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IMI/726: Nerd-Offensive - Der Cyberspace als militärischer Operationsraum


IMI - Informationsstelle Militarisierung e.V.

IMI-Standpunkt 2016/017 vom 28. April 2016

Nerd-Offensive: Der Cyberspace als militärischer Operationsraum

von Jürgen Wagner


Um der gewachsenen Bedeutung des Bereiches Rechnung zu tragen, veröffentlichte die Bundeswehr am 26. April 2016 den "Abschlussbericht Aufbaustab Cyber- und Informationsraum" [1], in dem weitreichende Umstrukturierungen vorgeschlagen werden. In ihm wird der Cyber- und Informationsraum als fünfter Bundeswehr-Teilstreitkräftebereich etabliert: "Der dargestellte strategische Kontext zeigt die militärische Relevanz des CIR [Cyber- und Informationsraum] als eigene Dimension neben Land, Luft, See und Weltraum auf. Dieser ist umfassend Rechnung zu tragen." Bis Oktober 2016 soll hierfür in einer Grundbefähigung im Verteidigungsministerium eine eigene Abteilung "Cyber/IT" (CIT) geschaffen und ein militärischer Organisationsbereich für den Cyber- und Informationsraum bis spätestens April 2017 aufgestellt werden, dem ein eigener Inspektor vorstehen soll. Der CIT werden dann fast 14.000 bislang über verschiedene Abteilungen verstreute Dienstposten angehören. Im Abschlussbericht des Aufbaustabs Cyber- und Informationsraum heißt es dazu: "Mit dem Aufbau des militärischen Organisationsbereiches CIR soll der Cyber- und Informationsraum als Operationsraum bzw. militärische Dimension angemessen abgebildet werden. [...] Dazu wandern in einem ersten Schritt ca. 13.700 Dienstposten mit ihren Aufgaben zum Organisationsbereich CIR. Darüber hinaus werden ca. 300 Dienstposten für die Führungsfähigkeit des KdoCIR, die Aufstellung eines Zentrum Cyber-Sicherheit der Bundeswehr und die Stärkung der Aufgabe Computer Netzwerk Operationen herangezogen."

Bei dem Abschlussbericht handelt es sich nach Eigenangaben um "ergänzende Maßnahmen zur Umsetzung der Strategischen Leitlinie Cyber- Verteidigung". Dieses geheime Dokument vom 16. April 2015, das u.a. von Netzpolitik.org[2] eingehend analysiert wurde, veranschaulicht, dass es bei all diesen Bemühungen keinesfalls nur um die Verteidigung des Cyberraumes geht, sondern auch darum, sich Offensivkapazitäten zu verschaffen. Explizit heißt es in der Leitlinie Cyber-"Verteidigung": "Offensive Cyber-Fähigkeiten der Bundeswehr sind als unterstützendes, komplementäres oder substituierendes Wirkmittel anzusehen. Sie haben zum Einen das Potenzial, in der Regel nicht-letal und mit hoher Präzision auf gegnerische Ziele zu wirken, zum Anderen kann diese Wirkung im Gegensatz zu kinetischen Wirkmitteln unter Umständen sogar reversibel sein. Offensive Cyber-Fähigkeiten der Bundeswehr haben grundsätzlich das Potenzial, das Wirkspektrum der Bundeswehr in multinationalen Einsätzen signifikant zu erweitern."

Zu diesem Zweck will die Bundeswehr nun verstärkt IT-Fachkräfte rekrutieren, gesucht seien aktuell "eher Nerds als Sportskanonen", fasst es tagesschau.de[3] zusammen. Hierfür startete die Bundeswehr im Rahmen des "Projekts Digitale Kräfte" eine massive Rekrutierungskampagne (siehe auch IMI-Standpunkt 2016/16b[4]), deren Details die Bundeswehr zeitgleich mit der Vorstellung des neuen Cyberkonzeptes auf einer Folie[5] veranschaulichte: "rund 60 Kampagnentage"; "Mitte März Plakate-Kampagnenauftakt im CeBIT-Umfeld"; "3 verschiedene Sprüchemotive (unter dem Aspekt 'Sinnstiftung')"; "5 IT-Berufswelt-Botschafter/Botschafterinnen (unter dem Aspekt 'Qualifizierung')"; "Anzeigen in 25 Printtiteln"; "knapp 18.000 Plakat-Flächen"; "45 Online-Banner"; "YouTube- und Facebook-Einsatz über die gesamte Kampagnenlaufzeit"; "Kosten 3,6 Mio Euro".

Ganz offensichtlich rüstet die Bundeswehr in diesem Bereich nun massiv auf - im Kampf um den Cyber- und Informationsraum werden hierfür augenscheinlich weder Kosten noch Mühen gescheut.


Anmerkungen: [1] http://www.bmvg.de/resource/resource/MzEzNTM4MmUzMzMyMmUzMTM1MzMyZTM2MzIzMDMwMzAzMDMwMzAzMDY5NmU2ODYyNzc2MzY5NzMyMDIwMjAyMDIw/Abschlussbericht%20Aufbaustab%20CIR.pdf
[2] https://netzpolitik.org/2015/geheime-cyber-leitlinie-verteidigungsministerium-erlaubt-bundeswehr-cyberwar-und-offensive-digitale-angriffe/
[3] https://www.tagesschau.de/inland/cyber-bundeswehr-101.html
[4] http://www.imi-online.de/2016/04/07/zu-den-waffen-nerds/
[5] http://www.bmvg.de/resource/resource/MzEzNTM4MmUzMzMyMmUzMTM1MzMyZTM2MzIzMDMwMzAzMDMwMzAzMDY5NmU2ODY1NzE3NTYxNmMyMDIwMjAyMDIw/Folien%20CIR%20Online.pdf

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Quelle:
IMI-Standpunkt 2016/017 vom 28. April 2016
Nerd-Offensive: Der Cyberspace als militärischer Operationsraum
http://www.imi-online.de/2016/04/28/nerd-offensive-der-cyberspace-als-militaerischer-operationsraum/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2016

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