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KAZ/148: Wieder Deutschland über alles?


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 331, Juli 2010
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Wieder Deutschland über alles?


Vor kurzem kündigte Wirtschaftsminister Brüderle (FDP) eine neue Außenwirtschaftsoffensive an. Schließlich hänge "unser Wohlstand" von der Teilhabe "am weltweiten Handel" (1) ab. Unser Wohlstand? Es ist in diesem Land schon so etwas wie ein staatlich verordneter Glaubensgrundsatz, dass Deutschlands Wohlstand auch unser Wohlstand sei - wir dafür aber den Gürtel enger schnallen müssen. Lohnverzicht und Einsparung von Sozialleistungen retteten schließlich Arbeitsplätze. Es liegt auf der Hand, wem dieser Glaubensgrundsatz nützt: je billiger die Arbeitskraft, umso höher ist der Profit. Je weniger der Staat für Sozialleistungen ausgibt, umso mehr hat er für die Banken und Konzerne und ihre Besitzer übrig. In den letzten Wochen konnte man erfahren, dass dies nicht nur hier im Lande dazu führt, dass immer größere Teile der Bevölkerung immer ärmer werden, während ein winziger Teil im Reichtum erstickt. Es führt auch dazu, dass ganze Staaten immer ärmer werden.


Ein alter Widerspruch

In Deutschland wird laut SZ vom 31.3.10 heute nicht mehr konsumiert als vor 10 Jahren. Wie auch, wenn die Armut wächst? Also drängen die Konzerne in immer noch größerem Maße mit ihren Waren auf die Märkte anderer Länder. Denn irgendwo müssen die hergestellten Waren, seien es nun Maschinen oder Lebensmittel, Energie oder Verkehrsmittel ja verkauft werden. Die deutschen Banken und Konzerne sind seit jeher extrem auf den Export, also auf die Eroberung von Absatzmärkten angewiesen. Der Heimatmarkt war für die Kapazitäten der ökonomisch mächtigen Konzerne stets zu klein - was ein wesentlicher Grund für die Anzettelung von zwei Weltkriegen durch den deutschen Imperialismus war. Mit der Einverleibung der DDR hatte dieser Staat dann zwar 16 Millionen Bürger und damit potentielle Konsumenten mehr. Doch in ihrer Gier schafften es die Konzern- und Bankherren im trauten Bunde mit der Politik, dass ein großer Teil dieser Konsumenten in kürzester Zeit verarmte. Es änderte sich also nichts daran, dass das Feld der deutschen Monopolherren die Welt ist. Ganz im Gegenteil. Während die Armut im Lande stieg, wurden die mächtigen Konzerne durch die Aneignung des DDR-Vermögens noch mächtiger. Der Drang, auf Kosten ihrer Konkurrenten in deren Anlage- und Absatzmärkte einzudringen, wurde nur noch größer. Die EU und der Euro-Raum kamen ihnen da gerade recht, denn damit waren Schutzmechanismen anderer Staaten gegen das Hereindringen deutscher Waren und deutschen Kapitals außer Kraft gesetzt. Es war dabei ein zusätzlicher Nutzen für die deutschen Monopole, dass sie uns ohne größeren Widerstand Lohnverzicht und all die ach so schönen Reformen abpressen konnten.


