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MARXISTISCHE BLÄTTER/377: Die Konstituierung der Deutschen Kommunistischen Partei


Marxistische Blätter Heft 6-08

Die Konstituierung der Deutschen Kommunistischen Partei

Von Kurt Bachmann


Vor dem Eingang des Frankfurter Hotels "Intercontinental" drängten sich am 26. September 1968 etwa hundert Presse-, Funk- und Fernsehleute, Korrespondenten der großen in- und ausländischen Zeitungen, Aufnahmeteams der Fernsehanstalten. Sie waren der Einladung zu einer Pressekonferenz gefolgt, auf der ein Ereignis bekanntgegeben werden sollte, das für die politische Entwicklung in der Bundesrepublik neue Zeichen setzte: die Neukonstituierung einer legalen kommunistischen Partei.

Dieses bevorstehende Ereignis hatte jedoch auch antikommunistische Kräfte auf den Plan gerufen, die die Leitung des Hotels unter Druck setzten und veranlassten, den zugesagten Raum für die Pressekonferenz kurzfristig aufzukündigen. Was dann geschah, schilderte eine bürgerliche Zeitung so: "Nach einiger Zeit kommt endlich ein Mann mit einem umhängenden Schild 'Pressekonferenz Bachmann - Auskunft hier'. 'Weinhaus Kanne' ist die neue Adresse. Dort beginnt mit kurzer Verspätung die angekündigte Pressekonferenz im überfüllten Raum. Auf dem Podium haben Kurt Bachmann, Korrespondent aus Weiden, Kurt Erlebach, Hamburger Journalist, der Frankfurter Verlagsangestellte Josef Mayer, Georg Polikeit, Journalist aus Offenbach, und der Angestellte Ludwig Müller aus Angermund Platz genommen."(1) Im Namen und als Sprecher eines einunddreißigköpfigen Bundesausschusses, der am Vortag, am 25. September 1968, die "Deutsche Kommunistische Partei" konstituiert hatte, trug ich die Erklärung vor, in der wir diesen bedeutsamen Schritt begründeten. Die Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei stieß überall auf großes Interesse. Man spürte, dass sie zum richtigen Zeitpunkt erfolgte. In der Bevölkerung wuchs die Unzufriedenheit über die Politik der etablierten Parteien, die mit den neuen Problemen unserer Zeit, wie sie sich insbesondere aus dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt unter kapitalistischen Bedingungen ergeben, nicht fertigwerden. Die Unzufriedenheit wuchs über das Beharren der maßgebenden politischen Kräfte auf Positionen des Kalten Krieges, die immer stärker in Widerspruch gerieten zu den veränderten Realitäten in der Welt. Viele, vor allem junge Menschen, die in den demokratischen Bewegungen jener Zeit standen, in der Ostermarschbewegung, Anti-Notstandsbewegung, in der Bewegung für die Anerkennung der DDR, der Bewegung gegen die US-Aggression in Vietnam und in der Studentenbewegung suchten nach einer neuen Kraft, nach einer neuen Politik und neuen Wegen der gesellschaftlichen Entwicklung.

In dieser Situation konstituierte sich die Deutsche Kommunistische Partei, die dem Drängen nach politischen und gesellschaftlichen Veränderungen Ausdruck verlieh und neue Möglichkeiten und Orientierungspunkte aufzeigte. Wenn wir, ein Kreis von Kommunisten der Bundesrepublik, nach gründlichen Überlegungen die Initiative zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei ergriffen, so deshalb, weil sich die Notwendigkeit einer legal wirkenden Kommunistischen Parei mit jedem Tag als dringender erwies. Die Bundesrepublik befand sich 1968 an einem Schnittpunkt ihrer Entwicklung.

Innenpolitisch erforderten die veränderten ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen, die Bewältigung der aufgeworfenen Probleme infolge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, vorwärts gerichtete demokratische Lösungen. Die herrschenden Kreise suchten jedoch einen Ausweg aus den Schwierigkeiten durch eine noch größere Zusammenballung wirtschaftlicher und politischer Macht in wenigen Händen, durch Ausbau des staatsmonopolistischen Regulierungsapparates bei Einschränkung demokratischer Rechte, vor allem mit den Notstandsgesetzen. "Auf allen Gebieten des politischen und gesellschaftlichen Lebens", stellten wir in der Erklärung zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei fest, vollzieht sich "eine bedrohliche Rechtsentwicklung". Ein Ausdruck dafür war das Anwachsen der neonazistischen NPD. Außenpolitisch erforderte das spürbar veränderte internationale Kräfteverhältnis die Abkehr von Positionen des Kalten Krieges, die Hinwendung zu einer Politik der Entspannung, der Anerkennung der bestehenden Nachkriegsrealitäten. Obwohl bereits Tendenzen eines etwas realistischeren Herangehens an das Verhältnis zur DDR, zur Sowjetunion und zu anderen sozialistischen Ländern in gewissen politischen Kreisen, z. B. in den Führungen von SPD und FDP erkennbar waren, dominierte in der Bundesregierung, in der von CDU/CSU und SPD geführten großen Koalition, nach wie vor das Streben nach Beseitigung des territorialen Status quo in Europa.

Dem Verlangen breiter Bevölkerungsschichten nach notwendigen Veränderungen in der Innen- und Außenpolitik begegneten die herrschenden Kreise mit verstärktem Antikommunismus. Insbesondere nutzten sie die Ereignisse im August 1968 in der CSSR, die mit dem Scheitern der konterrevolutionären Versuche endeten, um Stimmung gegen die Forderung zur Aufnahme der Beziehungen zu unseren sozialistischen Nachbarländern zu machen, Spaltung und Verwirrung in die demokratischen Bewegungen zu tragen und das Streben nach politischen und gesellschaftlichen Veränderungen zu diskreditieren.

Wie notwendig war gerade zu diesem Zeitpunkt, einem Höhepunkt des Antisowjetismus, eine kommunistische Partei, die offensiv dem antikommunistischen Trommelfeuer entgegentrat, "die dem arbeitenden Volk offen und ungeschminkt die Wahrheit sagt und ausgehend von den Erkenntnissen des Marxismus für eine demokratische Alternative wirkt", eine Partei, die sich den nach neuen Wegen suchenden Kräften als "eine klare Alternative zur Politik der herrschenden großkapitalistischen Kreise und zu den Parteien, die deren Interessen vertreten", darstellt, eine Partei, die dem Versuch, "die Arbeiterschaft geistig und organisatorisch zu entwaffnen und sie in das vom Großkapital beherrschte System einzuordnen", eine Kraft entgegensetzt, "die den Arbeitern das Bewusstsein ihrer Lage und ihrer sozialen und politischen Interessen vermittelt".
(Aus der Erklärung)

Zurückblickend möchte ich bemerken, dass die Entscheidung zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei keine leichte Entscheidung war. Noch immer bestand das KPD-Verbot.

