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KAZ/288: Respekt für Leiharbeit!


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 364, September 2018
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

IG-Metall-Führung - statt Kampf gegen Entrechtung:
Respekt für Leiharbeit!

von Ludwig Jost


In der vorigen Ausgabe der KAZ hatte Ludwig Jost die "wundersame Läuterung der IG-Metall-Führung" dargestellt: Während Anfang der 90er Jahre der IGM-Vorstand noch ganz eindeutig ein gesetzliches Verbot der Leiharbeit gefordert hat, wurden in der Folgezeit Forderungen von Metallern, für dieses Verbot zu kämpfen, abgeschmettert. Im April 2018 wurde dann noch eins draufgesetzt. Der IG-Metall-Vorstand verkündete: "Wir sind nicht gegen Leiharbeit" - eine Aussage, die bisher kein Gewerkschaftstag getroffen hat.

Welche Orgien von Entrechtung das Kapital auf dieser Grundlage veranstalten kann, davon handelt der folgende Artikel.


"Leiharbeiter von Dekra in Rastatt ausgebeutet"

Unter dieser Überschrift lässt der IGM-Vorstand auf Seite 10 der metallzeitung von Juli/August 2018 über 1200 Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter berichten, die bei der Verleihfirma DEKRA-Arbeit GmbH beschäftigt sind. Dabei bringt er allerdings durcheinander, dass die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft beim "Entleiher", im zum Daimler-Konzern gehörenden Mercedes Werk in Rastatt stattfindet, und die DEKRA erst in zweiter Linie von Daimler an dieser Ausbeutung beteiligt wird (siehe Kasten "Was ist Ausbeutung"). Im konkreten Fall geht es hierbei um die Verhältnisse, denen sie bei DEKRA mehr oder weniger ausgeliefert sind. Um herauszufinden, was dabei dort abgeht, ist die IGM-Baden Württemberg tätig geworden. Dabei haben rd. 50 IGM-Sekretäre "unter dem Motto 'Respekt für DEKRA-Beschäftigte'" zum Schichtwechsel vor den Mercedes-Betriebstoren mehrere Tage hintereinander Flugblätter verteilt. Nach über 200 Einzelgesprächen, die dort sowie in Kneipen und bei Hausbesuchen mit Dekra-Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern geführt wurden, wird in der metallzeitung festgestellt: "Unter den 1.200 Leiharbeitern der Leihfirma 'Dekra-Arbeit' im Mercedes-Werk Rastatt herrscht ein Klima der Angst. Wer krank ist, fliegt, wer sich beklagt, fliegt. Wer zu oft nachfragt, fliegt ebenfalls. Sie werden um ihre Arbeitsstunden und ihren Urlaub betrogen, die verschwinden von einem Monat zum nächsten Monat. Der Spitzenwert waren 14 Tage Urlaub, die ohne erkennbaren Grund auf einmal gestrichen waren." Das haben Sekretäre der IGM bei Überprüfungen "der oft völlig undurchsichtigen Abrechnungen und Stundenzettel festgestellt.

Wer nachfragt erhält teils groteske Begründungen. In der Probezeit gebe es eben weniger Urlaub, sagten sie einem jungen Facharbeiter, der bereits seinen Urlaub gebucht hatte - und plötzlich zu wenige Urlaubstage dafür hatte. Einem anderen Leiharbeiter erklärte DEKRA, so als sei das selbstverständlich, dass seine Plusstunden mit Feiertagen verrechnet worden seien. Zudem wurden Vertragsverlängerungen verfälscht und nach hinten datiert, wodurch Leiharbeiter um ihre unbefristete Übernahme gebracht wurden. Fast 40 solcher Fälle hat Dekra bereits zugeben müssen.

'Krank feiern' traut sich kaum einer der 1.200 Leiharbeiter hier. 'Wenn du dich krank meldest, ruft eine halbe Stunde später der ärztliche Dienst von DEKRA an und fragt dich aus', erklärt eine Leiharbeiterin, die sich ihren Finger auf der Arbeit verstaucht und selbst mit Bleistift geschient hat. 'Du fühlst dich wie Vieh behandelt.' Viele nehmen daher Urlaub, wenn sie krank sind, um ihren ohnehin befristeten Job nicht zu verlieren."