Lohnverzicht als Konkurrenzvorteil

So berichtete die Bundesbank schon 2003, dass durch die "preisliche Wettbewerbsfähigkeit" der deutschen Unternehmen, diese eine "überproportionale Ausweitung ihrer Ausfuhrlieferungen" in Länder wie Spanien, Griechenland, Irland und auch Italien erzielen konnten, während die Unternehmen dort deutlich "an Boden verloren haben". (2) Inzwischen, so verkündete der Wirtschaftsminister, machen die Exporte rund 40 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts der BRD aus. Allein in den acht Jahren zwischen 2000 und 2008 hat die Bundesrepublik ihren Export um 65 Prozent gesteigert. Fast die Hälfte davon wird in die Länder der Euro-Zone exportiert. Im dem gleichen Zeitraum sanken die Reallöhne hierzulande durchschnittlich um 1,4 Prozent, während sich die Kolleginnen und Kollegen in anderen Euro-Ländern Lohnzuwächse erkämpfen konnten. Schlicht ein Konkurrenzvorteil für die Herrn von VW oder BASF, Telekom oder Thyssen-Krupp, die durch eine Verbilligung der Waren die Konkurrenten aus dem Felde schlagen und trotzdem noch hohe Profite einkassieren konnten. Unter kapitalistischen Verhältnissen, die ja auch in diesen Ländern herrschen, heißt das zunächst einmal, dass die dortigen Kapitalisten einen Teil ihrer Profite nicht mehr realisieren können, weil sie ihre Waren nicht mehr los bekommen bzw. weniger produzieren lassen. Das aber hat dort die Schließung von Betrieben zur Folge und damit steigende Erwerbslosigkeit - Arbeitslosigkeit als Exportartikel. Und es hat für Länder wie Griechenland zur Folge, dass dort stetig weniger produziert wird und so ihre ökonomische Abhängigkeit weiter zementiert wird. Gesamtgesellschaftlich gesehen heißt das, dass ein immer größerer Teil des in diesen Ländern erarbeiteten Reichtums sich in den Händen der deutschen Kapitalisten konzentriert. Das Außenhandelsdefizit dieser Länder steigt und mit ihnen die Staatsverschuldung. Schulden, die sie in erheblichem Maße bei deutschen Banken haben.


Nach dem Motto: An deutschem Wesen soll die Welt genesen

Im Zuge der Auseinandersetzungen um die Krise in Griechenland haben nun Regierungsmitglieder mehrerer Euro-Staaten von der Bundesregierung verlangt, die Inlandsnachfrage anzukurbeln. Es könne nicht sein, dass innerhalb eines Währungsgebietes ein Staat sich auf Dauer zu Lasten der übrigen Staaten bereichert, protestierte die französische Finanzministerin. Doch Kapital und Regierung weisen diese Kritik brüsk zurück. Merkel und Co. verlangen stattdessen, dass die Arbeiter in den anderen Ländern doch genauso zu Lohnverzicht gedrängt werden, wie es hier geschieht. Dass die Sozialleistungen gekürzt, das Rentenalter heraufgesetzt und die Arbeitszeiten verlängert werden. Gleichzeitig kündigt Brüderle frech die weitere Exportoffensive an. "Deutschland", sagt er, "muss noch besser werden." Besser für wen? Schaffen es die Herrschenden in den anderen Euro-Staaten, die Arbeiter und Angestellten zu Lohnkürzungen zu zwingen, wäre ja der Konkurrenzvorteil weg. Man kann sich also an fünf Fingern ausrechnen, dass wir für die angekündigte Exportoffensive mit weiteren Angriffen auf uns bezahlen sollen. Da stellt sich dann doch die Frage, wer das ganze Zeug denn noch kaufen soll, wenn gleichzeitig nicht nur hierzulande die Armut wächst, sondern in noch größerem Ausmaß in den Staaten um uns herum. Während Kapitalisten und Regierung so versuchen, die krisenbedingten Einbrüche zu überwinden, schaffen sie schon die Bedingungen für die nächste Krise.

Unser Wohlstand? Nein, es geht um ihren Wohlstand, ihre Größe, ihre Macht, für die wir und andere Völker bezahlen sollen - koste es, was es wolle.

Arbeitsgruppe
Zwischenimperialistische Widersprüche


(1) Alle Zitate und Fakten, deren Quellen nicht dabei stehen, sind u.a. nachzulesen bei www.german-foreign-policy.com, "Sparen für Deutschland" vom 24.3.2010

(2) Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Oktober 2003, S. 25


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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 331, Juli 2010, S. 23
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2010