Es bestand die Möglichkeit und Gefahr, dass die herrschenden Kreise unter Rückgriff auf dieses Verbot die Neukonstituierung unterbinden oder doch als ständige Verbotsdrohung benutzen würden. Es stellte - wie die Erfahrungen der Jahre von 1956 bis 1968 zeigten - eine Gefahr auch für andere demokratische Kräfte dar. Deshalb brachten wir in unserer Erklärung unmissverständlich zum Ausdruck: "Wir sind uns bewusst, dass die herrschenden Kreise mit der Aufrechterhaltung des KPD-Verbots auch eine neukonstituierte Kommunistische Partei bedrohen können. Auf der Grundlage dieses Verbots wurden jahrelang und werden bis heute demokratische und sozialistische Organisationen diffamiert und verfolgt. Deshalb fordern wir: das KPD-Verbot muss aufgehoben werden."

An der Aktualität dieser Forderung hat sich bis heute nichts geändert. Unsere Entscheidung zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei beruhte nicht nur auf aktuellen Notwendigkeiten. Ihr lag ebenso eine nüchterne Einschätzung der veränderten inneren und äußeren Bedingungen zugrunde. Die Konstituierung war das Ergebnis eines langwierigen Kampfes um das Wirken einer legalen Kommunistischen Partei in der Bundesrepublik.

Der offensichtliche Bankrott der Adenauer-Politik, des Irrglaubens, die Sowjetunion, die sozialistischen Länder zwingen zu können, sich den revanchistischen Zielen der herrschenden Kreise der USA und der Bundesrepublik zu beugen, zeichnete sich Ende der sechziger Jahre ebenso ab wie die Notwendigkeit einer Veränderung dieser Politik.

Bestandteil dieser "Politik der Stärke" war das Verbot der KPD. So lautete eine der wesentlichen Begründungen im Verbotsantrag Ende November 1951, "diese Partei (die KPD) verdächtigt die Bundesregierung seit Jahren der Remilitarisierung". Das Wirken der KPD, ihr Kampf gegen die drohende Remilitarisierung war den herrschenden Kreisen der Bundesrepublik hinderlich in ihrem Bestreben, mit Aufrüstung, mit militärischer Stärke im Bunde mit dem USA-Imperialismus die DDR zu "befreien" und die vom Hitlerfaschismus verspielten ehemaligen deutschen Ostgebiete zurückzuerobern.

Die KPD warnte, dass ein Verbot der KPD zur Einschränkung demokratischer Verfassungsprinzipien führen, die Freiheit aller bedrohen werde. Auch bürgerlich-demokratische Kräfte äußerten ihre Besorgnis, dass die These in der Verbotsbegründung, der Angriff der KPD gegen die Politik der Adenauer-Regierung sei ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik, gegen alle Gegner der von der Adenauer-Regierung betriebenen Politik der Aufrüstung und der Spaltung Deutschlands angewandt werden könne.

Vor dem Verbot, besonders aber nach dem Verbot bestätigten sich diese Warnungen und Besorgnisse. So wurden Bestrebungen für die Anerkennung der bestehenden Nachkriegsgrenzen, die Aufnahme normaler Beziehungen zur Sowjetunion, zur DDR, zu Volkspolen mit der Begründung verfolgt, sie dienten den Zielen des Kommunismus. Viele gerieten in den Verdacht, Kommunisten zu sein. Es herrschte ein Klima ähnlich dem des McCarthyismus in den USA, ein Klima der Gesinnungsschnüffelei und der Hexenjagd. Die Sorge über eine Entwicklung zum Polizeistaat, zum totalen Überwachungsstaat wurde immer größer. Sie wurde von namhaften bürgerlichen Staatsrechtslehrern, Juristen sowie vom gegenwärtigen Bundesjustizminister Maihofer, vom ehemaligen Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Posser, ebenso geäußert wie von Gewerkschaftsfunktionären, SPD-Mitgliedern und Vertretern anderer demokratischer Organisationen.

Mit der wachsenden Erkenntnis von der Gefährlichkeit der Politik der Stärke nahm auch die Stimmung in der Bevölkerung zu, dass das KPD-Verbot verschwinden müsse, damit die Bundesrepublik nicht neben faschistischen Ländern wie Spanien und Portugal die Kommunisten verfolge und Schluss gemacht wird mit der ständigen Vergiftung der politischen Atmosphäre.

Es bildeten sich verschiedene Bewegungen, die aus humanitären und politischen Gründen eine Amnestie für alle forderten, die aufgrund der Staatsgefährdungsbestimmungen und des KPD-Verbots verfolgt oder inhaftiert waren, und die für die Aufhebung des KPD-Verbots eintraten, damit demokratische Verfassungsrechte wiederhergestellt werden. Eine der bedeutendsten dieser Bewegungen war der "Ausschuss für politische Amnestie und zur Aufhebung des KPD-Verbots" in Rheinland-Pfalz, dem Pfarrer Symanowsky, die Studienrätin Bienko, Dr. Benseler u. a. angehörten. Weiter bildete sich der "Initiativausschuss für die Wiederzulassung der KPD"; Franz Ahrens, Kurt Erlebach, Manfred Kapluck, Karl Schabrod und Richard Scheringer waren Mitglieder dieser Initiative, Kurt Erlebach gehörte auch von Anfang an zum Bundesausschuss zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei.

Auch im Ausland stieß das KPD-Verbot und mit ihm die politische Gesinnungsjustiz auf wachsende Ablehnung. Unvergessen war und ist bei unseren europäischen Nachbarn die Erinnerung, dass am Beginn jener Politik, die zum Überfall des Hitlerfaschismus auf die Sowjetunion, auf ihre Völker führte, die Verfolgung der KPD stand wie die aller Demokraten und Kriegsgegner.

Das Verbot der KPD am 17. August 1956 traf eine Partei, die während der ganzen Zeit des "Dritten Reiches" organisierten Widerstand gegen den Hitlerfaschismus und den von ihm geführten verbrecherischen Krieg geleistet hatte. Nicht wenige Mitglieder der KPD standen an der Seite der unterdrückten Völker im antifaschistischen Befreiungskampf. Verfolgt wurde die Partei, die große Opfer in diesem Kampf gegen Faschismus und Krieg, für die Freiheit unseres Volkes brachte.