Den hat der "Leiharbeiter Walter W." verloren, wie die IGM bereits am 18.06.2018 in einem eigens zu den Vorgängen bei DEKRA herausgegebenem Info berichtete. Der Kollege "hatte eine Operation am Fuß, war krank geschrieben - und erhielt prompt nach zwei Tagen die Kündigung von seiner Leihfirma, der DEKRA-Arbeit GmbH. Jetzt ist er arbeitslos." (Alles in Kursivschrift ist wörtlich übernommen aus der metallzeitung.)

So wie ihm geht es im September allen 1.200 Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern. Weil Mercedes die Produktion umbaut, werden sie alle arbeitslos, von Mercedes abgemeldet und von DEKRA gekündigt. Nach 4 bis 6 Monaten sollen die meisten wieder eingestellt werden - voraussichtlich befristet. Das wurde ihnen Anfang Juni 2018 auf Versammlungen von Dekra erklärt - eine schriftliche Zusage dafür gibt es nicht. Dem kann man anfügen, wenn sie dann vom Job-Center getrieben nicht längst wieder einem anderen - aus ihrer Sicht "Sklavenhändler" - in die Finger gefallen sind, bei dem es dann ebenso oder ähnlich zugehen kann. Nach Aussage der Bundesagentur für Arbeit sind das in der BRD zurzeit 11.500 mit Verleiherlaubnis registrierte Arbeitskraftdealer. Für Dezember 2017 wird hierbei die Gesamtzahl der Betriebe, die mindestens eine Leiharbeiterin oder einen Leiharbeiter beschäftigen, mit 51.400 angegeben. Nach eigenen Angaben und Aussagen in Rundfunk und Fernsehen ist DEKRA dabei mit zwischen 8.000 bis 10.000 beschäftigten Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern vertreten. Bei diesen Zahlen muss man sich nicht darüber wundern, was die von Leiharbeit Betroffenen jahrelang gezwungener Maßen über sich ergehen lassen müssen. Sicher von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich gehören dazu die oben geschilderten Vorgänge, die bekannten Erpressungen mit "Abmelden" durch den "Entleiher" und der in der Regel damit drohenden Entlassung beim "Verleiher". Ihr Risiko, entlassen zu werden, ist 5-mal so hoch, wie das eines unbefristet Beschäftigten. Abgesehen davon die "Niedriglöhne", die für viele immer noch unter dem gesetzlichen Mindestlohn von zurzeit 8,84 Euro liegen sowie die mit der Leiharbeit verbundene Entrechtung und alle sonstigen Erniedrigungen und Schikanen. Sie sind mit eine Auswirkung der Aussage: "Wir haben nichts gegen Leiharbeit!" Mit dieser vom IGM-Vorstand im April ausdrücklich beteuerten Feststellung und einer sehr großen Zahl sozialdemokratischer Gewerkschaftsführer im Rücken fühlen Kapital und Regierung sich vor ernsthaften gewerkschaftlichen Aktionen sicher. Wendet sich die Gewerkschaftsführung doch damit gleichzeitig gegen alle Forderungen der gewerkschaftlichen Basis nach einem Verbot der Leiharbeit. Dabei bleibt es nicht aus, dass jeder "Verleiher" oder auch "Sklavenhändler" und/oder "Entleiher", Daimler, VW, BMW usw. versucht, unterhalb von gesetzlichen u./o. tariflichen Mindest-Ansprüchen und -Rechten sein eigenes Arbeitsrecht auf Arbeitsverträge anzuwenden. Auf diesem Trip ist offensichtlich auch die Firma DEKRA, mit den von der IGM-Führung als Ausbeutung geschilderten Angriffen auf Löhne, Arbeitszeit-/Konten, Urlaub, Feiertagsbezahlung, Krankheit usw. Die Versuche, ein "Arbeitsrecht" für Leiharbeiter und andere ("Geringqualifizierte" und "Zuwanderer") als Gesetzes- und/oder Tarifvertragsvorlage durchzusetzen, sind nicht nur von DEKRA bekannt (siehe Kasten "Unfaire" Ausbeutung). Dabei ist die DEKRA-Geschäftsführung allerdings durch die IGM-"Respekt"-Aktion unter Druck geraten. Sie musste sich auf Gespräche mit der Leitung der zuständigen IGM-Geschäftsstelle Gaggenau einlassen. Herausgekommen ist hierbei ein von der DEKRA Arbeit GmbH und IGM unterzeichnetes "Eckpunktepapier". Die darin getroffenen "Verabredungen" (siehe Kasten) werden von der IGM-Führung als Verbesserungen für die Leiharbeiter gefeiert (IGM-Presseinfo 05.07.2018). Die treffen sich Mitte September erwerbslos mit aufs Arbeitslosengeld gekürzten Löhnen bei der Bundesanstalt für Arbeit, beim Job-Center. Wo sie dann hingeschickt werden oder irgendwo eine Festanstellung finden oder in Aussicht haben, ist für sie noch vollkommen ungewiss. Für die Baden-Württembergische IGM scheint das allerdings auf der Basis des Ausspruchs: "Einmal Leiharbeiter - immer Leiharbeiter" festzustehen. Das Eckpunkte-Verabredungs-Papier vermittelt ihnen hierbei jedenfalls den Eindruck eines Freibriefs, eines "Rechtsanspruchs" auf Leiharbeit. Damit im Kreuz, sie heißt: Kommt, wenn Mercedes euch wieder braucht, im Frühjahr 2019 oder je nach "Hochlauf der Produktion", es ist alles "verabredet". Mit dieser "Verbesserung" landen sie dann unweigerlich wieder beim Arbeitskraftdealer "DEKRA Arbeit" mit "garantiertem Folgeeinsatz ohne Probezeit bei Daimler" in Rastatt. Die zugesagten 160 Euro "Standortzulage" wirken in dem Zusammenhang wie eine Treueprämie, oder auch als Handgeld damit alle bei der Stange bleiben, um auch zukünftig als Leiharbeiter die Reservearmee des Kapitals - in diesem Fall für Mercedes - zu füllen.

