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KAZ/173: Das 6. Forum 2011 der World Association of Political Economy WAPE


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 335, Juli 2011
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Marxistische und andere fortschrittliche Politökonomen schließen sich international enger zusammen


Die WAPE ist ein weltweiter Zusammenschluss von Politökonomen, die der Marxschen Theorie verpflichtet sind. Sie wurde 2006 gegründet und ist in Hongkong, VR China, registriert. Sie gibt eine Vierteljahreszeitschrift in englischer Sprache heraus, den "World Review of Political Economy". Das mittlerweile 6. Forum fand vom 27. bis 29. Mai 2011 in Amherst/Mass., USA statt.

Zu folgenden Themen sollten Beiträge eingereicht werden:

1. Klassenanalyse der Reaktionen auf die Finanz- und Wirtschaftskrise
2. Ist der Neoliberalismus auf dem Rückzug oder wird er die Wirtschaftskrise überleben? Was könnte ihn ersetzen?
3. Worin liegen die Stärken und Schwächen des wieder auflebenden Keynesianismus?
4. Welche Probleme werden durch das Anwachsen der Staatsschulden aufgeworfen?
5. Zukünftige Aussichten für größere Reformen an Institutionen und Regulierungsmaßnahmen für die Weltwirtschaft und für einzelne Länder.
6. Klassenanalyse des Anwachsens rechtsgerichteter Bewegungen als Reaktion auf die Wirtschaftskrise.
7. Lehren aus der Geschichte vergangener kapitalistischer Krisen für die gegenwärtige Situation.
8. Probleme bei und Möglichkeiten für den Aufbau des Sozialismus inmitten der kapitalistischen Krise.
9. Kann der Euro die gegenwärtige Wirtschaftskrise überleben?
10. Kann das ostasiatische Modell von anderen Ländern übernommen werden?
11. Die Gefahr, dass Spannungen zwischen Staaten aufgrund der Wirtschaftskrise zu ernsthaften Konflikten führen könnten.
12. Ureinwohner in den USA.
13. Ökonomie der Entwicklung des Menschen in der Politökonomie (Dieses Thema wird in einer Sitzung diskutiert, die von der japanischen Gesellschaft für die Förderung der Wissenschaft und von der Universität von Kyoto abgehalten wird).

Von über hundert Autoren aus über 30 Ländern gingen Beiträge ein, die den Teilnehmern in zwei Bänden mit über 1100 Seiten vorlagen. Ein Großteil der Beiträge wurde in Workshops präsentiert und diskutiert. So auch ein Beitrag von Genossen der Kommunistischen Arbeiterzeitung "Die Finanz- und Wirtschaftskrise untergräbt den Euro und die Souveränität der Nationen", der erhebliche Beachtung fand und voraussichtlich in verschiedenen internationalen Zeitschriften veröffentlicht wird. Er enthält eine Zusammenfassung von Artikeln aus der KAZ Nummer 331-334. Auf Wunsch stellen wir unseren Beitrag gerne zur Verfügung.

Es wurde nachstehende Erklärung im Plenum des WAPE-Forums diskutiert und einstimmig verabschiedet.

Das Forum schloss mit einer eindrucksvollen Rede des Präsidenten der WAPE, Prof. Cheng Enfu, der auch Leiter der Academy of Marxism in Beijing ist. Er richtete einen eindringlichen Appell an fortschrittliche Politökonomen sich zusammenzuschließen. Mit dem Singen der "Internationale" klang das Forum aus.


ERKLÄRUNG DES 6. FORUMS 2011 DER WORLD ASSOCIATION
OF POLITICAL ECONOMY - WAPE

Antworten auf die kapitalistische Krise: Neoliberalismus und darüber hinaus


Einige Analysten haben ein Ende der "großen Rezession" verkündet, nachdem sich das wirtschaftliche Wachstum gegenwärtig in den meisten kapitalistischen Ländern zu erholen scheint. Die wirtschaftliche Krise, die 2007/ 2008 begonnen hat, ist jedoch nicht vorbei. Während die Profite der Kapitalisten und die Gehälter der Vorstandsvorsitzenden sich erhöht haben, bleibt die Arbeitslosigkeit in den meisten Ländern sehr hoch. Viele, die arbeiten, haben kontinuierliche Kürzungen ihrer Bezahlung hinnehmen müssen, Millionen von Menschen sind von einschneidenden Kürzungen der öffentlichen Dienste und der Sozialleistungen betroffen. Armut und Hunger verbleiben auf einem hohen Niveau.

