzer". Während der Besichtigung des Geländes stoppte die kleine Gruppe plötzlich. Trompetenstöße unter freiem Himmel kündeten Feierliches an. Der promovierte Vorsitzende dieser bahnbrechenden Genossenschaft erinnerte an historisches Geschehen: "An dieser Stelle ist Thomas Münzer 1525 hingerichtet worden", sagte er und bat Vasco, dort eine Blutbuche zu pflanzen. Der portugiesische Revolutionär widmete diesen Baum dem Andenken des großen deutschen Bauernführers und allen für eine ausbeutungsfreie Welt kämpfenden Menschen.

Anfang Mai 1988 - nur Wochen nach dem Tod meiner erst 43jährig verstorbenen Frau Rosi - erhielt ich Post aus Lissabon. Vasco lud mich und zwei meiner Kinder zu einem vierwöchigen Erholungsaufenthalt in sein Haus nach Cascais ein. Das ND stellte mich frei. Meine Tochter Susanne, die damals eine Kindergärtnerinnen-Fachschule besuchte, und mein achtjähriger Sohn Stefan wurden durch die zuständigen Behörden vom Unterricht beurlaubt.

Auf dem Lissaboner Flughafen Portela holte uns Vasco mit dem Wagen ab. Der darauf folgende Monat verlief teils ruhig, teils stürmisch. Die Familie Gonçalves und deren Freunde sorgten rührend für alles. Während wir die Vormittage stets gemeinsam mit Vasco am Atlantikstrand verbrachten, war die zweite Tageshälfte einer Vielzahl von Begegnungen mit interessanten Gesprächspartnern wie dem Nobelpreisträger für Literatur José Saramago und dem legendären Admiral Rosa Coutinho vorbehalten. Dieser aufrechte Antifaschist - einer der Redlichsten unter den Redlichen - war nach dem 25. April 1974 zunächst Portugals Hoher Kommissar in Angola gewesen, wo er der damals revolutionären Befreiungsbewegung MPLA den Weg zur Macht bahnen half.

Ein ganz besonderes Erlebnis in dem durch Diplomingenieur Vasco Gonçalves entworfenen Haus soll hier nicht unerwähnt bleiben. Beim Stöbern in der Bibliothek des Gastgebers stieß ich auf eine französischsprachige Ausgabe der Werke Lenins aus dem Jahre 1948. Allein die Tatsache, daß Vasco solche Literatur sein eigen nannte, erweckte mein besonderes Interesse. Als ich in einigen der broschierten Bände blätterte, stieß ich auf etliche Anmerkungen von der Hand des Besitzers. Hatte ich Vasco schon zuvor für einen gebildeten Marxisten gehalten, so wurden mir nun auch die Quellen seines Wissens offenbart.

Später haben meine Frau Bruni und ich noch so manches Mal in der Lissaboner Wohnung der Familie Gonçalves mit Vasco über eine Vielzahl von Themen debattiert. Wiederholt begegneten wir uns auf den von Hunderttausenden - überwiegend Arbeitern und jungen Leuten - besuchten Pressefesten des PCP-Organs "Avante!", die seit 1975 stets am ersten Septemberwochenende stattfinden. Auch mein Sohn Peter - heute ein engagierter Journalist der linken Tageszeitung "junge Welt" - sah Vasco, den er als Zehnjähriger erlebt hatte, auf der Quinta de Atalaia bei Seixal wieder.

Am 3. Mai 2005 rief ich meinen inzwischen hochbetagten Freund an, um ihm zu seinem Geburtstag zu gratulieren. Am 5. Mai griff Vasco zur Feder, um uns einen bewegenden Brief zu schreiben. Weder er noch wir konnten zu dieser Stunde ahnen, daß es die letzten Zeilen von seiner Hand sein würden.

"Uns gefällt es, wie Ihr weiter aktiv und fest zu den Idealen steht, die von der deutschen Bourgeoisie so bekämpft werden; wie die Flamme der DDR am Leben erhalten wird ... und wie der 'RotFuchs' seine Arbeit zur Aufklärung und Mobilisierung des Willens, die Situation zu begreifen, leistet", schrieb Vasco. Und er fuhr fort: "Die Aufgabe der Kommunisten besteht darin, für die Bewußtseinsbildung ... und Verfügbarkeit der Menschen im Kampf um die Verteidigung ihrer legitimen Interessen zu wirken. Immer gibt es solidarisch Handelnde, wenn derzeit auch in kleiner Zahl." Vasco schloß: "Wir verabschieden uns mit dem Wunsch, einander auf dem 'Avante!'-Fest wiederzusehen." Dazu ist es nicht mehr gekommen. Am 11. Juni 2005 starb der bedeutende Portugiese nach einem Bad im Swimmingpool seines Feriendomizils.

Zwei Tage danach schrieb Álvaro Cunhal der Witwe seines engen Freundes und Kampfgefährten einen Kondolenzbrief. Das erschöpfte die letzten Kräfte des über Neunzigjährigen. Nur Stunden später befand sich auch er, den Vascos Tod im Innersten getroffen hatte, nicht mehr unter den Lebenden. Für die beiden großen Männer der Portugiesischen Revolution wurden getrennte Staatsbegräbnisse angeordnet. Mehr als 250.000 Trauernde begleiteten Álvaro Cunhal auf dessen letztem Weg. Dem Testament entsprechend wurde seine Asche auf dem Gelände des Friedhofs verstreut.

Hunderte den Idealen des April treu gebliebene aktive oder bereits in den Ruhestand versetzte Offiziere jener Armee, deren bester Teil sich im Frühjahr 1974 gegen die Faschisten erhoben hatte, erwiesen ihrem General Vasco Gonçalves die letzte Ehre. Gemeinsam mit Industrie- und Landarbeitern aus ganz Portugal überschütteten sie seinen Sarg mit roten Nelken.

Auf dem "Avante!"-Fest 2005 bewegten uns die Worte des PCP-Generalsekretärs Jerónimo de Sousa. Der einstige Führer der Metallarbeitergewerkschaft entbot Álvaro und Vasco im selben Atemzug vor Zehntausenden Teilnehmern des Abschlußmeetings einen letzten revolutionären Gruß.

Klaus Steiniger

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Aus Berichten der Betriebszeitung des VEB Kunstseidenwerk "Clara Zetkin"

Vom würdevollen Leben der Vertragsarbeiter in der DDR

Im Rahmen der anhaltenden Kampagne zur Verunglimpfung der DDR durch die Medienmafia spielt die angebliche Diskriminierung ausländischer Vertragsarbeiter wieder eine spezifische Rolle. Da ist dann von "Ausbeutung billiger und rechtloser Arbeitssklaven", "Zuweisung niedrigster Tätigkeiten", "Ghettoisierung" und "Ausländerfeindlichkeit" die Rede.

Leider reihen sich in diesen Chor der Verleumder auch vorgeblich Linke ein, die sich an der Verteufelung der DDR als angeblicher Unrechtsstaat aktiv beteiligen. Erinnert sei hier an das Agieren der Amadeu-Antonio-Stiftung oder die seit 2012 gezeigte Ausstellung "Bruderland ist abgebrannt - Einwanderung, Rassismus, Antisemitismus und Neonazismus in der DDR". Zu ihren Gestaltern gehören sowohl die Rosa-Luxemburg-Stiftung als auch das Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick.

Aufschlußreich dürfte nicht nur für jüngere Menschen, sondern auch für alle, welche nur die kapitalistische Realität der BRD kennen, der folgende Bericht sein. Er stützt sich auf die alle drei Wochen erschienene Betriebszeitung "Neues Schaffen" des Elsterberger VEB Kunstseidenwerk "Clara Zetkin", in dem etwa 1600 Menschen arbeiteten. Das Städtchen im Vogtland, wo der Betrieb angesiedelt war, zählte damals etwas über 6000 Einwohner. Ich war in diesem Werk als Fachgebietsverantwortlicher für Kultur tätig. Die Darstellung des im folgenden als Zeitdokument zitierten Blattes ist frei von schönfärberischer Propaganda und einseitiger Interpretation. Ich stütze mich dabei auf die beiden letzten Jahrgänge.

Doch der Reihe nach: Ein Foto auf der Titelseite der Nr. 3 von "Neues Schaffen" stellte im Februar 1989 die besonders verdiente Brigade "Clara Zetkin" vor. Unter den fünf Frauen, die ihr angehörten, befand sich auch die Kubanerin Lourdes Diaz Lopez. In der darauf folgenden Ausgabe wurden die Leser mit den aus Anlaß des Internationalen Frauentages für vorbildliche Arbeit ausgezeichneten 27 Frauen bekannt gemacht. Neben der bereits erwähnten Kubanerin befand sich unter den Geehrten auch die vietnamesische Arbeiterin Ngan Tran Thi aus der Abteilung Zwirnerei.

In der Nr. 5 (April 1989) meldeten sich ausländische Arbeitskräfte zum Thema "Aktives und passives Wahlrecht in der DDR" zu Wort. Die Vietnamesin Le Nhu Ky schrieb dort im Namen ihrer nationalen Einsatzgruppe: "Wir haben mit Freude den Beschluß der Volkskammer aufgenommen, daß ausländischen Bürgern, deren Aufenthalt in der DDR länger als sechs Monate dauert, das aktive und passive Wahlrecht gewährt wird. Das werten wir als Anerkennung der erbrachten Leistungen an unseren Arbeitsplätzen in der DDR."

Und der Kubaner Reinaldo Figueroa Martinez schrieb: "Für uns ist die DDR zu einer zweiten Heimat geworden. Hier arbeiten und leben wir mit unseren deutschen Freunden. ... Die Facharbeiternormen erfüllen und überbieten wir in Menge und Qualität beträchtlich. ... Wir alle schätzen es hoch, daß wir die gleichen Rechte und Pflichten haben wie unsere deutschen Kollegen in der DDR."

Damals hatte der sozialistische deutsche Staat allen ausländischen Bürgern bei mehr als sechsmonatigem Aufenthalt im Lande das kommunale Wahlrecht eingeräumt. In der BRD lagen die Dinge hingegen völlig anders.

Durch ein Gesetz zur Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes vom 9. Februar 1989 wollte das Bundesland Schleswig-Holstein Staatsangehörigen Dänemarks, Irlands, der Niederlande, Norwegens, Schwedens und der Schweiz, die seit mindestens fünf Jahren berechtigt im Inland lebten, die Teilnahme an Gemeinde- und Kreiswahlen gestatten. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Entscheidung aber per Urteil vom 31. Oktober 1990 als mit dem Grundgesetz unvereinbar. Erst nach dem Maastricht-Vertrag fügte das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21. Dezember 1992 in den Art. 28 Abs. 1 GG folgenden dritten Satz ein: "Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar." Das war drei Jahre nach der DDR-Entscheidung und galt nur für Bürger der damaligen EG-Staaten, nicht aber für Hunderttausende türkische Arbeitskräfte, die oft schon jahrelang in der BRD ansässig waren und dort Lohnsteuer zahlten!

Doch kehren wir nach Elsterberg und zur Betriebszeitung "Neues Schaffen" zurück. In Nr. 7 wurde die Ehrentafel der zum 1. Mai als "Aktivist der sozialistischen Arbeit" ausgezeichneten 7 Frauen und 7 Männer abgedruckt. Unter ihnen befanden sich die Ungarin Erszebet Fendrich (Leiterin der HO-Betriebsverkaufsstelle), der bulgarische Spinnbad-Schlosser Boris Borissow und der Kubaner Jorge Tamayo Rodriguez aus der Spinnerei. In der darauf folgenden Nr. 8 wurde Borissow in anderer Eigenschaft erneut vorgestellt: als gerade wiedergewählter gewerkschaftlicher Vertrauensmann. In derselben Ausgabe zeigte man ein Foto der Mitarbeiterinnen des Kollektivs "Konsumgüterproduktion", dem neben 7 deutschen Frauen auch die Vietnamesin Ha Le Thy angehörte.

Aufschlußreich war nicht zuletzt der Bericht vom 14. Betriebssportfest des VEB. Zu den Siegern gehörten sowohl Kubaner als auch eine vietnamesische Tischtennismeisterin.

Auf der Titelseite der Nr. 10 des Blattes wird in einer Bildnachricht erneut die Brigade "Clara Zetkin" vorgestellt: 7 der 12 Frauen kamen aus Vietnam. Man erfährt überdies, daß im Betrieb ein "Klub International" gebildet wurde. Ausführlich ist die Reportage vom Betriebsfest aus Anlaß des kubanischen Nationalfeiertages. Kubaner, Deutsche und Vietnamesen hätten "ein stimmungsvolles Tanzfest unter freiem Himmel" begangen, "ganz wie in der karibischen Heimat eines Teils der Arbeiter. Zum frohen Beisammensein gehörten auch kubanische Speisen vom Grill und Sangria", erfährt man dort. Übrigens seien sämtliche Veranstaltungskosten aus dem betrieblichen Kultur- und Sozialfonds bezahlt worden. Es verstehe sich von selbst, daß der 26. Juli für die Kubaner ein bezahlter Feiertag gewesen sei. Und weiter heißt es: "Mit dem Klub International soll die freundschaftliche Verbundenheit der kubanischen, vietnamesischen und deutschen Kollegen gefördert werden." Dem Anliegen dienten Gespräche zu Themen aus Politik, Geschichte, Kultur, Küche, Mode und Kosmetik. Vorgesehen sei auch die regelmäßige Vorführung originalsprachlicher Filme im städtischen Kino.

Auf der Titelseite der Ausgabe vom September 1989 lautete die Schlagzeile: "Vietnam - ein fernes, doch kein fremdes Land". Aus dem Beitrag erfuhr man: "Die Ausbildung und die Arbeit der vietnamesischen Kollegen in unserem Betrieb ist Ausdruck konkreter gegenseitiger Wirtschaftshilfe.

Wenn auch die Sprachen, Lebensgewohnheiten, Sitten und Bräuche sehr verschieden sind, so arbeiten wir doch gemeinsam für unser aller Wohl." Daß hier kein Idealbild vorgegaukelt wird, zeigt sich im nächsten Absatz: "Leider gibt es immer noch einige Bürger, die das nicht so erkennen wollen. Wegen des Fremden, Ungewohnten schenken sie manchmal Gerüchten Glauben, die nicht auf dem Boden des Sozialismus gewachsen sind."

Der Vietnamese Le Dinh Binh berichtete dort: "Ich stamme aus einer Bauernfamilie. Mein Freund war Soldat. Wir sind beide nach Elsterberg gekommen, um uns durch die Arbeit zu qualifizieren. Obwohl wir uns sehr umstellen mußten, angefangen von der Technik und der Arbeitsweise bis hin zum Klima, gewöhnen wir uns nach und nach an alles. Heute kann ich schon wie meine deutschen Kollegen arbeiten. Mit der Sprache habe ich noch Schwierigkeiten, aber das kriege ich auch noch hin. ... Ich fühle mich im Betrieb und in der Stadt Elsterberg ganz wie zu Hause."

Auf Seite 4 derselben Ausgabe wurde über sommerliche Kinderferienlager berichtet. Dabei ging es um den Austausch mit einem slowakischen Partnerbetrieb und über den durch die DDR-Gewerkschaften finanzierten Durchgang für polnische Pfadfinder im betrieblichen Ferienheim am nahen Stausee.

Im November 1989 wurde die Ehrentafel der zum Tag des Chemiearbeiters als Aktivist ausgezeichneten Betriebsangehörigen veröffentlicht. Unter ihnen befand sich der kubanische Anlagenfahrer José Castaneda Aguilero.

Inzwischen hatten auch in Elsterberg erste "Montagsdemonstrat ionen" stattgefunden, auf denen betriebsfremde Personen die angeblich beklagenswerte Situation ausländischer Arbeitskräfte thematisierten. Darauf reagierte "Neues Schaffen" im Dezember 1989. Diese Ausgabe wurde auch an Bürger abgegeben, die nicht im Betrieb tätig waren, um kursierenden Gerüchten die Spitze zu nehmen. Einmal mehr wurde der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte thematisiert. Das Interview mit Gabriele Ruß, Direktorin für Kader und Bildung, stellte die Frage: "Fern der Heimat, viele Einschränkungen und trotzdem zufrieden?" Frau Ruß teilte mit, daß bereits seit Ende der 60er Jahre ausländische Arbeitskräfte im VEB Kunstseidenwerk beschäftigt worden seien. Auf Ungarn und Bulgaren folgten Kubaner und Vietnamesen.