Hierbei muss man wissen, dass die Eckpunkte-Verabredungen nicht die Rechtswirkung eines Tarifvertrages haben, aus dem der oder die Einzelne einen evtl. einklagbaren Rechtsanspruch ableiten kann. Rechtsansprüche bestehen allerdings auf die eingangs von der IGM als Betrug bezeichneten Vorgänge, die "Missstände" (nicht entlohnte Arbeitsstunden, Verrechnung von Plusstunden bei der Feiertagsbezahlung, nicht gewährte bzw. verschwundene Urlaubstage usw.), die sie beseitigen wollte. "Wir wollen DEKRA dazu bringen, dass sie mehr Transparenz gegenüber ihren Beschäftigten schafft und die Menschen respektvoll behandelt", hat Heiko Maßfeller, der zweite Bevollmächtigte der IGM-Gaggenau erklärt. Das heißt Transparenz über den betrügerischen Lohn- und Arbeitszeitklau von Seiten der DEKRA. Wie damit von DEKRA "respektvoll" umzugehen ist, taucht in den verabredeten "Verbesserungen" nicht auf. Vielleicht sind die IGM-Vertreter aber auch gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Auffassung, dass mit der "Standortzulage" alles erledigt ist und "alle weitergehenden Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten sind". Das ist in der Regel eine der Schluss-Formulierungen bei der Beendigung, Auflösung oder beim Auslaufen befristeter Arbeitsverhältnisse. Trifft das nicht zu, heißt das für die DEKRA Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter: Sie müssen schnell ihre Angst vergessen und noch bevor sie beim Job-Center ankommen, gegenüber DEKRA bestehende Ansprüche im Personalbüro schriftlich geltend machen. Wenn sie sich dort nicht einigen können, bleibt nur der Weg zum Arbeitsgericht. Dabei muss jede und jeder einzeln die Firma DEKRA verklagen. Tun sie das nicht, können sie Arbeitsstunden, Urlaub u. a. sofort vergessen und DEKRA hat ein gutes Geschäft gemacht. Doch dazu muss es nicht kommen, wenn sich die von Schwindel und Betrug Betroffenen auf einen anderen, schnelleren Weg einigen. Nämlich den gemeinsamen Weg mit Transparenten gegen die Leiharbeit auf die Straße, vors Betriebstor und ins Personalbüro. Das spart nicht nur den Weg des Einzelnen zum Arbeitsgericht, sondern richtet sich ebenso gegen vorhandene Angst (siehe Kasten "Wer kümmert sich um unser Recht?"). Diesen Weg haben die Baden Württemberger IGM-Sekretäre weder den DEKRA-Beschäftigten noch den Arbeiterinnen und Arbeitern von Mercedes aufgezeigt. Im Gegenteil, sie haben es nicht auf eine einzige gemeinsame größere Aktion der 6.500 Mann/Frau starken Mercedes-Belegschaft mit den 1.200 Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern vor den Betriebstoren gebracht. Das war wohl auch nicht ihr Auftrag. Dabei verkommt allerdings die Forderung nach Respekt für die Leiharbeiter und Beseitigung von Missständen, die nicht nur für die DEKRA steht, zur bloßen Phrasendrescherei. Es geht nicht darum, immer wieder aufs Neue "Missstände" zu beseitigen, ohne die Leiharbeit in ihrer Existenz anzugreifen. Sie ist der Missstand, der beseitigt, der wieder verboten werden muss. Und soweit es hierbei um Respekt geht, müssen wir uns den durch den Kampf für ihr erneutes Verbot verschaffen. Das gelingt nur, wenn es auch gelingt, das in den Betrieben zur konsequenten Forderung von Belegschaften und Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern zu machen und in den Gewerkschaften durchzusetzen.

