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GLEICHHEIT/5175: Krise im Irak verschärft Spaltungen innerhalb der iranischen Elite


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Krise im Irak verschärft Spaltungen innerhalb der iranischen Elite

Von Keith Jones
25. Juni 2014



Der Iran hat auf die Besetzung eines Großteils des nördlichen und westlichen Iraks durch die Truppen der Organisation Islamischer Staat des Iraks und Syriens (Isis) und lokaler sunnitischer Milizen reagiert. Das Regime in Teheran hat die Unterstützung für den irakischen Premierminister Nuri al-Maliki und seine schiitisch dominierte Regierung verstärkt.

Berichten zufolge hat der Iran zahlreiche Kämpfer der Revolutionsgarden geschickt, um das irakische Militär und die kürzlich zusammengestellten, regierungsfreundlichen schiitischen Milizen zu unterstützten. In einer Rede am Mittwoch schwor der iranische Präsident Hasan Rohani, dass der Iran intervenieren werde, um wichtige schiitische Heiligtümer im Irak zu schützen, falls Isis versuchen sollte, ihre Drohungen wahr zu machen diese zu erobern und zu zerstören.

Rohani und seine wichtigsten Helfer und Berater haben zudem signalisiert, dass sie bereit sind, mit Washington bei der "Stabilisierung" der irakischen Regierung und des Staates zusammenzuarbeiten.

Andere Teile der iranischen Elite, vor allem im Sicherheitsapparat der islamischen Republik jedoch lehnen, die strategisch militärische Kooperation mit der US Regierung und denen öffentlich ab, die dem Iran lähmende wirtschaftliche Sanktionen aufgezwungen und ihm wiederholt mit Krieg gedroht haben.

Ali Shamkhani, der Leiter des Obersten Nationalen Sicherheitsrates des Iran, nannte die Behauptungen über eine amerikanisch-iranische Zusammenarbeit "unwahr" und sagte, dass diese gleichbedeutend mit "psychologischer Kriegsführung" seien. Er bestand darauf, dass die Hilfe des Iran für die Regierung des Irak "bilateral sein wird und kein drittes Land beteiligen" werde.

Am Mittwoch erklärte Generalmajor Hassan Firouzabadi, der Stabschef der iranischen Streitkräfte: "Eine Zusammenarbeit zwischen dem Iran und den USA wird niemals zustande kommen und hat auch keine Bedeutung." Am Anfang der Woche hatte Firouzabadi die USA beschuldigt, sich einzumischen und Maliki durch "militärische Intervention" zu zwingen, sein Amt niederzulegen". Er fügte hinzu, dass den "Krokodilstränen" der USA über den Extremismus im Irak "nicht zu trauen sei, da sie noch immer die Verbündeten der Hintermänner und Financiers von Terroristen in der Region" seien.

Die USA und ihre regionalen Verbündeten, einschließlich Saudi-Arabiens, Katars und der Türkei haben islamistische Milizen, auch Isis und Al Quaida Verbündete und deren Partner, bewaffnet und finanziert, um den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und sein Baath-Regimes zu stürzen. Außerdem haben sie dies getan, um den engsten regionalen Verbündeten Syriens, den Iran, zu isolieren, zu bedrohen und zu schikanieren.

Der Iran hat enge Beziehungen zu Malikis schiitisch dominiertem Regime unterhalten, welches seinerseits bemüht war, zwischen Teheran und Washington zu balancieren. Ein wichtiger Faktor, warum Washington sich zunehmend über Malikis schlechte Regierungsführung beklagte, ist die Tatsache, dass dieser die Forderungen der USA zurückwies, den Iran davon abzuhalten, dem Assad Regime über den Irak Hilfe zu leisten.

Obwohl die Offensive der Isis und der sunnitischen Milizen die strategische Position des Iran bedroht, sehen Rohani und Teile der bürgerlichen Elite des Iran darin einen Silberstreif am Horizont. Denn sie ermöglicht ihnen, Washington zu zeigen, dass der Iran bereit ist, die strategischen Interessen der USA im Nahen Osten zu unterstützen.

Vom Ende der vorletzten Woche an signalisierten Rohani, seine Helfer und Anhänger mehrere Tage lang immer wieder ihre Bereitschaft, mit Washington zusammenzuarbeiten. Nachdem der iranische Präsident erklärt hatte, dass alle Länder zusammenarbeiten sollten, um den Terrorismus zu bekämpfen, sagte er: "Sollten die Amerikaner Maßnahmen gegen Terrorgruppen [im Irak] ergreifen, können wir dies in Erwägung ziehen". Am Montag twitterte Hamid Aboutalebi, einer der engsten außenpolitischen Berater Rohanis, eine Reihe von Nachrichten, die sich für eine US-iranische Zusammenarbeit im Irak aussprachen. "Iran und Amerika" behauptete Aboutalebi "seien aus regionaler Machtperspektive gesehen, die beiden einzigen Länder, welche die Krise im Irak friedlich beenden können".

Seit seiner Machtübernahme letzten August hat Rohani die Annäherung an Washington gesucht. Ende November kam es zu einem einstweiligen Atomabkommen, in welchem der Iran große Zugeständnisse an die USA und deren Verbündete in der Europäischen Union gemacht hat. Er hat sein ziviles Atomprogramm eingeschränkt und in beispielloser Weise internationaler Kontrolle unterstellt. Im Gegenzug haben die USA ihre wirtschaftlichen Sanktionen, die Irans Ölexporte halbiert hatten und den Außenhandel blockierten, etwas gelockert.