Der Einsatz der "Vertragsarbeiter" war in Regierungsabkommen vereinbart worden und beruhte auf Wünschen und Forderungen der Entsendeländer. Darin seien auch Unterkunft, soziale und kulturelle Betreuung, Qualifizierungen, tarifgemäße Vergütung und Urlaubsansprüche sowie die Sozialversicherungspflicht festgelegt worden. Zu den Wohnbedingungen hieß es: "Die vier Wohnheime für Ausländer (ohne Pförtner!) befanden sich inmitten des Komplexes der Betriebswohnungen. Die Monatsmieten waren mit 20 Mark ebenso niedrig wie die der deutschen Ledigen oder Lehrlinge in deren Quartieren." Frau Ruß beschrieb die vom Betrieb finanzierte Ausstattung der Ein- bis Zwei-Raum-Wohneinheiten mit Kühlschränken, Waschmaschinen und Kochherden. Zwei Personen teilten sich in der Regel ein Zimmer.

In dem Beitrag wurde auch die Ausbildung der Vertragsarbeiter zur Sprache gebracht. Eine erste Arbeitsplatzqualifizierung und ein erfolgreich bestandener Deutschkurs seien die Voraussetzungen für eine reguläre Facharbeiterausbildung. Zum Zeitpunkt der Information absolvierten gerade drei Kubaner einen Meisterlehrgang.

Während des achtwöchigen Einführungskurses, der noch ohne praktischen Arbeitseinsatz erfolge, werde der Mindestlohn von 400 Mark der DDR gezahlt. Danach erfolge die Eingruppierung in die jeweiligen Tariflohnkategorien. Zusätzlich erhielten alle Ausländer ein Trennungsgeld von 4 Mark pro Tag, wobei Kubaner und Vietnamesen einen Teil ihres Nettolohnes auf Sparkonten in die Heimat zu überweisen hatten. Vietnamesen durften während des Einsatzes in der DDR jeweils zwei Mopeds, fünf Fahrräder, zwei Nähmaschinen und zwei Radiogeräte erwerben, um sie ihren Angehörigen zukommen zu lassen.

Auch die Frage, welche Kosten dem Betrieb für Ausbildung, Unterkunft usw. entstünden, blieb nicht unbeantwortet. Feste Kosten seien Flugtickets bei An- und Rückreise sowie für eine Urlaubsreise pro Person nach Vietnam (6400 Mark) und nach Kuba (5000 Mark), eine einmalige Einkleidungsbeihilfe in Höhe von 500 Mark sowie 1460 Mark Trennungsgeld pro Jahr.

Auch 1990 veröffentlichte "Neues Schaffen" noch etliche die ausländischen Kollegen betreffende Beiträge. So erfuhr man aus einer Information der Personalabteilung, daß 1989 nur drei der 66 Kubaner und acht der 125 Vietnamesen insgesamt 110 Fehlstunden verursacht hatten, was deutlich unter dem Durchschnitt der Betriebsangehörigen lag.

Die Aprilausgabe des "Umbruchjahres" brachte ein Interview mit dem Gruppenleiter und Dolmetscher der Vietnamesen.

"Elsterberg - unser zeitweiliges Zuhause" lautete die Überschrift. Darin wurde auf unterschiedliche Eßgewohnheiten eingegangen, die vom örtlichen Handel nicht immer berücksichtigt worden seien. Thematisiert wurde auch die Tatsache, daß die Vietnamesen für ihre hohen Nettolöhne in großer Zahl Nähmaschinen, Fahrräder und Mopeds gekauft und ihren Familien geschickt hätten. Gruppenleiter Le Nhu Ky faßte das Ganze mit den Worten zusammen: "In jedem Volk gibt es ehrliche und unehrliche, fleißige und faule, kluge und dumme Menschen. Deshalb sind Vernunft, gegenseitige Achtung und Verständnisbereitschaft notwendig." Bis zum Herbst 1990 kehrten die kubanischen und vietnamesischen Vertragsarbeiter auf Beschluß ihrer Regierungen in die Heimatländer zurück. Sie wurden in der Noch-DDR feierlich verabschiedet - sowohl von ihren betrieblichen Vorgesetzten als auch von den deutschen Kollegen am Arbeitsplatz.

Übrigens gab es in den Jahren 1989 und 1990 in Elsterberg weder ausländerfeindliche Kundgebungen noch tätliche Angriffe auf die Kollegen aus anderen Teilen der Welt.

Siegfried R. Krebs

Ende RF-Extra

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Welchen Charakter trugen die sozialen Umwälzungen in Osteuropa?

Über Revolutionen und Konterrevolutionen

Seit 1989 wird von gewissen Pseudo-Linken die These verbreitet, die sozialistischen Staaten Osteuropas seien deshalb zusammengebrochen, weil dort keine echten Revolutionen unter Einsatz von Gewalt stattgefunden hätten. Ohne diese gäbe es natürlich auch keine Konterrevolutionen. Die volksdemokratischen Umwälzungen in Ost- und Südosteuropa werden ebenso in Abrede gestellt wie der konterrevolutionäre Gegenschlag Ende der 80er Jahre. Ganz anders verhalte es sich, wenn kommunistische Kräfte wie in China, Vietnam und Kuba auf revolutionärem Wege an die Macht gelangt seien.

Solche Positionen lassen darauf schließen, daß marxistisch-leninistische Vorstellungen zur Machtfrage aufgegeben worden sind. Wie aber sollen von jenen, welche eine linke Partei führen oder maßgeblich beeinflussen, da Impulse zur Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft ausgehen?

Wenden wir uns den Fakten zu: In Rußland - dem Kern der späteren UdSSR - wurde die Macht in einer klassischen sozialistischen Revolution errungen und nach mehr als sieben Jahrzehnten preisgegeben. Fälschlicherweise wird der Begriff Revolution generell mit einem gewaltsamen Umsturz gleichgesetzt, obwohl dies lediglich ein Aspekt der Überwindung eines überlebten Regimes ist. Die eigentliche Machteroberung dauert in der Regel nur kurze Zeit, wird aber zum Wesen der Revolution erklärt. Die inhaltliche Ausprägung einer tiefgehenden revolutionären Umwälzung nimmt Jahre und Jahrzehnte in Anspruch.

Dabei sind jene rechtsopportunistischen "neuen Denker" nicht einmal auf der Höhe aktueller bürgerlicher Erkenntnisse: Eine Revolution sei "ein Umsturz der bestehenden politischen und sozialen Ordnung", liest man im Duden (Fremdwörterbuch). Es handele sich um "eine Umwälzung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse", heißt es im Schülerduden (Geschichte). Hierbei ist Gewaltanwendung "kein unverzichtbares Kriterium" (Schülerduden [Politik und Gesellschaft]). Ausschlaggebend für eine Revolution ist also nicht das Wie, sondern das Was.

Gewaltsame Erhebungen, die auch als Revolutionen bezeichnet wurden, gab es in der Geschichte etliche. Doch die meisten wurden niedergeschlagen, bevor eine tiefgehende Veränderung der sozialen Verhältnisse hätte erfolgen können.

In Osteuropa, wo die Rote Armee angeblich "alles gerichtet" haben soll, vollzogen sich als volksdemokratisch bezeichnete Revolutionen, die aus mehreren Etappen bestanden: Auf den nationalrevolutionären Befreiungskampf folgten zunächst bürgerlich-demokratische Umwälzungen, die später in eine sozialistische Machteroberung mündeten.

Die gesellschaftlichen Veränderungen in Polen und der Tschechoslowakei waren dadurch geprägt, daß die Rote Armee zunächst die faschistischen Okkupanten vertreiben und niederwerfen mußte.

In Polen übernahmen Kommunisten und andere linke Kräfte zwar sofort die Macht, mußten sich aber bis 1948 mit ihren Gegnern bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen liefern.

In Jugoslawien und Albanien konnten im Zuge der nationalen Befreiung durch Vertreibung der mit Hitler und Mussolini kollaborierenden Elemente von der Macht zugleich auch die Vorkriegsverhältnisse umgewälzt werden. Dabei entstanden auf gewaltsamem Wege Voraussetzungen für sozialistische Revolutionen.

In Rumänien und Bulgarien hatten im August und September 1944 Volksaufstände die faschistischen Regierungen zu Fall gebracht und Bedingungen für eine sozialistische Machtübernahme geschaffen. Diese fand erst 1948 ihren Abschluß.

In Ungarn zerschlug die Rote Armee das mit Nazi-Deutschland verbündete Pfeilkreuzler-Regime Horthys, was auch dort den Weg für Veränderungen öffnete. Die Errichtung der Nachkriegsordnung entsprach den Kriterien einer bürgerlich-demokratischen Revolution, der die militärisch geschlagenen Faschisten vor allem auch wegen der Anwesenheit sowjetischer Truppen im Lande nichts entgegenzusetzen vermochten. Doch die reaktionären Kräfte waren hier wie in Polen weitaus stärker als in anderen ost- und südosteuropäischen Ländern. So konnte die sozialistische Machtübernahme in Ungarn erst spät erfolgen. Die neue Ordnung blieb zeit ihres Bestehens gefährdet, wie die Konterrevolution von 1956 offenbarte.

In der CSR lagen die Dinge anders. Die Rote Armee verließ schon 1946 das Land. Die bürgerlichen Verhältnisse aus der Zeit vor 1938 wurden unter dem aus der Emigration zurückgekehrten Präsidenten Benes zwar wiederhergestellt, doch mit einem wesentlichen Unterschied zu früher: Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSC) bestimmte von Beginn an als stärkste nationale Kraft die Entwicklung des Landes. Schon 1946 wurde ihr Vorsitzender Klement Got twald zum Ministerpräsidenten berufen. Versuchen der Reaktion, den revolutionären Prozeß durch eine künstlich herbeigeführte Regierungskrise aufzuhalten, trat die KSC im Februar 1948 mit einer gesellschaftsverändernden Aktion entgegen. Im Zentrum Prags marschierten Zehntausende bewaffnete Angehörige der Arbeitermilizen auf. Die heutigen Machthaber diffamieren diese großartige Manifestation des Volkswillens als kommunistischen Putsch.

Der Erfolg der osteuropäischen Linkskräfte war also keineswegs nur den "Bajonetten" der sowjetischen Befreier geschuldet, sondern vor allem auch Ergebnis einer seit den 30er Jahren klug verfolgten Bündnispolitik und deren konsequenter Umsetzung, was die bäuerliche Bevölkerungsmehrheit sukzessive in das Lager der Revolution führte.

Eine in sämtlichen osteuropäischen Ländern unmittelbar nach der Befreiung vollzogene demokratische Bodenreform trug wesentlich zur Veränderung des innenpolitischen Kräfteverhältnisses bei. Mit der Nationalisierung der Grundstoff- und Schlüsselindustrien gewannen die Kommunisten auch unter sozialdemokratischen Werktätigen an Sympathien, was den späteren organisatorischen Zusammenschluß der Arbeiterparteien begünstigte.

Die Errungenschaften der volksdemokratisch-sozialistischen Revolutionen in Osteuropa wurden im Zuge des sukzessiven Zusammenbruchs der Sowjetunion unter Gorbatschow sowie des Wirkens innerer Gegner durch die konterrevolutionäre Wiederherstellung der alten Macht- und Eigentumsverhältnisse zerstört.

Dr. Bernhard Majorow

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Sechs von zehn stimmberechtigten USA-Bürgern blieben den Urnen fern

Das Fiasko der Mid-Terms

Die Mid-Term-Elections, wie in den USA die Zwischenwahlen bezeichnet werden, brachten im November 2014 angeblich einen haushohen Sieg der republikanischen Grand Old Party (GOP) und eine vernichtende Niederlage der Demokratischen Partei Präsident Obamas. Tatsächlich konnte die GOP ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus weiter ausbauen und sich nun auch unter den 100 Senatoren, von denen ein Drittel neu gewählt wurde, die Majorität sichern. Der Präsident der Vereinigten Staaten wurde im wörtlichen Sinne zu einer in seiner Entscheidungsfähigkeit beschnittenen "lahmen Ente" (lame duck) degradiert. So bezeichnet man Residenten im Weißen Haus, denen keine anderen legalen Machtmittel als das Überfahren der Mandatsträger durch Dekretieren zur Verfügung stehen.

Ein Wort zum Wechselspiel der beiden einander am Staatsruder ablösenden großen Parteien: Hinter den Republikanern, der prononciert rechteren Formation, stehen - vereinfachend gesagt - die erste Reihe des US-Monopolkapitals und der militärisch-industrielle Komplex. Die vor allem mit Kreisen des Finanzkapitals verbundenen Demokraten sind differenzierter zu beurteilen. Da es in den USA keine Sozialdemokratie gibt, erfüllen sie als großbürgerliche Partei zugleich auch reformistische Aufgaben. Dabei gibt es unter den Demokraten neben eingefleischten Südstaatler-Reaktionären auch linksliberale und gewerkschaftsnahe Sektoren.

Der Wahlmodus, bei dem man sich im Augenblick der obligatorischen Registrierung als Demokrat, Republikaner oder Unabhängiger erklären muß, um an den Vorwahlen (Primaries) der beiden politischen Hauptformationen teilnehmen zu können, ist nicht gerade ein freiheitliches Modell. Bei der Abstimmung gilt das Prinzip "Winner takes all". (Der Sieger bekommt alles.) Wer bei den Präsidentschaftswahlen in einem Bundesstaat auch nur einen einzigen Wähler mehr für sich verbuchen kann, dem werden die über den künftigen Staats- und Regierungschef entscheidenden Wahlmänner samt und sonders zugeschlagen, während der Unterlegene leer ausgeht.

Jetzt ist von einem Erdrutschsieg der GOP die Rede. Daran stimmt nur eines: Während 60 % aller Stimmberechtigten den Urnen fernblieben und damit ein vernichtendes Urteil über die ihnen vorgegaukelte "Demokratie" fällten, votierten zahlreiche Wechselwähler nach Meinungsumfragen nur deshalb für die GOP, weil sie sich von Obamas Wirtschaftspolitik betrogen fühlten. Die Absage an ihn war also kein Bekenntnis zur GOP, die ihren Druck auf den Präsidenten jetzt noch mehr erhöhen wird, um die aggressivsten Akzente der Außenpolitik auf die Spitze zu treiben.

Es besteht kein Zweifel daran, daß die Entscheidung der US-Bürger durch eine alle Dimensionen sprengende Einseif- und Irreführungskampagne der Medien im wahrsten Sinne des Wortes gekauft worden ist. Nie zuvor wurden von den Magnaten solche Summen in eine Mid-Term-Kampagne investiert: Vier Milliarden Dollar gaben sie überwiegend für demagogische Werbespots aus, die 24 Stunden am Tag die Bildschirme füllten.

Die großbürgerliche "Washington Post" stellte sachlich fest: "Wähler, die nach dem Verlassen der Stimmlokale interviewt wurden, äußerten sich negativ über fast alles - vom Präsidenten über den Kongreß bis zu den beiden großen Parteien sowie zum Zustand der Wirtschaft und der Führung des Landes."

Besonders selbstentlarvend war die Tatsache, daß die US-Medien nur Tage zuvor die Wahlen in der Ostukraine, an denen trotz des Kiewer Bomben- und Raketenterrors über 60 % der Stimmberechtigten teilgenommen hatten, wegen "extrem hoher Abstinenz" als "shame" (Schande) bezeichnet hatten. Wäre man in den USA auch nur auf diese "Traumzahl" gekommen, hätte das einen Jubelsturm ausgelöst.

