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GLEICHHEIT/5388: Wirtschaftskrieg gegen Russland - Präsident Putin appelliert an Oligarchen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Wirtschaftskrieg gegen Russland: Präsident Putin appelliert an Oligarchen

Von Clara Weiss
24. Dezember 2014



Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich angesichts eines massiven Spekulations-Angriffs auf den Rubel [1] durch das von den imperialistischen Mächten kontrollierte Finanzsystem direkt an die russischen Oligarchen gewandt. Am Freitag traf er sich mit führenden russischen Finanz-Tycoons und Großindustrieellen, um die Allianz des Kremls mit der Finanz- und Wirtschaftsoligarchie zu stärken. Putin reagiert damit auf wachsende Spannungen innerhalb der herrschenden Elite über den Wirtschafts- und außenpolitischen Kurs des Kremls.

Bei dem alljährlichen Abendessen zwischen dem Kreml-Chef und den führenden Köpfen der Oligarchie des Landes, versicherte Putin den Oligarchen, dass die Sanktionen des Westens nicht auf ihre Kosten ausgetragen würden.

Laut einem Teilnehmer des Treffens, der von der russischen Wirtschaftszeitung Vedomosti zitiert wurde, versicherte Putin den Unternehmern und Bankern, dass der Kreml nicht gegen den massenhaften Verkauf von Rubeln einschreiten werde. Stattdessen habe Putin die Oligarchen gebeten, "bürgerliches Verantwortungsgefühl" an den Tag zu legen und trotz der dramatischen Abwertung des Rubels den Währungsverkauf einzuschränken.

Putin betonte, das Treffen solle dazu dienen, dass "wir alle die gegenseitige Unterstützung fühlen, also der Staat die Unterstützung eurer Geschäfte und eurer Kollektive fühlt". Dem Vedomosti-Bericht zufolge fand das Treffen in einer "sehr herzlichen Atmosphäre" statt. Ein anderer Oligarch kommentierte: "Die Hauptbotschaft des Treffens war folgende: die Regierung wird das Business schützen, also soll auch das Business der Regierung helfen."

An dem Treffen nahmen Vertreter von 41 führenden russischen Unternehmen und Banken teil, darunter die Oligarchen Petr Aven, Roman Abramowitsch, Wiktor Wechselberg, Oleg Deripaska und Leonid Michelson, Michail Prochorow, Alischer Usmanow und Ruben Wardjanjan. Insgesamt war die obere Liga der reichsten Leute auf der Forbes-Liste vertreten.

Der Einbruch des Rubels und der russischen Börse hatte die zwanzig reichsten Russen allein in einer Woche 10 Milliarden Dollar gekostet. Laut einem Bericht des russischen Forbes-Magazins haben sie seit Beginn der Sanktionen über 73 Milliarden US-Dollar ihres Vermögens eingebüßt. Die offiziellen Vermögenswerte einiger Oligarchen haben sich dabei mehr als halbiert. Als Reaktion auf die Krise schaffen sie immer mehr Kapital auf ausländische Banken, was ihre direkte Abhängigkeit vom Imperialismus weiter vergrößert.

Das Putin-Regime reagiert auf die westliche Aggression mit Offerten an den Imperialismus und die Oligarchen. Auf einer dreistündigen Pressekonferenz am Donnerstag bezeichnete Putin die imperialistischen Mächte als "westliche Partner" und betonte sein Interesse an internationaler Kooperation. Am Tag zuvor war der Oligarch Wladimir Jewtuschenkow freigelassen worden. Jewtuschenkow, der auf der Liste der reichsten Russen Platz 15 einnimmt, war im September wegen des Verdachts auf Geldwäsche unter Hausarrest gestellt worden. Dieses Vorgehen war in der westlichen und in der russischen Finanzpresse scharf kritisiert worden.

Um sich die politische Unterstützung der Oligarchen zu sichern, ist das Putin-Regime bereit, die gesamte Last der Wirtschaftskrise auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. Der Kreml hat die Sparprogramme weiter verschärft. Gleichzeitig werden Gesetze vorbereitet, welche die Vermögen der Oligarchen vor den Auswirkungen der Sanktionen schützen solenl. Gemäß dem Rotenberg-Gesetz - benannt nach dem Putin-Freund und Oligarchen Arkadij Rotenberg - übernimmt der Kreml die Rückzahlung von Vermögenswerten, die russischen Oligarchen im Ausland aufgrund der Sanktionen entzogen werden.