Rohani hat auch seine Absicht signalisiert, Irans Wirtschaft neu nach dem Westen hin auszurichten. Europäische und amerikanische transnationale Unternehmen wurden mit Versprechen auf Öl und andere Zugeständnisse umworben. Auch hat er angekündigt, Irans Privatisierungspläne dramatisch zu beschleunigen.

Obwohl die USA den Iran im Januar von der internationalen Konferenz über Syrien ausgeschlossen hatten, hat Rohanis Regierung sich bemüht, sich als zukünftigen Partner der USA für die Stabilisierung des Nahen und Mittleren Ostern, von Afghanistan bis zum Libanon, zu präsentieren. Vertreter Irans haben wiederholt auf Teherans Geheimdienstinformationen hingewiesen, die den USA zugespielt wurden, als sie im Jahr 2001 in Afghanistan einmarschierten. Anschließend seien sie dabei behilflich gewesen, die Unterstützung zusammenzutrommeln, die Amerika benötigte, um Hamid Karzai zum Präsidenten des Landes zu machen.

Rohani wartete fünf Tage bevor er Assad zu seiner jüngsten Wiederwahl als syrischer Präsident gratulierte und tat dies nur unter Druck der mit ihm rivalisierenden Fraktion der Prinzipalisten im iranischen Parlament. In politischen Kreisen des Irans wurde dies allgemein als Versuch Teherans interpretiert, sich von der syrischen Regierung zu distanzieren.

Irans oberster Führer, Ayatollah Khamenei, befürwortet Rohanis Hinwendung zu den USA und hat wiederholt alle Teile der Elite gedrängt, die diplomatische Offensive der Regierung zu unterstützen. Es war bedeutsam, dass letzten Monat der Stabschef des iranischen Militärs, Firouzabadi, einige Medien tadelte, die mit der Revolutionsgarde in Verbindung gebracht werden, weil sie sich von Khameneis Unterstützung von Rohanis Regierung und deren Angeboten an den Westen distanziert hatten. Firouzabadi gelobte: "wenn sie ihre Haltung nicht ändern, werden wir gegen sie vorgehen".

Jedoch haben einige Teile der iranischen Elite wirtschaftliche und politische Interessen, von denen viele mit dem Netz von Unternehmen verbunden sind, die mit den Revolutionsgarden in Verbindung stehen. Diese sehen sich durch Rohanis proamerikanische und proeuropäische Orientierung bedroht. Ihre Opposition und die Förderung des reaktionären schiitischen Nationalismus haben ihren Grund auch in den Ängsten vor der Reaktion der Bevölkerung, vor allem der Arbeiterklasse wegen Irans erbärmlicher Unterwerfung unter den Imperialismus.

Zweifellos aufgrund sowohl der Opposition innerhalb des iranischen Sicherheitsapparates als auch der widersprüchlichen Signale aus Washington über die Klugheit jeglicher Form von Zusammenarbeit mit Teheran, schien es, als ob die Rohani-Regierung am letzten Mittwoch ihr Angebot zurückziehe, mit den USA zusammenzuarbeiten, um die irakische Regierung zu stützen. Rohanis Stabschef Mohammad Nahavandian sagte auf einem Forum internationaler Beziehungen in Oslo, dass erst eine endgültige Einigung über die Atomfrage erreicht werden müsse, bevor eine strategische Zusammenarbeit zwischen dem Iran und den USA voranschreiten könne.

Weder Nahavandians Aussage noch Firouzabadis Äußerung, dass die Zusammenarbeit zwischen Teheran und Washington unmöglich sei, sollte für bare Münze genommen werden. Es existiert seit Langem eine Tradition taktischer und ausdrücklicher Zusammenarbeit zwischen den USA und dem Iran, so auch im Jahr 2007 während der "Intensivierung" der Besetzung des Irak (durch Aufstockung der Truppen) durch die Bush-Regierung.

Aber der US Imperialismus hat unter mehreren Präsidenten immer wieder deutlich gemacht, dass er das Ziel hat, den Iran erneut unter ein neokoloniales Joch zu zwingen, wie es vor der Revolution im Jahr 1979 bestand, und dass es keine "Normalisierung" der Beziehungen zu Teheran geben werde, da der Iran nicht bereit sei, die Hegemonie der USA über den Nahen Osten zu akzeptieren und sich damit einverstanden zu erklären.

Selbst als sich letzte Woche die Krise im Irak zuspitzte, forderten die USA und ihre Verbündeten in der Europäischen Union bei zuvor geplanten Gesprächen in Wien als Voraussetzung für die "endgültige Lösung" des Atomdebatte, dass der Iran praktisch jegliche Urananreicherung aufgeben müsse. Und obwohl der Iran ein weiteres großes Zugeständnis machte, in dem er zustimmte, dass die wirtschaftlichen Sanktionen auch nach dem in Krafttreten eines "endgültigen" Abkommens in Kraft bleiben sollten, sagten amerikanische und europäische Diplomaten, dass der Iran weit entfernt sei, die "schwierigen Entscheidungen" zu treffen, die nötig seien, um ein Abkommen zu erreichen, bevor das Interimsabkommen am 20. Juli ausläuft.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 25.06.2014
Krise im Irak verschärft Spaltungen innerhalb der iranischen Elite
http://www.wsws.org/de/articles/2014/06/25/iran-j25.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2014