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GRASWURZELREVOLUTION/1666: Internationale Woche in Büchel gegen Atomwaffen


graswurzelrevolution 419, Mai 2017
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Internationale Woche in Büchel gegen Atomwaffen
Konzert mit Konstantin Wecker am Hauptaktionstag der Aktionspräsenz "Büchel ist überall - atomwaffenfrei jetzt!"

von Marion Küpker


Wir laden ein, an der Woche mit internationalen Gästen (12.-18. Juli 2017) teilzunehmen. Am 15. Juli spielen Konstantin Wecker und regionale Musik-Gruppen. Es ist der Haupt-Mobilisierungstag unserer bundesweiten Kampagne für ein atomwaffenfreies Deutschland.


Elf US-AktivistInnen (Nonnen, Priester, Quäker, Native American und andere Friedensaktivisten) und weitere aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich kommen nach Büchel. Wir werden viel voneinander erfahren, uns international vernetzen und Spaß haben. Auch weitere Friedensgruppen, wie z.B. der "Initiativkreis Frieden Nürnberg", die GAAA, der Versöhnungsbund und der Wetzlarer Friedenstreff werden sich beteiligen. Am Sonntag, 16. Juli, werden die für Montagfrüh geplanten Aktionen vorbereitet. Dazu gehören auch Aktionen des zivilen Ungehorsams. Diese finden eine Woche nach dem Abschluss der UN-Verbotsverhandlungen (7. Juli) statt. Zur Erinnerung: Die deutsche Regierung hat gegen die Aufnahme dieser Verhandlungen gestimmt und keine/n VertreterIn entsandt. Wir kritisieren diese Entscheidung und wollen mit unseren Aktionen im Blick auf die Bundestagswahl verstärkt Druck ausüben.

Mit einer schönen Auftaktveranstaltung: einem abrüstungspolitischen Matinee und einer gewaltfreien Blockade des Atomwaffenstützpunktes Büchel hat die zwanzigwöchige Aktionspräsenz am 26./27. März 2017 begonnen.

Auftakt

Morgens, am 26. März, haben wir eine Mahnwache in Cochem an der Mosel durchgeführt. Der Vietnamkriegsveteran Stephen Summers, engagiert bei der "Stop The WAR Brigade", brandmarkte die Kriegspolitik der USA und deren Pläne zur nuklearen Aufrüstung. In der Jugendherberge Cochem versammelten sich dann über 70 Menschen, um mit dem Bundestagsabgeordneten Alexander Ulrich (DIE LINKE) und dem Wahlkreiskandidaten Benjamin Zilles (SPD) zu diskutieren. Regina Hagen kritisierte, dass die Bundesregierung nicht an den Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot in New York (1. Verhandlungsrunde 27.-31.3.2017) teilnimmt. Sie stellte die Frage, ob Deutschland mit der Weigerung gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoße. Denn dessen Artikel VI verlange von allen Vertragsstaaten, mit redlicher Absicht Verhandlungen zur vollständigen Abrüstung der Atomwaffen zu führen.

Am Nachmittag zog die Gruppe vor das Haupttor des Fliegerhorstes in Büchel, wo mehrere "Bürgermeister für den Frieden" sprachen. Aus Köln und Bonn wurden Grußworte der Oberbürgermeister verlesen.

Erste Blockadeaktion

An 27. März begannen in New York die UN-Verhandlungen von 132 Staaten zum Atomwaffenverbot. Aus diesem Anlass blockierten an diesem Tag 20 AtomwaffengegnerInnen aus verschiedenen Städten Deutschlands die Zufahrtstore zum Atomwaffen-Stützpunkt Büchel. In der Aktionsvorbereitung einigten sich die TeilnehmerInnen auf die Blockade der vier wichtigsten Tore. Im Gegensatz zu den Protest- und Widerstandsaktionen im letzten Jahr empfing uns in diesem Jahr am Haupttor ein größeres Polizeiaufgebot. Offenbar sollte verhindert werden, dass der einfahrende Verkehr zum Stillstand kommt.

