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GLEICHHEIT/5165: Der Fall von Mosul und die Verbrechen des Imperialismus


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Der Fall von Mosul und die Verbrechen des Imperialismus

Von Bill Van Auken
13. Juni 2014



Der Fall der zweitgrößten irakischen Stadt Mossul in die Hände von ISIS (Islamischer Staat des Irak und Syriens) kommt einer glühenden Anklage des US-Imperialismus und seiner Verbrechen im Irak und im ganzen Nahen Osten gleich.

Von der Organisation ISIS hat sich wegen ihrer exzessiven Gewaltorgien und ihrem sektiererischen Fanatismus selbst al-Qaida distanziert. Nachdem sie am Dienstag Mossul überrannt hatte, eroberte ISIS auch Tikrit, die Heimatstadt Saddam Husseins, und Teile des etwa 120 Kilometer von Bagdad entfernten Samara, sowie Kirkuk im Norden.

Die Truppen der irakischen Armee, die von den USA mit zwanzig Milliarden Dollar aufgebaut worden war, schmolzen dahin. Die Soldaten zogen, die Kommandeure vorneweg, ihre Uniform aus und warfen die Waffen fort.

Mittwochabend wurde berichtet, dass Sondertruppen der Regierung dreißig Kilometer nördlich von Bagdad in Erwartung eines Angriffs auf die Hauptstadt eine Verteidigungslinie errichtet hätten.

Über eine halbe Million Menschen sind vor den Kämpfen in Mossul geflohen. Hilfsorganisationen nannten das "eine der größten und plötzlichsten Massenfluchten der jüngeren Weltgeschichte".

Seit 2003 hatte die Stadt, genauso wie der übrige Irak, schwer unter dem amerikanischen Krieg und der Besatzung gelitten. Ihre Infrastruktur war zerstört. Die bescheidenen Wiederaufbaumaßnahmen wurden von Korruption behindert und trugen wenig dazu bei, das Leiden der Bevölkerung zu lindern.

Durch den Krieg und seine Folgen wurden Ärzte, Lehrer, Rechtsanwälte, Ingenieure, Journalisten und Wissenschaftler entweder getötet oder aus Mossul vertrieben.

Die amerikanische Besatzungsstrategie des "Teile und Herrsche" löste einen religiösen Bürgerkrieg aus, der den multiethnischen Charakter der Stadt zerstörte. Sunnitische, schiitische, kurdische, assyrische Bevölkerungsteile wurden aus Gebieten vertrieben, in denen sie in der Minderheit waren. Blutige "ethnische Säuberungen" waren die Folge.

Die Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki setzte diese sektiererische Politik fort. Maliki ist der Führer der schiitischen Partei, die noch vom amerikanischen Besatzungsregime eingesetzt worden war. Er ließ prominente sunnitische Politiker einsperren, ins Exil treiben und töten und behandelte jede Opposition gegen seine Regierung als "Terrorismus". Das verstärkte das Gefühl der Verzweiflung in der überwiegend sunnitischen Provinz Anbar und bereitete den Boden für Elemente wie ISIS.

Jetzt herrscht in den amerikanischen Medien lähmender Unglaube vor. Die US-Journalisten fragen sich, wie das passieren konnte, nach all den "Opfern", die die Vereinigten Staaten gebracht haben, nach 4.500 toten und zehntausenden verwundeten US-Soldaten und der Verausgabung von Billionen Dollar.

Was für eine Heuchelei! Die Katastrophe im Irak ist das direkte Ergebnis der (vergangenen und heutigen) Verbrechen des US-Imperialismus. Sie sind Teil seines Versuchs, seine Vorherrschaft über den Nahen Osten und dessen enorme Energiereserven zu verteidigen.

Die USA sind im März 2003 unter dem Vorwand in den Irak eingefallen, das Regime Saddam Husseins entwickle "Massenvernichtungswaffen" und schmiede Beziehungen zu al-Qaida, wodurch angeblich die unmittelbare Gefahr eines nuklearen 11. September bestehe.

Die ganze Welt weiß heute, dass dieser Vorwand von der ersten bis zur letzten Silbe erlogen war. Es gab keine Massenvernichtungswaffen. Saddam selbst, ein Gegner al-Qaidas, führte ein säkulares Regime, was auch immer seine sonstigen Verbrechen gewesen sein mögen. Vor der Invasion und der Zerstörung des Iraks durch amerikanische Truppen war Al-Qaida im Lande nicht präsent.

Bushs Verbrechen im Irak fielen über eine Million Menschen zum Opfer, eine ganze Gesellschaft wurde zerstört. Ihnen folgten die Verbrechen der Obama-Regierung in Libyen und Syrien. Dort hat der US-Imperialismus Stellvertretertruppen aus sunnitisch-islamistischen Elementen genährt und bewaffnet, um Regimewechsel zu erzwingen. Eine Folge davon ist die enorme Stärkung dieser Kräfte in der ganzen Region.

