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KAZ/309: Der 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationalen - ein Schwenk nach rechts? - 2. Teil


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 368, September 2019
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Der 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationalen - ein Schwenk nach rechts? (2. Teil)

von Richard Corell


Ausgangspunkt unserer[1] Auseinandersetzung war T. Spanidis' Beitrag "Der VII. Weltkongress der Komintern und seine Folgen. - Für eine kritische Neubewertung der antifaschistischen Politik der Komintern". Zweck ist von unserer Seite, vor allem jungen Genossinnen und Genossen, die sich in der "Kommunistischen Organisation" (KO) zusammengeschlossen haben, einen Gegenstandpunkt zu der Darstellung von Spanidis zu liefern, um ein Abgleiten in den linkssektiererischen Sumpf zu vermeiden.

Im 1. Teil wurden einige (vermutliche) Gemeinsamkeiten in der Kritik an der rechtsopportunistischen Bewertung des 7. Weltkongress herausgearbeitet unter Verweis auf unseren Beitrag "Der 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationale und die antimonopolistische Strategie" (KAZ 360 vom Sept. 2017). Nach einer komprimierten Darstellung der wirklichen Errungenschaften des 7. Weltkongress im Jahr 1935 zu Fragen des antifaschistischen Kampfs wurden die gravierenden Differenzen aufgezeigt:

  • in der Dimitroffschen Definition des Faschismus
  • bei der Bewertung der Fraktionen im Monopolkapital
  • in der Staatstheorie: Staatsmonopolistischer Kapitalismus vs. "ideeller Gesamtkapitalist"
  • bei der Beurteilung des Faschismus als Ablösung der einen Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie vs. bloß besonders brutale Variante des bürgerlichen Staats

Die kritisierten Ausführungen von T. Spanidis laufen darauf hinaus, die Einheitsfronttaktik, wie sie von Dimitroff vertreten wurde, abzulehnen mit der aktuellen Konsequenz jegliche Bündnisse mit sozialdemokratischen Parteien, darunter auch die Partei Die Linke, auszuschließen.


Unverständnis von "Strategie und Taktik"

Im Dunkeln lässt uns unser KO-Theoretiker in der Frage, ob auf dem 7. Weltkongress eine Änderung der Strategie oder nur der Taktik beschlossen wurde. Da hätte vielleicht ein Nachlesen bei Stalin geholfen, den wir zu diesem Zweck in KAZ 360 nochmals abgedruckt hatten. Hier nur der entscheidende Baustein aus Stalins "Grundlagen des Leninismus":

"Unsere Revolution hat bereits zwei Etappen durchgemacht und ist nach dem Oktoberumsturz in die dritte Etappe eingetreten. Dementsprechend änderte sich auch die Strategie. ... Dritte Etappe. Sie begann nach dem Oktoberumsturz. Ziel - Festigung der Diktatur des Proletariats in einem Lande, die zugleich als Stützpunkt zur Überwindung des Imperialismus in allen Ländern benutzt wird. Die Revolution geht über den Rahmen eines einzelnen Landes hinaus, die Epoche der Weltrevolution hat begonnen. Hauptkräfte der Revolution: die Diktatur des Proletariats in einem Lande, die revolutionäre Bewegung des Proletariats in allen Ländern. Hauptreserven: die halbproletarischen und kleinbäuerlichen Massen in den entwickelten Ländern, die Befreiungsbewegung in den Kolonien und abhängigen Ländern. Richtung des Hauptschlags: Isolierung der kleinbürgerlichen Demokratie, Isolierung der Parteien der II. Internationale, die die Hauptstütze der Politik der Verständigung mit dem Imperialismus bilden. Plan der Aufstellung der Kräfte: Bündnis der proletarischen Revolution mit der Befreiungsbewegung in den Kolonien und abhängigen Ländern."