Die achtköpfige Blockadegruppe von JunepA (Jugendnetzwerk für politische Aktionen) wurde bereits nach wenigen Minuten geräumt. Die Mitglieder dieser Gruppe erhielten einen Platzverweis für 24 Stunden. Die anderen Tore konnten besetzt gehalten werden. Nachdem die SoldatInnen und Zivilangestellten zur Frühschicht durch das Haupttor in die Kaserne gefahren waren, versammelten wir uns zum Abschluss (Gruppenfoto) noch kurz vor dem Haupttor. Nachdem wir diese Versammlung beendet hatten, wurden wir plötzlich von einer großen Gruppe von PolizistInnen eingekesselt und am Weitergehen gehindert. Eine unabhängige Journalistin vom Deutschlandfunk, die noch Interviews mit zwei Teilnehmerinnen machte, wurde nicht herausgelassen und als "Fake-Journalistin" betitelt. Bei allen TeilnehmerInnen wurden die Personalien aufgenommen. Diejenigen, die bereits am frühen Morgen einen Platzverweis bekommen hatten, wurden bis in den Nachmittag in polizeilichen Gewahrsam genommen.

Kosten der Atomwaffen-Aufrüstung in Büchel

Die US-Regierung hat für die atomare Aufrüstung insgesamt eine Billion US-Dollar eingeplant, davon 10 Mrd. US-Dollar für die Einführung des neuen Bombentyp B61-12 in Europa. US-Präsident Trump will die NATO-Länder für ihre "Sicherheit" zahlen lassen. Das würde bedeuten, dass im deutschen Verteidigungsetat auch die Kosten für diese neuen Bomben enthalten sein können.

Derzeit sind 280 US-Atombomben in den europäischen Ländern im Rahmen der "Nuklearen Teilhabe" stationiert. US-SoldatInnen bewachen die Atombomben auf den jeweiligen Militärbasen, auch in Büchel. Im Kriegsfall werden diese Bomben auf NATO-Befehl (Befehlshoheit liegt beim US-Präsidenten Trump) an die jeweilige europäische Armee übergeben, z.B. an, die Bundeswehr. Deutsche Piloten müssten die Atombomben dann ins Ziel-Gebiet fliegen und abwerfen. Aus diesem Grunde üben deutsche Piloten regelmäßig den Abwurf der Atombomben und nehmen an entsprechenden NATO-Manövern teil. Ausnahme ist die Türkei. Zwar sind auf der NATO-Basis Incirlik 50 Stück der B61-Atombomben stationiert, aber türkische Piloten haben keinen Zugriff auf diese Bomben. Erprobte Piloten aus Büchel stehen mit ihren Atomwaffen-Jets, den Tornados, in Incirlik bereit, d.h. sie können jederzeit auch dort den Einsatzbefehl bekommen.

Alle in Europa stationierten 280 US-Atombomben verstoßen gegen den Atomwaffensperrvertrag, dem diese Länder beigetreten sind. Darin haben sie sich verpflichtet, Atomwaffen oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen. Die Illegalität bzw. Völkerrechtswidrigkeit dieser Bomben wird durch zahlreiche weitere Gesetze bestätigt, die sich die deutsche Regierung bisher weigert anzuwenden.

Insgesamt "36 Jahre Knast" kommen zur Aktionspräsenz "Büchel ist überall - atomwaffenfrei jetzt!" zur internationalen Woche. Mensch beachte auch die super Frauenquote:

Susan Crane war 6 Jahre wegen friedenspolitischen Aktionen inhaftiert.
Carol Gilbert: 7,5 Jahre
Ardeth Platte: 7,5 Jahre
Bonnie Urfer: 6,5 Jahre
John LaForge: 4,5 Jahre
Steve Baggarly: 2 Jahre
Kathy Boylan: 2 Jahre
Insgesamt: 36 Jahre

Susan Crane, Kriegssteuerverweigerin, gewaltfreie Anti-Kriegs-Aktivistin und Catholic Worker. Sie lebt und arbeitet in Redwood City in einem Catholic-Workers-Haus für Obdachlose.

In den letzten 48 Jahren hat sie versucht, dem Ökonomischen und politischen System ihre Zustimmung zu entziehen, denn dieses System ist das Todesurteil für alles Leben auf dieser Welt. Mit ihren Pflugschar-Aktionen hat sie die Gefahren, die Illegalität und die Unmoralität der Atomwaffen angeprangert. Sie war insgesamt über 6 Jahre für diese Friedensaktionen im Gefängnis. Susan spielt Saxophon. Carol Gilbert ist eine Dominikaner-Schwester des Grand-Rapids-Ordens in Michigan, welchem sie im Jahr 1965 im Alter von 18 Jahren beigetreten ist.