Von Obama wurde nicht wenig unternommen, um die Russophobie und damit den Kalten Krieg zu forcieren. Dennoch übt die GOP massiven Druck auf ihn aus, Putin noch mehr zu dämonisieren und auf größere Truppenverlegungen der NATO an die russischen Grenzen zu drängen. Während Obama in Syrien und Irak zwar interveniert, ohne den Terroristen der radikal-islamistischen IS ernsthaft zu schaden, indem er auf Bodentruppen verzichtet und "blinde" Luftschläge führt, verlangt die GOP "sofortige Schritte zum Sturz der syrischen Assad-Regierung".

Die "New York Times" sprach davon, die Wähler hätten "nach einem Weg Ausschau gehalten, mit Washingtons Unentschlossenheit Schluß zu machen". Der Genauigkeit halber: Es handelte sich dabei um weniger als ein Drittel der potentiell Stimmberechtigten. Aufschlußreich ist auch die Tatsache, daß 25 % der für die GOP Votierenden anschließend auf Journalistenfragen versicherten, sie hätten ihre Entscheidung nicht aufgrund positiver Gefühle für die Republikaner getroffen, sondern allein aus Protest gegen Obamas Politik. Das Mandat für die GOP ist also weit von einem Vertrauensbeweis der Wähler für diese innenpolitisch erzreaktionäre und außenpolitisch ultra-aggressive Partei entfernt, sondern war ein klassisches Protestvotum.

RF, gestützt auf Information Clearing House, Kanada

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Brasilien: Zweite Amtszeit für Dilma

Eine Ära nimmt ihren Fortgang: Bereits zum vierten Mal in Folge konnte in Brasilien die Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) die Präsidentschaftswahl für sich entscheiden. In der Stichwahl am 26. Oktober 2014 entfielen auf Amtsinhaberin Dilma Rousseff - in Brasilien meist nur Dilma genannt - 51,6 Prozent der Stimmen. Damit hat sie auch in der neuen Legislaturperiode, die am 1. Januar begann, als Staats- und Regierungschefin im Palácio do Planalto der Hauptstadt Brasília das Sagen.

Rousseff wurde im Wahlkampf von einer Koalition aus neun Parteien sowie von den großen Gewerkschaftsverbänden unterstützt. In der entscheidenden Runde siegte sie über den Kandidaten der konservativen und unternehmernahen PSDB (Partei der Brasilianischen Sozialdemokratie) Aécio Neves, der von einem Mitte-Rechts-Bündnis getragen wurde und die massive Unterstützung der privaten Großmedien hatte. Der frühere Gouverneur des wichtigen Bundesstaates Minas Gerais kam auf 48,4 Prozent. Es war bereits das vierte aufeinanderfolgende Duell zwischen PT und PSDB um die Präsidentschaft.

Die knappste Entscheidung seit der Rückkehr des größten Landes Südamerikas zur Demokratie vor mehr als einem Vierteljahrhundert widerspiegelt die starke Polarisierung der politischen Lager. Das Abschneiden der beiden Kandidaten ist regional durchaus verschieden. Am klarsten gewann Dilma Rousseff in den weniger entwickelten Bundesstaaten des Nordens und Nordostens.

»Ich weiß, daß ich wieder zur Präsidentin gewählt wurde, um die großen Veränderungen herbeizuführen, welche die brasilianische Gesellschaft fordert«, erklärte Rousseff am Wahlabend. An erster und wichtigster Stelle stehe dabei die politische Reform. Ziel dieses von der Präsidentin angestrebten Projekts sind transparenter und effizienter arbeitende Volksvertretungen. In Brasilien funktioniert Politik stark personalisiert, wobei die Parteien häufig nur als austauschbare Vehikel persönlicher Machtambitionen fungieren. Sie ist von Korruption und Vetternwirtschaft durchsetzt. Auf diesem Boden wächst die Unzufriedenheit.

Zwar konnten dank der Sozialprogramme der PT-Regierungen Millionen Brasilianer in die unteren Mittelschichten aufsteigen und in zuvor nie gekanntem Maß am Konsum teilnehmen, was die immense Schere zwischen Arm und Reich etwas verringerte und den Hunger aus dem Leben der Ärmsten weitgehend verbannte. Dennoch bleiben viele Mißstände unbewältigt. Eine abgeschwächte Wirtschaftskonjunktur und steigende Lebenshaltungskosten machen den Menschen arg zu schaffen. Die Megastädte leiden unter enorm hoher Kriminalität und Gewalttätigkeit, die öffentliche Bildung und das Gesundheitswesen befinden sich weiterhin auf dem Niveau der Dritten Welt, der städtische Nahverkehr ist vielerorts katastrophal.

2013 kam es deshalb zu Massenprotesten, die ihren Anfang in Aktionen gegen Fahrpreiserhöhungen hatten und sich schnell auf weitere Themenkomplexe ausdehnten. Wut über viele Milliarden Steuermittel für Fußball-WM und Olympia in Rio de Janeiro 2016, die zum Teil in dunklen Kanälen versickerten, brach sich Bahn.

Die rechtslastigen Medien versuchen seitdem, den Unmut der Bevölkerung gegen die PT-Regierung und die Präsidentin zu kanalisieren. Die junge Generation hat keine eigenen Erfahrungen mehr mit den neoliberalen Vorgängern der inzwischen etablierten PT machen können. Besonders hier fand Dilma Rousseffs Herausforderin Marina Silva, die sich als »dritte Kraft« inszeniert hatte, Anklang. Die evangelikale Umweltpolitikerin war im ersten Wahlgang ausgeschieden und hatte ihre Anhänger zum Votum für den Rechtskandidaten aufgerufen. Doch viele davon wollten es bei einem Denkzettel für die PT belassen.

Im Wahlkampf hatte Rousseff die Notwendigkeit betont, mehr reale Veränderungen durchzusetzen und die Lebenssituation der Bevölkerung auch fortan zu verbessern. Sie sieht sich dabei einer erstarkten rechten Opposition gegenüber. Mit einem offensiven Wahlkampf ist es der Präsidentin jedoch gelungen, weiter aus dem Schatten ihres populären Amtsvorgängers "Lula" da Silva herauszutreten.

Peter Steiniger, Berlin

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9500 politische Gefangene in Kolumbien

Kolumbien gehört zu jenen lateinamerikanischen Staaten, die sich nach wie vor fest im Würgegriff der USA befinden. Obwohl bei den in Havanna stattfindenden Verhandlungen über eine Entschärfung des Konflikts zwischen der akzentuiert rechtsgerichteten Regierung und den bewaffneten Befreiungskämpfern der FARC, die wiederholt unterbrochen wurden, Teilerfolge erzielt werden konnten, sind Tausende Patrioten nach wie vor schweren Repressalien des Regimes ausgesetzt.

Zu den davon Betroffenen gehört die kolumbianische Gewerkschafterin Liliany Obanda (Bildmitte), die am 13. August 2014 in den Hungerstreik treten mußte, um auf ihren sechs Jahre zuvor begonnenen Leidensweg aufmerksam zu machen. In dieser Zeit wurde sie 43 Monate in dem berüchtigten El Buen Pastor-Frauengefängnis von Bogotá ohne Anklage gefangengehalten. Ihr Antrag auf Umwandlung der Inhaftierung in Hausarrest, um für ihre beiden Kinder sorgen zu können, wurde damals abgelehnt.

Am 1. März 2012 ließ man Liliany auf Kaution frei. In dieser Zeit verurteilte sie die kolumbianische Klassenjustiz jedoch zu einer Freiheitsstrafe von 70 Monaten und einer "Geldbuße" von 770 Millionen Pesos (400.000 Dollar). Schließlich stellte man die Antiimperialistin für den Rest der Freiheitsstrafe unter Hausarrest. Das Internationale Netzwerk für Solidarität mit Kolumbiens politischen Gefangenen entsandte einen kanadischen Aktivisten als Beschützer der Familie nach Bogotá.

Die weltweite Solidaritätsbewegung setzt sich für die Amnestierung von 9500 inhaftierten Gegnern der Diktatur ein. Zu den Verfolgten gehört auch das Mitglied des ZK der Kolumbianischen Kommunistischen Partei (PCC) David Ravelo, der sich seit dem 14. September 2010 in Haft befindet. Obwohl ihm keine Straftat nachgewiesen werden konnte, verurteilte man Ravelo zu 18 Jahren Freiheitsentzug. Er hatte in seiner Heimatstadt Barrancabermeja den Widerstand gegen die Herrschaft rechtsradikaler paramilitärischer Milizen organisiert.

David Ravelo nahm während der 90er Jahre im Rahmen des Linksbündnisses Patriotische Union wichtige Aufgaben wahr. 2009 war dem Kommunisten durch die örtliche katholische Diözese wegen langjähriger Verteidigung der Menschenrechte eine Auszeichnung zuerkannt worden.

RF, gestützt auf "People's World", New York, und "The Guardian", Sydney

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Diese Wirtschaft tötet
Auszug aus dem Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium von Papst Franziskus (Punkt 51 bis 60)

Das Apostolische Schreiben ist nachzulesen unter:
http://w2.vatican.va/content/francesco/de/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium.html

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Zu Australiens Eingliederung in die neue Pazifik-Strategie der USA

Wer bedroht den fünften Kontinent?

Nachdem die konservative Koalitionsregierung unter Premier Abbott angekündigt hatte, sie beabsichtige 58 Kampfmaschinen aus den USA zum Preis von 24 Mrd. Australischer Dollars zu erwerben, fragt man sich: Wer bedroht eigentlich den fünften Kontinent mit seinen 23 Millionen Einwohnern, daß es derart immenser Ausgaben bedarf?

Das rohstoffreiche Land, das derzeit vor allem China mit Eisenerz und Kohle beliefert, während die Gruben des Inselstaates weitgehend unter fremder Kontrolle operieren (man denke an Namen wie BHP und Rio Tinto), sollte vor allem um ein friedliches und konstruktives Verhältnis zu seinen asiatischen Nachbarn bemüht sein. Doch die traditionelle Entspannungspolitik der sozialdemokratischen Australian Labour Party wurde von deren Nachfolgern um den Jesuitenzögling Tony Abbott über den Haufen geworfen. Das geschah zugunsten von den USA im Bunde mit Japan geschmiedeter Pläne, der Expansion Chinas einen Riegel vorzuschieben.

Was Washington dabei einmal mehr vermissen läßt, ist jegliches Verständnis für die Kulturen und Interessen anderer Länder. Hier sind die bitteren Erinnerungen der Koreaner und Vietnamesen an zwei USA-Aggressionen, aber auch an die japanische Okkupation Südostasiens im Zweiten Weltkrieg in Betracht zu ziehen. Unter denen, die Schlimmes durchmachen mußten, befanden sich nicht zuletzt australische Kriegsgefangene. Besonders grausam wütete Tokios Soldateska aber in der Mandschurei und auf den Philippinen. Die dort begangenen Greuel leben im Gedächtnis von Augenzeugen wie den wissenden Angehörigen nachfolgender Generationen fort. Ich sprach mit Filipino-Pflegerinnen, die mir berichteten, wie japanische Okkupanten kleine Kinder in die Luft geworfen und mit ihren Bajonetten aufgefangen oder wie sie schwangere Frauen entleibt hätten.

China leidet nicht an einer Geschichtsbelastung wie die genannten Staaten. So sind seine Emissäre als Handelspartner und Kreditgeber in den Entwicklungsländern gefragt. Wie erwähnt, geht ein Großteil australischer Exporte in das einstige Reich der Mitte, während chinesische Investitionen in Rohstoffe und Agrarprodukte Australiens Wirtschaft stimulieren. Doch dessen Geschichte ist seit jeher von Furcht vor Asien geprägt.

Einerseits verfügt der spärlich besiedelte Kontinent, der zugleich die größte Insel der Welt ist, über riesige Ländereien. Andererseits gibt es Hunderte Millionen oft landlose und vom Hunger getriebene Asiaten. Großbritannien, zu dessen Commonwealth Australien gehört, schürte fleißig die Angst vor ihnen, bis es schließlich seine militärische Präsenz "östlich des Suez" aufgeben mußte. Die herrschende Klasse Australiens fand in den Vereinigten Staaten einen neuen Schirmherrn. Es bleibt allerdings fraglich, ob irgendeine Großmacht tatsächlich dazu bereit wäre, im Ernstfall einen Krieg zur Verteidigung Australiens zu führen. Doch allein die Illusion, mächtige Freunde zu besitzen, wirkt als politisches Opiat auf Parteien und Bevölkerung des fünften Kontinents.

Basen des Pentagons wie Darwin werden ständig ausgebaut. Auch der Ankauf neuer Kampfflugzeuge bei US-Konzernen unterstreicht die Vorstellung, eine "unbesiegbare Schutzmacht" zu besitzen.

Australiens Haushalt 2014, der sämtliche Sozialausgaben gnadenlos zusammenstrich oder privatisierte, rief einen Schock hervor und führte viele Tausende zu Protestmärschen auf die Straßen.

Die Labour-Opposition übte zwar lautstark Kritik, bot der Wählerschaft jedoch keine Alternative an. Ihre Sprecher erklärten sogar, die Verträge über den Kauf der Kampfflugzeuge und U-Boote dürften bei einem angestrebten Regierungswechsel nicht gebrochen werden. Die parlamentarische Demokratie ist und bleibt eben ein Instrument der Klassenherrschaft, wobei sie zwischen mehreren Parteien clever ausgespielt wird, was den Wählern die Vorstellung von Alternativen vermittelt, obwohl es sich stets um die Diktatur des Kapitals handelt.

Washington begrüßte einen zahlungskräftigen Kunden für 58 neue Kampfflugzeuge des Typs F 35 Lightning II. Übrigens sind vergleichbare chinesische und russische Modelle, was Schnelligkeit und Reichweite betrifft, den amerikanischen Maschinen inzwischen überlegen.

Nur einige Monate nach dem Abschluß des Rüstungsgeschäfts wurde bekannt, daß Australien mit China über ein Freihandelsabkommen im Gespräch ist, das Regierungschef Tony Abbott wärmstens unterstützt, soll es doch mindestens 18 Mrd. Australische Dollars innerhalb von zehn Jahren in die Kassen spülen. Der Vertrag sieht Exporte von Dienstleistungen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen vor, was besonders die Milchproduktion ankurbeln dürfte.

Als Gegenleistung erwartet man in Beijing die Zulassung eigener Geschäftsführer, um chinesische Unternehmen in Australien selbst leiten zu können. Das bedeutet indes nicht den Import billiger Arbeitskräfte aus dem asiatischen Riesenland, wie die australischen Verhandlungspartner nachdrücklich unterstreichen. Mit anderen Worten: Es handelt sich um die Fortsetzung jener alten Politik, die einst das Land als "weißes Australien" in Verruf gebracht hat.

Dr. Vera Butler, Melbourne

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Burkina Faso nach dem Sturz des Diktators Compaoré

Massenprotest erzwang Übergangslösung

Drei Tage waren Hunderttausende Bürger der zur Diktatur verkommenen, einst glanzvollen westafrikanischen Republik Burkina Faso (früher: Obervolta) unablässig auf den Straßen der Hauptstadt Ouagadougou, um ihrer Forderung nach Rücktritt des Präsidenten Blaise Compaoré Nachdruck zu verleihen. Auch der Terror von Eliteeinheiten des Diktators, die 30 Demonstranten ermordeten, vermochte sie nicht einzuschüchtern. Erfolglos flüchtete sich Compaoré in den Ausnahmezustand und löste die Regierung auf, bevor er zunächst in das gleichfalls von einem durch Paris installierten Tyrannen "regierte" Nachbarland Elfenbeinküste und später nach Marokko zu fliehen vermochte.

Wie aber kam es zu dieser außergewöhnlich schlagkräftigen, vor allem durch die Gewerkschaften getragenen und von der Coordination contre la vie chère (Koordination gegen das teure Leben - CCVC) geführten Protestbewegung in einem westafrikanischen Land? Burkina Faso ist seit langem für machtvolle Streiks seiner gut organisierten Arbeiterklasse und nahezu einmalige Manifestationen bekannt. 1998, 2006 und 2008 sorgten sie bereits international für Schlagzeilen. Doch erst seit 2011 begann das autokratische Compaoré-Regime in allen Fugen zu krachen. Am 22. Februar jenes Jahres setzten - als Reaktion auf die Ermordung eines Schülers durch die Polizei - Protestaktionen von zuvor ungekannter Stärke ein. Obwohl der Tyrann alles unternahm, um sie im Blut zu ersticken, hielten sie während eines ganzen Monats an.