Was auf dem 7. Weltkongress verhandelt wurde, betrifft die Strategie insoweit: Änderung der Richtung des "Hauptschlages" oder Hauptstoßes nicht mehr wie bei Stalin 1924 ausgeführt: "Isolierung der kleinbürgerlichen Demokratie, Isolierung der Parteien der II. Internationale,[2] die die Hauptstütze der Politik der Verständigung mit dem Imperialismus bilden" - also die durch die Sozialdemokratie vertretene Arbeiteraristokratie als "soziale Hauptstütze" (wie bei Lenin schon angesprochen[3]) der Monopolbourgeoisie. Geändert wurde also wie Pieck klarstellte: "in unserer strategischen Orientierung eine Wendung in der Richtung des Hauptstoßes gegen die Faschisten" (Hervorhg. Corell) und die durch sie vertretenen Teile des Kleinbürgertums als der neuen sozialen Hauptstütze der Monopolbourgeoisie vornehmen. "Wir hätten also unseren Kampf gegen die Sozialdemokratie in ein richtiges Verhältnis zu dem Kampf gegen den angreifenden Faschismus bringen müssen. Das ist nicht geschehen, und darin liegt unser schwerster Fehler bei der Ausarbeitung unserer politischen Linie".

Außerdem wurde - wie es sich durch den ganzen Kongress zieht - die Frage der "Isolierung der kleinbürgerlichen Demokratie" neu und richtig beantwortet.

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"Wir hätten also unseren Kampf gegen die Sozialdemokratie in ein richtiges Verhältnis zu dem Kampf gegen den angreifenden Faschismus bringen müssen. Das ist nicht geschehen, und darin liegt unser schwerster Fehler bei der Ausarbeitung unserer politischen Linie." Georgi Dimitroff
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Gegenüber den Rechtsopportunisten sei betont, dass an den anderen Punkten der Strategie, nämlich der Revolution mit dem Ziel der Diktatur des Proletariats nicht gerüttelt, sondern auf dem Kongress vielfach das Festhalten an diesen strategischen Festlegungen betont wurde.

Mit den strategischen Änderungen wurde dann die Taktik teilweise geändert. Die Einheitsfronttaktik, wie sie in den zwanziger Jahren zur "Isolierung" der Sozialdemokratie genutzt wurde, d.h. Schwächung ihrer Parteien bis hin zu ihrer Auflösung, und als zentrale Taktik eingesetzt wurde, um an die Revolution heranzukommen, erfuhr eine entsprechende Änderung: Jetzt stand - ohne die prinzipielle Auseinandersetzung mit dem Sozialdemokratismus und den rechtssozialdemokratischen Führern aufzugeben - die Zusammenarbeit mit den sozialdemokratischen Parteien (und der "kleinbürgerlichen Demokratie") gegen den Faschismus und für die Verteidigung sogar der bürgerlichen Demokratie und ihrer demokratischen Rechte.

Wilhelm Pieck ergänzte diese Feststellung auf der Brüsseler Konferenz der KPD im Oktober 1935 wie folgt: "Da wir selbst die faschistische Gefahr unterschätzten und sie der Arbeiterschaft nicht genügend signalisierten, im Gegenteil nach wie vor unseren Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie und gegen die bürgerliche Demokratie richteten, so konnte es nicht ausbleiben, dass wir nicht vermochten, die Arbeiterklasse für den Kampf gegen den Faschismus zu mobilisieren".

Und um keine (rechten) Missverständnisse aufkommen zu lassen, antwortet Dimitroff auf sozialdemokratische Einwände: "'Mögen die Kommunisten die Demokratie anerkennen und für ihre Verteidigung eintreten, dann sind wir zur Einheitsfront bereit.' Darauf erwidern wir: wir sind Anhänger der Sowjetdemokratie, der Demokratie der Werktätigen, der konsequentesten Demokratie der Welt. Aber wir verteidigen in den kapitalistischen Ländern jeden Fußbreit der bürgerlich-demokratischen Freiheiten, die der Faschismus und die bürgerliche Reaktion angreifen, und werden es auch in Zukunft tun, weil das die Interessen des Klassenkampfes des Proletariats verlangen."

