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KAZ/293: Mitmachen beim Kampf un die Gewerkschaft statt "Mitmachgewerkschaft"


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 366, März 2019
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

25. Gewerkschaftstag der IG Metall vorbereiten:
Mitmachen beim Kampf um die Gewerkschaft statt "Mitmachgewerkschaft"!

von Ludwig Jost


Unter dem Motto "Miteinander für Morgen - Solidarisch und gerecht" kündigt der Vorstand den 25. ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall an. Er findet in der Zeit vom 6. bis 12. Oktober 2019 in Nürnberg statt. Beteiligt sind rd. 500 Delegierte, die bis März in den zuständigen IGM-Geschäftsstellen und Wahlbezirken gewählt werden. Die Einzelheiten, Ablauf und Tagesordnung erfahren wir, die Mitglieder, in der metallzeitung von Januar/Februar 2019. Insbesondere wie sich die IGM-Führung die inhaltliche Diskussion fürs "Miteinander für Morgen" vorstellt und in welche Richtung sie gelenkt werden soll.

Damit hierbei niemand die Orientierung verliert, gibt es ein Debattenpapier, zu dem die Mitglieder bis zum 1. März ihre Meinung sagen konnten. Daraus ist zu erfahren, worüber debattiert werden soll oder auch nicht. Unter der Überschrift "Die Mitmachgewerkschaft" stellt IGM-Vorsitzender Hofmann dazu fest: "Das Debattenpapier soll Anregungen zur Diskussion von Anträgen in den Delegiertenversammlungen geben. Es wird auch Basis der Entschließungen und Leitanträge des Vorstands sein, die unter Berücksichtigung der Anträge dem Gewerkschaftstag vorgeschlagen werden."

Wer dabei in der "Mitmachgewerkschaft" Leit- und/oder generell Anträge beeinflussen und einbringen will bzw. soll, kommt am "Mitmachen" nicht vorbei und muss sich auch 16 Seiten Vorstandspapier reinziehen. Das sind notwendigerweise Vertrauensleutekörper, Bildungsausschüsse, Delegiertenversammlungen u. a. IGM-Gremien. Für sie geht es vor allem darum, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was bei den Vorstandsanregungen zur Vernebelung ihrer Hirne und der kapitalistischen Realität gedacht ist. Man könnte auch sagen - so wie es landläufig heißt - welche Sau wird dafür, wie alle paar Jahre aufs Neue, wieder durchs Dorf getrieben. Nach Arbeit 4.0, "vierter industrieller Revolution" und den regierungsamtlichen Weiß- und Grünbüchern Arbeit 4.0, heißt das neue Schlagwort dafür in der metallzeitung "Transformation" - lt. Lexikon Umwandlung oder auch Umformung.

Transformation
"Die Theorie von der Sozialpartnerschaft steht im Zusammenhang mit der opportunistischen Theorie von der evolutionären Transformation des Kapitalismus in eine andere Gesellschaft."

(Kleines politisches Wörterbuch, Dietz-Verlag Berlin/DDR 1973, S. 805)

Offensichtlich versucht die IGM-Führung, es dem IGM-Sprachgebrauch einzuverleiben und durch Veranstaltung von "Transformationskongressen" in gewerkschaftlichen Gremien, Belegschaften und Betrieben zu verankern, wofür dann auch der Gewerkschaftstag als Vehikel herhalten muss. Damit auch alle mitbekommen, wie ernst die Situation ist und wofür dann gegebenenfalls andere Dinge zurückstehen müssen. Dabei tut sie so, als ob es um die Überleitung in eine neue Gesellschaftsordnung ginge: "Die Triebkräfte der Transformation werden tief greifende Veränderungen in Ökonomie, Politik, Gesellschaft und den Betrieben auslösen (...) Vor uns liegen gewaltige Veränderungen. Es geht um einen grundlegenden Wandel, um nichts weniger als eine Transformation unserer Wirtschaft, unserer Lebens- und Arbeitswelt. Es geht um die Zukunft der industriellen Branchen am Standort Deutschland, es geht um die Zukunft der Beschäftigten in der Industrie und des Handwerks ..." (DBP S. 6)

Als Konsequenz daraus erklärt die IGM-Führung in ihrem Debattenpapier:

"Unser Handlungsauftrag - Die Transformation gestalten"

Zum Gestalten werden hierbei u. a. Arbeitszeit aber auch Werkverträge und Leiharbeit als mögliche "Handlungsfelder" aufgeführt. Die Arbeitszeit betreffend wird festgestellt: "Wenn über die Zukunft der Arbeitsgesellschaft im Zuge der digitalen Transformation geredet wird, spielen Arbeitszeiten eine wichtige Rolle". An welche Arbeitszeiten die IGM-Führung hierbei denkt, wird an ihren Ausführungen deutlich. Sie will sich in jedem Fall das immer wieder als großen Erfolg hochgejubelte Tarifergebnis von Februar 2018 als die richtige Arbeitszeitpolitik vom Gewerkschaftstag bestätigen und durch Beschlüsse nageln lassen. Was sie hierbei im Auge hat, erklärt sie wie folgt: "Mit der verkürzten Vollzeit und der Wahloption auf tarifliche Freistellungszeit hat unser Tarifabschluss endlich flexible Arbeitszeiten im Interesse der Beschäftigten geschaffen. Auch wenn die Arbeitgeberseite murrt und bremst: Wir müssen und werden diese Optionen weiterentwickeln."

Zur Erinnerung fürs Weiterentwickeln: Die Option "Verkürzte Vollzeit"

Das ist der tarifvertragliche Anspruch, die 28-Stunden-Woche mit entsprechendem Lohnverlust für längstens 2 Jahre oder auch kürzer mit dem Kapitalisten arbeitsvertraglich zu vereinbaren. Sie beinhaltet das Rückkehrrecht zur 35-Std.-Woche und gilt ab 1. Januar 2019 für maximal 10 Prozent der Belegschaft (KAZ 362).

Legen wir dieser Option die eigenen IGM-Erklärungen zu verkürztem Arbeiten zugrunde, dann wurde Teilzeit-Arbeit auf tariflicher Basis vereinbart: "Teilzeitbeschäftigt ist, wer weniger als die tarifliche oder im Betrieb übliche Arbeitszeit pro Woche arbeitet - und zwar unabhängig davon, um wie viele Stunden die Wochenarbeitszeit reduziert ist. Beispiel: In Betrieben, in denen die 35-Stunden-Woche tariflich vereinbart ist, sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Teilzeitbeschäftigte, die 34 oder weniger Stunden in der Woche arbeiten."

"Was dem einen recht ist, ist dem anderen billig"

Was für Teilzeitarbeit gilt, trifft auch die "verkürzte Vollzeit". Vorsorglich weist die IGM-Führung dabei darauf hin: "Teilzeit hat Vor- und Nachteile: Es bleibt mehr Zeit, Familie und Beruf besser zu vereinbaren - sie ist aber oft auch ein Karrierekiller, kürzt das Einkommen und die spätere Rente. Meist ist unklar, ab welcher Stundenzahl Teilzeit besteht und welche gesetzlichen Regelungen für Teilzeitarbeit gelten."

Gesamtmetall zum Tarifabschluss

Der Kapitalistenverband Gesamtmetall stellt in seiner Bewertung des Tarifvertrages fest: "Ein solcher Anspruch ist auch aus den geplanten Gesetzen der neuen Bundesregierung zu erwarten. Der M+E-Tarifabschluss (M+E: Metall und Elektro, d. Verf.) ist daher auch vor diesem Hintergrund zu sehen.

- Der Tarifvertrag grenzt den geplanten gesetzlichen Anspruch ein und begrenzt dadurch den drohenden Volumenverlust. Zudem kann der Antrag auf verkürzte Vollzeit - anders als bei der gesetzlich befristeten Teilzeit vorgesehen - vom Arbeitgeber abgelehnt werden, wenn er das entfallende Arbeitsvolumen nicht gleichwertig ersetzen kann.