Möge dazu eine Geschichte aus dem alten Rom einen Denkanstoß geben. Bei einer Sitzung des Römer Senats schlägt einer der Senatoren vor, die Sklaven zu nummerieren, zu kennzeichnen. Darauf ein anderer: "Nur das nicht, dann sehen und merken sie doch, wie viele sie sind."

Den Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern bei DEKRA ist bekannt, wie viele sie sind. 1.200 bei Mercedes und bei DEKRA selber zwischen Acht- und Zehntausend. Und bei der IGM geht es um die Köpfe von ein paar Millionen in der Metall- und Elektroindustrie. Der IGM-Vorstand hat erneut eine Kampagne zur Leiharbeit angekündigt. Sie ist eine Gelegenheit, sie für die Diskussion darüber zu nutzen und sich darüber klar zu werden, wer die Mehrheit ist.

Und der gemeinsame Kampf dieser vielen, ob Leiharbeiter oder nicht, muss - so haben wir in der vorigen Ausgabe der KAZ geschrieben - "aus den Betrieben heraus von Betriebsräten und Belegschaften und in den Gewerkschaften organisiert werden. Und hierbei geht es nicht nur um die Abschaffung der Leiharbeit. Es geht um den Kampf gegen jegliche Entrechtung z.B. von Arbeitern aus anderen Ländern mit oder ohne Pass, vor Krieg und Verfolgung geflüchtet oder einfach eingewandert. Es geht um die Entrechtung durch Werksverträge und befristete Verträge. Es geht um die Entrechtung durch ungleichen Lohn für gleiche Arbeit. Es geht um die zunehmende Entrechtung der jungen und der alten Arbeiter, der alleinerziehenden Mütter, der von den Jobcentern Drangsalierten. Und so weiter. Nur durch gemeinsamen Kampf und Solidarität mit all denen können wir AfD, CSU usw. die Stirn bieten und die Stärke gewinnen, die Abschaffung der kapitalistischen Ausbeutung, die Abschaffung des Lohnsystems in Betrieben und Gewerkschaften wieder zum gemeinsamen Kampfziel zu machen."

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Was ist Ausbeutung?

Für viele Kollegen hat die Ausbeutung mit dem Frühkapitalismus oder irgendwann im 20sten Jahrhundert aufgehört zu existieren. Oder sie wird - wie im IGM-Artikel - festgemacht an bestimmten Verhältnissen wie Betrug, Niedriglöhnen z. B. von 3 oder 4 Euro in der Stunde oder Anderem. Im Bürgerlichen Gesetzbuch der BRD ist "Ausbeutung" sogar verboten. Demnach wäre der gesamte Kapitalismus verboten. Denn in Wirklichkeit bedeutet Arbeit im Kapitalismus, d.h. Lohnarbeit, immer Ausbeutung, unabhängig davon, wie hoch gerade der Lohn ist oder wie schlimm die Arbeitsbedingungen sind.

