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GLEICHHEIT/5127: Slowenien - Regierungschefin Bratusek tritt zurück


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Slowenien: Regierungschefin Bratusek tritt zurück

Von Markus Salzmann
13. Mai 2014



Mit dem Rücktritt der slowenischen Premierministerin Alenka Bratusek erreicht die politische Krise in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik ihren vorläufigen Höhepunkt. Bratusek will bis zu vorgezogenen Neuwahlen im Amt bleiben. Als realistisch gilt dabei ein Termin im Juni oder Anfang Juli. Gleichzeitig will Staatspräsiden Borut Pahor Alternativlösungen sondieren.

Dem Rücktritt waren heftige Konflikte innerhalb der Regierungskoalition vorausgegangen.

Bratusek hat den Spitzenposten ihrer Partei Positives Slowenien (PS) am 3. Mai an den Bürgermeister der Hauptstadt Ljubljana, Zoran Jankovic, verloren. Sie konnte zwar nach dem Verlust des Parteivorsitzes die Mehrheit der Parlamentsfraktion auf ihre Seite ziehen, der sozialdemokratische Koalitionspartner besteht aber auf Neuwahlen.

Jankovic, der ehemalige Manager einer Handelskette, hatte die PS 2011 gegründet und mit 28,5 Prozent auf Anhieb zur stärksten Kraft im Parlament gemacht. Im Januar 2013 hatte er sich wegen Korruptionsvorwürfen von der Spitze der PS zurückgezogen. Seiner von ihm selbst ausgesuchten Nachfolgerin, der damals vollkommen unbekannten Bratusek, gelang es dann, eine Regierung zu bilden - was Jankovic selbst nicht geglückt war.

Slowenien gilt wegen seiner Bankenprobleme bereits seit langem als nächster Kandidat für den Euro-Rettungsschirm. Die Mittel-Links-Regierung Bratuseks, eine Koalition aus vier Parteien, hat mit einem rigorosen Spar- und Privatisierungsprogramm die Forderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union (EU) weitgehend erfüllt. Sie hat die Banken auf Kosten der Bevölkerung mit Milliardensummen gestützt. In diesem Jahr will sie das Haushaltsdefizit auf 4,2 Prozent der Wirtschaftsleistung zurückführen. 2013 hatte es noch bei 14,7 Prozent gelegen. Dazu hat sie unter anderem Reformen im Gesundheitswesen angestoßen und harte Einschnitte im Öffentlichen Dienst beschlossen.

Damit folgt Bratusek dem Kurs ihres rechten Vorgängers Janez Jansa, der vergangene Woche vom obersten Gerichtshof des Landes in letzter Instanz zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Er wurde der Annahme von Schmiergeld bei der Anschaffung von Schützenpanzern für schuldig befunden. Auch er hatte die Diktate der europäischen Finanzelite aus Brüssel umgesetzt.

Jansa galt zusammen mit dem ehemaligen Bürgermeister von Maribor, Franc Kangler, als Inbegriff der Korruption. Gegen die beiden entlud sich Ende 2012 die Wut über Sparmaßnahmen und Korruption. Zehntausende demonstrierten damals gegen sinkende Löhne und steigende Arbeitslosigkeit. Als Folge räumte Kangler seinen Posten, und im Frühjahr 2013 musste nach einem Misstrauensvotum auch Premier Jansa zurücktreten. Bratusek bildete die neue Regierung.

Die einjährige Amtszeit der Regierungschefin war durch die andauernde politische, wirtschaftliche und soziale Krise geprägt. EU und IWF forderten von Bratusek und der fragilen Mitte-Links-Regierung immer härtere Sparmaßnahmen. Vor allem die lange Liste ehemaliger Staatsunternehmen, die privatisiert werden sollen, erzürnte die Bevölkerung. Die Zustimmung für die Regierung lag Umfragen zufolge schon wenige Monate nach ihrem Amtsantritt im Keller.

Die sozialen Angriffe dienen dazu, die hoch verschuldeten Banken zu sanieren. Dazu wurden eine Bad Bank gegründet und sechs Kreditinstitute vom Staat rekapitalisiert. Die Kosten der öffentlichen Hilfsmaßnahmen für die maroden Banken sind enorm. Das jährliche Haushaltsdefizit, das vor dem EU-Beitritt vor zehn Jahren problemlos die Konvergenzkriterien erfüllte, beträgt nun 5,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die staatliche Gesamtverschuldung, die bis vor wenigen Jahren nur bei 20 Prozent des BIPs lag, stieg in kurzer Zeit auf 75 Prozent.