Im seinem Schlusswort widmet Dimitroff ein ganzes Kapitel "Über die Stellung zur bürgerlichen Demokratie" (a.a.O. S. 732 ff.)[4]: "Wir Kommunisten sind unerschütterliche Anhänger der Sowjetdemokratie. ... Diese Sowjetdemokratie setzt den Sieg der proletarischen Revolution, die Verwandlung des Privateigentums an den Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum, den Übergang der überwältigenden Mehrheit des Volkes auf den Weg des Sozialismus voraus. ... Doch heute müssen Millionen Werktätige, die unter den Verhältnissen des Kapitalismus leben, ihre Stellung zu jenen Formen festlegen, in die sich die Herrschaft der Bourgeoisie in den verschiedenen Ländern hüllt. Wir sind keine Anarchisten, und es ist uns durchaus nicht gleichgültig, welches politische Regime in einem gegebenen Land besteht: eine bürgerliche Diktatur in der Form der bürgerlichen Demokratie, wenn auch mit äußerst geschmälerten demokratischen Rechten und Freiheiten, oder eine bürgerliche Diktatur in ihrer offenen faschistischen Form. Als Anhänger der Sowjetdemokratie werden wir jeden Fußbreit der demokratischen Errungenschaften verteidigen, die Arbeiterklasse in jahrelangem, zähen Kampfe erobert hat, und werden entschlossen für ihre Erweiterung kämpfen. ... (Hervorhg. Dimitroff)

Unsere Stellung zur bürgerlichen Demokratie bleibt nicht unter allen Verhältnissen gleich. ... Heute greift die faschistische Konterrevolution die bürgerliche Demokratie an und ist bestrebt ein Regime der barbarischsten Ausbeutung und Unterdrückung der Werktätigen aufzurichten. Gegenwärtig haben die werktätigen Massen in einer Reihe kapitalistischer Länder zu wählen nicht zwischen proletarischer Diktatur und bürgerlicher Demokratie, sondern zwischen bürgerlicher Demokratie und Faschismus. ... (Hervorhg. Corell)

Der Fehler der Kommunisten in einer Reihe von Ländern und im besonderen in Deutschland bestand darin, dass sie die eingetretenen Veränderungen nicht berücksichtigten, sondern fortfuhren, jene Losungen zu wiederholen und auf jenen taktischen Positionen zu beharren, die vor einigen Jahren richtig waren, besonders in der Zeit, da der Kampf um die proletarische Diktatur aktuellen Charakter trug und als sich um das Banner der Weimarer Republik, wie das 1918 bis 1920 der Fall war, die ganze deutsche Konterrevolution scharte."

Das ist kein Schwenk nach rechts, sondern Anwendung des Marxismus-Leninismus auf die neue dramatische Entwicklung und ihr entsprechende Neuausrichtung.

Rechte und linke Fehler in Bündnissen

Worauf es unseres Erachtens ankommt: Es kommt auf inhaltliche Klarheit an, bevor man sich einigen kann. Bewusste Einheit setzt Feststellung von Unterschieden voraus. Wenn es nicht unterschiedliche Auffassungen zu einem Sachverhalt gäbe, müsste man sich gar nicht erst einigen. Dann wäre man sich ja bereits einig - oder dumpf vereinigt. Einheit ist immer partiell und relativ und temporär. Das gilt zwischen Individuen und umso mehr innerhalb und zwischen Organisationen, Parteien, Klassen. Im Prozess der Einigung erkundet man die Schnittmenge der Gemeinsamkeiten - das setzt eben auch Kenntnis der Differenzen voraus.

Wenn sich heute mit Bewegungen wie "Aufstehen" oder "Unteilbar" auseinandergesetzt wird, dann erscheint uns als das Wichtigste: Trägt die jeweilige Bewegung zum Aufbau der Kommunistischen Partei bei bzw. wie kann sie zum Aufbau der Partei beitragen? Was müssen die Kommunisten dafür tun, damit eine Bewegung zum Aufbau der Partei beiträgt?