"Ausbeutung ist ein wissenschaftlicher Begriff. In einem System, das die Masse der eigentumslosen Lohnarbeiter dazu zwingt, ihre Arbeitskraft als Ware an die Eigentümer der Produktionsmittel zu verkaufen, besteht Ausbeutung darin, dass die Kapitalisten sich fremde, unbezahlte Arbeit aneignen aufgrund der Tatsache, dass die Arbeitskraft in der Lage ist, mehr Wert zu schaffen, als sie zur eigenen Reproduktion benötigt. Die Ausbeutungsrate bestimmt sich durch das Verhältnis Mehrarbeit zur notwendigen Arbeitszeit, also dem Verhältnis der Zeit, in der der Arbeiter für den Kapitalisten arbeitet, zu der Zeit, die er für die eigene Reproduktion arbeitet."

(Aus KAZ 291 S. 42)

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"Unfaire" Ausbeutung

Das Unterlaufen von Gesetz und Tarifvertrag betreffend, wird in o. g. metallzeitung auf Seite 16 berichtet: "Die IG Metall startet eine neue Kampagne zu Leiharbeit und industrienahen Dienstleistungen. Hintergrund ist, dass Industrieunternehmen immer mehr Arbeit ausgliedern, über Leiharbeit etwa an Facility- und Industriedienstleister - meist zu billigeren und schlechteren Arbeitsbedingungen. Dem will die IG Metall mit ihren Betriebsräten und Vertrauensleuten systematisch in den Betrieben entgegenwirken. Das Ziel der Kampagne ist gute Arbeit mit fairen Bedingungen für alle."

Die Facilityunternehmen, auch Facilitymanagement, arbeiten im Bereich Betriebsinstandhaltung, Hausmeisterdienste, Immobilien, Liegenschaften und anderes. Wie das dort mit der von der IGM beschworenen "Guten Arbeit" aussieht, ist einem Bericht im Online Magazin "Untergrundblättle" zu entnehmen. Danach werden in diesen Firmen vor allem EU-Zuwanderinnen und Zuwanderer aus Polen, Rumänien und Bulgarien beschäftigt. Ihr unsicherer Status wird dabei genutzt, um Mindestrechte mit dem Ziel zu unterlaufen, um das im Artikel angesprochene eigene bzw. neues Recht durchzusetzen.

So wird "das evangelische Diakonissenkrankenhaus in Bremen mittels hauseigener Facility Firma überwiegend 'bulgarisch' geputzt. Die Arbeitsverhältnisse haben zu großen Teilen keine vertraglich vereinbarte Mindestarbeitszeit und somit auch kein kalkulierbares Einkommen. Da wird bei einzelnen Lohnarbeiter*innen auch der Sprung zwischen sozialversicherungspflichtigem Arbeitsverhältnis, bei hohem Arbeitsanfall und einem Minijob, bei geringer Auftragslage gemacht. Hin und Her, je nach Auftragslage des Verleihers oder anderweitigen 'Auftragnehmern'. Für einzelne Großfirmen des Facility Management mit ihren eigenen oder fremden Verleihfirmen sind inzwischen zehntausende Lohnarbeiter*innen tätig. Die gewerkschaftliche Organisierung liegt in den in diesem Unternehmenssektor vorherrschenden 'mittelständischen Familienbetrieben' im Promillebereich, 'Betriebsrat' ist ein Fremdwort. In diesen Firmen ist der Haupteinsatzort der zugewanderten Lohnarbeiter*innen aus der EU und von Geflüchteten. Lang und mühsam ist der 'Aufstieg' in die Stammbelegschaften, meistens gelingt er nicht." (Untergrundblättle 7. Juni 2018, entnommen aus Labournet)

Wenn sich an diesen Zuständen, etwas ändern bzw. sie sich nicht weiter ausbreiten sollen, muss sich in der IGM aber auch in den übrigen DGB-Gewerkschaften etwas ändern. Das geht nicht über das konsequenzlose Feststellen von Missbrauch oder das Einfordern von Respekt in Flugblättern. Dabei müssen wir in den Betrieben auch wieder über Streik nachdenken, so wie das z. B. ein Teil der Belegschaft bei Daimler in Bremen mehrere Male praktiziert hat. Wir haben darüber in mehreren Ausgaben der KAZ wie auch generell über die Frage der Leiharbeit berichtet.

