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OSSIETZKY/697: Nicht nur für Rußland


Ossietzky - Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft
Nr. 6 vom 17. März 2012

Nicht nur für Rußland

Von Horst Schäfer


Keine Ahnung habe ich, ob und in welchem Umfang die Wahlen in Rußland am 4. März gefälscht wurden. Glaubt man der Mehrzahl der deutschen Medien, dann muß es schlimm gewesen sein. Beruhigend aber, daß Ex-Staatsekretärin Marieluise Beck, unsere grüne Wahlbeobachterin vor Ort, ziemlich schnell wußte, daß "dieses Mal anders, intelligenter, nicht so grob gefälscht oder nachgeholfen" wurde, denn "die Macht hat gelernt." Mit 63 Prozent der Stimmen zu 17 Prozent für den Zweitplatzierten wurde Wladimir Putin wieder Präsident der Russischen Föderation, und das bei 63 Prozent Wahlbeteiligung. Die interessantere Frage, ob alle Kandidaten gleiche Ausgangsbedingungen für ihre Bewerbung hatten - so eine vergleichbare Größe der Wahlfonds, gleiche Werbemöglichkeiten in den Medien oder deren redaktionelle Unterstützung oder Verteufelung für die Kandidaten - wurde nicht untersucht, denn das hätte ja zu erhellenden Vergleichen mit bundesdeutschen Wahlen führen können.

Keine Ahnung habe ich auch, ob und in welchem Umfang die US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000, die ja ohne Frau Beck oder andere ausländische Beobachter stattfanden, gefälscht wurden. Im Bundesstaat Florida gewann George W. Bush mit der Mehrheit von 537 bei insgesamt sechs Millionen abgegebenen Stimmen und erhielt damit nach dem undemokratischen Prinzip "Der Gewinner bekommt alle" Floridas Wahlmänner zugesprochen. Das begründete dann seinen "demokratischen" Wahlsieg. Eine beschlossene Nachzählung der Florida-Stimmen per Hand wußten Bush und seine Leute zu verhindern. Laut offiziellem Resultat gewann Bush die Präsidentschaft mit 47,87 Prozent der Stimmen, obwohl sich für den Bewerber der Demokraten, Al Göre, insgesamt 543.816 mehr Wähler entschieden. Die Wahlbeteiligung lag bei 51,3 Prozent, also jeder zweite US-Bürger blieb der Wahl fern.

Genau weiß ich aber: Weder bei den US-Wahlen 2000 noch in irgendeinem anderen Wahljahr gab es Nichtregierungsorganisationen (NRO) oder andere Gruppen in den USA, die vom Ausland dafür bezahlt wurden, die Wahllokale zu überwachen, Unstimmigkeiten und Betrug bei den Abstimmungen aufzuspüren und dann Demonstrationen zu organisieren, um das lautstark anzuklagen.

Genau weiß ich ebenso: Die USA - lassen wir Naumann- und Adenauer-Stiftung sowie andere westeuropäische Wahlhelfer einmal weg - finanzieren seit Jahren NROs in Rußland mit vielen Millionen Dollar. Immer wieder genannt wird die NRO Golos. Allein die US-Organisation National Endowment for Democracy (NED) hat laut ihrem Finanzbericht für 2010 etwa drei Millionen Dollar für Golos und vergleichbare Gruppen in Rußland ausgegeben (in Weißrußland 2,6 und in Kuba 2,4 Millionen). Die Zahlen für 2011 kommen erst im August. Dabei ist die NED nur eine von mehreren quasi Regierungsorganisationen wie United States Agency for International Development (USAID) oder National Democratic Institute (NDI), alles Spezialisten für Regime-Change unter dem Vorwand angeblicher Menschenrechtsverletzungen und fehlender freier Wahlen. NED und NDI waren 1983 unter Präsident Reagan gegründet worden, da die CIA wegen Enthüllungen des US-Senats über deren Mordtätigkeit im Ausland als bisheriger Verteiler der Dollar-Millionen für subversive Zwecke diskreditiert war.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Marc Toner, hatte bereits am 5. Dezember 2011 Vor der Presse in Washington laut offiziellem Protokoll erklärt: "Die Vereinigten Staaten haben diejenigen Bürger und NROs unterstützt, die für freie und faire Wahlen in Rußland eintreten, und wir werden das auch weiterhin tun... Wir haben mehr als neun Millionen Dollar ausgegeben, um den freien und transparenten Prozeß bei Rußlands bevorstehenden Wahlen zu unterstützen." Diese Aussage hatte das Weiße Haus von Präsident Obama am selben Tag bekräftigt. Dann bestätigte der Sprecher des State Department im Namen der US-Regierung, was bereits Kuba, Venezuela, Bolivien, die Ukraine und Weißrußland sowie viele Länder mit sogenannten bunten "Revolutionen" erfahren konnten: "Wir machen das weltweit - das ist keine Besonderheit nur für Rußland."


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Quelle:
Ossietzky - Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft
Fünfzehnter Jahrgang, Nr. 6 vom 17. März 2012, Seite 223-225
Herausgeber: Dr. Rolf Gössner, Ulla Jelpke, Prof. Arno Klönne,
Otto Köhler, Eckart Spoo
Redaktion: Eckart Spoo (verantw.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2012