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KAZ/261: Salut Genosse Huhn!


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 358, März 2017
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Salut Genosse Huhn!

von Tofik Bachramow


Klaus Huhn ist am 20.01.2017 in Berlin im Alter von 88 Jahren verstorben. Ein großer Kämpfer der DDR, vor allem des DDR-Sports, ist tot. Er war Jahrgang 1928 und mit ihm verstarb auch der letzte Mitbegründer des Neuen Deutschland, als dessen Sportchef er jahrzehntelang gewirkt hat. Es ist nicht untertrieben festzustellen, dass Klaus Texte in den Jahrzehnten von Millionen Menschen gelesen worden sind. Viele Sportgrößen der DDR hat er hautnah erlebt und unterstützt.

Klaus hatte einen Anteil an dem bisher sportgeschichtlich einmaligen Vorgang, dass ein kleines Land innerhalb von wenigen Jahren vom letzten auf die vorderen Plätze der olympischen Wertungen sprang. An den olympischen Winterspielen 1956 hatten 18 Sportler aus der DDR teilgenommen, Harry Glaß gewann Bronze und damit die erste DDR-Olympiamedaille. Im letzten Olympiajahr der DDR 1988 belegte sie bei Winter- und Sommerspielen jeweils den zweiten Platz hinter der UdSSR mit insgesamt 127 Medaillen. Nachzulesen sind diese und viele andere Fakten in der "Chronik des DDR-Sports"[1], welche in dem von Klaus gemeinsam mit seiner Frau nach 1989 gegründeten SPOTTLESS-Verlag herausgegeben wurde. Der SPOTTLESS-Verlag war die Reaktion der Beiden auf die Konterrevolution und die ihr gefolgten Medien. Hans Modrow soll auch einen Anstoß dazu gegeben haben. Und so wurde der linke Bücherclub SPOTLESS gegründet, der schon bald monatlich in vierstelliger Auflage produzierte, die häufigsten Autoren waren Klaus und seine Pseudonyme. Wieder einmal hatten die Huhns das sportliche Motto umgesetzt: Never give up, gib niemals auf!

Die Aussage "Sport ist Politik" ist manchmal auch unter Linken umstritten. Wenn man das Leben und Wirken von Klaus Huhn betrachtet, löst sich die Frage eindeutig auf. Eine der ihm wichtigsten Aktivitäten war dabei die Veranstaltung der Friedensfahrt, des wichtigsten Radsportrennens der sozialistischen Länder. Die Etappen führten dabei durch die nach Faschismus und Krieg wiederaufgebauten Länder Osteuropas und der DDR.

Klaus berichtete eindrucksvoll und immer unterhaltsam über seine Begegnungen auf sportpolitischer Bühne: Mit dem IOC-Präsidenten Lord Killanin, unter dessen Präsidentschaft die Spiele 1980 nach Moskau vergeben wurden und der gerne mit Klaus im Hotelzimmer ungestört einen Whiskey verzehrte. Dieser ehrenwerte Mann mit irischem Adelstitel hatte sich nicht nur für die Vergabe der Spiele nach Moskau 1980 eingesetzt, sondern auch die Verteidigung dieser Entscheidung durchgesetzt, nachdem die kapitalistischen Länder aufgrund des Eingreifens der Roten Armee in Afghanistan die Olympiade neu vergeben wollten. Killanin stieg unter Raunen aufs Podium und erklärte: "Die Spiele finden in Moskau statt und wenn ich der Einzige bin, der startet". Der gute Mann war damals zwar schon deutlich über Sechzig, doch sein konsequentes Auftreten wirkte und die Spiele fanden statt, wenn auch unter dem Boykott vieler kapitalistischer Länder. Klaus berichtete von 17 Olympischen Spielen und wurde 1988 vom Internationalen Olympischen Komitee mit dem Journalistenpreis ausgezeichnet.

Auch Helmut Schön, der Weltmeistertrainer 1974 des BRD-Fußballs, schätze Klaus Huhn als Gesprächspartner. Wann immer sich Gelegenheit auf internationaler Begegnung ergab, guckte er sich kurz um und fragte: "Klaus, sind hier Westjournalisten?", "Nee", "dann lass uns mal hier setzen und ein bisschen quatschen". So ist der Nachwelt auch der Ablauf in der BRD-Kabine beim WM-Spiel gegen die DDR in Hamburg 1974 überliefert. Die hiesige Presse stellt es ja mittlerweile so dar, dass Beckenbauer nach dem Spiel mit einigen anderen zusammen quasi das Kommando übernommen und Schön halb entmachtet hätte. Das trifft nicht so ganz. Schön hatte vor dem Spiel gewarnt überheblich zu sein und die DDR nicht ernst zu nehmen, man soll aufpassen. Bereits da hat Beckenbauer das Wort ergriffen und Schön sinngemäß abgekanzelt: "Ja Herr Schön, wir wissen ja, dass Sie von Drüben kommen und immer noch auch Sympathien für "die da" haben. Lassen Sie uns mal machen." 45 Minuten später in der Halbzeitpause war der gute Kaiser Franz durch das Kollektiv des DDR-Fußballs kuriert: "Herr Schön, ich muss Ihnen Recht geben, noch nie habe ich erlebt, dass immer zwei bis drei Spieler um mich rum sind und mich am Spiel hindern." Der Rest ist bekannt, die DDR gewinnt das einzige Länderspiel gegen die BRD mit 1:0. Ende.