Bald darauf erfuhr man von sozial motivierten Meutereien der Soldaten fast aller Garnisonen des Landes. Zu Tode erschrocken, setzte sich Compaoré zunächst aus der Hauptstadt ab, kehrte dann aber mit Unterstützung französischer Truppen dorthin zurück, um sofort sämtliche Kommandopositionen der Armee in andere Hände zu legen.

Im August 2013 versicherte der Diktator, eine Straßendemonstration werde in Burkina Faso niemals zu Gesetzesänderungen führen. Genau 15 Monate später wurde er von einer der größten Protestwellen, die es jemals in Frankreichs früheren Westafrika-Kolonien gegeben hatte, endgültig aus dem Amt gejagt. Am 21. Oktober 2014 hatte er noch eine Sondersitzung seines Kabinetts einberufen. Es ging dabei um eine Verfassungsänderung, die dem angeschlagenen Präsidenten seinen Posten auch weiterhin sichern sollte. Es war beabsichtigt, über den Vorschlag neun Tage später im Parlament abstimmen zu lassen.

"Blaiso", wie ihn ein populäres Satiremagazin der Opposition nannte, brachte das Faß damit zum Überlaufen. Die Oppositionsparteien riefen für den 28. Oktober zu Massenprotesten auf. Am Tag darauf sollte eine von der CCVC einberufene Manifestation für eine allen Kindern des Volkes zugängliche demokratische Schule stattfinden. Doch schon die zweite CCVC-Forderung lautete: Sofortiger Rücktritt Compaorés nach 27 Jahren Machtmißbrauch! Aber der angeschlagene Diktator stellte sich weiterhin taub. Am Vorabend der Abstimmung über die von ihm begehrten "unbegrenzten Vollmachten" kam es in der Metropole des Landes zu schweren Auseinandersetzungen. Die wütende Menge besetzte das Parlament, verhinderte die Debatte über eine Verfassungsänderung und setzte das Gebäude in Brand.

Compaoré erklärte nun, er habe "die Botschaft des Volkes verstanden" und ziehe seinen Vorschlag zurück. Es folgte die Flucht.

Wie aber war dieser Mann eigentlich an die Staatsspitze Burkina Fasos gelangt? Am 15. Oktober 1987 hatten vom Ausland gesteuerte Verschwörer seinen Vorgänger Thomas Sankara ermordet. Der, den man einen afrikanischen Che Guevara nannte, unternahm seit 1983 gemeinsam mit seinem damaligen Waffen- und Weggefährten Blaise Compaoré große Anstrengungen, die neokoloniale Diktatur Obervoltas, das er in Burkina Faso zurückbenannte, auf einen nationaldemokratischen Weg zu führen. Entschlossen nahm Thomas Sankara den Kampf gegen den Internationalen Währungsfonds und die einstige Kolonialmacht auf. Er verteidigte soziale Positionen, setzte sich für die Gleichberechtigung der Frauen ein, verstaatlichte die Naturreichtümer seines Landes und investierte beachtliche Mittel in das Gesundheitswesen. Beispielhaft waren seine Bemühungen um die Nahrungsgüter-Souveränität Burkina Fasos. (Der Afrikanist Dr. Wolfgang Semmler berichtete darüber im RF 181, Extra III.)

Doch Sankara stieß nicht nur auf den erbitterten Widerstand der alten Eliten und Frankreichs, sondern traf auch selbst nicht immer richtige Entscheidungen. So stützte er sich z. B. nicht auf die einflußreiche Gewerkschaftsbewegung des Landes.

Nach der gewaltsamen Ausschaltung dieses Präsidenten riß Compaoré die Macht an sich. Er zerstörte sämtliche Errungenschaften aus der Ära seines Vorgängers und zögerte auch nicht, etliche Widersacher ermorden zu lassen. Inzwischen nimmt Burkina Faso auf der Entwicklungsskala der UNO den 181. Platz unter 188 Mitgliedsstaaten ein. Die durchschnittliche Lebenserwartung seiner Bürger beträgt 57 Jahre, 63 % der Bevölkerung vegetieren in bitterster Armut.

Das westafrikanische Land besitzt indes für die USA und die NATO besonders hohe strategische Bedeutung. Die U.S. Army und die französische Armee unterhalten dort Militärstützpunkte von regionalem Gewicht. Wie die "Washington Post" wissen ließ, überwacht die NSA von Burkina Faso aus die gesamte subsaharische Region.

Unterdessen hat sich die Lage verändert. Wie es heißt, habe man in Burkina Faso den Weg eines "friedlichen Übergangs" beschritten. Der Versuch Isaac Zidas, eines Stabsoffiziers der Leibgarde des Expräsidenten, allein an dessen Stelle zu treten, wurde von den Massen vereitelt. Sie waren auf der Hut. Auch die Oppositionsparteien blieben wachsam. So kam ein Kompromiß zustande. Die immer noch mächtigen Militärs sowie Zivilpolitiker verschiedener Richtungen, aber auch Kräfte des CCVC einigten sich darauf, den 72jährigen Michel Kafando - einen langjährigen UNO-Botschafter und zeitweiligen Außenminister Burkina Fasos - als Interimspräsidenten einzusetzen. Zida wurde Chef einer Übergangsregierung.

Der erzielte Konsens darf indes nicht über die Brisanz der Lage hinwegtäuschen. Spaniens führende Tageszeitung "El País" suchte ihre Leser durch die Bemerkung zu beruhigen, man solle nicht den Verdacht hegen, Burkina Fasos Interimspräsident sei progressiv oder gar revolutionär gesinnt. Er habe sich ideologisch von den Positionen Thomas Sankaras entfernt und werde "wegen seiner Ehrlichkeit bewundert".

Im November 2015 sollen in Burkina Faso Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden. Derzeit gilt eine "Charta des Übergangs".

Linke Kräfte reagierten kritisch auf die "Zwischenlösung". So gab die Zeitschrift "Jeune Afrique" den Standpunkt eines Studenten wieder: "Wurde Compaoré etwa gestürzt, um ihn durch eine ähnliche Figur zu ersetzen?", fragte dieser.

Die Afrikanische Union und die Wirtschaftsgemeinschaft der Staaten Westafrikas unterstützen den derzeitigen Prozeß in Burkina Faso, dessen Ausgang allein davon abhängen dürfte, ob sich die für ihre Wachsamkeit bekannten Volksmassen an der Nase herumführen lassen oder die Augen einmal mehr offenhalten.

Frankreichs Präsident François Hollande beglückwünschte den neuen Führer Burkina Fasos, der erklärt hat, er wolle Korruption und Straflosigkeit den Kampf ansagen.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel, und "Avante!", Lissabon

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Damaskus: Der Westen schweigt zu IS-Massakern am syrischen Volk

Wie die Syrisch-Arabische Nachrichtenagentur (SANA) berichtete, wird der Prozeß einer Rückkehr von Teilen des Landes zu einer gewissen Normalität durch andauernde Gewalttaten und neue Angriffspläne der USA untergraben. Eine relative Entspannung der Situation zwischen syrischen Regierungstruppen und vom Imperialismus ausgehaltenen "Freiheitskämpfern" in mal von der einen, mal von der anderen Seite kontrollierten Gebieten hatte sich daran messen lassen, daß etliche während der bewaffneten Auseinandersetzungen geflohene Einwohner, so an der Peripherie von Damaskus, zurückgekehrt waren. Sie hatten sich auf die Suche nach Überresten ihrer Habe begeben. SANA zitierte Abu Hamza vom Nationalen Versöhnungskomitee, der auf keineswegs erfolglose Bemühungen von Behörden verwies, "Brücken der Verständigung zwischen den verfeindeten Lagern zu bauen". Er erwähnte in diesem Zusammenhang eine teilweise Wiederherstellung der Infrastruktur, Enttrümmerungsmaßnahmen sowie die Bereitstellung von Lebensmittelkörben durch die syrische Armee.

Am 22. August 2014 hatte unweit der Hauptstadt ein fünftägiges Medienforum unter dem Motto "Durch unsere Stifte und mit unserer Armee schützen wir die Heimat" stattgefunden, an dem auf Initiative des Revolutionären Jugendverbandes etwa 100 Journalisten aus Presse, Rundfunk und Fernsehen interessierte junge Leute in Methoden und Taktiken der Nachrichtengebung eingewiesen hatten.

Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang wohl auch die Tatsache, daß immer öfter Gruppen von "Rebellen" die Waffen niederlegen. So stellten z.B. im August vergangenen Jahres 574 Regierungsgegner den Kampf ein. Wie SANA weiter berichtete, fand in Damaskus ein von Staatsseite einberufenes Seminar zur Würdigung der Rolle der Frauen statt, bei dem der stellvertretende Außenminister Fayssal Mikdad die Errungenschaften der Syrerinnen "inmitten einer Atmosphäre der Engstirnigkeit und rückschrittlicher Tendenzen in der arabischen Welt" hervorhob.

Trotz einer teilweisen und relativen Normalisierung des Lebens der Bevölkerung außerhalb der unmittelbaren Kampfgebiete ist die Gesamtbilanz des seit mehr als drei Jahren anhaltenden Krieges grauenhaft: Mindestens 160.000 Syrer fanden in dieser Zeit den Tod. Drei Millionen Flüchtlinge haben das Land verlassen, noch weit mehr irren innerhalb seiner Grenzen heimatlos umher.

Nach dem Giftgasangriff vom 21. August 2013, bei dem in der durch "Rebellen" eroberten Damaszener-Vorstadt Ghouta mindestens 1400 Menschen qualvoll zugrunde gegangen waren, hatten die USA - ohne Klärung des Sachverhalts und der Schuldfrage - sofort mit einer militärischen Intervention gedroht.

Internationale Bemühungen verhinderten den vom Pentagon bereits angekündigten Überfall. In der UNO wurde eine Lösung gefunden: Mit dem Einverständnis der syrischen Regierung konnten bis zum 19. August 2014 sämtliche Chemiewaffenbestände des Landes vernichtet werden, was einer einseitigen Abrüstungsmaßnahme zum Vorteil Israels und reaktionärer arabischer Regimes wie der Türkei gleichkam.

Nach dem Wegfall des Gaswaffen-"Arguments" werden nun andere "Rechtfertigungsgründe" für die von der U.S. Air Force bereits skrupellos exekutierte Bombardierung syrischen Territoriums ins Feld geführt. Die Hinrichtung des US-Journalisten J. Wright Foley durch die von Saudi-Arabien und Katar im Auftrag Washingtons ursprünglich formierten ultra-islamistischen Mörderbanden des IS wird zum Anlaß genommen, völkerrechtswidrige Luftschläge auf dem Territorium des UN-Mitgliedsstaates Syrien zu führen.

Assads Außenminister Walid al-Muallem stellte dazu fest, Damaskus verurteile die Enthauptung des US-Berichterstatters ebenso wie die massenhafte Ermordung syrischer Zivilisten. In diesem Kontext müsse man die Frage stellen, warum bisher eigentlich von keinem Staat der westlichen Seite eine offizielle Verurteilung der unzählige Opfer fordernden IS-Massaker unter Armeeangehörigen und Zivilisten seines Landes erfolgt sei.

RF, gestützt auf "The Socialist Correspondent", Glasgow

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Türkei: Treffsicherer Strich linker Karikaturisten

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Fällt Großbritanniens Zweiparteiensystem ins Wasser der Themse?

Zum Aufstieg der Rechtsaußenpartei UKIP

Großbritanniens politisches Spektrum war bisher durch den von Zeit zu Zeit erfolgenden Wechsel zwischen der eher rechtssozialdemokratischen Labour Party und den konservativen Tories charakterisiert. Hatten die einen ihr Pulver verschossen und den erforderlichen Massenappeal verloren, dann standen die anderen parat, sofort an ihre Stelle zu treten. Dieser Rollentausch, von dem niemals die Gefahr eines Macht- und Systemwechsels drohte, funktionierte in Westminsters parlamentarischem Spiel ebenso zuverlässig wie das politische Wechselbad zwischen Demokraten und Republikanern in den USA oder die Wachablösung in der BRD. Dort pf legen SPD und CDU/CSU nicht nur einander vom Staatsruder zu verdrängen, sondern - im Unterschied zu Großbritannien und den USA - auch miteinander ins Koalitionsbett zu steigen.

Nun ist im Vereinigten Königreich etwas in seiner Plötzlichkeit so nicht Erwartetes eingetreten.

Das Wechselspiel zwischen Tories und Labour hat - zumindest vorerst - wohl sein Ende gefunden. Zwar sitzen beide Parteien weiterhin mit unterschiedlich starken Fraktionen im Parlament. Doch ihre traute Zweisamkeit bei der Wahrung der Interessen des britischen Kapitals ist durch das Erscheinen einer dritten, als "prononciert europafeindlich" eingestuften rechten Kraft heftig aufgemischt worden. Die neue Konstellation gräbt vor allem den Konservativen das Wasser ab. Die UKIP, wie die ihren englischen Nationalismus betonende United Kingdom Independence Party abgekürzt heißt, konnte sich nach ihrem verblüffenden Triumph bei den Wahlen zum Europaparlament im Mai 2014 als echte Konkurrenz der Tories auf der Londoner politischen Bühne etablieren. Noch rückwärtsgewandter als diese, steht die UKIP schon jetzt als potentieller Koalitionspartner der Konservativen nach den am 7. Mai stattfindenden Unterhauswahlen zur Debatte. Sie könnte Camerons Partei zum Austritt aus der EU zwingen, wenn das Votum der 46 Millionen britischen Stimmberechtigten ähnlich wie bei den Europawahlen ausfallen sollte.

Zum ersten Mal seit dem Wegbrechen der weiter rechts als Labour stehenden Social Democratic Party (SDP) von der "Mutterpartei" - es ereignete sich 1981 und fand 1989 ein jähes Ende - hat es die UKIP des Europa-Abgeordneten Nigel Farage geschafft, eine dritte Kraft in Großbritannien zu etablieren. Der prinzipielle Unterschied zur seinerzeitigen SDP-Affäre besteht allerdings darin, daß diese dann von der Liberal Party David Steels übernommene und als Liberal Democrats weitergeführte Gruppierung fast ausschließlich zur Schwächung von Labour führte, während die UKIP mitten ins Herz der einstigen Thatcher-Partei trifft.

Als der jetzige Premierminister David Cameron 2005 die Führung der Tories übernahm, war die UKIP noch ein weit rechts stehender kleiner Verein unbedarfter junger Bourgeois. Die konservative Spitze behandelte sie als "Clowns".

Doch das ist längst Geschichte. 1993 entstanden, verfügte die UKIP im letzten Herbst über 48.000 eingeschriebene Mitglieder.

Eine Meinungsumfrage der "Mail on Sunday" ergab am 10. Oktober 2014, daß zu jenem Zeitpunkt etwa ein Viertel der britischen Wähler mit dem Gedanken spielte, im Mai für die UKIP zu votieren. Das würde der neuen Rechtsaußenpartei etwa 70 Sitze in Westminster einbringen.

Unterdessen sind nicht nur Millionen Wähler, sondern auch einige Mandatsträger der Tories zur UKIP übergelaufen - ein ähnlicher Vorgang, wie ihn FDP und CDU mit der AfD des Herrn Henkel erlebt haben.

Boris Johnson, Londons stockkonservativer Bürgermeister und zugleich Unterhaus-Kandidat, tendiert offen zur neuen Rechtspartei. Es ist so gut wie sicher, daß UKIP-Leader Nigel Farage neben seinem seit 1999 gehaltenen Sitz in Strasbourg zugleich auch das Parlamentsmandat von South Tenet (Kent) erobern dürfte. Selbst in der Arbeiterhochburg Manchester gelten Erfolge von UKIP-Bewerbern nicht als ausgeschlossen.