Gerade im Ausland rief es wachsende Empörung hervor, als immer ruchbarer wurde, dass die KPD von Leuten verfolgt wurde, die einstmals zu den treuesten Dienern des Nazistaates gehörten, dass Kommunisten von Richtern verurteilt wurden, die zum Teil unter Hitler Todesurteile gegen Antifaschisten gefällt hatten, und dies alles unter einer Regierung, in der auch Leute Ministerposten bekleideten, die dem verbrecherischen Naziregime ergeben waren. Im Ausland wurde die Besorgnis über die Unterdrückung der Kommunisten und anderer Demokraten in der Bundesrepublik auch bestärkt, als sich zeigte, dass mit der wachsenden ökonomischen Macht der westdeutsche Imperialismus sein reaktionäres und expansives Wesen auch gegenüber kapitalistischen Ländern Westeuropas herausfordernd hervortrat.

Die Kommunisten der Bundesrepublik genossen in dieser ganzen Zeit die Solidarität der sozialistischen Länder, der kommunistischen Parteien einschließlich der in den kapitalistischen Ländern. Insbesondere in unseren Nachbarstaaten wurde kraftvoll die Aufhebung des KPD-Verbots gefordert.

Die Bewegung für das Recht auf legale Betätigung einer kommunistischen Partei erhielt auch aus anderen - als den bisher genannten - innenpolitischen Entwicklungen Auftrieb und Impulse. Die Enthüllung solcher, die Öffentlichkeit schockierender Skandale, dass leitende Funktionen im Bundesamt für Verfassungsschutz von Leuten besetzt waren, die ehemals in führenden Positionen des Reichssicherheitsamtes Himmlers oder der Gestapo saßen oder SD-Führer waren, dass Blutrichter Hitlers im Justizapparat amtierten, rüttelten größere Teile der Jugend wach und veranlassten sie zur Frage: Was war das für eine Zeit im Hitlerfaschismus, was habt ihr Erwachsenen getan während des Faschismus? Sie gingen selbst der Sache nach und erfuhren - selten von ihren Vätern - mehr und mehr vom aufopferungsvollen und mutigen Kampf der Kommunisten. Bei vielen von ihnen führte das zur Erkenntnis, dass es gut und notwendig sei, wenn in unserem Lande eine kommunistische Partei als zuverlässige demokratische Kraft legal tätig sein kann. Diese Erkenntnis erwuchs auch aus den Erfahrungen in den Auseinandersetzungen über einen Ausweg aus der kapitalistischen Krise.

Zum erstenmal seit ihrem Bestehen geriet die Bundesrepublik 1966/67 in eine tiefe ökonomische Krise. Die Produktion ging zurück, die Zahl der Arbeitslosen wuchs rasch auf über eine Million. Die Wirtschaftspolitik der CDU/CSU-Regierung, geprägt durch den damaligen Bundeskanzler Erhard, erwies sich als bankrott, die auch von der SPD-Führung vertretene Auffassung eines krisenfesten Kapitalismus wurde offenkundig widerlegt.

Dies rief bei vielen jungen Menschen ein zunehmendes Interesse für den Marxismus, für eine sozialistische Gesellschaftskonzeption wach. Damit rückten auch jene stärker in den Blickpunkt, die in der Bundesrepublik die Ideen von Marx, Engels und Lenin verfochten. Je mehr diese am Marxismus interessierten Kräfte mit uns ins Gespräch kamen, je näher sie uns kennenlernten, nicht nur in den Diskussionen, sondern ebenso in gemeinsam geführten Aktionen die Arbeit der Kommunisten als aktive Gewerkschafter, als gute Arbeitervertreter in den Betrieben, ihren Einsatz in der Ostermarschbewegung, in den anderen Bewegungen jener Zeit, desto stärker wuchs auch in diesen Kreisen der Ruf und das Bedürfnis nach einer legalen Kommunistischen Partei, die entschieden die Lebensinteressen der Arbeiterklasse, der Jugend und des ganzen arbeitenden Volkes wahrnimmt.

All das zusammengenommen, die innenpolitischen Prozesse, die großen Veränderungen, die sich in der Welt zugunsten der Kräfte des Sozialismus und des Friedens vollzogen wie die Wirkungen dieser Veränderungen auf die Bundesrepublik, veranlassten selbst bürgerliche Kräfte zu der Überlegung, dass man in der einen oder anderen Form das KPD-Verbot aus der Welt schaffen müsse. Leute, die in Regierungsfunktionen standen, wie der damalige Ministerpräsident von NRW, Maiers, und der Ministerpräsident des Saarlandes, Röder, beide CDU, aber auch der heutige Vizekanzler und Außenminister der Bundesregierung Genscher und der damalige Bundesminister Herbert Wehner, heute Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, äußerten sich dazu öffentlich. So erklärte Herbert Wehner: "... dass eine Partei, die als kommunistische Partei ihrer Zielsetzung nach bezeichnet werden will, sich hier legal bewegen kann, sofern sie die Bestimmungen unseres Grundgesetzes und unserer Gesetze einhält. Ob das Neugründung sein muss oder ob das nicht auch eine Form bekommen kann, die rechtlich einwandfrei ist dadurch, dass die Erklärungen hinsichtlich Statut und Programm so eindeutig sind, das muss man denen, die es machen, überlassen."(2) Der damalige Außenminister der Regierung der Großen Koalition und SPD-Vorsitzende, Willy Brandt, erklärte auf einer internationalen Pressekonferenz in Bonn: "Ich bin dafür, dass es wieder eine KPD gibt. Das könnte eine günstige Wirkung nach innen und außen haben."(3)

Die Länderinnenminister riefen in der Öffentlichkeit den Eindruck hervor, dass es gegen die Aufhebung des KPD-Verbots keine wirklichen Hindernisse mehr gäbe, als sie auf einer Konferenz vom 12. Oktober 1967 erklärten, "dass gegen die Neugründung einer Kommunistischen Partei in der Bundesrepublik keine rechtlichen Bedenken bestünden. Selbst wenn die KPD, so hieß es, sich unter ihrem alten Namen und mit den alten Mitgliedern neugründen würde, könnte man sie nicht von vornherein verbieten, wenn die kommunistische Partei Bestimmungen des Grundgesetzes respektiere."(4)

So lauteten die Erklärungen. Wie sah jedoch die Praxis aus? Wie reagierten die herrschenden Kreise auf Initiativen der KPD selbst, das Verbot gegen sie aufzuheben?

Die KPD hat sich unter den Bedingungen des Verbots stets für die Rechte des arbeitenden Volkes ebenso wie für die Erfordernisse einer Friedenspolitik der Bundesrepublik eingesetzt, dabei hat sie als einen wesentlichen Bestandteil ihrer Politik die Forderung nach Aufhebung des KPD-Verbots erhoben. Angesichts der anwachsenden Bewegung für die Aufhebung des KPD-Verbots erwies sich 1966 der Zeitpunkt für gekommen, dass Max Reimann, Erster Sekretär des ZK der KPD, sich offiziell mit dem Vorschlag an die Bundesregierung wandte, das Verbot durch schrittweise Maßnahmen aufzuheben. In einer weiteren Initiative schlug Max Reimann am 15. Februar 1967 der Bundesregierung folgende Maßnahmen vor.