Als die Großbanken und Großkonzerne 2008-2009 vom Bankrott bedroht waren, haben die kapitalistischen Staaten vorübergehend ihr Gerede von den freien Märkten aufgegeben und ihnen auf Kosten der Steuerzahler aus der Klemme geholfen. Gleichzeitig wurden große Ausgabenprogramme verordnet, um den gesamtwirtschaftlichen Zusammenbruch zu verhindern. Sobald aber die Hilfen erfolgt waren, sobald der freie Fall der Wirtschaft gestoppt war, hat sich die herrschende Meinung sehr schnell wieder in Richtung einer staatlichen Sparpolitik gedreht.

Die Klasse der Kapitalisten weltweit versucht die Verhältnisse einer wirtschaftlichen Krise zu nutzen, um weiter den nunmehr in Misskredit geratenen Neoliberalismus durchzusetzen. Die plötzliche Entdeckung der Tugend ausgeglichener Staatsbudgets wird als Vorwand benutzt, um alle in der Vergangenheit durch politische Kämpfe der Arbeiterklasse erreichten sozialen Errungenschaften zurückzunehmen und die Gewerkschaftsbewegung im staatlichen Sektor zu untergraben. Wir weisen die Behauptung zurück, dass die heutigen Probleme der Staatshaushalte aus der Bereitstellung von Sozialprogrammen resultieren, zusammen mit der besonders bösartigen U.S. Variante, dass der Fehler in übermäßiger Bezahlung und in den Unterstützungsleistungen läge, und sogar im Recht auf gewerkschaftliche Vertretung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Die wirklichen Probleme aber liegen im fortgeschrittenen kapitalistischen System selbst: ungehemmte Finanzspekulation, Notwendigkeit Profite durch Lohndrückerei abzusichern, Weigerung die Reichen in die Pflicht zu nehmen, damit sie ihren angemessenen Anteil an Steuern zahlen und (besonders in den USA) in den hohen Kosten der privatisierten Gesundheitsversorgung; dazu die Militärausgaben und die imperialistischen Kriege. Die Kapitalisten haben sich auch die Bereiche untergeordnet, die zum Kernbereich des Wohlfahrtstaates gehörten, wie z.B. Stromversorgung, öffentliche Einrichtungen, Gesundheit, Telekommunikation usw.

Eine kapitalistische Krisenperiode, wie die gegenwärtige, bringt bedeutende Gefahren mit sich. Während Millionen von Menschen unter der Wirtschaftskrise leiden, versuchen reaktionäre Kräfte in Wissenschaft und Politik öffentliche Unterstützung zu gewinnen, indem sie von den wirklichen Schuldigen ablenken - den großen Banken und Unternehmen und vom kapitalistischen System selbst - und den Blick auf Sündenböcke lenken, wie besitzlose Immigranten, ethnische oder religiöse Minderheiten. Ähnlich gefährlich ist ein mögliches Anwachsen von Spannungen zwischen Staaten, wenn skrupellose Politiker versuchen, andere Länder für die Probleme ihres Volkes verantwortlich zu machen. In den USA z. B. äußern sich einige Politiker und Massenmedien wütend gegen früher arme Länder, die sich in letzter Zeit schnell entwickelt haben, besonders gegen China und Indien.