Das ist doch die nächste Etappe vor der die Arbeiterklasse, die Arbeiterbewegung in der BRD steht. Denn ohne Kommunistische Partei, die ihre Vorhutfunktion wirklich wahrnehmen kann, sind doch alle Diskussionen um Einheits- und Volksfront Sandkastenspiele. Konkrete Bündniskonstellationen wie bei Unteilbar oder Aufstehen bleiben unter sozialdemokratischer Führung mit verschiedenen Facetten zwar, aber im Kern orientiert auf Veränderungen im bestehenden System des Kapitalismus und Imperialismus.

Isoliert betrachtet haben solche Bewegungen die Aufgabe, das Gewicht der Sozialdemokratie in den Klassenauseinandersetzungen zu stärken, zu zeigen, dass sie noch Einfluss haben in der Arbeiterklasse und den demokratischen Teilen des Kleinbürgertums. Im größeren Zusammenhang des Klassenkampfs können diese Mobilisierungen dazu beitragen, das politische Klima, die öffentliche Stimmung zu verändern - gegen rechts, für fortschrittliche Veränderungen der Gesellschaft. Insofern wären Kommunisten schlecht beraten, beiseite zu stehen und die Massen griesgrämig-murmelnd vorbeiziehen zu lassen: Eh' alles der bekannte reformistische Schrott. Diese linkssektiererische Variante reicht sich die Hand mit der rechtsopportunistischen, die bedingungslos mittappt in den Demonstrationen und Aktionen, sich so gesichtslos dem Reformismus unterordnet und hinter vorgehaltener Hand den alten Bernstein anruft: Die Bewegung ist alles, das Ziel ist nichts!

Kommunisten haben heute an solchen Bewegungen, genauso wie an Wahlen, wo sogar die Bourgeoisie die Massen anspricht und mobilisiert, teilzunehmen, solche Bewegungen ggf. zu unterstützen und zu nutzen, um sie im gemeinsamen Interesse vor allem zu stärken durch Kritik ihrer Unzulänglichkeit.

Beispiel "Unteilbar"

Nehmen wir ein Beispiel:
"Für eine offene und freie Gesellschaft - Solidarität statt Ausgrenzung!

Es findet eine dramatische politische Verschiebung statt: Rassismus und Menschenverachtung werden gesellschaftsfähig. Was gestern noch undenkbar war und als unsagbar galt, ist kurz darauf Realität. Humanität und Menschenrechte, Religionsfreiheit und Rechtsstaat werden offen angegriffen. Es ist ein Angriff, der uns allen gilt.

Wir lassen nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden. Wir halten dagegen, wenn Grund- und Freiheitsrechte weiter eingeschränkt werden sollen." (aus dem "Unteilbar" Aufruf zur Demonstration am 13. Oktober 2018 in Berlin, an der etwa 250.000 teilnahmen)

Es ist gut und nicht schlecht, wenn den Rechten und Faschisten etwas entgegengesetzt wird. Aber was ist richtig, was ist falsch, was fehlt in diesem Aufruf? Damit haben sich die Kommunisten auseinanderzusetzen, nicht um zu kritteln, sondern um ihre eigenen Vorstellungen deutlich zu machen und um so einen Beitrag zu leisten, dass die Arbeiterklasse wieder Tritt fassen kann, um ihre Aufgaben zu erfüllen und ihr Ziele zu erreichen (wie sie nicht zuletzt im Kommunistischen Manifest formuliert wurden).

Was fehlt? Es fehlen die Verantwortlichen für das Aufkommen der Rechten und Faschisten. Es fehlt das Kapital, das zentrale gesellschaftliche Verhältnis, in dem die Masse unter dem Kommando des Profits für die Eigentümer der Produktionsmittel, für die Superreichen schuftet. Es fehlt, dass es sich um eine Offensive des Monopolkapitals handelt, und zwar seiner aggressivsten Teile, die vor Faschismus und Krieg nicht zurückschrecken, um ihre gesellschaftliche Stellung zu behaupten, vor der Arbeiterklasse und vor den kapitalistischen Konkurrenten.

