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OSSIETZKY/950: Guernica - Die heilige Stadt und das Bild


Ossietzky - Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft
Nr. 8 vom 15. April 2017

Die heilige Stadt und das Bild

von Karl-Heinz Walloch


Während des Bürgerkrieges hatte das Baskenland eine weitgehende Autonomie innerhalb der Spanischen Republik erhalten, und da die Gesellschaft liberaler, weniger rückständig als das restliche Spanien war und eine mehr oder weniger umfassende Unabhängigkeit anstrebte, kämpften die Basken gegen Franco. Die Stadt Guernica war das Nationalheiligtum der Basken, hier stand die uralte Eiche (und steht heute eine ihrer Nachfolgerinnen), unter der in vergangenen Zeiten die fueros, die baskischen Sonderrechte, mit den spanischen Königen vereinbart wurden. Die Eiche ist auch das Symbol für die Selbstständigkeit und Selbstverwaltung der Basken.

Der 26. April 1937 war Markttag in Guernica. 3000 Besucher waren in die baskische Kleinstadt gekommen, als am Nachmittag gegen 16 Uhr die Luftangriffe der deutschen und italienischen Flieger begannen. Innerhalb kurzer Zeit legten sie den Ort mit Spreng- und Brandbomben in Schutt und Asche. Auf die flüchtende Zivilbevölkerung schossen Tiefflieger mit Maschinengewehren. Tausende Menschen kamen dabei ums Leben. Tage danach marschierten die Franco-Truppen in die verwüstete Stadt ein.

Es war der Schriftsteller Max Aub der Picasso den Auftrag zum Guernica-Bild erteilte. Als im Juli 1936 der Spanische Bürgerkrieg ausgebrochen war, hatte sich Aub der »Alianza de escritores antifascistas para la defensa de la cultura« (Allianz der antifaschistischen Schriftsteller zu Verteidigung der Kultur) an. In Paris lernte er den spanischen Botschafter Luis Arquistaín kennen, der Aub spontan als Kulturattaché an die Botschaft holte. In diesem Amt, das er von Dezember 1936 bis Juli 1937 versah, erteilte er im Namen der Spanischen Republik Pablo Picasso den Auftrag für das Bild »Guernica«. Als Honorar zahlte die Republik Picasso 150.000 Francs. Auf der Pariser Weltausstellung 1937 »Exposition Internationale des Arts et Techniques dans la Vie Moderne« wurde Picassos Bild im Spanischen Pavillon ausgestellt. Nach der Weltausstellung ging das 349 x 777 Zentimeter große Gemälde auf Reisen: Oslo, Stockholm, London, Leeds, Liverpool und New York waren die Stationen, wo das Bild für die republikanische Seite des Bürgerkriegs warb. Alle Einnahmen aus Eintrittsgeldern spendete Picasso den Opfern des Spanischen Bürgerkrieges. Das Guernica-Bild vermachte Pablo Picasso einer künftigen Spanischen Republik. Von 1939 bis 1981 wurde es im Museum of Modern Art in New York gezeigt. Nach dem Tod Francos im November 1975, der Wiedereinführung der Demokratie in Spanien und trotz der wiederhergestellten Bourbonen-Monarchie kam das Antikriegsbild 1981 zum ersten Mal nach Spanien. Zunächst wurde es in einer Dependance des Prado ausgestellt, seit 1992 ist es im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in einem eigenen Saal zu sehen.

In der Ausstellung »Pieda y Terror« (Mitleid und Terror) werden ab April im Museo Reina Sofía auch die Vorarbeiten zum Thema gezeigt. Dabei konzentriert sich die Ausstellung auf die Wurzeln des Bildes. Das sind Szenen vom wahnsinnigen oder ekstatischen menschlichen Handeln, oft von Gefahr geprägt, in völliger Gewalt aufgehend. Ein zweiter Strang der Ausstellung beschäftigt sich mit Picassos Bearbeitung des Bildinnenraums.

Bis heute wurde das Guernica-Bild mit Billigung Picassos zweimal restauriert (1957 und 1962). Da die Leinwand brüchig ist, so die Restauratoren, kann und darf es nicht mehr reisen.

Die baskische Stadt Guernica ist wieder aufgebaut, Schäden sind nicht mehr sichtbar. Pablo Picassos engagiertes Bild »Guernica« klagt immer noch alle Kriege weltweit an, auch nach 80 Jahren.

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Quelle:
Ossietzky - Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft
Zwanzigster Jahrgang, Nr. 8 vom 15. April 2017, Seite 276 bis 277
Herausgeber: Matthias Biskupek, Rainer Butenschön, Daniela Dahn,
Dr. Rolf Gössner, Ulla Jelpke, Otto Köhler
Redaktion: Katrin Kusche (verantw.), Jürgen Krause (Korrektor)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2017

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