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"Eckpunktepapier" von IG Metall und DEKRA
  • Die zum 31. August 2018 bei Mercedes-Benz in Rastatt eingesetzten DEKRA-Beschäftigten erhalten im September 2018 eine einmalige Standort-Zulage von jeweils 160 Euro.
  • Die Verleihfirma Dekra-Arbeit richtet für die Beschäftigten am Daimler-Standort Rastatt voraussichtlich bis November 2018 ein Internet-Portal mit individuellem Zugriff ein. Dieses soll einen transparenten Einblick in das Arbeitszeitkonto, geleistete Stunden, Pausen sowie Urlaubs- und Krankheitstage geben.
  • Zudem wird bei Dekra-Beschäftigten, die im September 2018 in die Arbeitslosigkeit entlassen und im Frühjahr 2019 im Zusammenhang mit dem Hochlauf der Produktion bei Daimler Rastatt wiedereingestellt werden, auf die Probezeit verzichtet.

Eine Garantie, dass Mitarbeiter, deren befristeter Vertrag Mitte September ausläuft, einen unbefristeten Arbeitsvertrag und einen Folgeeinsatz bei Daimler bekommen, hat die Dekra Arbeit auf Verlangen der IG Metall Gaggenau schon zu einem früheren Zeitpunkt gegeben.

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KÄSTEN
"Gute Arbeit für alle"

Unter dieses "Motto" hat der IGM-Vorstand eine "neue gegen den Missbrauch der Leiharbeit beschlossene Kampagne" gestellt und angekündigt (IGM-Info 14.08.2018). Hintergrund ist die von 2016 auf 2017 um 4,1 Prozent gestiegene Leiharbeit. Nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit wurde dabei ein Jahresdurchschnitt von 1,03 Millionen erreicht. Über eine Million von Leiharbeit Betroffener, ist auch nach wie vor der Stand zum jetzigen Zeitpunkt. Diese Entwicklung, das Steigen der Leiharbeiterzahl, ruft die IGM-Führung nunmehr seit Jahren immer wieder mit dem Ziel auf den Plan, den festgestellten Missbrauch zu gestalten. In dem Sinne erklärt dazu Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IGM-Baden Württemberg, im o. g. Info: "Die beste Leiharbeit ist die, die gar nicht stattfindet. Wenn das nicht gelingt, geht es ums Begrenzen und Gestalten. Gute Arbeit statt Leiharbeit ist unser Auftrag."

Mit diesem Auftrag wird seit Jahren die Ursache des "Missbrauchs" durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen u. a. gepflegt und "gestaltet", statt sie zu beseitigen. Hierbei wird mit Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen zum großen Teil versucht, wieder aufzuholen, was seit 2004 durch Tarifabschlüsse "weggestaltet" wurde. Nämlich der gesetzliche Anspruch für die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter auf Equal Pay ab dem ersten Tag der Beschäftigung. Das vergessen IGM-Führung und die Tarifexperten geflissentlich zu erwähnen, wenn sie vorrechnen, dass nach sechs Wochen Arbeit "bereits Branchenzuschläge" nach IGM-Tarif gezahlt werden, die sich mit der Beschäftigungsdauer steigern. Dabei kann sich dann jeder, der will, ausrechnen, wie viel ihm gemessen an der Differenz zum Branchenzuschlag und der Tarifgruppe ab dem ersten Tag fehlt bzw. welche Summe er über die Jahre verloren hat.

Aber zurück zur "neuen Kampagne". Hierbei geht es um den Missbrauch gewerkschaftlicher Kampfkraft und von Mitgliedsgeldern durch Vorstandskampagnen, die dazu gedacht sind dem Kapital das Kampfinstrument Leiharbeit zu gestalten und zu erhalten.