Er konnte auch berichten, wie Kati Witt im diszplinübergreifenden Trainingslager auf Kuba auf der Querstange des Rades von Olaf Ludwig fuhr, um abends eine geeignete Tanzbar auszukundschaften, in welcher das Team dann einkehrte. Er beschrieb diese Kollektivität und den übergreifenden Austausch zwischen Trainer und Sportlern immer als einen wichtigen Baustein der Erfolge des DDR-Sports.

Besonderen Spaß hatte Klaus zu berichten, wie er Papst Johannes Paul II. einmal "aus der Patsche half". Während der Leichtathletik-WM in Rom 1987 gab es einen Papstempfang, an welchem auch eine DDR-Delegation teilnahm. Man wollte eher beobachtend im Hintergrund bleiben, zumal die meisten Sportler und Funktionäre Atheisten waren. Doch eher respektlos wirkende Sportler anderer Länder hatten schnell die vorderen Plätze belegt. Dem Adjutanten des Papstes fiel nun die angemessene Bekleidung der DDR-Delegation auf, womit man sich von etlichen anderen anwesenden Sportlern unterschied, die in T-Shirt und Jogginghosen erschienen waren. So wurde Klaus zur Verhandlung gebeten, ob die DDR die erste Reihe übernehmen könne, damit der Papst nicht von kaugummikauenden Sportlern in Verlegenheit gebracht wurde. Dabei war dem Vatikanfunktionär durchaus die überwiegende Nichtgläubigkeit der DDR-Vertreter bekannt und so verhandelte er mit Klaus, dass es ausreicht, wenn sie beim Eintritt des Papstes eine angedeutete Verbeugung machen würden. So kam es dann auch und der Adjutant bedankte sich anschließend sehr innig bei Klaus, der somit wohl auch der einzige Leiter einer DDR-Delegation in erster Reihe beim Papst war.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Klaus konnte nächtelang fesselnd und humorvoll berichten über seine Erlebnisse und Begegnung auf vielen olympischen Spielen und anderen Ereignissen, aber Klaus war kein Geschichtenerzähler. Er war selbst ein sehr intensiver Sportler und begriff den Sportjournalismus als seinen Klassenauftrag. Vollen Einsatz erwartete er auch von seinen Kollegen und Mitkämpfern, was den Berichten nach für diese nicht immer einfach war. Aber abfällig wurde er höchstens gegen die echten Zerstörungen seines Faches. Sportjournalismus hatte für ihn die gleichen Maßstäbe wie jede andere journalistische Abteilung. So führte ihn die Entwicklung nach 1989 zu der Feststellung: Heutige "Sportjournalisten" sind doch Unterhaltungsreporter. Dass er sie nicht Zirkusansager oder Showmoderatoren nannte, lag nur darin begründet, dass er auch in polemischer Kritik immer auf die sachliche Form und präzise Ausdrucksweise achtete. Gerne untermalte er die Aussage mit dem Beispiel, dass keiner der heutigen Unterhaltungsreporter beim Skispringen auch nur annähernd in der Lage ist zu erklären, wie sich die Bewertung der Sprungweite und die Punkte aus den Haltungsnoten zueinander verhalten. Wer sich die Mühe macht eine RTL-Skisprungübertragung zu durchleiden, kann es bestätigen.

Klaus behauptete nicht, dass es kein Doping von DDR-Sportlern gab. Er deckte aber auch Doping in der BRD auf, natürlich fast ungehört. Am Ende blieb er immer dabei: Die DDR hat nicht durch Doping gewonnen, sondern durch systematisches Herangehen und durch Förderung, durch ein herausragendes Trainersystem und durch soziale Sicherung und parallele Berufsausbildung der Sportler. Klaus bewies immer wieder: Die DDR war einfach besser und der Westen ist ein schlechter Verlierer. So wars. Ende der Durchsage[2].


Anmerkungen:

[1] Chronik des DDR-Sports, SPOTLESS-Verlag 200, ISBN 3-966544-35-1

[2] Klaus Huhn hatte das journalistische Handwerk zu Zeiten gelernt, als Artikel oftmals noch in schneller Geschwindigkeit per Telefon fernmündlich übertragen wurden. Dabei war es üblich zur Klarheit für den Schreiber am Ende des Artikels immer "Ende" zu sagen. Dieses traditionelle Signal hat sich Klaus bei Telefonaten bis zum Schluss gerne erhalten.

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Klaus Huhns Bücher sind vielfach antiquarisch, aber auch im Original noch zu erhalten. Insbesondere wird empfohlen:

Spurt durchs Leben, Autobiografie
(www.jungewelt-shop.de/huhn%20spurtleben)

Wie ich dem Papst einmal aus der Klemme half

Die Flachzangen aus dem Westen

Kalter Krieg und heiße Kufen: Wie Bonn gegen den DDR-Sport zu Felde zog

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 358, März 2017, S. 20 - 21
Herausgeber und Verlag:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2017

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