War diese Partei noch vor wenigen Jahren für die Tories alles andere als ein Partner, so tanzt deren Elefant inzwischen in den Gemächern der Konservativen, wie es ein Presseorgan formulierte. Für Cameron könnte sich lediglich in Schottland ein Hoffnungsschimmer zeigen. Beim dortigen Unabhängigkeitsreferendum am 18. September hatte sich die Labour Party für ein "No" stark gemacht. Das dürfte ihr vermutlich auf die Füße fallen. Andererseits ist auch mit deutlichen Verlusten der schottisch-nationalistischen SNP zu rechnen, die den Reigen der für eine Abtrennung von England optierenden "Yes"-Unterstützer angeführt hatte. Die Tories wären in beiden Fällen vermutlich die Gewinner.

Seriöse politische Beobachter gehen davon aus, daß die bisherige Zahl von 40 schottischen Labour-Abgeordneten halbiert werden dürfte. Eine spürbare Reduzierung der Unterhausmandate dieser Partei könnte den Tories in Westminster Entlastung bringen.

Landesweite Umfragen des "Manchester Sunday" ergaben eine Tory-Führung von 32 %, gefolgt von Labour (30 %) und UKIP (17 %). Auf Liberale und Grüne entfielen jeweils 7 %. Andere Sondierungen sahen indes Labour und Tories mit jeweils 31 % gleichauf und machten für UKIP ein Viertel der Stimmen aus. 326 der 650 Unterhaus-Mandate werden zur Regierungsbildung benötigt.

Falls Labour keinen Sieg erringen sollte, dürfte die Formierung eines Kabinetts aus Tories und UKIP wohl mehr als eine Möglichkeit sein.

RF, gestützt auf "The Socialist Correspondent", Glasgow

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Partei der Arbeit Belgiens (ptb)

Den Beweis dafür, daß es auch unter heutigen Bedingungen für Kommunisten und Sozialisten im Europa der Monopole möglich ist, sich mit einer ebenso prinzipienfesten wie unsektiererischen Politik zu profilieren, beweisen die Erfolge der Partei der Arbeit Belgiens (ptb). Sie errang bei den jüngsten landesweiten Wahlen eine halbe Million Stimmen. Zwei ihrer Genossen - der Finanzexperte Marco Van Hees und Parteisprecher Raoul Hedebouw - wurden Abgeordnete des Nationalparlaments.

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25 Jahre Freundeskreis der Sport-Senioren

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Über Landpartien gestern und heute

Das Thema, das unserem Zirkel schreibender Senioren vor geraumer Zeit gestellt wurde, hieß "Eine Landpartie".

Die Geschichte hatte es in sich. So überlegte ich, wann ich eigentlich einmal eine Landpartie unternommen hatte. Alles mögliche kam mir dabei in den Sinn.

Zunächst muß man sich über den Begriff Klarheit verschaffen. Mir kamen sofort Heinrich Zilles Bilder ins Gedächtnis. Ich sah Leute in Gruppen, von tobenden Kindern umschwärmt, mit Picknick-Körben in den Händen aus dem Grau der Städte in das Grün der Natur ziehen. Gören mit Schrippen zwischen den Zähnen und Mütter mit wohlgeformten dicken Hintern und Kniehosen, welche die Kinder scherzend vor sich her trieben. Auch Erich Weinerts "Latschersong" fiel mir ein. Eine treffende Satire auf die Wandervogelbewegung der 20er Jahre, als sich ein Teil der Jugend aus der politischen Realität zurückzog, um das "Seelenheil" in verklärter Naturpoesie zu suchen: "Wir schauen froh ins weite Land - was kümmern uns Tarife, der Reichtum kommt von innen her - aus unsrer Seelentiefe. Wer Nietzsche liest und Rüben kaut - und sich von innen her beschaut, was kümmern den die andern - Juhu, wir müssen wandern!" Einige Jahre später marschierte ein nicht geringer Teil davon hinter der Hakenkreuzfahne her und sang: "Denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt."

Als der totale Krieg zu Ende war und ich als 16jähriger aus amerikanischer Gefangenschaft mit der Ruhr im Leib und zum Skelett abgemagert zu meinen Angehörigen heimkehrte, stand auch keine Landpartie auf der Tagesordnung. Damals schienen mir andere Anliegen plausibler zu sein. Angepackt und aufgebaut - das neue Leben muß anders werden. Unter dem Motto "So wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben" begann meine "Landpartie" und die vieler meiner Altersgenossen im Zeichen der aufgehenden Sonne. Damals gingen wir nach Unterwellenborn - denn "Max", wie wir die Maxhütte nannten, brauchte Wasser. Wir betätigten uns auch beim Stadionbau in Berlin und Leipzig - alles neben der beruflichen Arbeit oder dem Studium, taten es mit Eifer und Elan sowie in der Gewißheit, einer besseren Zukunft unseres Landes und unserer künftigen Kinder zu dienen. Und in der Tat bin ich dann im reifen Alter mit Frau und Kind doch noch zu meiner Landpartie gekommen. Wir fuhren im geliebten Trabbi in die freie, jetzt dem Volk gehörende Natur, die wir tagelang mit Zelt und kleinem Boot durchstreiften. Die Versorgung war überall gesichert und wurde überdies auch noch durch selbstgeangelten Fisch ergänzt.

Versucht das heute einmal! Die Landpartie würde schon am nächsten Maschenzaun ins Stocken geraten. "Privatgelände, betreten verboten!", "Vorsicht, bissiger Hund!", "Privatsee! Befahren und Angeln nur mit Genehmigung des Besitzers gestattet!" Selbst an öffentlichen Gewässern sind die Ufer besetzt. "Das Anlegen von Booten ist nicht erlaubt!", "Privatforst, das Verlassen der markierten Wege ist bei Strafe untersagt!", "Achtung! Auf dieser Privatstraße sind Benutzungsgebühren zu entrichten!"

Wie man sieht, sind auch Landpartien durchaus Spiegelbilder ihrer Zeit. Man kann die Umstände der 20er Jahre, der DDR und die heutigen nicht miteinander vergleichen. Es sei denn, man stellt die Unterschiede heraus, was ich hiermit versucht habe.

Dr. Werner Kulitzscher, Berlin

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Compañera Christa: Für junge und jung gebliebene RotFüchse

"Flaschenpost" aus Schweden

Bücher schreiben ist, als würde man eine Flaschenpost auswerfen. Ufer und Empfänger gibt es viele. Man hofft auf freundliche Ufer und sensible Empfänger, nahe oder ferne. Eines Tages war eine "Flaschenpost" von mir in Schweden angekommen. Mein Kinderbuch "Der Engel mit dem goldenen Schnurrbart", erschienen im Kinderbuchverlag Berlin, war vom Norstedts Förlag Stockholm 1987 auf Schwedisch herausgebracht worden. Fremdartig hieß es jetzt "Ängeln med guldmustascherna". Das Buch lag vor mir wie eine Antwort aus nördlicher Ferne, die nun bei mir in Potsdam (DDR) gelandet war.

1988 habe ich das Buch in schwedischer Sprache mit Widmung an die von mir sehr verehrte Astrid Lindgren und dem Vermerk nach Stockholm geschickt, ich erwartete keine Antwort. Es solle nur ein Geschenk aus Verehrung sein. Sie sei für mich in ihrer Art, Kinder so ernst zu nehmen, ein großes Vorbild. Zu meiner Freude traf der nebenstehende Brief bei mir ein.

Er machte mich sehr glücklich, und ich fühlte auf wunderbare Weise bestätigt, was den Sinn einer Flaschenpost zwischen Ländern, die Kultur und Kunst miteinander tauschen, ausmacht. Dann kam im nächsten Jahr eine Einladung nach Schweden zu einem Sprachkongreß skandinavischer Länder, der in den ersten Oktobertagen 1989 in Stockholm stattfand.

Ich sollte dort vor Deutschlehrern und Germanisten über DDR-Kinderliteratur sprechen und aus meinem Buch "Der Engel mit dem goldenen Schnurrbart" lesen. Auch in deutschsprachigen Schulen und im Stockholmer DDR-Kulturzentrum waren Lesungen geplant. Ich sagte gerne zu und begab mich per Zug und Fähre über Saßnitz und Malmö nach Stockholm.

Die Lesungen und Gespräche mit schwedischem, dänischem und norwegischem Publikum fanden in herzlicher, von Interesse geprägter und achtungsvoller Atmosphäre statt. Ich konnte davon berichten, daß unser Kinderbuchverlag viele skandinavische Titel im Programm hatte, allen voran Astrid Lindgren mit "Pippi Langstrumpf", "Karlsson auf dem Dach," "Mio, mein Mio" und "Ronja Räubertochter" in sehr hohen Auflagen, die immer ganz schnell vergriffen waren.

Dr. Horst Hein und seine Frau Petra vom DDR-Kulturzentrum betreuten mich und führten mich auch ins schwedische Kinderbuchinstitut (SBI). Die Direktorin Dr. Sonja Svensson zeigte mir die umfangreichen Sammlungen einschlägiger Bücher aus aller Welt, darunter auch meine literarischen Kinder "Moritz", "Ein Schneemann für Afrika" und "Der Engel mit dem goldenen Schnurrbart" in deutschen wie schwedischen Ausgaben. Dann aber kam die Überraschung: Sonja Svensson und Horst Hein ließen mich wissen, ich sei am Nachmittag des nächsten Tages zu Astrid Lindgren in deren Wohnung eingeladen. Ich rief daraufhin die Cheflektorin unseres Verlages, Dr. Katrin Pieper, in Berlin an und fragte sie, ob ich Astrid Lindgren in die DDR einladen sollte. Sie meinte, es wäre wunderbar, wenn mir das gelänge. In Begleitung von Sonja und Horst stand ich am nächsten Nachmittag in der Dalagatan Nr. 46 vor der Tür. Ich klingelte, und da sahen wir auch schon Astrid Lindgren leibhaftig und lächelnd vor uns. Mir war, als sei ich in einen Traum geraten. Die nächsten Stunden verliefen locker und heiter. Auch das in Schweden übliche Du in der Unterhaltung fiel mir bald leicht, und ich verlor meine Scheu vor dieser wunderbaren, weltberühmten Frau. Sie war so schlicht, so herzenswarm und erzählte in perfektem Deutsch, als junge Frau habe sie vor dem Krieg in Dresdens Semperoper den "Freischütz" gesehen. Sie wußte um die totale Zerstörung des Bauwerks. So konnte ich ihr berichten, daß man die Semperoper inzwischen wieder aufgebaut habe. Sie könne das Haus besuchen, auch der "Freischütz" stehe wie einst auf dem Spielplan.

Ich überbrachte Astrid Lindgren die Einladung nach Berlin und erzählte ihr, wie sehr die Kinder in der DDR ihre Bücher lieben. Sie bedankte sich für diese frohe Nachricht und berichtete, daß sie noch ab und zu mit Lesungen unterwegs sei, auch per Flugzeug. Berlin wäre ja nicht so weit. Ja, vielleicht werde sie im Frühling des nächsten Jahres den Plan verwirklichen und kommen.

Diese Zeit der offenen Herzlichkeit war eine Sternstunde meines Lebens. Wir sprachen über die Bedrohtheit der Welt, über unsere Verantwortung für die Kinder und daß sie es sind, die immer aufs neue die Hoffnung auf eine bessere Welt verkörpern. Auch darüber, daß wir mit unseren Büchern vielleicht einen Beitrag leisten können.

Obwohl Astrid Lindgren damals schon 80 Jahre zählte, war sie über das Geschehen rund um den Erdball voll informiert. Ich erinnere mich an ihr Berührtsein von den damaligen Ereignissen in der DDR. In Ungarn hatte man die Grenzen geöffnet, und Tausende flüchteten über Österreich in den Westen. Sie meinte, es sei doch schlimm, daß manche Krankenhäuser deshalb in Not gerieten, weil Ärzte und Schwestern weggingen und ganze Wirtschaftzweige zusammenbrächen.

Als Abschiedsgeschenk erhielt ich eines ihrer Bücher mit einer schönen Widmung. Wir umarmten einander, wobei ich die leise Hoffnung hegte, sie im nächsten Frühling in Berlin wiederzusehen.

Als ich dann aber am 7. Oktober 1989 - dem 40. Jahrestag der DDR - aus Schweden heimkam, spürte man auf den Straßen, in den Medien und im Gesichtsausdruck der Menschen bereits, daß etwas Entscheidendes geschehen würde. Und im folgenden Jahr gab es dann mein kleines, großes Land nicht mehr.

In der Erinnerung bleibt mir die Wertschätzung und von Herzen kommende Gastfreundschaft, die mir damals als dessen Sendbotin in Schweden zuteil wurde.

Christa Kozik

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Roland Günter und Klaus Steiniger - neue Ehrenmitglieder der Arbeiterfotografie

Einmischen, mitgestalten, handeln mit Visionen

Seit dem 16. Oktober 2014 sind sie Ehrenmitglieder des Bundesverbandes Arbeiterfotografie: Prof. Roland Günter und Dr. Klaus Steiniger. Sie sind - allen Manövern der mächtigen Gegenseite zum Trotz - wie die Arbeiterfotografie dem Kampf um eine bessere Gesellschaft verpflichtet. Beide sehen - wie es für die Arbeiterfotografie typisch ist - im Bilddokument ein Mittel ihres Wirkens, ein Instrument und eine Waffe.

Der Kunst- und Kulturhistoriker Roland Günter hat sich bei der Rettung von abrißbedrohten Industriebauten besondere Verdienste erworben und ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen über die Industriekultur und das Ruhrgebiet.

"Der Tod aller fortschrittlichen Kräfte ist das Sektierertum", lautet die Lebensweisheit von Klaus Steiniger, der stolz darauf ist, 66 Jahre aktiver und überzeugter Kommunist zu sein. Es sei wichtig zu wissen, wie und womit die anderen kochen. Diese Erfahrung läßt sich nur durch Kontakte zur "Außenwelt" erzielen. Dabei sei es selbstverständlich, seinen Idealen und Überzeugungen treu zu bleiben.

Woher rühren solche Gedanken? Als Mitarbeiter und Auslandskorrespondent, als Sonderkorrespondent des "Neuen Deutschland" (ND) mit diplomatischen Aufträgen erlebt er Erfolge, Rückschläge und letztlich den Verrat am Sozialismus. Eine seiner prägendsten Erfahrungen ist die Zeit der portugiesischen Nelkenrevolution ... "Es war eine Volksrevolution", ist ihm wichtig, immer wieder herauszustellen. Vom promovierten Juristen führt sein Weg in den journalistischen Kosmos. Das ist Klaus Steinigers Welt, in der er bis heute brilliert. Die Aneignung von Sachkenntnis mit wissenschaftlichem Handwerkszeug, Analyse und Darstellungsvermögen ... Er übernimmt (als fotografischer Laie) auch die Aufgabe der Bildberichterstattung, deren Ergebnisse verblüffen.

Auch auf diesem Gebiet ist er ein sensibler Beobachter. Es gelingen ihm auf den Punkt verdichtete Aussagen, Geschichten, Gefühle, die keinen Zweifel über den (antifaschistischen) Standpunkt des Fotografen auf kommen lassen. 2012 findet durch Vermittlung des Malers und Grafikers Thomas J. Richter eine erste persönliche Begegnung von Redakteuren der Arbeiterfotografie mit Klaus Steiniger in Berlin statt. Die Neugier auf sein bisher in kleineren Bruchstücken veröffentlichtes fotografisches Werk - vor allem über die Zeit der Nelkenrevolution - war der Antrieb, das Phänomen Klaus Steiniger näher kennenzulernen. Das Gesehene mit lebendiger Beschreibung des Geschehenen war so tief beeindruckend, daß unmittelbar eine Ausstellung in der Galerie Arbeiterfotografie in Köln beschlossen wurde.