Was die IGM-Führung dabei unter "Missbrauch der Leiharbeit" versteht, ist etwas anderes: Dabei sind die für den Missbrauch verantwortlichen Missetäter - wie könnte es anders sein - die Kapitalisten. Sie setzen die Leiharbeit, "statt zur Abdeckung von Produktionsspitzen, für die sie ursprünglich gedacht war, ... immer mehr zur Abdeckung der normalen Geschäftstätigkeit ein."

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Wer kümmert sich um unser Recht?

Es ist ein grundsätzliches Problem in diesem System, dass uns gesagt wird: Ihr könnt doch klagen, wenn ihr betrogen werdet. Tatsache ist aber, dass gegen den Betrug, wie er bei Dekra von der IGM geschildert wird, die Mehrheit der Betroffenen überhaupt nicht klagt. Und das ist nicht nur bei Leiharbeitern so, die ja sowieso in der schlechtesten Position sind. Die meisten von solchen Fällen Betroffenen halten eine Klage auch dann, wenn relativ viel Geld und wie bei DEKRA viel anderes im Spiel ist, für einen unfreundlichen Akt, für eine Kriegserklärung dem Kapitalisten gegenüber. Seht Euch die Initiative von Labournet und Prof. Däubler an (da ging es um gleichen Lohn für Leiharbeiter und "Stammbelegschaften"). Nicht nur dass Prof. Däubler die Leute weggelaufen sind, es finden sich von Zigtausenden, mit Milliarden-Lohnverlusten, nur eine Handvoll, die sich trauen zu klagen. Das Gleiche habe ich selber immer wieder erfahren. Klagen, das wollen die Wenigsten. "Wir" bzw. "ich will nicht gleich so eine dickes Geschütz (Einstweilige Verfügung u. a.) auffahren, schließlich müssen wir ja weiter zusammenarbeiten". Das ist ein Original-Ausspruch, den ich auch in der eigenen Bude immer wieder gehört habe, wenn auch der BR im Einzelfall nicht weiter gekommen ist. Aber zurück zu DEKRA. Ein Prozess dauert lange, bis du dein Geld oder anderes hast. Dazu gibt es - wie bei der IGM und bei Labournet berichtet - den Fall eines Klägers, der nach fünf Jahren über 30.000 Euro bekommen hat. Aber noch wichtiger ist: Der gemeinsame Weg gegen die Leiharbeit mit Transparenten auf die Straße, vors Betriebstor und ins Personalbüro hat den Sinn, dass die Arbeiter lernen müssen ihre Sache selber zu regeln, statt sie auf die "neutrale Ebene zu verlagern" und von einem angeblich "neutralen Dritten", in dem Fall vom Arbeitsgericht entscheiden zu lassen. Diese Auffassung/Ansicht wurde über Jahre auch in der IGM vertreten. Alles, was auch nur irgendwie möglich ist, wird vom BR mit der Belegschaft gemeinsam geregelt. In dem Zusammenhang müssen wir uns vorstellen, die IGM-Sekretäre hätten die Leiharbeiter mit der Mercedes-Mannschaft im konkreten Fall DEKRA wirklich zu einer gemeinsamen Aktion gebracht und wären vielleicht mit einer Abordnung von ca. Tausend vor oder im DEKRA-Büro aufmarschiert und hätten gesagt, wir wollen jetzt mit euch mal ein paar Dinge regeln.

Dazu ein Beispiel: Vor Jahren, wir waren zwischen 1.500 und 1.800, gab es im Zusammenhang mit einem neuen IGM-Tarif von uns rd. 300 Klagen vor Arbeits- und Landesarbeitsgericht wegen bewusst falscher Eingruppierungen durch den Kapitalisten. Uns hat das zu lange gedauert. Dann haben wir das mit zwei Tagen Streik, Verwaltungsgebäudebesetzung und Besuch im Lohnbüro und Direktionszimmer geregelt. Und das ist also die Konsequenz: Gemeinsame Aktion mit Transparenten, Aufmarsch auf Betriebshof, in Verwaltung und Personalabteilung geht vor Klage.

Ludwig Jost

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 364, September 2018, S. 12 -16
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2018

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