- Daneben wurden auch die gesetzliche Teilzeit auf ebenfalls maximal 10 Prozent und der Anteil der Beschäftigten mit gegenüber der tariflichen Wochenarbeitszeit verkürzter Arbeitszeit insgesamt auf 18 Prozent begrenzt." (Gesamtmetall 2018, "Broschüre zum Tarifabschluss", www.gesamtmetall.de)

Sauber kann man dazu nur sagen. Mit diesen Worten erklärt Gesamtmetall, dass die für alle Lohnabhängigen geltende (und ab 2019 erweiterte) gesetzliche Regelung durch den Tarifvertrag unterlaufen wird. Am Beispiel der lt. IGM in der M+E-Industrie 3,8 Millionen Beschäftigten gerechnet, sagt das Gesetz: Alle haben den Anspruch, die Arbeitszeit auf 28 Stunden in der Woche zu verkürzen und das Recht auf Teilzeit. Nichts da, sagen dann die Kapitalisten und ziehen den Tarifvertrag aus der Tasche, maximal 10 Prozent, das sind statt 3,8 Mio. nur 380 Tsd. Darauf haben sich die Tarifvertragsparteien geeinigt. Die im Gesetz für tarifvertragliche Vereinbarungen vorgesehene Öffnungsklausel macht das möglich.

Wahloptionen für alle - die Tarifrunde 2018 macht's möglich

Jetzt will der IGM-Vorstand die Wahloptionen "auf alle Beschäftigtengruppen im Betrieb ausweiten". Soweit es dabei mit um die Optionen geht, die als gesetzliche Regel - wie o. g. - bereits durch Tarifvertrag ausgeschlossen wurden, heißt das: Die IGM-Führung wird bzw. will sich per Tarifvertrag zurückholen, was sie als gesetzlichen Rechtsanspruch für 90 Prozent der Belegschaft durch Tarifvertrag ausgeschlossen hat. Das Beispiel dafür ist die nicht endende Auseinandersetzung in der Leiharbeit. Zunächst durch Tarifvertrag Ausschaltung des gesetzlichen Anspruchs auf Equal-Pay ab dem 1. Arbeitstag und dann tarifvertraglicher "Kampf": "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" für alle Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter. Das ist ein jahrelanger Prozess, bei dem es immer wieder kleine Erfolge zu melden gibt. Bei der Leiharbeit Branchenzuschläge u. a. und bei den Wahloptionen? Dabei schmückt sich der IGM-Vorstand dann z. B. mit dem Erfolg: Wir haben den Anspruch auf "verkürzte Vollzeit", die tarifliche 28-Std.-Woche (natürlich ohne Lohnausgleich) jetzt für 30 oder mehr Prozent der Beschäftigten in der M+E-Industrie durchgesetzt.

"Arbeitszeitpolitischer Handlungsspielraum durch Tarifrunde vergrößert"

So heißt es im Debattenpapier. Nach Vorstandsmeinung ergeben sich dadurch "vielfältige Möglichkeiten, dieses Ergebnis auszubauen." Bei dieser Ankündigung ist davon auszugehen, dass die "vielfältigen Möglichkeiten" einschließlich der Wahloptionen in einer Vorstandsentschließung auftauchen werden. Damit lassen sich dann z. B. auch Forderungen nach kollektiver Arbeitszeitverkürzung, wie die 30- oder 28-Std.-Woche bei vollem Lohnausgleich bekämpfen, verhindern oder auf die "lange Bank" schieben. So geht es der 35-Std.-Woche jetzt seit 24 Jahren. Dabei blickt die IGM-Führung auf jahrelange Erfahrungen beim Schieben. Auf dem letzten Gewerkschaftstag 2015 hieß es in ihrem Leitantrag "Neue Arbeitszeitpolitik": "Bis zum nächsten Gewerkschaftstag sind Arbeitszeitfragen zentrale tarifpolitische Themen für die Metall- und Elektroindustrie und alle weiteren Branchen. Welche Konfliktthemen sich ergeben, wird nach der Wahrnehmung der Gesprächsverpflichtung zwischen Gesamtmetall und IG Metall deutlich werden."

Also 4 Jahre Diskussion über das in den Betrieben ständige Konfliktthema Arbeitszeit und dann fragen wir den größten Kapitalistenverband im Metallbereich: He Sozialpartner, gibt's "Konfliktthemen", vielleicht die Arbeitszeit oder gar die 35-Std.-Woche im Osten?