Klaus Steiniger ist ein unbequemer Kommunist. 1989 sieht er langjährige Kollegen und Genossen "nach rechts abdriften". In einer letzten Vollversammlung beim ND widerspricht er der Mär von einer "friedlichen Revolution" in der DDR.

Beifall und Buhrufe erhält er für seinen Diskussionsbeitrag, in dem er sich auf seine Erfahrung als Berichterstatter aus Portugal beruft, wo er zwischen 1974 und 1979 den Beginn einer Revolution und den Ablauf einer Konterrevolution minutiös erlebt habe. "Macht Euch keine Illusionen, Genossen, Kollegen! Das, was sich gegenwärtig in der Deutschen Demokratischen Republik abspielt, ist eine klassische Konterrevolution mit allem, was dazugehört." Sein Resümee: "Der Weg zum Kapitalismus war auch beim ND freigemacht worden." Klaus Steiniger wird Mitglied der (west-)deutschen kommunistischen Partei DKP, schreibt von 1992 bis 1998 als außenpolitischer Berichterstatter regelmäßig für die Sozialistische Wochenzeitung der DKP "Unsere Zeit". Seit 1998 ist der im Dezember 1932 geborene rastlose Aufklärer der Motor des monatlich erscheinenden "RotFuchs", der "Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland", dessen 200ste Ausgabe im September 2014 erschien. Mitunter ist Klaus Steiniger (zu Recht) unbescheiden.

Ein "Starjournalist" sei er gewesen, entweicht es ihm 2005 in einem Interview (erinnerungsort.de), um im nächsten Atemzug zu sagen, daß es so etwas gar nicht gegeben habe. Nach 1945 habe er - wie sein Vater vor 1933 - für die "Weltbühne" geschrieben. "Klaus Steiniger war wohl der wichtigste Journalist der DDR" heißt es 2004 in einer Publikation der alternativen Musikszene (warschauer.de), die einem "freidenkenden Underground ein Forum" sein will. "Jugendliche, die Sinn für die Politik haben und viele Hintergründe wissen möchten, sollten unbedingt zu Steiniger greifen, danach sind sie schlauer und können gar die heutige Weltordnung durchschauen."

Wenn der Journalist und ehemalige Staatsanwalt eines gelernt hat, dann ist es die Analyse der Motive! Beweisführung gehört dazu wie der Blick hinter die bunten Fassaden und kreidefressenden, mitunter rot angestrichenen Wölfe unter den Menschen.

Anneliese Fikentscher, Andreas Neumann, Köln


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Der DEFA-Augenzeuge 1/1975 trug den Titel "Die Nelkenrevolution" und wurde - da noch keine Kameraleute der DDR vor Ort waren - ausschließlich mit durch Klaus Steiniger aufgenommenen und kommentierten Fotografien gestaltet. Darunter befanden sich etliche Porträts von Teilnehmern der ersten kommunistischen Kundgebung im legendären Grândola Vila Morena.

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Doppeltes Selbsttor

Im RF 202 veröffentlichten wir auf Seite 13 den aufschlußgebenden Artikel zum DDR-Wohnungsbauprogramm "Es brannte auf den Nägeln". Der Name des Autors H.-J. Schmidt mußte aufgrund einer technischen Havarie leider unvollständig bleiben. Ein Grund zur Entschuldigung.

Jetzt schrieb uns H.-J. Schmidt aus Berlin: "Daß unter meinem Artikel der Nachname abhanden gekommen war, ist unerheblich. Unverzeihlich dagegen erscheint mir, daß ich Walter Ulbricht irrtümlicherweise mit dem Zivilgesetzbuch der DDR in Zusammenhang gebracht habe. Dieses trat erst im Juni 1975 in Kraft, während Walter Ulbricht bereits im August 1973 verstarb."

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Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

Jeden Tag gucke ich mir in meiner Fernsehzeitung das kommende Programm an, um mit Vergnügen zu erkennen, wie wenig ich sehen muß. Von der maßlosen Jubelfeier im November habe ich zum Glück auch die "Goldene Henne" nicht erlebt. So blieb es mir erspart, ein weiteres Mal den Mißbrauch meines Liedes "Als ich fortging" wahrzunehmen. Im Jahr 1986 entstanden, kann es wohl kaum eine Abschiedsballade von der DDR gewesen sein.

Heute entnehme ich dem Werbetext für eine Dokumentation: "Auch wenn sie eine Familie nicht ersetzen konnten, so bildeten Kinderheime unter kirchlicher Leitung im sozialistischen Bildungsdiktat der DDR Inseln von Freiheit und Geborgenheit." In staatlichen Kinderheimen mußten die Säuglinge vermutlich morgens, vor der Flasche, erst einmal die Nationalhymne singen. Und eine Grußadresse an den Staatsratsvorsitzenden schicken ...

Ist das Unbelehrbarkeit oder nur Routine bei der alltäglichen Verunglimpfung des gesellschaftlichen Lebens in der DDR - all dessen, womit wir in der DDR umgegangen sind? Was wir uns vorgenommen hatten, verändern wollten, verändert haben, manchmal auch aufgeschoben, aber nun wird es nie sein, denn es ist verloren, und der Verlust schmerzt, wie jede gut gedachte und nicht zu Ende gebrachte Arbeit.

Jeder von uns weiß allerdings vieles besser, als es uns jetzt dargestellt wird.

Es gibt ein kleines Buch von mir, das heißt: "Wie ein Waisenkind". Erschienen ist es Mitte der siebziger Jahre, und da die Kerngeschichte in einem Heim für Waisenkinder beginnen sollte, besuchte ich in Berlin eins, ohne darüber nachzudenken, ob es ein christliches oder ein staatlich geführtes war.

Ich habe mit den Kindern gespielt und mit den jungen Erzieherinnen gesprochen.

Wir blieben in Verbindung, und ich konnte meine Geschichte beschwingt schreiben.

Womit haben wir diese oft von Unkenntnis getragene Herablassung verdient?

Der meist unerschrockene, kluge Pastor Schorlemmer sagt nun, daß ein Volk, welches zu sehr nach dem Mehr strebt, nicht gedeihen kann, wenn es sich dabei nur um Macht und Geld handelt. Hat er das schon gewußt, als er zur einseitigen Niederlegung der Waffen aufrief und das Schwert zum Pflug umschmieden wollte? Das gelang praktisch nicht, und symbolisch erst recht nicht. Er hat zu einer Wehrlosigkeit beigetragen, die den wehrhaften Vereinigern diente.

Wir stehen unter dem Generalverdacht, "es" nicht gerafft zu haben. Daran ist was Wahres. Andere können besser raffen, und wir waren dabei, als die "Treuhand", zur Umwandlung von Volksvermögen in privates Eigentum ermächtigt, gerafft und zusammengerafft hat.

Das alles ergab gewaltige und gewalttätige Veränderungen, die ein Volk erst einmal verkraften muß. Das von der Siegerseite aus zu bedenken, es gar einzuräumen, wäre unbequem. Es würde ein Umdenken erfordern, eine Besinnung auf Gerechtigkeit - und die ist nicht eben die Stärke unserer "Brüder und Schwestern". Das habe ich an den meinen gemerkt, seit 1953 Bundesbürger, und 1989 von der Angst gepackt, wir wollten ihnen was wegnehmen.

Der normale Bundesbürger läßt, sofern er sie wahrnimmt, eine unbequeme Wahrheit über die Welt nur dann zu, wenn sie einer sagt, der Scholl-Latour hieß oder Weizsäcker heißt. Mit solchen Leuten legt man sich nicht an, richtet sich aber auch nicht nach ihnen. Die von uns kaum hinzunehmende Überheblichkeit hält uns historisch davon ab, unsere Kraft gemeinsam mit ihnen einer notwendigen Beeinflussung des Weltgewissens zuzuwenden.

Wir haben zu viele offene Rechnungen, die unter den Tisch geworfen wurden. Hatten wir nicht an der Ostsee einen blühenden Schiffbau mit vollen Auftragsbüchern? Wer hat entschädigungslos die Aufträge übernommen, und die Schiffbauer in die Arbeitslosigkeit geschickt? Meißner Porzellan macht Miese? Das Wundern hört auf, wenn man sich die "neue Produktpalette" ansieht. Über Jahrhunderte erarbeitetes weltweites Ansehen wird aus Gier nach Mehr verspielt. Es gab in der DDR keine Produkte, die für den Weltmarkt getaugt hätten? Das nimmt nicht einmal die "Super-Illu" hin, die sonst gern von früherer Unterdrückung berichtet und erstaunliche Erfolgsgeschichten vor allem der "neuen Freiheit" dankt.

Nun meint ein Literaturkritiker öffentlich, sie hätten ein besseres Land und ein besseres Leben gehabt. Das hätten sie an uns verloren. Und dafür viel zu hoch gezahlt.

Das ist seine Meinung. Vielleicht war sein Deutschland für ihn ohne uns Ossis ein besseres Land. Aber wir sind für das Verlorene, das Umgewandelte, das Gentrifizierte, Zurückgegebene, Entschädigte, bis heute unterbezahlt. Denn es war ein durch unsere Arbeit nach dem Krieg wieder aufgebautes Land. Für das wir auch Opfer gebracht haben, und das uns dennoch mit seiner Friedfertigkeit, Emsigkeit, seiner wachen Unzufriedenheit und seiner latenten Bereitschaft, alles noch einmal zu bedenken, ein gutes deutsches Land war. Nie gut genug, aber es war unser Leben, unser Versuch, es waren unsere Einwände gegen das, was nicht gelang oder so nicht bleiben sollte.

Die meisten von uns verlangten mehr Beachtung für die eigene Stimme. Wir hatten es satt, dauernd das Behauptete als das Erreichte anzusehen. Aber wir hatten Grund, uns zu mögen. Hacks meinte, worauf sollten wir denn stolz sein, wenn nicht auf die DDR? Vierzig Jahre Solidarität statt Feindschaft. Hat Spielräume gekostet und oft das Herz weit gemacht.

Die Wiedervereinigung aber wird nicht stattfinden, wenn sie weiterhin an ihre nützlichen Urteile und ihre Vorurteile glauben, und sich in unserer Mitte einigeln.

Gewalt ist männlich, wir Frauen haben andere Möglichkeiten. Ich habe lange gedacht, daß wir Frauen nicht zum Krieg taugen. Obwohl wir als Kinder mütterlicher Gewalt ausgesetzt waren, habe ich das geglaubt.

Es gilt nicht mehr. Die Bereitschaft zur Gewalt kann in zierlicher Gestalt und mit weiblichem Lächeln und Ton erscheinen.

In ihrem Roman "Sackgassen" schrieb Thea von Sternheim über das Alter: "Zeiten der Freiheit. Zeiten der Ernte."

Es war für sie nicht so, und für uns ist es auch nicht so gekommen. Der genannte Literaturkritiker meinte, auch öffentlich, sie hätten ja gern gegeben, aber ein bißchen Demut dafür wäre doch angebracht gewesen.

Ja, das hättest du gern. Aber du wirst es nicht kriegen. Ihr seid nicht Jesus, nicht Mandela, nicht Angela, nicht Korczak, nicht Theodorakis, nicht Malangatana. Und gerade sie würden nicht wollen, daß wir knien. Sie würden wollen, daß wir mit ihnen tanzen und den nächsten revolutionären Versuch wagen.

Gewalt ist unmenschlich, aber geschlechtslos. Und manchmal ist es nur tief verankerte Überzeugung vom eigenen Mehrwert. Ich erinnere mich an 1992. Alice Schwarzer hatte mich als Jurorin für einen Wettbewerb von Journalistinnen eingeladen. Zum Abschied gingen wir gemeinsam zum Bahnhof, wollten aber in verschiedene Richtungen fahren. Etwas zögernd trennten wir uns, als die Kollegin vom "Stern" sich besann: "Ach ja, ihr Ossis wollt doch immer die Hand." Sie hielt mir die ihre hin. Ich nahm sie und sagte: "Aber doch nicht ohne Glasperlen ..."

Für Demut gibt es keinen Grund. Wenn von Liebe schon keine Rede sein kann, könnte uns ein Verhalten auf Augenhöhe helfen.

Sonst wird sich vorerst zwischen uns nichts ändern.

P. S. Meine Kollegin Jana Hensel hat dem Literaturkritiker im "Freitag" klug und selbstbewußt geantwortet. Ich bin ihr dankbar.

Als wir Recht hatten, alle
gerieten wir in die Falle
nun zählen wir die Narben
merken, woran wir darben
wir, nicht mehr gar so viele
der Horizont scheint uns blutrot
die Seele merkt auf und will mehr als Brot
treffen wir uns, laßt uns reden
wir brauchen jeden

*

Leserbriefe an RotFuchs

Gestern erhielt ich den November-"RotFuchs". Auch diese Ausgabe ist voller interessanter und lehrreicher Artikel! Großes Kompliment! Ich lerne immer sehr viel aus den verschiedenen Beiträgen. Unverzichtbar!
Besonders begeistert und beeindruckt mich die Beilage mit der Krenz-Rede. Ich halte sie für die beste, profundeste, ehrlichste, sachlichste, objektivste Beschreibung des Entstehens, der Entwicklung, der Probleme und Erfolge wie des bedauerlichen Scheiterns der DDR, die ich je zu Gesicht bekam!

Anton Überlacher, Innsbruck


Besten Dank für den Leitartikel zum Mauerfall. Ich habe mir erlaubt, einige Kopien anzufertigen, um damit den "RotFuchs" hier bekannter zu machen.
Egon Krenz möchte ich für seine historische Arbeit zur DDR danken.
Wo sind die großen internationalen Frauenkongresse geblieben? Das Büro der IDFF - der Internationalen Demokratischen Frauenföderation - hatte seinen Sitz Ostberlin und vertrat in der besten Zeit rund 10 Millionen Frauen auf allen Kontinenten. Nach 1989 mußte es leider seine Tätigkeit einstellen. Ich selbst habe an verschiedenen Tagungen der IDFF und der Friedensbewegung in der DDR teilgenommen.

Louise Stebler-Keller, Basel


Erstmals bestellte ich den November-"RotFuchs". Nachdem ich alle Beiträge gelesen habe, steht meine Meinung fest: endlich eine Zeitschrift, die wahrheitsgemäß und mit klarem Standpunkt berichtet. Gegenwärtig interessiert mich besonders die exakte Information über die Ukraine und Rußland, über die Rolle der USA, der NATO, der EU und Deutschlands, die man nur in der jW und eben im "RotFuchs" - von einzelnen Beiträgen anderer Publikationen abgesehen - findet. Interessant war auch der Artikel "Helden in weißen Kitteln" über die Entsendung von 165 Medizinern und Krankenpflegern aus Kuba zur Bekämpfung des Ebola-Virus in Sierra Leone. Das wird ja in anderen Zeitungen heruntergespielt oder gar nicht erst erwähnt.
Die beiliegende Rede von Egon Krenz habe ich mit großem Gewinn gelesen.
P. S. Im Beitrag "Von Blau- und Gelbkreuz zu Zyklon B" handelt es sich auf dem Foto offenbar um britische, nicht aber um französische Soldaten.

Dr. sc. phil. Heinz Heikenroth, Berlin


Habe gerade den RF Nr. 202 erhalten und sofort die Rede von Egon Krenz aufmerksam gelesen. Auch die österreichischen Medien folgen der Geschichtsklitterung und antikommunistischen Hetze von Presse, Rundfunk und Fernsehen der BRD. Da bringt uns die Rede des Genossen Krenz wertvolle Argumentationshilfen zur Auseinandersetzung mit politischen Gegnern und wankelmütigen Freunden.

Wilfried Bader, Angerberg/Tirol


Von einer Genossin aus unserer Basis-Organisation erhielt ich die Rede von Egon Krenz. Wir sprachen in unserer Versammlung darüber und fanden, es sei wichtig, daß auch unsere Sympathisanten davon erführen. An Genossen Krenz hatte ich während seiner Inhaftierung einen Brief geschrieben und ihn später bei einer Veranstaltung in Görlitz auch persönlich kennengelernt.
Für Eure verantwortungsvolle Tätigkeit wünsche ich Euch starke Nerven und Erfolg.

