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OSSIETZKY/655: Erfreuliche Morde


Ossietzky - Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft
Nr. 10 vom 14. Mai 2011

Erfreuliche Morde

Von Heinrich Hannover


"Thälmann ist zu exekutieren" hieß der von Himmler notierte Befehl seines Führers Hitler zur Ermordung des prominentesten politischen Gegners der Nazis. Man hatte den populären KPD-Vorsitzenden elf Jahre lang inhaftiert, ohne das erwünschte Todesurteil im Wege eines Strafprozesses herbeizuführen. Der Prozeß wäre von der Weltöffentlichkeit kritisch beobachtet worden und hätte, wie einst der Reichstagsbrandprozeß, dem Angeklagten Gelegenheit gegeben, zum Ankläger seiner Ankläger zu werden. Der Krieg bot das nötige Umfeld von zwischenstaatlicher Rechtlosigkeit, um 1944 "kurzen Prozeß" zu machen. Das Killerkommando der SS arbeitete zuverlässig und ohne öffentliche Verhandlung.

Wer gedacht hatte, ein solcher Umgang mit politischen Gegnern gehöre einer Vergangenheit an, die sich in vermeintlichen Rechtsstaaten nicht wiederholen könne, sieht sich durch obrigkeitlich befohlene Morde der letzten Zeit getäuscht. Als der Verdacht aufgebracht wurde, Osama bin Laden sei verantwortlich für den Anschlag auf die Türme des World Trade Center, hätten die Machthaber im Weißen Haus und im Pentagon einen internationalen Haftbefehl erwirken und einen Strafprozeß vorbereiten müssen, stattdessen war da der ersehnte Vorwand für einen Krieg gefunden (oder geschaffen?), in dem es um ganz andere Interessen ging. Dieser Krieg dient jetzt als willkommene Folie für weitere Rechtlosigkeiten. Vergessen ist, daß auch Osama bin Laden Anspruch auf einen Strafprozeß mit Verteidigungschance gehabt hätte. Vergessen, daß Angeklagte als unschuldig gelten, solange sie nicht rechtskräftig verurteilt sind.

Aber es ist eben alles von Anfang an nicht mit rechten Dingen zugegangen, wahrscheinlich nicht einmal der perfekt durchgeführte und professionell gefilmte Angriff von Nine-eleven. Die Gefahr, daß Osama bin Laden zur Aufklärung beitragen könnte, ist gebannt. Seine von den Auftraggebern am Bildschirm verfolgte Tötung durch ein US-amerikanisches Killerkommando war die jüngste, aber wohl nicht die letzte Hinrichtung nach dem Gesetz des Dschungels. Daß mit Osama bin Laden auch sein Sohn, zwei seiner Kuriere und eine Frau sterben mußten, wird als Kollateralschaden stillschweigend in Kauf genommen und hat Angela Merkels Freude über Bin Ladens Tötung keinen Abbruch getan.

Der nächste "Terrorist" ist schon im Fadenkreuz der Killer. Der Anschlag auf Gaddafis Haus hat, wie man im Kleingedruckten der Gazetten erfuhr, bisher nur seinem Sohn und drei Enkelkindern den Tod gebracht. Ein Wort des Bedauerns habe ich nicht gehört. Es hätte wohl auch nur dem Umstand gegolten, daß noch kein Grund zur Freude herrscht, weil Gaddafi nicht getötet wurde.

Daß die gezielte Tötung von zu Feinden erklärten Personen durch staatliche Killerkommandos und robotergesteuerte Drohnen nicht der Sicherheit der Bürger dient, sondern Gegenschläge provoziert, bei denen möglicherweise Tausende sterben müssen, weiß man offenbar auch in den Kreisen, die für diese terroristischen Staatsaktionen verantwortlich sind oder sich über sie freuen. So wird der Krieg ins Land geholt, und das Geschäft der Kriegsprofiteure blüht. Wie lange lassen sich die Menschen das noch gefallen?


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Quelle:
Ossietzky - Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft
Dreizehnter Jahrgang, Nr. 10 vom 14. Mai 2011, Seite 367 bis 368
Herausgeber: Dr. Rolf Gössner, Ulla Jelpke, Prof. Dr. Arno Klönne,
Otto Köhler, Eckart Spoo
Redaktion: Eckart Spoo (verantw.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2011