Die heutigen marxistischen Politökonomen müssen ihre Aufgaben im Kampf gegen diese Gefahren in Theorie und Politik wahrnehmen. Wir können folgende Beiträge leisten:

1. Ökonomische Programme und politische Strategien entwickeln und fördern, die dazu beitragen können, rasch die sich verschlechternden Bedingungen für die arbeitenden Menschen umzukehren.
2. Die Behauptungen der Rechten kritisieren, die von den wirklichen Problemen ablenken, die die arbeitenden Menschen haben.
3. Den Blick auf einen alternativen Sozialismus für das 21. Jahrhundert öffnen und entwickeln, mit dem die Probleme, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, überwunden werden können. 4. Die Wurzeln dieser ökonomischen Krise im Kapitalismus allgemein und im neoliberalen Kapitalismus im Besonderen systematisch analysieren. 5. Sich gegen den Imperialismus und Kriege stellen, die dazu dienen sollen, den Kapitalismus aus dieser Krise zu retten.

Die derzeitige ökonomische Krise bringt Chancen wie auch Gefahren mit sich. Die Krise hat überdeutlich die Irrationalitäten des Kapitalismus aufgedeckt und dem neoliberalen Handeln die Rechtfertigung entzogen. Theorie und Politik zur Lösung der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise und zur Verhinderung zukünftiger ökonomischer Krisen müssen über den Neoliberalismus und Keynesianismus hinaus gehen. Millionen von Menschen sind bereit, ein alternatives Sozialsystem in Erwägung zu ziehen, um ihre Probleme zu lösen. Marxistische Politökonomen tragen Verantwortung, Antworten zu geben auf das weit verbreitete Verlangen nach Lösung der enormen Probleme, die der Kapitalismus bis jetzt hervorgebracht hat.

Wir glauben, dass die einzige langfristige Lösung der vielen ökonomischen Probleme, mit denen sich die große Mehrheit der Menschen auf dieser Welt konfrontiert sieht, darin besteht, den Kapitalismus abzuschaffen und ein sozialistisches System einzuführen. Unter sozialistischen Bedingungen würde jeder die Garantie haben, unter vernünftigen Bedingungen arbeiten zu können, anstatt dass Arbeitslosigkeit und Überarbeitung nebeneinander bestehen. Anstelle großer Reichtümer für wenige, während die Mehrheit kämpft, um über die Runden zu kommen, würde jeder ein angemessenes Einkommen haben. Statt sinnvolle staatliche Programme zu kürzen, würden Staaten die Befriedigung der kollektiven Konsumtionsbedürfnisse der Menschen sicherstellen. Statt einer ständigen Unsicherheit, die in der kapitalistischen Wirtschaft herrscht, würde jeder einen anständigen Lebensstandard von der Geburt bis ins Alter garantiert haben. Statt Zerstörung der natürlichen Umwelt durch profitgetriebenes Handeln würde ökonomisches Handeln darauf gerichtet sein, die Umwelt nachhaltig zu erhalten. Statt dem aggressiven kapitalistischen Streben Märkte, Technologien, Rohstoffen und das Ökosystem anderer Länder zu kontrollieren, würde weltweiter Sozialismus ein System friedlichen Beziehungen zwischen den Nationen unter Respektierung der nationalen Souveränität möglich machen. Anstelle internationaler Abmachungen, die die Arbeiter aller Länder in einer Spirale nach unten gegeneinander ausspielt, würde der Sozialismus ein globales Wirtschaftssystem bringen, das auf Zusammenarbeit und gegenseitigem Nutzen basiert. Marxistische Ökonomen aller Länder sollten sich zusammenschließen, um nach den oben genannten achtbaren Zielen mit den Mitteln der Forschung, der Schrift, der Rede, der Zusammenarbeit und der Organisierung zu streben.

Endgültige Version vom 29. Mai 2011 - von den Teilnehmern einstimmig verabschiedet.


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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 335, Juli 2011, S. 9-10
Herausgeber und Verlag: Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung, Selbstverlag
Anschrift: KAZ-Redaktion, Reichstraße 8, 90408 Nürnberg
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Internet: www.kaz-online.de

KAZ erscheint viermal jährlich.
Einzelpreis: 1,50 Euro
Normalabo: 10,00 Euro, Sozialabo: 7,70 Euro.
Förderabo: mindestens 20,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2011