"1. Erlass einer Amnestie und Einstellung aller Verfahren gegen Personen und Organisationen, die aufgrund des Verbots der KPD oder im Zusammenhang mit ihm anhängig sind.

2. Sicherung der im Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit in Wort und Schrift auch für alle Bürger der Bundesrepublik, die sich zur kommunistischen Weltanschauung und Politik bekennen.

3. Sicherung auch des passiven Wahlrechts für alle Kommunisten und damit Möglichkeit ihrer Teilnahme an Wahlen als Einzelkandidaten und auf Listen im Rahmen der geltenden Wahlordnungen für kommunale und Landesparlamente sowie für den Bundestag.

4. Wiederherstellung der Legalität der KPD. Dazu könnten mit der Bundesregierung Beratungen stattfinden, zu denen jederzeit bevollmächtigte politische bzw. juristische Vertreter der KPD zur Verfügung stehen. "

Max Reimann erklärte sich also bereit, mit der Bundesregiemng Verhandlungen zur schrittweisen Aufhebung des KPD-Verbots zu führen.

Als Verhandlungskommission wurden Max Schäfer, Herbert Mies, Grete Thiele und Ludwig Landwehr benannt. Doch die Bundesregierung ging auf das Angebot von Max Reimann nicht ein; es war eindeutig, dass sie das KPD-Verbot nicht aufheben wollte. Das beförderte die Entscheidung für die Neukonstituierung der DKP.

Wenn sich darum Spekulationen rankten, die DKP könnte sich auf antimarxistische Positionen begeben, sich vom realen Sozialismus distanzieren, so ließ die Erklärung des Bundesausschusses, von dem die Initiative zur Konstituierung ausging, dafür nicht den geringsten Raum. Es war für uns selbstverständlich, dass wir eine Kommunistische Partei konstituierten, "die die Ideen von Marx, Engels und Lenin zur Grundlage ihres Handelns macht", die "die Traditionen der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung, die Traditionen von Marx und Engels, von Bebel, Luxemburg, Liebknecht und Thälmann in sich aufnehmen", wie wir in der Erklärung zum Ausdruck brachten. Es war für uns selbstverständlich, dass wir die nationalen Anliegen unseres Volkes zu unserer Sache machten und uns zur natürlichen Pflicht für Kommunisten bekannten, "die Tradition des Internationalismus fortzusetzen". Daher erklärten wir, dass "unser Internationalismus ... nicht im Widerspruch zu den echten nationalen Interessen unseres Volkes" steht, sondern ihnen entspricht, "weil die Verbindung mit den fortschrittlichen Kräften in aller Welt unseren nationalen Lebensinteressen am besten dient".

Unsere internationalistische Position wurde damals auf eine harte Probe gestellt. Wie bereits erwähnt, schwappte eine Welle antikommunistischer Hysterie im Zusammenhang mit den August-Ereignissen in der CSSR über unser Land. Wir gingen vom Gesamtinteresse der kommunistischen Bewegung, vom Interesse der Sicherung des Friedens in Europa aus, als wir in der Konstituierungs-Erklärung sagten: "Wir sind der Meinung, dass in der CSSR eine ernste Gefahr, sowohl für die sozialistische Gesellschafts- und Staatsordnung im Innern des Landes, wie für die Sicherheitsinteressen aller im Warschauer Vertrag vereinigten sozialistischen Länder und für den Frieden in Europa entstanden war. Das militärische Eingreifen der fünf sozialistischen Länder galt ausschließlich der Beseitigung dieser Gefahren."

So entstand die DKP im Feuer scharfer Klassenkämpfe. Ihre prinzipiellen Positionen, von denen sie keinen Zentimeter abwich, halfen und erleichterten es gerade vielen jungen Menschen, sich in den harten, komplizierten Klassenauseinandersetzungen zurechtzufinden, Freund und Feind, echtes revolutionäres Handeln von scheinrevolutionären Phrasen unterscheiden zu lernen.

Die Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei, die nach unserem Vorschlag gemäß den politischen und nationalen Bedingungen ihres Wirkens "Deutsche Kommunistische Partei" heißen sollte, unsere Aufforderungen an alle Kommunisten, das Werk der Neukonstituierung zu unterstützen und überall örtliche Ausschüsse zu bilden, fand ein großes Echo und wurde in der ganzen Bundesrepublik aufgegriffen. Interesse und Zustimmung bekundeten viele aktive Teilnehmer der verschiedenen demokratischen Bewegungen jener Zeit. Interesse und Zustimmung kamen aus der Arbeiterklasse, aus den Gewerkschaften, Betrieben, Büros und Verwaltungen. Der Initiativausschuss für die Wiederzulassung der KPD begrüßte die Konstituierung der DKP und sprach die Hoffnung aus, dass die Partei in "völliger Freiheit ihre gesamte Tätigkeit" zu gestalten vermöge. Der Bundesausschuss erhielt ein Schreiben von Max Reimann, in dem dieser die Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei begrüßt und allen Genossinnen und Genossen vollen Erfolg wünscht. Im sozialistischen und kapitalistischen Ausland wurde die Konstituierung der DKP in den Organen der Bruderparteien ebenfalls mit Freude begrüßt und als "historischer Schritt" gewürdigt.

Eine schwere Provokation richtete sich am 2. Oktober 1968 gegen das erste, wenige Tage zuvor in Bonn eingerichtete Büro des Bundesausschusses zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei. Sieben Schüsse aus einer Maschinenpistole wurden auf das Büro abgefeuert. Der in einer Erklärung des Bundesausschusses ausgesprochene Verdacht, dass hinter dieser Provokation neonazistische Kräfte stehen, bestätigte sich wenig später. Es stellte sich heraus, dass ein Mitglied der neofaschistischen NPD der Attentäter war. Die in der Erklärung zur Neukonstituierung geäußerten Warnungen vor der Gefahr des Anwachsens der NPD wurden durch diese neofaschistische Provokation ebenso bekräftigt wie die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes aller Demokraten gegen Rechtsentwicklung und Neonazismus. Als auf der Pressekonferenz am 26. September 1968 die Frage gestellt wurde, ob wir ein Verbot der NPD für sinnvoll hielten, verwies ich in der Antwort auf Artikel 139 des Grundgesetzes. In diesem Artikel werden ausdrücklich jene Kontrollratsbestimmungen der Siegermächte als gültig anerkannt, die Militarismus und Faschismus, die Bildung und das Wirken faschistischer Organisationen verbieten. Faschistische Organisationen können sich daher nicht auf das Parteiengesetz Artikel 21 des Grundgesetzes berufen. Ein einfacher Verwaltungsakt, so betonten wir damals, genügt, um neofaschistischen Organisationen den Garaus zu machen. Die DKP hat von Beginn ihrer Konstituierung an alles in ihrer Kraft Stehende für die Entfaltung einer breiten antifaschistisch-demokratischen Bewegung gegen die NPD getan, die zu jener Zeit bereits in vielen Landesparlamenten saß.