Diese Kriege wurden mit dem "Krieg gegen den Terror" begründet, den die Bush-Regierung als Rechtfertigung für globalen Militarismus benutzt hat und die Obama-Regierung heute noch nutzt. Diese Kriege wurden als Reaktion auf einen Terroranschlag geführt, der von neunzehn Personen, darunter fünfzehn Saudis, ausgeführt worden war, denen noch dazu erlaubt worden war, in die USA einzureisen und Flugzeuge zu entführen. Diese Kriege haben jetzt zur Entstehung eines de facto Al-Qaida-Staats geführt, der sich beiderseits der syrisch-irakischen Grenze von Aleppo im Westen, nahe des Mittelmeers, bis zur iranischen Grenze im Osten erstreckt.

In Syrien hat die Obama-Regierung den Sturz des Assad-Regimes zum zentralen politischen Ziel der USA erklärt. Sie erlitt im vergangenen Jahr einen erniedrigenden Rückschlag, als sie von Plänen Abstand nehmen musste, Luftschläge gegen Syrien zu führen, weil es in der amerikanischen Öffentlichkeit überwältigenden Widerstand gab, weil es unter politischen Entscheidungsträgern scharfe Differenzen gab und weil ihr wichtigster imperialistischer Verbündeter, Großbritannien, von Bord ging. Stattdessen musste sie einen von Russland gepuschten Plan akzeptieren, Syriens Chemiewaffen abzurüsten, und Gespräche zwischen dem Assad-Regime und den so genannten Rebellen aufzunehmen.

Das hat zu einer ganzen Reihe von strategischen Rückschlägen für die von den USA unterstützten "Rebellen" in Syrien geführt, die von sunnitisch-islamistischen Milizen wie ISIS dominiert sind. Washington versucht die Lage vor Ort verzweifelt zu wenden.

In herrschenden Kreisen wird eine immer schärfere Debatte über die Bewaffnung der "Rebellen" geführt. Der ehemalige US-Botschafter in Syrien, Robert Ford, forderte am Mittwoch in einer Kolumne der New York Times, "gemäßigten" islamistischen Milizen Mörser, Granaten und Boden-Luft-Raketen zu liefern und sie direkt zu finanzieren. Natürlich vergessen Ford und andere US-Vertreter nicht, zu erklären, dass solche Hilfe an die "Gemäßigten", deren Organisationen nie genannt werden, dazu beitrage, die al-Qaida-Elemente zu isolieren. Diese Einschränkung dient allerdings lediglich dazu, den wirklich kriminellen Charakter der US-Operation zu verschleiern, in der diese Elemente in Wirklichkeit die entscheidende Rolle spielen.

Während das Washingtoner Establishment wegen Mossuls Fall die Hände ringt, gibt es einen Flügel im amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat, dem die Auswirkungen dieser Entwicklung auf den amerikanischen Stellvertreterkrieg in Syrien vielleicht gar nicht so unwillkommen sind.

Der Organisation ISIS ist irakische Militärausrüstung in großen Mengen in die Hände gefallen. Das hat die Feuerkraft jener Kräfte, die die syrische Regierung stürzen wollen, dramatisch gestärkt. Hunderte gepanzerte Fahrzeuge wurden erbeutet, genug, um eine ganze Panzerdivision auszurüsten, wie eine Quelle berichtet. ISIS hat den Flughafen von Mossul überrannt und Kampfhubschrauber und andere Flugzeuge erbeutet. Riesige Mengen von Waffen und Munition sind ihnen ebenfalls in die Hände gefallen. Fast alles findet seinen Weg über die Grenze nach Syrien. Tausende islamistische Gefangene wurden aus irakischen Gefängnissen befreit und werden in Syrien in den Kampf ziehen.

Die Forderung, den "Rebellen" in Syrien amerikanische Waffen zu liefern, ist durch die Entwicklungen in Mossul praktisch erfüllt worden. Die Folge wird ein noch schlimmeres Blutvergießen in Syrien sein.

Überall, wo Washington versucht, die Interessen das amerikanischen Imperialismus voranzubringen und den wirtschaftlichen Niedergang des amerikanischen Kapitalismus wett zu machen, muss die Masse der Bevölkerung das ausbaden. Millionen wurden in dem neunjährigen US-Krieg und der Besatzung im Irak getötet und vertrieben, die Bevölkerung Syriens ist Opfer eines Blutbads, und jetzt werden eine halbe Million verarmte Bewohner Mossuls zu heimatlosen Flüchtlingen.

Für diese offensichtlichen Kriegsverbrechen wird niemand zur Verantwortung gezogen.

Verantwortlich sind nicht nur George W. Bush, Dick Cheney, Donald Rumsfeld und andere Mitglieder der früheren Regierung. Verantwortlich sind beide großen Parteien, Republikaner wie Demokraten, sowie die Medien, die Konzerne und jede amerikanische Institution.

Sie haben seit anderthalb Jahrzehnten die amerikanische Außen- und Innenpolitik durch Lügen vergiftet. Die Obama-Regierung hat die ganze kriminelle Politik unter Bush, einschließlich Aggressionskrieg und Folter, nicht nur fortgesetzt, sondern noch verschärft. Mit ihrem "Pivot to Asia" und dem Putsch in der Ukraine bereitet sie eine militärische Konfrontation mit Russland und China vor und legt die Grundlage für einen nuklearen Dritten Weltkrieg.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 13.06.2014
Der Fall von Mosul und die Verbrechen des Imperialismus
http://www.wsws.org/de/articles/2014/06/13/moss-j13.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2014