Innerhalb der Regierungskoalition und der PS nahmen die Konflikte rasch zu. Die Sozialdemokraten (DS), die in den Koalitionsverhandlung keines der zentralen Ressorts bekamen, zerstritten sich mit der PS. Innerhalb der Pensionistenpartei DeSus, die in Slowenien eine lange Tradition als Mehrheitsbeschafferin hat, verursachten die geplanten Rentenkürzungen heftigen Streit. Der rechtsliberalen Bürgerliste (DLGV) gingen die Sparmaßnamen nicht weit genug.

Obwohl zwischen Jankovic und Bratusek politisch keine Differenzen bestehen, tobt die parteiinterne Auseinandersetzung seit Monaten. Der Millionär Jankovic konnte die Mehrheit der Partei schließlich auf seine Seite ziehen, indem er mehr Investitionen, mehr Massenkaufkraft und mehr Jobs forderte und Bratusek eine unsoziale Politik vorwarf. Dies ist offensichtlich nur ein dünnes Feigenblatt für die rechte Politik der PS.

Nach Jankovics Rückkehr an die Spitze der größten Regierungspartei PS haben alle drei Koalitionspartner - die Sozialdemokraten (SD), die freiheitliche Bürgerliste (DL) und die Pensionistenpartei (DeSUS) - angekündigt, dass sie nicht mit der PS zusammenarbeiten werden, wenn diese von einem Mann geführt wird, der unter Korruptionsverdacht steht.

Bratusek ist zusammen mit 14 der 28 Abgeordneten aus der PS ausgetreten. Ob die scheidende Regierungschefin jedoch tatsächlich mit einer eigenen Partei zur Wahl antritt, ist unklar. Es gilt aber als sicher, dass die PS bei der Wahl im Juni oder Juli ein Debakel erleben wird. Allerdings sind auch die rechten Oppositionsparteien, allen voran die Demokratischen Partei des rechtskräftig verurteilten Jansa, diskreditiert.

Bratusek bekräftigte in den vergangenen Tagen, das Wichtigste sei die Fortsetzung der von ihrer Regierung begonnenen Reformen. "Es ist absolut notwendig, dass wir unseren Wirtschaftskurs fortsetzen. Ich erwarte deshalb von allen meinen Ministern, dass sie im Amt bleiben. Dann muss die Koalition einen Weg finden, wie wir begonnene Projekte zu Ende bringen, um dem Land nicht zu schaden", sagte sie gegenüber der Presse.

Wirtschaftsvertreter bezweifeln allerdings, ob die angeschlagenen Mitte-Links-Koalition noch weitere Sparmaßnahmen umsetzen kann. Das von Bratusek angestoßene umfassende Privatisierungsprogramm verläuft der EU und dem IWF zu langsam. Von den fünfzehn zum Verkauf vorgesehenen Staatsunternehmen, darunter die Slowenische Telekom und die zweitgrößte Bank des Landes, haben erst zwei einen Investor gefunden.

Analysten befürchten auch, dass es für Slowenien aufgrund der instabilen politischen Verhältnisse schwieriger sein wird, frisches Geld auf den Kapitalmärkten aufzunehmen. "Nachdem ein Zusammenbruch der Regierungskoalition, vorgezogene Wahlen und ein Stillstand bei den Reformen und Privatisierungen wahrscheinlich sind, sehen wir als Ergebnis nichts Anderes als eine Verteuerung der Kredite", sagte der Londoner Finanzmarktanalyst Attard Montalto dem Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg.

Die Rating-Agentur Fitch bewertet Slowenien im Moment mit BBB+, das bedeutet eine durchschnittlich gute Anlage mit möglichen Problemen, wenn sich die gesamtwirtschaftliche Lage weiter verschlechtern sollte. Die Entwicklung der Staatsverschuldung bewertet Fitch negativ. Standard & Poor's bewertet Slowenien mit A-, dem unterste Level einer noch sicheren Anlage, während Moody's das Land mit Ba1 bereits auf Ramsch-Level herabgestuft hat.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 13.05.2014
Slowenien: Regierungschefin Bratusek tritt zurück
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2014