Es erwies sich bald als notwendig, über den Stand der Entwicklung des Aufbaus der Partei eine erste Bilanz zu ziehen und die Weichen für die weitere Arbeit zu stellen. Mit dieser Aufgabe befasste sich die Erste Bundeskonferenz der DKP, die am 27. Oktober 1968 nach Offenbach am Main einberufen wurde. Die Bundeskonferenz bildete den Abschluss der ersten Phase der Konstituierung und leitete die abschließende Phase ein. An der Offenbacher Konferenz nahmen fünfhundert Vertreter der örtlichen Ausschüsse teil. Im Referat über Aufgaben und Ziele der DKP konnten wir als Anfangsbilanz feststellen: "9.085 Arbeiter und Angehörige verschiedenster Berufe, vor allem junge Menschen, haben inzwischen Bereitschaftserklärungen zum Eintritt in die DKP abgegeben. Dieser Widerhall beweist ebenso die Notwendigkeit wie die Richtigkeit des Zeitpunktes für die Neukonstituierung der Partei, die sich anschickt, ein politisches Vakuum auszufüllen und die sich die Aufgabe stellt, die politische Landschaft in der Bundesrepublik zu verändern."(5)

In dem Referat begründete ich noch einmal die Notwendigkeit einer legal wirkenden kommunistischen Partei für unser Land und legte unseren Standpunkt und unsere Vorschläge zu den aktuellen Fragen der Zeit dar. Wir bekräftigten erneut, dass wir in Übereinstimmung mit den demokratischen Grundsätzen des Grundgesetzes "in allen Bereichen des politischen, sozialen und kulturellen Lebens konstruktive, vorwärtsweisende Lösungen im Interesse des arbeitenden Volkes erarbeiten" werden und eine unserer Aufgaben darin sehen, "gemeinsam mit anderen fortschrittlichen Kräften ein fundiertes Alternativprogramm sowohl für den außerparlamentarischen Kampf wie für das Ringen um eine parlamentarische Vertretung der Volksinteressen zu entwickeln."(6)

Der Offenbacher Bundeskongress fasste für die weitere Konstituierung der Partei wichtige Beschlüsse. Er beschloss die Einberufung des Parteitages und die Wahl von Kommissionen für die Ausarbeitung eines Programms und eines Statuts. Der Bundesausschuss wurde ermächtigt, "alle dazu notwendigen Maßnahmen einzuleiten und Ort und Zeit des Parteitages zu bestimmen"(7). Der Kongress legte in demokratischer Vorbereitung des Parteitages zugleich die Richtlinien für die Wahl der Delegierten und für die Antragstellung fest.

Außerdem verabschiedete der Kongress einen Aufruf an die Bevölkerung der Bundesrepublik und einen Brief an den Gründungskongress eines Aktionsbündnisses für die Bundestagswahl 1969. Der Aufruf enthält die von Weitsicht marxistischer Analyse zeugende und heute immer aktueller werdende Aussage: "Das Zeitalter der Automation und der Computer kann das Leben bereichern, die Arbeit leichter machen, den Hunger in der Welt besiegen und die Menschen von materiellem Zwang befreien. Aber in unserem Land droht der technische Fortschritt sich zum Schaden der arbeitenden Menschen auszuwirken: weil er Arbeitsplätze und Existenz vernichtet. Das ist so, weil hier nicht der Mensch, sondern die Jagd nach Profit im Mittelpunkt der Wirtschaftstätigkeit steht." Gerade deshalb erklärt die DKP: "Die Bundesrepublik braucht, wenn sie die Aufgaben der Zukunft bewältigen will, eine demokratische Wirtschafts und Gesellschaftspolitik, die nicht am Interesse der Millionäre, der Beherrscher der großen Konzerne, sondern am Interesse der Millionen, der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung orientiert ist."(8)

In ihrer Konstituierungsphase musste sich die DKP entscheiden, in welcher Form und Weise sie sich an den Bundestagswahlen 1969 beteiligen würde. Sie konnte bei ihrer Entscheidung nicht negieren, dass sich aus den verschiedenen Zweigen der demokratischen außerparlamentarischen Bewegung ein zunehmendes Streben und Bedürfnis nach einem Wahlbündnis entwickelte. Sie selbst befand sich noch im Aufbau und in einem Lernprozess über die wahlpolitische Seite ihres Wirkens. Unter den gegebenen Bedingungen und Umständen erklärte die DKP auf dem Offenbacher Kongress ihre Bereitschaft, "am Aktionsbündnis für die Bundestagswahl 1969 teilzunehmen, weil das gemeinsame Auftreten aller demokratischen und sozialistischen Kräfte gegen die fortschreitende Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik eine zwingende Notwendigkeit ist". Zugleich betonte sie, dass sie im Aktionsbündnis - wie jede andere Gruppierung dieses Zusammenschlusses - "ihre Selbstständigkeit bewahren und über die gemeinsamen Vorstellungen hinaus auch ihre weitergehenden Ziele und Auffassungen vertreten werde". Dieses Aktionsbündnis kandidierte unter dem Namen "Aktion demokratischer Fortschritt (ADF)" zu den Bundestagswahlen 1969.

Die zweite und abschließende Phase der Konstituierung der DKP bis zum Essener Parteitag stand vor allem unter dem Zeichen der Erarbeitung und Diskussion des Programms und Statuts. Sie stand unter dem Zeichen der weiteren Ausformung der politischen Aussagen der DKP zu den aktuell aufgeworfenen Fragen zu einigen Grundsatzproblemen, die keinen Aufschub duldeten. Und sie stand unter dem Zeichen des weiteren organisatorischen Ausbaus, der Bildung neuer Orts- und Betriebsausschüsse und der Stärkung ihres Bundesausschusses entsprechend der gewachsenen Anforderungen. Vom Offenbacher Kongress, der in den Massenmedien stark beachtet wurde, gingen zunächst wichtige Impulse für die Tätigkeit der bestehenden Orts-, Betriebs-, Kreis- und Landesausschüsse aus. Der Zustrom neuer Kräfte, vor allem junger Menschen, in die Partei hielt an. Die Zahl neuer Orts- und Betriebsausschüsse wuchs rasch an; es entstanden auch die ersten Ausschüsse an den Hochschulen, Keimzellen der späteren Hochschulgruppen der DKP. Auf seiner 4. Tagung am 16. November 1968 in Frankfurt am Main beschloss der Bundesausschuss einstimmig, die Zahl seiner Mitglieder um fünfzehn und die seines Arbeitsausschusses um neun zu erweitern.