Ardeth Platte, Nonne, ist seit 63 Jahren eine Dominikaner-Schwester des Grand-Rapids-Orden in Michigan. Sie war Lehrerin, Schulleiterin, gewählte Stadträtin, stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Saginaw in Michigan, sowie Koordinatorin und Organisatorin der Advocacy for Justice (Anwaltschaft für Gerechtigkeit). 12 Jahre arbeiteten Schwester Carol und Schwester Ardeth in Vollzeit an der Organisation und Mobilisierung von gewaltfreien Aktionen gegen zwei Atomwaffen-Stützpunkte im Staat Michigan. Nachdem hunderte AktivistInnen verhaftet und angeklagt wurden (viele wurden inhaftiert), wurden beide Basen geschlossen.

In den letzten 23 Jahren nahmen beide Nonnen an vielen gewaltfreien Aktionen teil: am Pentagon, am Weißen Haus, an den ausländischen Botschaften, am Sitz der Vereinten Nationen und an vielen Orten, an denen US-Atomwaffen stationiert sind. Die beiden haben vier Pflugschar-Aktionen (symbolische Abrüstungsaktionen nach Micha 4 Vers 3) durchgeführt und erhielten hierfür gemeinsam den Internationalen Friedens- und Gerechtigkeitspreis (International Peace and Justice Award). (1)

Bonnie Urfer ist Mitglied der Organisation Nukewatch in Wiscosin. Sie organisierte 28 Jahre lang Friedenscamps, Anti-Atomwaffen-Märsche und die Überwachung der Wasserstoffbomben-Transporte. Sie nahm an vielen Aktionen des gewaltfreien Widerstands teil. Derzeit lebt sie auf einem Stück Land, das von der Pflugscharbewegung treuhänderisch verwaltet wird (Plowshare Land Trust). Sie ist zwar glücklich in Rente aber immer noch Aktivistin.

Steve Baggarly lebt in Norfolk, Virginia, in dem am stärksten militarisierten Gebiet unseres Planeten. Er ist Gründungsmitglied der "Norfolk Catholic Worker Gemeinde" (1989), die ein Haus mit Suppenküche für Obdachlose und Kranke betreibt. Er nahm an Protesten gegen Krieg und Atomwaffen entlang der Ostküste der USA teil, einschließlich der Prince-of-Peace-Plowshares-Aktion in 1997. Für die Reise nach Büchel verlässt er das erste Mal die USA.

John LaForge von Nukewatch, Wisconsin, ist Mitherausgeber des vierteljährlichen Newsletters "Nukewatch", und schreibt regelmäßig Artikel für Peace-Voice.org, sowie CounterPunch.org. Er war im Jahr 2003 Mitorganisator der Welturanwaffenkonferenz in Hamburg und ist einigen von uns aus früheren Vortragsreisen über die US-Anti-Atomwaffen-Bewegung bekannt. Zuletzt spielte er 2013 in Büchel mit seiner Trompete in unserer 24-stündigen Musikblockade mit der Gruppe Lebenslaute. Im Jahr 2004 wurden John und mehrere andere Angeklagte für das widerrechtliche Betreten der Produktionsstätte von Uranwaffen Alliant Tech Systems für nicht-schuldig befunden. Das Gericht erkannte, dass das widerrechtliche Betreten des Geländes angesichts der internationalen Rechtswidrigkeit des Produzierens von abgereicherten Uranwaffen zu entschuldigen sei. Gemeinsam haben John und ich einige Workshops auf den Konferenzen zum Atomwaffensperrvertrag der UN über die völkerrechtswidrige Stationierung der US-Atomwaffen in Europa abgehalten.

Nach 15 Jahren gewaltfreier Aktionen gegen das "Antennensystem für den Nuklearen-Erstschlag" (Projekt E.L.F.) wurde dieses Militärprojekt beendet. John ist Mit-Empfänger des Friedenspreises 1985 der "War Resisters League" sowie des Zivilcourage-Preises 2004 der US-Peace-and-Justice-Studies-Association (US-Gesellschaft für Friedens- und Gerechtigkeitsstudien).