Es fehlt die Feststellung, dass die Verarmungspolitik wie sie mit den Hartz-Gesetzen durch SPD- und Grünen-Führung installiert wurde, den übelsten Demagogen des faschistischen Lagers Aufwind gegeben hat, die vom Bankrott der Sozialpartnerschaftspolitik profitieren wollen, nicht um die Kapitalisten zu beseitigen, sondern um mit den deutschen Kapitalisten auf "Volksgemeinschaft" zu machen - gegen deutsche Arbeiter und Gewerkschaften und den Rest der Welt.

Es fehlt die Perspektive des Kampfs, die ja mehr sein muss als Bewahrung oder Wiederherstellung der alten Verhältnisse, die doch genau zu dem geführt haben, wogegen wir gerade kämpfen, zum Aufstieg der Rechten und Faschisten.

Wir haben also abzuwägen, ob wir einen solchen Aufruf unterstützen sollen, weil die positive Seite das Übergewicht hat, ob wir ihn bekämpfen müssen, weil die negativen Aspekte überwiegen, oder ob wir die Aktion unterstützen und dabei erklären, was dabei gelernt werden kann. Letzteres schien bei der Demonstration am 13. Oktober 2018 angesagt. Das hätte vielleicht dazu geführt, dass bei Rednern wie DGB-Körzell[5] genauer hingehört worden wäre auf die Unzulänglichkeit seiner Empörung und Vorschläge.

Wir haben schließlich dabei zu berücksichtigen, dass die Massen (und wir auch) eigene Erfahrungen machen müssen, dass wir in der Aktion lernen werden.

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Stalin zum 7. Weltkongress der KI und zum Antisemitismus

Dok. 367
Chiffretelegramm von Molotov an Stalin über den Nürnberger Parteitag der NSDAP und die nationalsozialistische Hetze gegen die Sowjetunion -
[Moskau], 15.9.1935

Nach Sotschi an Gen. Stalin.

Wir übermitteln Ihnen telegraphisch das Kommunique des Bulletins der TASS, das nicht für die Presse bestimmt ist, über den Ablauf des Kongresses der Nationalsozialisten. Heute haben wir die folgende Botschaft von Bessonov erhalten: "Heute hat sich einer Information aus London zufolge in den Berliner Pressekreisen das Gerücht verbreitet, dass die Deutschen am Vorabend eines Abbruchs der Beziehungen mit uns seien und dass dieser Bruch bereits entschieden sei. Im Zusammenhang mit den antisowjetischen Reden von Rosenberg und besonders von Goebbels fragen uns die Agenturen, wie wir zu reagieren gedenken. [...]."

[Im besagten Bulletin vom 13.9.1935 der TASS ging es um die Rede von Alfred Rosenberg]:

"[Rosenberg] stellt eine Identität zwischen Marxismus und Judentum her. Indem er eine lange Reihe von Zitaten aus dem Talmud und der Bibel heranzog, hat Rosenberg erklärt, dass der Bolschewismus' das letzte Wort des Judentums' sei. [...] Darüber hinaus hat Rosenberg an die Adresse der Führer der sowjetischen Regierung von unerhörter Unverschämtheit geprägte Erklärungen abgegeben und behauptet, dass diejenigen unter ihnen, die nicht Juden seien, nicht den Familien der europäischen Völker angehörten, sondern Kinder der Steppe, wie Lenin, die von den Juden, Kranken oder Halbverrückten angesteckt worden seien (an anderer Stelle qualifizierte Rosenberg Lenin als Kalmücke)."