Von großer Bedeutung sowohl für die Entwicklung der DKP in ihrer Konstituierungsphase und darüber hinaus als auch für das politische Leben in der Bundesrepublik war das Erscheinen der Wochenzeitung "Unsere Zeit". Im März 1969 waren die Vorbereitungen für das Erscheinen der "UZ" soweit gediehen, dass ich am 11. März 1969 als Sprecher des Bundesausschusses öffentlich mitteilen konnte: "Ab April 1969 erscheint in Essen eine neue Wochenzeitung, Titel: UZ 'Unsere Zeit, Sozialistische Wochenzeitung'... Die Null-Nummer der 'UZ' erscheint am Freitag, dem 14. März." Wie wir damals betonten, werde die "UZ" die Standpunkte der demokratischen und sozialistischen Kräfte verfechten und eine Gegenkraft zum Rechtskurs des herrschenden Großkapitals sein. In der "UZ" werde sich die Öffentlichkeit vielseitig über die Ansichten der Kommunisten und Sozialisten zu den aktuellen Geschehnissen in Politik, Wirtschaft und Kultur, zu theoretischen Fragen der Arbeiterbewegung informieren können.

Die sich konstituierende DKP führte von Anfang an einen energischen Kampf gegen die Rechtsentwicklung und den Neofaschismus, der Nutzen ziehen konnte aus zunehmender Ruinierung vieler mittelständischer Existenzen, der vorübergehenden Arbeitslosigkeit und wachsenden Unsicherheit, vor allem während der tiefen ökonomischen Krise in den Jahren 1966/67. Die neonazistische NPD gewann in dieser Zeit bei Landtagswahlen zwischen sechs und zehn Prozent an Stimmen, und es drohte die Gefahr, dass diese tiefbraune Partei 1969 auch in den Bundestag einziehen würde. Das hätte verheerende Folgen für die ganze politische Entwicklung der Bundesrepublik gehabt.

Wie stark gerade der Kampf gegen den Neofaschismus mit im Mittelpunkt der Tätigkeit der DKP in ihrer Konstituierungsphase stand, zeigte sich in der von ihr ausgelösten Initiative gegen das provokatorische Auftreten der NPD, zeigte sich in solchen Erklärungen wie des Landesausschusses von Niedersachsen der DKP vom 30. Oktober 1968, in der die Auflösung der NPD, das Verbot nazistischer Druckerzeugnisse und die Entfernung alter und neuer Nazis aus allen öffentlichen Ämtern verlangt wurde. Das zeigte sich auch in der Entschließung einer Landeskonferenz der DKP vom 9. November 1968 in NRW, in der die Unterstützung zugesagt wird für die Initiativen des DGB, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der "Kampagne für Demokratie und Abrüstung", der SDAJ und anderer demokratischer Organisationen zur Verhinderung des Landesparteitages der NPD am 16. und 17. November 1968 in Siegen. Die Landeskonferenz appellierte besonders an die sozialdemokratischen Genossen und an alle Leitungen der SPD in NRW, ebenfalls ihren ganzen Einfluss aufzuwenden, um die neonazistische Provokation in Siegen zu verhindern.

Unter dem Druck der öffentlichen Meinung musste sich das Bundeskabinett auf einer Sitzung am 18. Dezember 1968 mit der Frage eines Verbotsantrages gegen die NPD befassen. Die Entscheidung wurde jedoch vertagt. Stattdessen erhielt Bundesinnenminister Benda den alle Demokraten herausfordernden Auftrag, demnächst "über die Möglichkeit eines Verbots der DKP als Nachfolgeorganisation der KPD zu berichten". Der Bundesausschuss der DKP protestierte in einer Erklärung scharf gegen das provokatorische Verhalten insbesondere der CDU/CSU, die sich schützend vor die NPD stellte und der DKP mit Verbot drohte. "Offenbar ist die CDU/CSU an der Existenz der NPD als Stoßtrupp interessiert", hob der Bundesausschuss hervor, während "ganz Links geschlagen" wird. "Die Praxis des KPD-Verbots und die Ausfälle von Strauß auf dem CSU-Parteitag gegen die Gewerkschaften, gegen die DKP und den SDS beweisen, dass unter dem Vorwand des Vorgehens gegen Linksradikalismus der Angriff gegen alle Demokraten und Sozialisten, gegen die Lebensinteressen der Arbeiterklasse und des Volkes geführt wird."

Im Frühjahr, Sommer und Herbst 1969 nahm die Bewegung gegen die neonazistische NPD einen mächtigen Aufschwung. Große Aktionen und Demonstrationen der unterschiedlichsten demokratischen Kräfte trugen entscheidend dazu bei, dass die NPD 1969 nicht in den Bundestag kam und rasch ihren gewonnenen Einfluss wieder verlor.

Ein besonderer Erfolg des Kampfes um die Verteidigung und Wiederherstellung demokratischer Rechte war die im November 1968 erlassene Aufhebung des Haftbefehls gegen Max Reimann. Der Bundesausschuss der DKP brachte seine große Freude zum Ausdruck, dass Genosse Max Reimann, ein treuer Kämpfer der KPD, der Partei Karl Liebknechts, Rosa Luxemburgs und Ernst Thälmanns, in der Weimarer Republik und im Widerstandskampf gegen den Hitlerfaschismus, der Repräsentant der KPD nach dem Zweiten Weltkrieg in die Bundesrepublik zurückgekehrt ist. Die Rückkehr Max Reimanns war ein weiterer Beweis dafür, dass die demokratischen Kräfte - selbst unter den Bedingungen einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung - die Wiederherstellung demokratischer Rechte erkämpfen können.

Die DKP war in der Konstituierungsphase nicht nur in den Auseinandersetzungen um die sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse, um die Richtung der Entwicklung der Bundesrepublik gefordert. Wie viele humanistisch denkende Kräfte war sie zugleich herausgefordert durch die Eskalation der US-Aggression in Vietnam. Gemäß ihrer internationalistischen Grundhaltung standen die Genossinnen und Genossen der DKP in vorderster Reihe der antiimperialistischen Bewegung für die Beendigung der US-Aggression und für die Einstellung der Unterstützung dieser Aggression durch die Bundesregierung. In dieser Bewegung entwickelte sich bei vielen jungen Menschen rasch das Bewusstsein. Ihr anfänglich moralischer Protest gewann immer stärker den Charakter eines bewusst antiimperialistischen Kampfes, verbunden mit der Hinwendung zu sozialistischen Alternativen. Die Erfahrungen, die sie in diesem Kampf sammelten, auch die Erfahrungen vom konsequenten antiimperialistischen Handeln der DKP, ließen bei zahlreichen jungen Menschen den Entschluss reifen, die Konstituierung der DKP als ihre Sache zu betrachten und unsere Reihen zu verstärken.