Im Debattenpapier heißt es dazu: "Die Angleichung der Arbeitszeiten in allen Regionen und Branchen der IG Metall an die 35-Stunden-Woche ist weiterhin Ziel der IG Metall. Mit konkreten Initiativen und Vorschlägen auf Flächen- und Betriebsebene in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie arbeiten wir daran."

Wie es dabei um die Arbeit in "allen Regionen und Branchen" steht, wird nicht erwähnt. Sie besteht seit Jahren in der Wiederholung der Aussage, dass es "weiterhin Ziel der IGM ist ... usw. usf." Auf diese Formulierung zum Verschieben haben sich auch die Delegierten auf den Gewerkschaftstagen immer wieder festlegen lassen. Hierbei haben sie z. B. ebenso versäumt, die Durchsetzung der 35-Std.-Woche im Osten (aber auch als gesetzliche Regelung) zur Angelegenheit der gesamten IGM, zur Frage, zur Aufgabe der gesamten Arbeiterklasse zu machen.

1,5 Millionen Metallerinnen und Metaller haben sich mit Warn- und 24-Std.-Streiks nach Angaben des IGM-Vorstands im Januar/Februar vergangenen Jahres an der Tarifbewegung beteiligt. Die Mobilisierung, die sich zeigende Solidarität, die Kampfbereitschaft ganzer und großer Belegschaften wurden nicht dafür genutzt, solange zu streiken, bis die 35-Std.-Woche für die Kolleginnen und Kollegen im Osten z. B. in den nächsten 3 Jahren feststeht. Was herausgekommen ist, war eine lächerliche Gesprächsverpflichtung der Kapitalisten, dem im November ein sogenanntes Eckpunkte-Papier gefolgt ist. Es stellt in Aussicht, dass in einem "Modell der unterschiedlichen Geschwindigkeiten" ein "Gesamteinführungszeitraum bis 2030" vorgesehen ist (Tagesspiegel 21.01.2019).

Die Verhandlungen sollten nach Meinung der IGM im Januar 2019 beginnen. Das hat nicht geklappt. Die Kapitalisten haben die IGM mit ihrer Entscheidung auf Ende Januar vertröstet. Wie die IGM-Führung dabei vom Kapital vorgeführt wird, erklärt der zuständige Bezirksleiter Höbel (IGM-Bezirk Berlin, Brandenburg und Sachsen) in der metallzeitung von Januar/Februar 2019 mit den Worten: "Wir gehen davon aus, dass mächtige Arbeitgeberverbände aus dem Westen gegen die Verhandlungen interveniert haben." Hierbei heißt das Rezept von Höbel für den Fall, dass die Kapitalisten nicht verhandeln wollen: "Wenn die Arbeitgeber diesen Weg versperren, werden wir unser Ziel Betrieb für Betrieb weiterverfolgen."

Es ist also nichts mit dem "guten Stück voran". Seit Wochen versuchen die Belegschaften im Bereich Berlin-Brandenburg-Sachsen mit o. g. Initiativen und Vorschlägen, mit Fotoaktionen, Fotoshooting u. a. Druck auf die Kapitalisten, auf die in Gesamtmetall organisierten "mächtigen Arbeitgeberverbände", Südwestmetall usw. auszuüben. Zu diesen Aktivitäten gehört die Erklärung einer ganzen Reihe von Betriebsräten "zur Angleichung der Arbeitszeit Ost" an ihre Kapitalisten: "Hiermit appellieren wir an den Vorstand und die Geschäftsführung unseres Unternehmens, sich dafür einzusetzen, dass die west- sowie die ostdeutschen Arbeitgeberverbände im Kontext von Gesamtmetall die Blockadehaltung gegen die vereinbarten Eckpunkte aufgeben und die Aufnahme von Verhandlungen konstruktiv begleiten."

Es ist offensichtlich, die Ost-Betriebsräte haben sich mit ihrem Apell in der Adresse geirrt. Die ist im Westen. Das sind mit der IGM-Führung die West-Bezirke der IGM und ihre Kolleginnen und Kollegen in den dortigen Betrieben. Sie stehen in der besonderen Verantwortung, endlich gegen die von Kapital und Regierung veranlasste und verteidigte Spaltung, und gegen die unterschiedlichen Rechte in Ost und West den Kampf zu organisieren, und dabei auch die "unterschiedlichen Geschwindigkeiten" des Eckpunktepapiers zu vereinheitlichen und erheblich zu beschleunigen. Dafür können nur sie die Adressaten sein. Nur mit ihnen können und müssen gemeinsame Aktivitäten, z. B. Solidaritätsstreiks o. a., in allen Tarifgebieten organisiert werden.