Dok. 368
Antwort Stalins an Molotov und Kaganovic zur Beurteilung des Nürnberger NSDAP-Parteitags -
[Sotschi], 15.9.1935

An Kaganovic, Molotov.
[...] Zu Deutschland und dem Kongress der Nationalsozialisten in Nürnberg, mein Rat: keinen hysterischen Lärm in unserer Presse veranstalten und im Allgemeinen nicht der Hysterie unserer Journalisten nachgeben. Nürnberg ist die Antwort auf den Kongress der KI. Die Hitleristen können nicht anders, als sich in Beleidigungen ergehen, wenn man bedenkt, dass der Kongress der KI sie mit Unrat bedeckt und durch den Schlamm gezogen hat. Die Pravda soll sie kritisieren, aus Prinzip und politisch, aber ohne Beleidigungen. Die Pravda könnte sagen, dass Nürnberg die Erklärungen der KI bestätigt, wonach der Nationalsozialismus als die wildeste Form des Chauvinismus bezeichnet wird, und sagen, dass der Antisemitismus die tierische Form des Chauvinismus und des Menschenhasses darstellt, dass der Antisemitismus vom Standpunktder Geschichte der Kulturen aus betrachtet eine Rückkehr zum Kannibalismus darstellt, dass der Nationalsozialismus in dieser Hinsicht nicht einmal originär ist, denn er kopiert unterwürfig die Organisatoren der russischen Pogrome aus der Zeit des Zaren Nikolaus II. und Rasputins. [...] (Hervorhbg. Corell)

15.9.1935. 12:25, Stalin.
Aus dem Werk von ausgemachten Antikommunisten:
Bernhard H. Bayerlein, Hermann Weber, Gleb J. Albert (eds.), Deutschland, Russland, Komintern - Dokumente (1918-3), S. 1130 ff. (leicht gekürzt) - id.b-ok.org/book/2612525/c9e537
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Anmerkungen

[1] "Unser" ist nicht als pluralis maiestatis zu verstehen, sondern als Hinweis, dass solche Artikel auch Ergebnis der Diskussion im Kollektiv (hier vor allem der Fraktion "Ausrichtung Kommunismus") sind.

[2] Damit sind die Parteien gemeint, die 1914 die Internationale mit ihrer Unterstützung des Kriegs verraten haben und nach dem Weltkrieg versuchten, den großen Namen der 1889 gegründeten 2. Internationale für ihre Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie einzuspannen.

[3] s. z.B. Vorwort zu "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus": "Diese Schicht der verbürgerten Arbeiter oder der "Arbeiteraristokratie", in ihrer Lebensweise, nach ihrem Einkommen, durch ihre ganze Weltanschauung vollkommen verspießert, ist die Hauptstütze der II. Internationale und in unseren Tagen die soziale (nicht militärische) Hauptstütze der Bourgeoisie. Denn sie sind wirkliche Agenten der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterbewegung, Arbeiterkommis der Kapitalistenklasse (labor lieutenants of the capitalist class), wirkliche Schrittmacher des Reformismus und Chauvinismus."

[4] G. Dimitroff, Ausgewählte Werke Bd. 2, S. 644 ff.

[5] Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands des DGB klagte in seiner Rede viele Missstände und die Hetze der Rechten an und verteidigte dann die Migranten, um aber zu schließen: "Deshalb streiten wir als Gewerkschaften für eine solidarische Gesellschaft, in der Reichtum gerecht verteilt ist. Gute Bildung, Pflege und Gesundheitsversorgung in Stadt und auf dem Land, die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum und ein funktionierender ÖPNV müssen vom Staat gewährleistet sein. Dafür hat er Steuern einzunehmen bei denen, die es haben! Deshalb lassen wir nicht nach. Reichtum muss wieder stärker zum Gemeinwohl beitragen, denn Eigentum verpflichtet!" Er schließt also und pfeift die süße Melodie von gerechter Verteilung und Eigentum verpflichtet, die die Verhältnisse nicht zum Tanzen bringt, sondern den Herrschenden im Land seit Jahrzehnten ein müdes Lächeln abringt.

*

Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 368, September 2019, S. 33-36
Herausgeber und Verlag:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2019

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