Seine enge Verbundenheit mit der Nationalen Befreiungsfront Südvietnams brachte der Bundesausschuss der DKP am 18. Dezember 1968 in einer Grußbotschaft zum Ausdruck. Wir bekundeten, dass wir uneingeschränkt und solidarisch an der Seite des vietnamesischen Volkes in seinem heroischen Kampf gegen die verbrecherische Aggression des amerikanischen Imperialismus stehen. Wir versicherten unseren vietnamesischen Genossen, dass wir dafür kämpfen, "dass die Regierung der Bundesrepublik Deutschland die moralische und materielle Unterstützung der US-Intervention gegen das vietnamesische Volk einstellt". Im Auftrag des DKP-Bundesausschusses übergab Peter Gingold am 20. Dezember 1968 in Paris diese Grußbotschaft an die FNL. Es fand ein herzlicher Meinungsaustausch mit dem Leiter der Delegation der DRV statt, in dessen Verlauf die Delegationsleiter erklärten, dass sie den Aufbau der DKP mit viel Sympathie verfolgen.

Für unsere Partei ist die solidarische Verbundenheit mit dem vietnamesischen Volk, sind die brüderlichen Beziehungen zur Partei der vietnamesischen Kommunisten sowohl während des opfervollen Kampfes gegen die barbarische US-Aggression als auch in der schwierigen Zeit des Wiederaufbaus nach dem großen Sieg zur tiefen Herzenssache geworden.

Eines der wichtigsten Dokumente der DKP in ihrer Konstituierungsphase bildete der am 6. Dezember 1968 vom Bundesausschuss an die Mitglieder und Funktionäre der SPD gerichtete Brief, in dem wir die Grundsätze unserer Aktionseinheitspolitik verdeutlichten. In dem Brief schlugen wir den Mitgliedern und Funktionären der SPD das gemeinsame Handeln gegen Neonazismus und NPD, für demokratische Mitbestimmung, für Reformen in der Krankenversicherung, im Gesundheitswesen, im Bildungswesen, in der Berufsausbildung und im Hochschulwesen, im Verkehr und bei der Strukturplanung, für eine Friedenspolitik in Europa, für die Anerkennung der DDR, der bestehenden europäischen Nachkriegsgrenzen, für die Beendigung des Krieges in Vietnam vor. Wir informierten die Sozialdemokraten in dem Brief über die Ziele unserer Partei und legten anhand von Erfahrungen dar, wie sich das Paktieren der SPD-Führung mit der CDU/CSU in der Regierung der Großen Koalition zum Schaden der Interessen des arbeitenden Volkes und der Entwicklung unseres Landes auswirkt. "Wir Kommunisten meinen, erklärten wir in dem Brief, "dass die Lehren der Geschichte uns allen sagen: von unserem gemeinsamen Handeln hängt alles ab. Die Stärke der herrschenden Klasse liegt vor allem in der Spaltung der Arbeiterbewegung. Wenn wir einig sind, wenn wir zum gemeinsamen Handeln finden, wenn wir von den wirklichen Interessen der Arbeiterklasse und unseres Volkes ausgehen, dann sind wir, das Volk, die Stärkeren."

Zu der in manchen sozialdemokratischen Kreisen bestehenden Meinung, die Konstituierung der DKP könne die Spaltung der Arbeiterbewegung vertiefen und die Linkskräfte in der SPD schwächen, erklärten wir in dem Brief: "Die DKP hat sich gebildet, um einen Beitrag zur Stärkung der demokratischen Kräfte, vor allem der Arbeiterbewegung zu leisten. Das bedeutet keine 'neue Spaltung' der Linken. Die Existenz einer marxistischen Partei, ihr konsequentes Eintreten für die sozialen und politischen Forderungen der arbeitenden Bevölkerung, ihr Anteil an der Stärkung der Gewerkschaften verhilft der Arbeiterklasse zu größerer Kampfkraft und Einigkeit. Sie dient damit auch jenen Sozialdemokraten, die die Zukunft ihrer Partei nicht an der Seite der CDU sehen, sondern eine selbständige sozialdemokratische Politik erstreben."

Die rege Aktivität, die die DKP seit ihrer Konstituierung entfaltet hatte, die Erfahrungen, die sie im Klassenkampf sammelte, die Herausarbeitung politischer und ideologischer Grundpositionen zu Kernpunkten der Klassenauseinandersetzungen - all das floss unmittelbar als Anregung und Grundlage in die Arbeit der Kommission ein, die gemäß dem Beschluss der Offenbacher Bundeskonferenz mit der Erstellung von Entwürfen für das Statut und Programm beauftragt wurden.

Mitte Januar 1969 war die Arbeit an den Entwürfen abgeschlossen. Die Kommissionen hatten in verhältnismäßig kurzer Zeit eine gewaltige Arbeit geleistet. Auf seiner 5. Tagung am 18./19. Januar 1969 in Frankfurt am Main bestätigte der Bundesausschuss der DKP die von der Programm- und Statutenkommission erarbeiteten Entwürfe einer Grundsatzerklärung der DKP und eines Statuts der DKP. Die Erfordernisse der politischen Entwicklung, die Notwendigkeit der Formulierung unserer Ziele und unserer Aufgaben für die nächstliegende Zeit hatte die Programmkommission veranlasst, die programmatische Grundlage unserer Partei in eine Grundsatzerklärung zu fassen.

Der Bundesausschuss beschloss ferner, den Parteitag der Deutschen Kommunistischen Partei für den 12/13. April 1969 nach Essen einzuberufen. Er verabschiedete zugleich die Wahlordnung für die Wahl der Delegierten zum Parteitag und für die Durchführung der Wahlversammlungen der Vorstände.

Mit dem Entwurf der Grundsatzerklärung hatte sich die DKP eine programmatische Grundlage, eine strategische Orientierung für den Kampf um den Sozialismus, für die Etappen des Kampfes zu diesem Ziel gegeben. Die Verbindung von Grundsatzerklärung und Aktionsprogramm brachte die Wechselwirkung des Kampfes um die unmittelbaren Gegenwartsinteressen der Arbeiterklasse mit ihren Zukunftsinteressen, mit dem Kampf um grundlegende gesellschaftliche Veränderungen, für den Sozialismus zum Ausdruck. Mit dem Entwurf der Grundsatzerklärung wurde ein Dokument geschaffen, das allen Kommunisten unsere Position in einer komplizierten ideologischen Situation, in einer schärfer werdenden ideologischen und theoretischen Auseinandersetzung zeigte. Kernstück der Grundsatzerklärung der DKP war das "Aktionsprogramm für die demokratische Erneuerung von Staat und Gesellschaft. Ihrem Inhalt nach war diese Orientierung gerichtet auf den Kampf um die Schaffung einer antimonopolistischen Demokratie, die Öffnung des Weges zum Sozialismus.