Im Debattenpapier stellt der IGM-Vorstand fest: "Die Kraft und Stärke der vielen, die Kraft und Stärke der Solidarität, die Kraft und Stärke eines großen Zusammenschlusses von Menschen kann Berge versetzen: Das bleibt auch im 21. Jahrhundert so: Wer sich zusammenschließt, ist stärker! Unsere Kraft liegt bei den organisierten Mitgliedern in den Betrieben ..."

Die Situation im Osten ist Grund genug, die IGM-Führung beim Wort zu nehmen. Hierbei geht es darum, den "Berg", der vor der 35-Std.-Woche im Osten liegt, vielleicht gegen Widerstand aus den eigenen Reihen, aus dem Weg zu räumen und zu vermeiden, was Bezirksleiter Höbel angekündigt hat: Das heißt Spaltung der notwendigen gemeinsamen Front, statt Solidarität, gemeinsamer Kampf und Streik: Häuserkampf für den Abschluss von Haustarifen mit den unterschiedlichsten Rechten und Vereinbarungen in den betroffenen Betrieben. Die Belegschaften sind hierbei auf sich allein gestellt, müssen sehen, wie sie zurechtkommen. Das heißt nicht mehr die Klasse um eine gemeinsame Forderung zusammenzuschließen, sondern das Gegenteil. Dabei kann es nur ein Anfang sein, wenn die tarifliche Arbeitszeit in der Metall- und Elektroindustrie angeglichen wird. 41 Stunden in der Woche wird durchschnittlich in diesem Land gearbeitet (2004 waren es noch 38 Stunden). Der Kampf des deutschen Kapitals um einen Platz an der Sonne fordert seinen Tribut von den Arbeitern und das wird nicht besser. Es geht also um viel mehr, um die Durchsetzung gesetzlicher Arbeitszeitverkürzung - so wie es Karl Marx 1867 in seinem berühmten Buch "Das Kapital" schon gesagt hat: "Zum Schutz gegen die Schlange ihrer Qualen müssen die Arbeiter ihre Köpfe zusammenrotten und als Klasse ein Staatsgesetz erzwingen, ein übermächtiges gesellschaftliches Hindernis, das sie selbst verhindert, durch freiwilligen Kontrakt mit dem Kapital sich und ihr Geschlecht in Tod und Sklaverei zu verkaufen."

Die technische Entwicklung, die Entwicklung der Produktivkräfte, von der IGM- und SPD-Führung als Arbeiten 4.0 oder "Transformation" verballhornt, macht einen Normalarbeitstag für alle von 7 Stunden (und sogar noch weniger) bei vollem Lohnausgleich längst möglich. Der Kampf darum würde uns auch helfen, uns als Klasse zusammenzuschließen, um den Kapitalisten die Produktionsmittel zu entreißen und ein Leben in Frieden und ohne Ausbeutung aufzubauen.

Klassenkampf statt "Transformation"!

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"Transformation" und Leiharbeit

Dazu hat die IGM-Führung ihren Beitrag im Sinne des Kapitals bereits geleistet. Die noch Anfang der 1990er Jahre selbstverständliche und generelle Verbots-Forderung sowie die Bezeichnung der Leiharbeit als "moderner Sklavenhandel" hat sie in die Feststellung transformiert:

"Wir sind nicht gegen Leiharbeit als vorübergehendes Flexibilisierungsinstrument" (KAZ 363)

Wie es mit dem Flexi-Instrument in den Betrieben vorübergehend aussieht, wird z. B. in der metallzeitung Okt./Nov. 2018 berichtet. Unter der Überschrift "Immer mehr Leiharbeit und Fremdvergabe" heißt es dort: "... 1,2 Millionen Stellen sind nicht besetzt. Gleichzeitig hat die Zahl der Leiharbeiter mit 1,03 Millionen den höchsten Stand der Geschichte erreicht. Dazu kommt, dass die Industrie immer mehr Arbeit über Werkverträge an Fremdfirmen ausgliedert ...