Christa Spenke, Basisvorsitzende der Partei Die Linke, Oderwitz


Seit vielen Jahren finde ich regelmäßig den "RotFuchs" im Briefkasten und lese ihn mit sehr viel Interesse. Besonders bedanken möchte ich mich für die Novemberausgabe mit der beigelegten Rede von Egon Krenz. Ich habe sie gründlich und mit viel Zustimmung gelesen. Leider wurde auf diese Rede im ND nicht verwiesen.

Prof. Dr. Horst Weiß, Strausberg


Die Rede von Egon Krenz habe ich mit Interesse, Genugtuung und Zustimmung gelesen. Ich fände es gut, könnte man den Kreis der Leser über den der "RotFuchs"-Abonnenten hinaus vergrößern.

Werner Wüste, Berlin


Ein superlautes Bravo für Genossen Egon Krenz! Seine historische Wertung der DDR im November-RF finde ich hervorragend. Diesmal traf die Zeitschrift fast zeitgleich mit den niederträchtigen Gauckeleien und Haßtiraden ein, welche sämtliche Medien überfluteten. Ich fühlte mich fast in das Jahr 1939 zurückversetzt. Da kann man schon Angst bekommen! Doch dann trifft der RF ein, und mein politisches Rückgrat ist wieder gefestigt.

Annelies Kremkau, Leipzig


Auf diesem Wege möchte ich mich als 84jährige ganz herzlich bei Egon Krenz für seine Berliner Rede bedanken. Ich kann alles unterschreiben, was er gesagt hat. Endlich wurden einmal die tatsächlichen geschichtlichen Zusammenhänge des Entstehens und der Existenz der DDR dargestellt. Ab 1947 bei der Antifa-Jugend und dann in der FDJ, bin ich 1950 der SED beigetreten und habe seitdem für ein friedliches und besseres Deutschland gearbeitet. Auf einer FDJ-Schule kam ich erstmals mit dem Marxismus in Berührung. Seit 1949 bin ich politisch tätig gewesen - ob in der Landwirtschaft oder als Redakteurin einer Betriebszeitung und der Kreiszeitung "Dreiländereck". Es war eine schöne Zeit!
1959 konnten wir uns ein Einfamilienhaus mit zinslosem Kredit bauen. Täve Schur hat vor zwei Jahren in Bautzen vor älteren Bürgern gemeint, wir müßten 100 Jahre alt werden, um den Jungen sagen zu können, wie wir wirklich gelebt haben.

Elfriede Lukas, Zittau


Tausend Dank für das Referat von Egon Krenz! Ich habe es schon zweimal gelesen. Er hat wahrheitsgemäß gesagt, worum es 1989 ging. Andererseits ist es unverschämt, was sich ein Wolf Biermann im Bundestag erlauben durfte. Wer hat diese Schmierenkomödie nur vorbereitet? Sicherlich nicht Leute, die wollen, daß sich die Deutschen in Ost und West wirklich vereinigen.
Zu meiner Person: Seit 1947 Mitglied der KPD und später der DKP, habe ich im Rechtsstaat BRD fast drei Jahre für meine politische Arbeit im Gefängnis gesessen.

Erich Schreier, Röthenbach a. D. Pegnitz


Jede Nummer des RF ist für mich etwas Besonderes, aber die Novemberausgabe mit der Rede von Egon Krenz ist einfach wunderbar. Sie enthält eine sehr gründliche Analyse der Wendezeit, die ich als Konterrevolution verstehe. Gerade jetzt, da die Reaktion in Deutschland, allen voran Herr Gauck, aber auch Madame Merkel, beim Geifern kein Ende findet, tut Klartext not.

Kurt Schmidt, Wismar


Seit einigen Jahren bin ich eine sehr interessierte "RotFuchs"-Leserin. Die Vielfalt der Beiträge, national wie international, gefällt mir immer wieder. Auch Neues ist hinzugekommen. Vor allem meine ich die regelmäßigen Beiträge von Gisela Steineckert. Im Novemberheft berührte mich ihr "Hand aufs Herz" ganz besonders, weil auch ich in den 70er Jahren während einer Reise in die Sowjetunion ähnliche Gefühle wie sie gegenüber den Menschen hatte, die unser Land vom Faschismus befreiten. Ich habe den von ihr beschriebenen Ort im lettischen Salaspils ebenfalls besucht und erinnere mich gut an das Ticken des Metronoms, den Herzschlag der Mütter, und an meine Scham für all das, was Deutsche den Völkern der Sowjetunion angetan haben.
Daß Ihr diesem Heft die Rede von Egon Krenz beigelegt habt, ist Euch sehr zu danken. Eine präzise, komprimierte, objektiv formulierte politische Analyse konnte ich hier lesen, die nicht in den Papierkorb wandern wird. Sie hebt sich so wohltuend von den vielen "Festtagsreden" auch derer ab, die in jenen Tagen gehalten wurden. Von Biermann will ich gar nicht sprechen. Er deklassierte sich selbst und damit auch die Umgangskultur im Bundestag. Daß aber Gregor Gysi mit den Worten begann, die DDR sei kein Rechtsstaat gewesen, läßt bei mir die Frage entstehen, wohin der Weg der "Linken" führt. Jeder und jede hat sein Leben mit Höhen und Tiefen in der DDR gelebt und dabei eigene Erfahrungen gesammelt. Mir war sie Heimat. Mit der BRD muß ich jetzt irgendwie zurechtkommen.

Waltraud Käß, Berlin


Momentan bin ich beim Lesen der brillanten Rede von Egon Krenz.
Ein paar Zeilen zu Gisela Steineckerts Artikel "Hand aufs Herz": Ihr ist insofern ein Fehler unterlaufen, als sich das Konzentrationslager Salaspils nicht in Litauen, sondern unweit von Riga in Lettland befand. Ich habe den Eindruck, daß Giselas Bericht über die sowjetischen Kriegsveteranen, die in Estland das Jubiläum ihres Sieges über Nazi-Deutschland feiern wollten, von einer gewissen Irreführung durch estnische Nationalisten zeugt.
Als einstige Rigaerin kann ich sagen, daß die üblichen Gesangsfeste zumindest lettischer Chöre und Solisten zu Sowjetzeiten niemals verboten waren. Ich sehe aus Leserbriefen, daß sich Gisela Steineckerts Artikel großen Zuspruchs erfreuen. Daher möchte ich, daß diese Details richtiggestellt werden.

Dr. Vera Butler, Melbourne


Selten habe ich einen derart aggressiven Antikommunismus in den Medien erlebt wie im zurückliegenden November. Einen negativen Kulminationspunkt stellte Biermanns Auftritt im Bundestag dar. Er beleidigte die Abgeordneten der Linkspartei, die dazu schwiegen oder kaum reagierten. Auch werden sie keinen Dank dafür ernten, immer wieder von Gysi, Kipping, Ramelow und anderen zu vernehmen, die DDR sei ein Unrechtsstaat gewesen. Das verbessert in keiner Weise die oft erbärmliche Lebenssituation von Millionen Menschen in diesem angeblich so freiheitlichen und rechtsstaatlichen Land.

Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen-Blumenthal


Die BRD hat in großem Umfang Waffen in den kurdischen Norden Iraks geliefert. Zum "Sortiment" gehören Maschinengewehre, Milan-Panzerabwehrraketen, Tausende Sturmgewehre der Typen G 3 und G 36 sowie 10.000 Handgranaten. Der Gesamtwert der völkerrechtswidrigen Lieferung in ein Krisengebiet beträgt etwa 70 Mio. Euro. Es handelt sich aber um keinen kommerziellen Rüstungsexport, sondern um eine sogenannte Länderabgabe der Bundeswehr. Gauck und Merkel erklärten übereinstimmend, die BRD dürfe militärisch nicht zurückstehen, um von den IS-Terroristen drohenden Gefahren zu begegnen. An Ausreden hat es beiden noch nie gefehlt.

Franz Bohnsack, Güstrow


Nie habe ich mich stärker in meiner Existenz und der meiner Familie bedroht gefühlt als in den ersten Jahren nach der DDR. Mit anderen Worten: Die Freiheit nach dem Fall der Mauer hat vielen, auch mir, die Tore versperrt. Denn ich war einer derer, die bis zum Ende meinten, dieser Staat hätte eine Chance verdient gehabt. Fürwahr, es hätte Mut erfordert, an Visionen zu glauben, an Reformfähigkeit festzuhalten.
Die politischen Losungen in der DDR waren selten lustig. Sie werden aber in ihrer Hohlheit von den Wahlwerbungen der Parteien heute noch übertroffen. Wir haben uns über das Abstimmverhalten der Volkskammerabgeordneten amüsiert. Angesichts des Abstimmverhaltens der Bundestagsabgeordneten ist uns das Lachen vergangen.
Wir sind verblüfft und entsetzt, daß unsere Sehnsucht nach Gerechtigkeit mit höhnischem Gelächter und dem süffisanten Verweis auf den Rechtsstaat beantwortet wird. Wir haben es satt, daß unter dem Banner von Freiheit und Demokratie gegen unsere Interessen regiert wird.
Nach der Wende habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, das Für und Wider meiner Entscheidungen immer schriftlich niederzulegen. Sollte ich jemals aufgefordert sein, dies gleichfalls mit meinem Leben in der DDR zu tun, würde mein Pegel heute deutlich in Richtung DDR ausschlagen und dies nicht, weil ich mir eine Vergangenheit herbeisehne, die damals so wie auch jetzt nicht mehr existieren kann. Meine Entscheidung ist auch nicht ideologisch verbrämt, sondern geschieht aus rein sachlichen Motiven.

Jan Bischoff, Neustrelitz


Ein seit den Zeiten des Kalten Krieges in der alten BRD unterschwellig und latent vorhandener Russenhaß wurde wieder an die Oberfläche gespült.
Offensichtlich kommt er einigen "Verteidigern westlicher Werte" gerade recht, um zu beweisen, wie bösartig "der Russe" im Allgemeinen und Präsident Putin im Besonderen ist. Dabei hat Moskau bereits einige Vorschläge unterbreitet, wie die Situation entkrampft werden könnte. Um von der eigenen Aggressivität abzulenken, unterstellt man Rußland nichtexistente Aggressionsgelüste. Dieses große Land und sein Präsident haben für ihre konsequente Haltung im Konflikt und ihre Bemühungen um die Erhaltung des Weltfriedens meinen Respekt und meine uneingeschränkte Sympathie.

Gottfried Fleischhammer, Leipzig


Meine DDR-Generation ist mit Fadejews "Die junge Garde" aufgewachsen. Nach einem halben Jahrhundert habe ich das Buch erneut gelesen. Sollen all jene, welche für eine glückliche Zukunft gekämpft haben und ihr Leben ließen, nun durch Enkel oder Urenkel - im übertragenen Sinne - noch einmal ermordet und die Erinnerung an sie aus den Geschichtsbüchern durch eine "Weiße Garde" verbannt werden? Das kann uns doch nicht ruhig schlafen lassen. Mit Sicherheit hat Frau Merkel Fadejews Buch auch gelesen. Schließlich war es Schulstoff, und bei ihrem hervorragenden Abiturzeugnis muß sie diesen bewegenden Rapport damals geradezu verschlungen haben.

Helge Tietze, Bautzen


Wir sind immer erschüttert, daß selbsternannte "Bürgerrechtler" wie Gauck mit ihren Unwahrheiten in unserer Gesellschaft Stimmung gegen die Menschen aus der DDR machen können. Für uns SPDler ist dies deshalb so beschämend, weil die SPD-Oberen diesen Antikommunisten auf seinen Posten gebracht haben. Leider begreifen sie nicht, wie dieses höchste Amt im Staate mit Herrn Gauck entwürdigt worden ist.

Hannelore und Johann Weber, Ruhstorf (Niederbayern)


Erst am "Jubiläumstag" kam ich dazu, den glänzenden Leitartikel "Vom Mauerfall zum Kriegsfall" im November-RF zu lesen. Jawohl, die Mauer, die uns aufgezwungen wurde, hat 28 Jahre lang mit verhindert, daß es zwischen beiden Blöcken zum Krieg gekommen ist. Möge der Titel des Artikels zum geflügelten Wort werden, erklärt er doch klipp und klar, was damals geschehen ist und was dem folgen sollte. Der Sozialismus ist nicht tot, ja er ist einfach nicht totzukriegen. Der real existierende Sozialismus war ein erster Versuch, keineswegs jedoch nur ein vermeintlicher oder Pseudo-Sozialismus. Weitere Versuche werden ihm folgen.

Almos Csóngar, Berlin


Zum "Mauerfall-Jubiläum" scheuten Medien wie Politiker keine Kosten, die Unwissenden dieses Landes noch mehr mit Veranstaltungen, Gedenkfeiern und Themenwochen vollzustopfen. Groteskerweise wurde dabei jedoch nur von Menschen berichtet, die es in der "neuen Freiheit" zu etwas gebracht haben. Niemand erwähnte jene, welchen ihre Heimat buchstäblich über Nacht unter den Füßen weggezogen wurde und die, wenn sie überhaupt Arbeit haben, sich gerade so von Monat zu Monat dahinschleppen oder durch das Austragen von Zeitungen und andere Zweitjobs noch ein paar Euro hinzuverdienen müssen.
Ich bin stolz, ein Stück DDR selbst miterlebt zu haben, sie im Herzen wie im Kopf noch immer als meine wahre Heimat zu betrachten, die man mir nicht wegnehmen kann. Wenn andere darauf hoffen, einmal in den Himmel zu kommen, so möchte ich lieber zurück in meine DDR.

Mario Landgraf, Clingen (Kyffhäuserkreis)


Auch ich habe der "Linken" bei der Landtagswahl in Thüringen meine Stimme gegeben - aber nicht, um Kübel politischen Mülls über der DDR auskippen zu lassen, sondern um ersten Ansätzen für ein mehr sozial organisiertes Land zum Durchbruch zu verhelfen. Was Bodo Ramelow über das MfS im Vergleich mit der Gestapo sagt, bewegt sich auf dem Niveau von "Bild". Hier muß man wohl seine westdeutsche Sozialisation in Rechnung stellen.
Ich betrachte das alles - wie auch die Festschreibung des frei erfundenen Begriffs "Unrechtsstaat" in der Koalitionsvereinbarung - als kein gutes Vorzeichen für die politische Zukunft der "Linken". Schade. Aber zum Glück gab es ja auch die DKP auf der Liste, der ich meine Zweitstimme gab. Ich bin mir fast sicher, daß ich das nicht zu bereuen habe.

Peter Franz, Evang.-Luth. Theologe, Weimar


Völlig unakzeptabel sind die vulgären Auslassungen des linken Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow, die "spiegel-online" am 16. November so zitierte: "Auf gut Deutsch gesagt: Jedes kleine oder größere Arschloch im DDR-Apparat konnte in das Leben der anderen eingreifen. Das war entsetzlich."
Soll das etwa sachliche Auseinandersetzung sein? Da begibt sich einer in die dunkelsten Niederungen biermannscher Rhetorik. So nicht, Genosse Ramelow!
Dazu und zu den politischen Aussagen im Koalitionsvertrag von Thüringen dürfen und können wir nicht schweigen.