Mit dem Entwurf der Grundsatzerklärung wies sich die DKP im Unterschied zu den Bonner Parteien als die Partei aus, die der bestehenden kapitalistischen Gesellschaft mit ihren immer deutlicher hervortretenden Widersprüchen und Gebrechen den Kampf ansagte, die tiefgreifende gesellschaftspolitische Umgestaltungen anstrebte. Der Entwurf machte unmissverständlich deutlich, dass die DKP die marxistische Partei der Bundesrepublik ist, dass sie bei der Vertretung der Interessen der Arbeiterklasse der Bundesrepublik zugleich die Interessen der internationalen Arbeiterbewegung, aller antiimperialistischen Bewegungen wahrnimmt. Sie stellte sich als eine Partei vor, die sich sowohl von den nationalen Interessen unseres Volkes leiten lässt, wie zutiefst dem proletarischen Internationalismus verbunden ist.

In dem "Entwurf des Statuts" wurden die allgemeingültigen Grundsätze einer marxistischen Partei berücksichtigt. Als Grundprinzip der Organisation wurde formuliert: Demokratische Willensbildung, begonnen beim einzelnen Mitglied, den Gruppen, bis zum Parteitag, und das einheitliche, disziplinierte Handeln aller Mitglieder und Organisationseinheiten der Partei auf der Grundlage demokratisch gefasster Beschlüsse des Parteitages, des Parteivorstandes über die Gruppen bis zu den einzelnen Mitgliedern der Partei. Auf dieser Grundlage wurden die Rechte und Pflichten der Mitglieder bestimmt. Das Statut hatte die Aufgabe, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Partei die Verantwortung wahrnehmen konnte als marxistische, bewusstseinsbildende Kraft der Arbeiterklasse, als Kampfpartei, die auf Aktionen orientiert ist und initiativ in politischen und sozialen Bewegungen auftritt, als Partei der Alternative für die Gegenwart und Zukunft. Während sich die DKP Statuten gab, in denen das Prinzip der Entfaltung der innerparteilichen Demokratie und der schöpferischen Initiative jedes einzelnen Mitgliedes sowie der Gruppen einen hervorragenden Platz einnimmt, verstärkten sich gerade zu jener Zeit in den Bonner Parteien die Tendenzen zur Einschränkung der innerparteilichen Meinungs- und Willensbildung.

Der Hauptinhalt beider Entwürfe, der "Grundsatzerklärung" und des "Statuts", fanden in den Gruppen der DKP große Zustimmung und wurden lebhaft diskutiert. Über tausend Änderungs- und Ergänzungsanträge zur "Grundsatzerklärung" an den Essener Parteitag zeugten von dem großen Interesse an der Erarbeitung und der Verbesserung der programmatischen Grundlagen unserer Partei ebenso wie von der breit entwickelten innerparteilichen Demokratie. Interesse und Beachtung fand die "Grundsatzerklärung" auch in anderen demokratischen und Linkskreisen der Bundesrepublik. Obwohl die Frist von der Veröffentlichung der Entwürfe bis zum Essener Parteitag kurz war - drei Monate -, unternahmen viele Gruppen der DKP große Anstrengungen, um vor allem die Grundsatzerklärung öffentlich zur Diskussion zu stellen und das Gespräch mit interessierten Kräften und Organisationen zu suchen und zu führen. Die Erörterung der Entwürfe in den Gruppen trug wesentlich zur politisch-ideologischen Festigung der Partei, zu ihrer größeren Geschlossenheit bei. Die öffentliche Diskussion und das persönliche Gespräch halfen Vorurteile und falsche Vorstellungen über die DKP zu überwinden und gaben bei manchen jungen Menschen den Anstoß, in die revolutionäre Partei der Bundesrepublik einzutreten.

Unter den gebotenen Umständen - Konstituierungsphase und Notwendigkeit, kurzfristig eine programmatische Grundlage zu erstellen - konnten in der "Grundsatzerklärung" nicht in allen Fragen der Theorie und Praxis umfassende und ausreichende Antworten gegeben werden. Viele Probleme und Fragen, die durch die gesellschaftliche Entwicklung, durch die Veränderung des Kräfteverhältnisses aufgeworfen worden waren, traten erst in Umrissen hervor und hatten sich noch nicht so verdichtet, dass es möglich gewesen wäre, ihre Bedeutung und Wirkung für die revolutionäre Strategie und Taktik voll zu erkennen. Aber - um es noch einmal zu sagen - mit der "Grundsatzerklärung" verfügte die DKP über einen Kompass ihres Handelns für die Tages- und Zukunftsinteressen des arbeitenden Volkes.

Mit der Annahme der überarbeiteten Entwürfe der Grundsatzerklärung und des Statuts auf dem Essener Parteitag, mit der Wahl der Organe der Partei - Parteivorstand, Schieds- und Revisionskommission -, mit der Bildung des Präsidiums des Parteivorstands schloss die Konstituierungsphase der DKP ab. Sie konnte mit Stolz und Genugtuung auf das zurückblicken, was sie in einem halben Jahr geleistet hatte, was sie in einem halben Jahr geworden war. Bis zum Essener Parteitag hatten sich mehr als 22.000 Menschen der DKP angeschlossen. Der überwiegende Teil davon gehörte der Arbeiterklasse an und es waren junge Menschen. Die DKP zeichnete sich damit auch in der sozialen Zusammensetzung als Partei der Arbeiterklasse aus. In den nur sechs Monaten ihrer Entwicklung hatte sich die DKP zu einem beachtlichen politischen und gesellschaftlichen Faktor im Leben der Bundesrepublik entwickelt. Ihre für die Interessen des arbeitenden Volkes und für eine fortschrittliche Entwicklung der Bundesrepublik positive Rolle bewies sie mit wachsender Kraft in den sozialen und politischen Auseinandersetzungen der folgenden Zeit.


Anmerkungen:

(1) Neue Presse vom 27.9.1968
(2) Zit. aus: 30 Jahre KPD-Urteil, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1976, S. 12
(3) Ebenda
(4) Ebenda
(5) Dokumente, herausg. Bundesausschuss, ohne Datum, S. 5
(6) Ebenda, S. 6/7
(7) Ebenda, S. 28
(8) Ebenda, S. 20/21 Die DKP: (Gründung, Entwicklung, Bedeutung.
Hrsg. Max Schäfer, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1978
(Redaktionell leicht gekürzt)


Der Aufsatz von Kurt Bachmann, dem bewährten antifaschistischen Widerstandskämpfer und erstem Vorsitzenden der DKP, der 1997 verstarb, wurde 1978 im Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main, veröffentlicht.


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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 6-08, 46. Jahrgang, S. 27-39
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2009