Beschäftigte in Leiharbeit und bei industrienahen Dienstleistern haben meist deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen als Stammbeschäftigte. So verdienen Leiharbeiter in der Gesamtwirtschaft im Schnitt 1868 Euro brutto - gut 42 Prozent weniger als der Durchschnitt aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zudem ist ihr Risiko arbeitslos zu werden, fünfmal so hoch ..."

IG Metall will "Gute Arbeit für alle"

"... Jetzt legt die IG Metall eine Schippe drauf und startet die Kampagne 'Gute Arbeit für alle' in den Betrieben. Alle Beschäftigten, auch die von Leihfirmen und Dienstleistern, sollen gute Arbeitsbedingungen bekommen ... Höchste Zeit zu handeln."

Mit der "Schippe drauf" und dem "Handeln" klappt es offensichtlich nicht so schnell. Auch im Dezember 2018 heißt es auf Seite 6 der metallzeitung: "Immer mehr Missbrauch von Leiharbeit und Fremdvergabe"

"Fast 80 Prozent der Industriebetriebe gliedern Arbeit aus - über Leiharbeit oder durch Fremdvergabe über Werkverträge. Das zeigt eine Befragung der IG Metall von Betriebsräten in rund 3600 Betrieben.

Mehr als ein Viertel der befragten Betriebsräte sagt zudem, dass ihr Arbeitgeber auch Stammarbeitsplätze durch Leiharbeit und 'Industrienahe Dienstleister' ersetzt - in der Regel zu deutlich niedrigeren Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen. Die IG Metall sieht darin einen Missbrauch. ... Die Betriebsräte erwarten, dass der Trend zur Ausgliederung weitergeht. Die IG Metall will daher den Missbrauch von Leiharbeit und Fremdvergabe verstärkt in den Betrieben angehen, mit der neuen Kampagne und betriebspolitischen Offensive 'Gute Arbeit für alle'".

Wenn die Kapitalisten das mitbekommen und auch noch "Wir sind nicht gegen Leiharbeit" auf der IGM-Vorstands-"Schippe" lesen, dann werden sie nach 47 Jahren AÜG endlich in die Knie' gehen. Aber Spaß beiseite. Was in den o. g. Metallzeitungen abgesehen von dem Betrieblichen zur Situation der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter geschildert wird: das Heuern und Feuern, die Angst vor dem einfach Abmelden und Nachhause Schicken, das Lohndumping, die Rechtlosigkeit, die Spaltung der Belegschaften usw. usw. Alles, was oben geschildert wird, ist ebenso seit Zig-Jahren bekannter Zustand. Der ist genauso seit Jahren immer wieder Thema auf Gewerkschaftstagen-Kongressen-Versammlungen und bei sonstigen Veranstaltungen. Erfahrungsgemäß steht hierbei längst fest: An dieser Situation ändert sich nichts mit dem, was die IGM-Führung seit Jahren immer wieder als Kampf gegen den Missbrauch von Leiharbeit verkauft. Die Phrasendrescherei von "Fairer Leiharbeit" oder wie o. g. eine Kampagne und/oder eine "betriebspolitische Offensive" mit der Forderung nach "Guter Arbeit für alle", die nicht gleichzeitig mit der offensiven Forderung nach einem Verbot der Leiharbeit verbunden ist. Darum geht es nach wie vor. Weder Gewerkschaften noch Betriebsräte und Belegschaften brauchen gegen die eigenen Kolleginnen und Kollegen gerichtete "vorübergehende Flexibilisierungsinstrumente", so wie der IGM-Vorstand die Leiharbeit im April 2018 gegenüber Betriebsräten und Belegschaften bezeichnet hat. Von ihnen, von ihren Diskussionen über Debattenpapier und möglichen Anträgen hängt es ab, ob das zum Thema auf dem IGM-Gewerkschaftstag im Oktober gemacht und wieder in Richtung einer Verbotsforderung gebracht werden kann.

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 366, März 2019, S. 4 - 8
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2019

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