Die Idee stammt von Rotenberg, dem die italienische Regierung im Oktober eine Villa im Wert von 40 Millionen US-Dollar entzogen hat. Die überwiegende Mehrheit der Duma stimmte in der ersten Lesung im Oktober für das Gesetz. Mit dem Gesetz würden im Wesentlichen die Kosten für "geraubtes Diebesgut" von Oligarchen der russischen Bevölkerung aufgelastet. Es ist eine von vielen Maßnahmen des Kremls, die den reaktionären Charakter der Putin-Regierung offenbart.

Auf die massive Entwertung des Rubels reagierte die Leiterin der russischen Zentralbank, Elvira Nabiullina, indem sie den Leitzins mit Wirkung ab 1. Januar 2015 von 6,5 Prozentpunkte auf 17 Prozent mehr als verdoppelte. Der Schritt wurde in der internationalen Finanzpresse als lange überfällig und notwendig bejubelt.

Der schwache Rubel soll dabei ähnlich wie bei der Finanzkrise 1998 ein Mechanismus sein, um Löhne und Sozialleistungen auszuhebeln. Deswegen wird eine Politik des schwachen Rubels auch von bedeutenden Teilen der Oligarchie begrüßt. Schon vor dem Beginn des Wirtschaftskriegs gegen Russland hatte die Zentralbank Ende letzten Jahres eine deutliche Abwertung vorgenommen.

Insbesondere der ehemalige Finanzminister und Putin-Vertraute Alexei Kudrin, der für seinen harten Sparkurs in den Jahren 2000 bis 2011 in internationalen Finanzkreisen sehr beliebt ist, begrüßte die Maßnahme als schmerzhaften, aber notwendigen Schritt, um die russische Wirtschaft zu reformieren. Kudrin fordert [2] seit langem, dass die Regierung das Rentenalter erhöht, Staatsbetriebe privatisiert und ein ausgeglichenes Budget anstrebt.

Der Spiegel spekuliert in seiner aktuellen Ausgabe über eine Rückkehr Kudrins in die Regierung. Die Rubelkrise könne "politische Turbulenzen" auslösen. Regierungschef Dmitrij Medwedew sei von Putin "längst entmachtet" worden und in den letzten Tagen sei "wohl nicht zufällig" Kudrins Name als mögliche Alternative gefallen. Gleichzeitig stellt das Blatt fest, dass "Putins Umgebung dazu nicht bereit ist". Kreml- nahe Parlamentarier bezeichneten den Einbruch des Rubels vor allem als "Sabotage".

Das Ausmaß der politischen und wirtschaftlichen Krise wird immer häufiger mit dem dramatischen Gesellschafts- und Wirtschaftszusammenbruch in den 1990er Jahren verglichen. Nach der kapitalistischen Restauration, welche die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung vollkommen ruinierte, jagte eine Wirtschaftskrise die nächste, Oligarchen-Cliquen lieferten sich mörderische Mafia-Kriege und die Regierung musste sich alle paar Monate neu formieren.

Auch wenn Putin die "sehr herzliche Atmosphäre" des Oligarchen-Treffens betonte, kann sich die Regierung der Unterstützung der Oligarchen keineswegs mehr sicher sein. Trotz seiner fortwährenden Angebote an den Imperialismus, kritisieren westliche Regierungen und Medien sowie bedeutende Teile der russischen Finanz- und Wirtschaftselite seine Politik als zu wenig kompromissbereit.

Die russische Version des Forbes-Magazins kommentierte die Pressekonferenz vom Donnerstag mit den Worten: "Die Versuche des Kremls die Situation als 'gewöhnliche Krise' darzustellen, die es auch in großen und starken Wirtschaften gibt, ist ein Zeichen der Unangemessenheit. [...] Die Situation ist außerordentlich. [...] In diesen Tagen stehen viele russische Geschäftsmänner und selbst die Staatsbürokratie vor der Frage - soll man überhaupt in diesem System bleiben, das, wie viele meinen, in den Selbstmord führt."

In der russischen Oligarchie und Staatsbürokratie geht die Angst um, dass ohne eine bedingungslose Kapitulation vor dem Imperialismus ihre gesamten Vermögen und ihre Macht in Russland selbst auf dem Spiel stehen. Gleichzeitig werden die sozialen Spannungen durch den Wirtschaftskrieg der USA und EU und die offene Protektion der Oligarchie durch den Kreml enorm verschärft. Die Rubel-Abwertung trifft die breite Mehrheit der Bevölkerung, die bereits völlig verarmt ist, am härtesten.


Anmerkungen:
[1] http://www.wsws.org/de/articles/2014/12/19/rube-d19.html
[2] http://www.wsws.org/de/articles/2014/11/28/kudr-n28.html

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Quelle:
World Socialist Web Site, 24.12.2014
Wirtschaftskrieg gegen Russland: Präsident Putin appelliert an Oligarchen
http://www.wsws.org/de/articles/2014/12/24/russ-d24.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2014


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