Kathy Boylan, 73 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in New York City, wurde 1968 durch die Aktion der "Neun von Catonsville" (öffentliches Verbrennen von Einberufungsbefehlen) zur friedensschaffenden Widerstandsarbeit gegen Krieg, Atomwaffen und Atomenergie inspiriert. Sie war aktiv für die Schließung der "School of the Americans", einer amerikanischen Folter-Militärschule. Kathy hat an fünf Pflugschar-Aktionen teilgenommen. Bei einer Aktion hat sie ihr eigenes Blut auf den Enola-Gay-Bomber verschüttet. Das ist jener B-29-Bomber, der dazu genutzt wurde, am 6. August 1945 die Atombombe auf Hiroshima abzuwerfen. Nun steht dieser Bomber im Smithsonian Museum in Washington. Seit 1993 ist Kathy Mitglied der "Dorothy Day Catholic Workers" in Washington. Diese Organisation hält am Pentagon und am Weißen Haus Mahnwachen ab.

Leona Morgan vom Volk der Diné bzw. Navajo, ist 36 Jahre alt und war 2014 Mitbegründerin von "Diné No Nukes". Diese Initiative thematisiert die Auswirkungen der gesamten nuklearen Kette (Dinenonukes.org). Leona arbeitet gegen den nuklearen Kolonialismus, der gegen die indigenen Bevölkerungen der USA ausgeübt wird. Dabei kämpft sie besonders gegen den Uranabbau im traditionellen Gebiet der Diné Bikeyah. Es gibt über 10.000 verlassene Uranminen, die sich fast alle in der Westhälfte der USA befinden. Diese Minen liegen zu fast 80 % auf dem Land der Native Americans. Es gibt zu dieser Verseuchung weder Untersuchungen noch wurden diese Gebiete bisher dekontaminiert.

Ralph Hutchison ist Koordinator von "Oak Ridge Environmental Peace Alliance" und arbeitet seit über 30 Jahren gegen die Y12-Anlage bei Oakridge in Tennessee. In dieser Anlage werden die nuklearen Komponenten aller neuer US-Atomwaffen produziert. Er war in verschiedenen Beratungsausschüssen, die sich mit den radioaktiven Hinterlassenschaften und den gesundheitlichen Auswirkungen der Anlagen beschäftigen. Er koordinierte viele Aktionen am Y12-Atomwaffen-Betriebsgelände. Er wurde für diese gewaltfreien Aktionen inhaftiert. Ralph ist ordinierter Pfarrer der presbyterianischen Kirche.

Carmella Cole ist Studentin der "Universität von Tennessee. Sie ist Vorstandsmitglied von "Oak-Ridge Environmental Peace Alliance". Sie war verantwortliche Organisatorin der "Youth Action for Peace" im Mai 2015 an der Y12-Atomwaffen-Anlage in Oak Ridge/Tennessee. Carmella spielt Geige.

Meldet euch für die Planung bitte vorher an. Einige der internationalen Gäste sind auch zu anschließenden Vorträgen bereit. Anfragen und Kontakte über mich.

Kommt nach Büchel! Trefft auf viele interessante AktivistInnen und tauscht euch aus!.


Marien Küpker ist internationale Koordinatorin der DFG-VK gegen Atomwaffen.

Es gibt noch viele freie Termine im Aktionskalender. Ihr könnt in Büchel Mahnwachen und Aktionen des gewaltfreien Zivilen Ungehorsams durchführen - eigenverantwortlich im Rahmen unseres Aktionskonsenses. Angemeldete Gruppen können gerne noch verstärkt werden. Auf unserer Website steht ein aktueller Kalender bereit:
www.buechel-atombombenfrei.de

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Quelle:
graswurzelrevolution, 46. Jahrgang, Nr. 419, Mai 2017, S. 11
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
Koordinationsredaktion Graswurzelrevolution:
Breul 43, D-48143 Münster
Telefon: 0251/482 90-57, Fax: 0251/482 90-32
E-Mail: redaktion@graswurzel.net
Internet: www.graswurzel.net
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2017

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