Raimon Brete, Chemnitz


Ich bin entsetzt, wie der politische Gegner das Phantom vom Unrechtsstaat nun wortgewaltig umsetzt. Aber das war zu erwarten, nachdem Bodo Ramelow Verrat an sozialistischen Prinzipien begangen und dafür den Judaslohn der "Regierungsmacht" eingelöst hat. Soll ich einfach nur resignierend sagen: "Das ist ja auch ein 'Wessi', der uns nicht verstanden hat?" Einer objektiven Aufarbeitung der Geschichte der DDR hat er einen Bärendienst erwiesen. Der nächste Angriff läßt nicht auf sich warten: Das Volk in der DDR soll gänzlich vom "SED-Staat" gelöst werden. ...
Ich aber war ein Teil des Staates DDR. Soll ich mir mein Herz herausschneiden?
Herzliche Grüße aus dem "schwarzen" Bayern

DDR-Bürgerin Sonja Navarro, Volkach


Nun hat sich die Partei, der ich angehöre, der Verteufelung meines Heimatlandes DDR auch angeschlossen. Gewisse Politiker würden sich wohl für die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung selbst ins eigene Knie schießen. Sicher wäre es nicht schlecht, den ersten Ministerpräsidenten stellen zu können. Aber dafür die eigene Ideologie über Bord zu werfen, hat bis jetzt noch keine Partei fertiggebracht.
Mich beschleicht ein Gefühl: Seit Bartsch vor der Wahl von Kipping und Riexinger seinen "Hut in den Ring geworfen" und dazu betont hatte, er werde "diese Linke der SPD näherbringen", gehen wahrlich seltsame Dinge vor sich. Sahra Wagenknecht durfte - bei Androhung, daß Gysi alles hinschmeißt - nicht zur alleinigen 1. Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt werden.
Warum wurde ausgerechnet Bartsch ihr zur Seite gestellt? Höhn als Bundesgeschäftsführer und Bartsch lassen garantiert die nötigen Strippen ziehen, zumal die SPD wie jetzt auch Die Linke das Wörtchen "Unrechtsstaat" gleichermaßen für die DDR verwendet. Paßt das nicht gut zusammen?

Klaus Glaser, Schwarzenberg


Vielleicht läßt sich die moderne Familien-, Erziehungs- und Schulpolitik der DDR zur Widerlegung der Unterstellung, sie sei ein Unrechtsstaat gewesen, am besten nutzen. Schon 1952 wurde in der DDR gesetzlich verboten, Schulkinder zu schlagen. An Schulen der BRD war das bis etwa 1970 erlaubt. In der Alt-BRD mußte der Mann zustimmen, daß seine Frau arbeiten darf. Er konnte Arbeitsverträge seiner Frau fristlos kündigen.
Dieses wilhelminische Gesetz wurde erst 1977 aufgehoben. Bis 1962 durften verheiratete Frauen in der Alt-BRD kein eigenes Bankkonto ohne Zustimmung des Ehemannes eröffnen.
Erst ab 1969 galten sie als geschäftsfähig. Für Frauen in der DDR unvorstellbar! Dort wurden die aus Kaisers Zeiten stammenden Gesetze mit der Staatsgründung getilgt. In der DDR haben bereits in den 60er Jahren ebensoviel Mädchen wie Jungen das Abitur machen können. In der Alt-BRD wurde diese Parität erst in den 80er Jahren halbwegs erreicht.
Als Selbstbetroffener möchte ich noch ein Beispiel anfügen. In der DDR endete die juristische Diskriminierung nichtehelich geborener Kinder bereits 1950, in der Alt-BRD erst am 28. Mai 2009 - und zwar durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes.

Wilfried Steinfath, Berlin


Es hat mich gefreut, daß im November-RF die Grafik von Anni Starke veröffentlicht wurde, die sie 1956 für die westdeutsche Frauen-Friedensbewegung (WFFB) schuf. Die Frauenbewegung hatte es verdient. Dabei denke ich an Prof. Clara Marie Faßbinder (liebevoll Friedensklärchen genannt), an Grit Weisberg, aktive Pfarrersfrau aus Gelsenkirchen, Elly Steinmann, Mira von Kühlmann, die SPD-Bundes- und Landtagsabgeordnete Alma Kettig und viele andere, gleich welcher Konfession oder Partei sie angehörten. Mir stehen die Frauen aus Essen und Gelsenkirchen vor Augen, die Monat für Monat die Zeitschrift "Frau und Frieden" verschickten. Der alten, kleinen Prof. Faßbinder lag vor allem die Versöhnung mit Frankreich und der Sowjetunion nach dem deutsch-faschistischen Überfall am Herzen. Dafür wurde ihr ein französischer Orden verliehen, den sie unter Präsident Lübke nicht entgegennehmen durfte. Der nachfolgende Bundespräsident Heinemann überreichte ihr den "Orden der Versöhnung" als seine erste Tat. Viele Frauen fühlten sich dadurch mit geehrt.

Marianne Konze, Gelsenkirchen


Christa Kozik möchte ich für ihren Artikel in der Oktober-Ausgabe danken. Sie schreibt so warmherzig, ähnlich wie Gisela Steineckert. Solche Frauen gehören an die Spitze von Regierungen. Zu Christas Hoffnungssatz möchte ich sagen: Alles entwickelt sich, und je höher der Druck, desto größer der Widerstand. Bei mir hat sich seit 1989 einiges angestaut, und das will jetzt raus. Zuvor war ich politisch völlig desinteressiert, gab als Bauarbeiter und später als Berufskraftfahrer mein Bestes, zog drei Kinder groß, habe zwei Enkel, bin seit Mai 2014 "RotFuchs"-Leser und habe durch unsere hiesige "RotFuchs"-Gruppe wirklich interessante Leute kennengelernt. In der Familie und im Bekanntenkreis gibt es immer häufiger Diskussionen. Die Lage spitzt sich zu, auch für die Linkspartei. Nichts bleibt, wie es ist. Alles braucht seine Zeit.

Eckard Laurich, Eberswalde


Den Autorinnen Christa Kozik und Gisela Steineckert danke ich für ihre Artikel im Oktober-RF zur Deutschen Demokratischen Republik. Beide haben mir aus dem Herzen gesprochen. Manch einer sagt: "Es war nicht alles schlecht." Das bedeutet: "Es war vieles schlecht, aber nicht alles." Ich sage: "Es war nicht alles gut." Das bedeutet: "Es war vieles gut, aber nicht alles." Das ist ein gewaltiger Unterschied.
Jahrgang 1952, hatte ich das Glück, in einem Staat aufzuwachsen, der jedem Menschen gleiche Möglichkeiten ohne Rücksicht auf den Geldbeutel der Eltern bot. Ein Staat, in dem die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft war, die Gleichberechtigung der Frauen weitestgehend durchgesetzt werden konnte und in dem niemand ein Hochkommen des Neofaschismus befürchten mußte. Die DDR war der einzige Staat in der deutschen Geschichte, der keinen Krieg geführt hat. Seit 1990 gedenken meine Frau und ich in jedem Jahr am 7. Oktober des Gründungstages dieses unseres Staates mit einem Glas Sekt.

Karl-Heinz Puchmüller, Waren (Müritz)


Die Linkspartei in Thüringen hat mit ihrer Zustimmung zur Bezeichnung der DDR als Unrechtsstaat diese samt ihrer Ideale und zweifellos erreichten Erfolge nachträglich verraten! Im Schachern mit der SPD und den Grünen um Regierungsposten und Chefsessel hat sie diesen schändlichen Preis gezahlt.
Die DDR hatte tatsächlich Demokratiedefizite und Mängel. Aber für mich bleibt sie dennoch die größte politische Errungenschaft auf deutschem Boden.
Zur aktuellen Situation habe ich versucht, einige Gedanken in Verse zu fassen:

Der "Geßlerhut" ist uns bekannt
als Unterwerfungszeichen.
Die DDR als "Unrechtsstaat"
hat diesen Zweck desgleichen.

Nun ist er weg, der "Unrechtsstaat",
ist lange schon verschwunden.
Er lebt erneut auf im Spagat
der bunten Kungelrunden.

Er wird noch lang' nicht untergeh'n
im Herzen der Genossen -
und eines Tages neu erstehen,
geläutert, neu gegossen.

Eberhard Kunz, Berlin


Bundestagspräsident Lammert spreche ich mein aufrichtiges Beileid dazu aus, daß er auf Biermann zurückgreifen mußte, weil Adenauers Graue Eminenz Dr. Hans Globke, der Kommentator der Nürnberger Rassegesetze, leider nicht mehr zur Verfügung steht. Auch der hätte sich hervorragend als Ehrengast geeignet.

Horst Kraft, Bad Freienwalde


Es ist sehr schlimm, daß ein durchgeknallter, gesinnungsmäßig heruntergekommener Hofnarr des Kapitalismus seine aufgestauten Haßtiraden auf demokratisch gewählte Abgeordnete einer legalen Partei, die sich dem Frieden und der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet hat, ausschütten und sie als "Drachenbrut" diffamieren durfte. Bundestagspräsident Lammert hat mit Biermanns Einladung der Demokratie einen schlechten Dienst erwiesen!

Alfred Krommel, Günter Waldeck, Lamstedt


Eine Frau, der nach Aussagen Altkanzler Kohls erst in ihrer Regierungszeit das Essen mit Messer und Gabel beigebracht werden mußte ("Der Spiegel", Heft 41/2014), maßte sich an, anläßlich der Mauerfall-Orgien den schnauzbärtigen Biermann als einen der größten Dichter und Liedermacher nicht nur der Deutschen, sondern unserer Zeit und somit der ganzen Welt zu bezeichnen.
Wie tief ist deutsche Kanzlerkultur nur gesunken! Ich schäme mich auch ohne eigene Schuld.

Karl Kossakowski, Rostock


Einen Eklat leistete sich im Bundestag ein in die Jahre gekommener kleiner feister Mann. Mit seiner "Gesangseinlage" pöbelte er in unflätiger Weise die Abgeordneten der "Linken" an. Dann sang er sich seinen angestauten Frust von der Seele, nicht schön, aber laut. Kein Ordnungsruf störte und stoppte ihn. Die meisten Abgeordneten applaudierten dem Herrn sogar, der sich in den Dankesworten von Frau Merkel und Herrn Gabriel sonnte.
Dieser Mann demonstrierte auf seine unnachahmliche Weise, was man unter "Einheit" versteht. Ich habe starke Zweifel, daß so zusammenwächst, was zusammengehört.
Das schreibt ein Wähler der diffamierten Partei Die Linke.

Werner Jahr, Potsdam


Mit Freude habe ich im November-"RotFuchs" die Glückwünsche für Genossen Kurt Gossweiler gelesen. Wir haben Kurt zu seinem 97. Geburtstag besucht, worüber er sich natürlich sehr gefreut hat. Doch mit einiger Verwunderung stelle ich fest, daß er im RF lediglich als "profilierter Faschismus-Forscher der DDR" gewürdigt wird und unerwähnt bleibt, was den größten und wohl wichtigsten Teil seines Lebenswerkes ausmacht: die Erforschung der Ursachen der einstweiligen Niederlage des Sozialismus.

Norbert Gernhardt, E-Mail


Liebe "RotFuchs"-Redaktion, seit Jahren bekomme ich Ihre Zeitschrift und habe immer viel Gewinn daraus gezogen. Heute melde ich mich zurück, weil ich mit der Sicht des "Mauerfall"-Artikels im November-RF so nicht einverstanden bin.
Natürlich ist der Mauerfall ein Jahrhundertereignis. Uns betrifft das ganz schmerzlich, denn wir haben einen großen Menschheitsversuch verloren. Um so dringlicher - da für unsere Enkel, Urenkel und noch später Geborene die nächsten Versuche dieser Art werden folgen müssen -, daß wir die Zusammenhänge vollständiger analysieren. ... Gegner hatte die sozialistische Entwicklung der DDR von Beginn an, aber eben Zustimmende, Anpackende, aktiv Gestaltende in großer Mehrheit.
Leistungsschwäche, Engstirnigkeit und gegnerische Einflüsterungen ließen dann im Laufe der Jahre Zweifel aufkommen und dezidiert Unzufriedene sich zaghaft organisieren. Das alles geschah zwar unter staatlichen Repressionen, aber ohne Blut und Tod. Dann gewannen erste Bürger exterritoriales Terrain in der Kirche, in Umweltgruppen, bei Montagsdemos und in BRD-Botschaften - weiterhin ohne Blut und Tod. Dem folgten die Reisewelle nach Ungarn und die Öffnung seiner Grenze zu Österreich.
Hiergebliebene versammelten sich jetzt ohne Scheu. Teils noch gegenüber, teils bereits unter diesen Massen waren der Parteisekretär, der Volkspolizist, der NVA-Soldat, der Kampfgruppen-Angehörige, der SED-Genosse. ... Sie teilten Forderungen der Masse.
So wurde die Bewegung zur Macht, wurden die Funktionäre und Ordnungskräfte aber zur Ohnmacht. Keiner wußte, wie die Wut gebunden werden könnte, außer Ochs und Esel ihren Lauf zu lassen.
Für einen neuen Anlauf à la DDR anno futurico müssen die Verantwortlichen unbedingt Massenpsychologie studiert haben.

Doz. Frank Schubert, Potsdam


Mit meinem Restaurant "Felsquell-Stuben" hatte ich mich selbständig gemacht. Da merkte ich, daß ich mit dem Mietpreis zum Sklaven geworden war. Verdient hat nur der Vermieter. Diese Gesellschaftsordnung taugt gar nichts, aber leider zählt für viele nur das Überproduktions-Angebot des Kapitalismus.
Wohl fühlen wir uns, wenn wir im Friedensfahrt-Museum bei Horst Schäfer mit Täve und vielen anderen ehemaligen Sportlern zusammenkommen. Ich fuhr bis 1972 selbst aktiv - eine schöne Zeit!

Lothar Heimann, Crimmitschau


Dem "RotFuchs" herzlichen Dank für das wunderschöne Bild "Zärtlicher Vater" in der September-Ausgabe und die zu Herzen gehenden Worte Lea Grundigs. Um so mehr tut es weh, daß das sozialistische Kuba für seine humanistischen Taten durch die USA und gewisse EU-Staaten, die den Kubanern unbedingt ihre "Demokratie" aufzwingen möchten, noch immer isoliert wird. Für mich ist Solidarität mit diesem tapferen Volk nach wie vor Herzenssache.

Konrad Hannemann, Eisenhüttenstadt


Vor drei Jahren gründeten Berliner "RotFuchs"-Freunde eine kleine Singegruppe, die sich Arbeiter-, Jugend- und Kampfliedern widmet. Bei der Veranstaltung zum 65. Jahrestag der DDR gaben wir gemeinsam mit über 200 sangesfreudigen Teilnehmern eine Probe unseres Könnens. Egon Krenz war sichtlich bewegt. Wir wollen diese Tradition des Singens fortsetzen und bereiten derzeit ein kleines Programm zur Würdigung des Kampfes der Spanischen Republik und der Interbrigadisten vor.
Dringend brauchen wir sängerische Verstärkung und einen Akkordeon-Spieler bzw. Keyboarder.
Bitte meldet Euch bei Konstantin Brandt (Telefon 030/53 02 76 64) oder bei mir (030/34 35 36 04).

Wolfgang Schulze, Berlin


Im "RotFuchs" finde ich in jeder Ausgabe das Spiegelbild meines eigenen Lebens in der DDR wieder und die Bestätigung, daß ich in den verschiedenen Funktionen, mit denen ich betraut wurde, und den Aufgaben, die man mir stellte (Kapitän der Handelsflotte der DDR, Vertreter der Deutschen Seereederei in London, Abteilungsleiter für Seeverkehr im Ministerium für Verkehrswesen der DDR, Vertreter der DDR und Sprecher der sozialistischen Länder in der UNCTAD) ganz im Sinne der DDR gehandelt habe. Dazu kommt, daß ich in den Beiträgen und Leserbriefen des RF Anregungen zur kritischen Hinterfragung der eigenen Position und des eigenen Handelns entdecke. Kurz gesagt: Der "RotFuchs" ist für mich eine Goldgrube.

Lutz Weiprecht, Berlin


Für die Veröffentlichung meines Beitrags "Der kleine Fuchs und die Ehrenregel" in der Novemberausgabe bedanke ich mich sehr. Leider hat sich ein Fehler eingeschlichen, der das Herz einer Biologin bekümmert. Darf darauf witzig reagiert werden?

Die Redaktion hat sich geirrt,
der rote Fuchs rennt oder schnürt.
Springt manchmal hoch nach einer Maus,
doch hoppelnd eilt er nicht nach Haus.
Belehrt ihn zwar der kleine Hase,
den Gang wählt er nach seiner Nase.

Edda Winkel, Hönow

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Quelle:
RotFuchs Nr. 204, 17. Jahrgang, Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2015

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