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GLEICHHEIT/5095: China droht Kreditkollaps


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

China droht Kreditkollaps

Von Nick Beams
8. April 2014



Zunächst wurden die Bedenken über den Zustand des chinesischen Finanzsystems und seine Gefahren für die kapitalistische Weltwirtschaft nur leise geäußert. In den letzten Wochen wird deswegen nun laut die Trommel gerührt.

Es handelt sich um ein Knäuel sich beeinflussender Faktoren: Das verlangsamte Wachsen der chinesischen Wirtschaft und die daraus erwachsenden Schwierigkeiten für die verarbeitende Industrie, besonders im Bereich Stahl; die Erwartung eines Kollapses der Immobilienwirtschaft und die Möglichkeit des Fallens der chinesischen Währung und der damit verbundenen Instabilität internationaler Banken und Finanzinstitutionen.

Als Antwort auf die Auswirkungen der Finanzkrise des Jahres 2008 - die binnen weniger Monate 23 Millionen Arbeitsplätze vernichtete - initiierte die chinesische Regierung ein kolossales Rettungsprogramm in Höhe von 500 Milliarden Dollar - das größte weltweit.

Die bedeutsamste Maßnahme war eine Direktive an staatseigene Banken, die Kredithähne für Unternehmen, Finanzinstitutionen und lokale Behörden zu öffnen, um Investments in industrielle Kapazitäten, Immobilien-Entwicklung und Infrastrukturprojekte zu finanzieren.

Das Kreditsystem Chinas expandierte in den zurückliegenden fünf Jahren um geschätzte 15 Billionen Dollar, was in der Geschichte der Weltwirtschaft beispiellos ist. Dieser Wert entspricht dem Umfang des gesamten US-Bankensystems.

Das Kreditwachstum ist doppelt so hoch wie das Wachstum des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im letzten Quartal 2013 erreichte die Staatsverschuldung 200 Prozent des BIP. Vor der Weltfinanzkrise waren es noch 125 Prozent.

Die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft von Wachstumsraten um zehn Prozent auf anvisierte 7,5 Prozent in diesem Jahr trifft alle Bereiche der verarbeitenden Industrie, besonders aber die Stahlindustrie.

Die Mitgliedsunternehmen der chinesischen Eisen- und Stahlvereinigung verzeichneten in den ersten zwei Monaten dieses Jahres einen Verlust von insgesamt 490 Millionen Dollar. Liu Zhenjiang, der stellvertretende Vorsitzende dieser Vereinigung, sagte, vermutlich werde dieses Quartal damit das schlechteste seit der Jahrtausendwende sein.

Im vergangenen Jahr war die Stahlbranche mit 0,48 Prozent Umsatzerlös eben noch profitabel. Die Branche wurde zunehmend von Krediten abhängig. Die sieben größten Konzerne sind mit 226 Milliarden Dollar verschuldet, einem höheren Betrag als dem Börsenwert des australischen Rohstoffgiganten BHP Billiton.

Eine Umfrage von Macquarie Commodities Research von Mitte März erbrachte das Ergebnis, dass die mittleren und kleineren Stahlwerke einen Auftragsrückgang im Vergleich zur selben Periode des Vorjahres verzeichnen und die Profite auf ein historisches Tief gesunken sind.

Nach dem chinesischen Neujahrsfest ist der März üblicherweise der Monat steigender Auftragseingänge. In diesem Jahr dagegen sah es im März zunehmend düsterer aus. Gegenüber der Financial Times sagte Colin Hamilton, Analyst bei Macquarie Capital (Europa), dass Kreditausfälle in der Stahlindustrie ziemlich wahrscheinlich seien, da die chinesische Regierung darauf hinwies, sie sei auf die Pleite einiger Unternehmen aufgrund von Überkapazitäten in dem Sektor vorbereitet.

Noch mehr Gewicht hat die zunehmende Gefahr eines Crashs der chinesischen Immobilienblase. In der zurückliegenden Dekade verzehnfachte sich der Immobilienmarkt. Während in Peking und Shanghai der Immobilienboom anhält, sieht es in den kleineren Städten, die im vergangenen Jahr noch 2/3 aller laufenden Bauvorhaben auf sich vereinten, jetzt schon ganz anders aus.

Große Apartment-Blocks stehen nun leer oder sind nur teilweise fertiggestellt. Der Chefökonom des japanischen Finanzhauses Nomura schätzt, dass der Immobilienmarkt 2014 das "Spitzenrisiko" der chinesischen Wirtschaft darstellt.

Der Zusammenbruch des Immobilienmarktes hätte unmittelbar internationale Auswirkungen, weil ausländische Investoren in zunehmendem Maße Kredite bereit gestellt haben. Seit 2010 vergaben sie mindestens 48 Milliarden Dollar als Anleihen an chinesische Immobilienunternehmen. Laut Credit Suisse ist mehr als die Hälfte der ausländischen Kreditengagements an sechs große Immobilienunternehmen vergeben.

Im Falle eines Preisrückgangs bei Immobilien würden für große Immobilienunternehmen zusätzliche Problem aus dem Fall des Yuan entstehen, denn die auf Dollar laufenden Anleihen würden sich durch den schlechteren Wechselkurs zusätzlich verteuern.

Die dritte große Quelle der Finanzinstabilität ist das Handeln der lokalen Regierungsbehörden. Die Hilfsmaßnahmen der Zentralregierung nach der Krise 2008 nutzten diese Behörden für großangelegte Infrastruktur- und Immobilienprojekte.

Während die lokalen Behörden für die Ausgabe von 80 Prozent der gesamten Regierungsmittel verantwortlich sind, erhalten sie nur 40 Prozent der Steuereinnahmen. Andere Finanzierungsquellen mussten also gefunden werden. Da es für die Lokalbehörden rechtlich ausgeschlossen ist selbst Finanzmittel aufzunehmen gründeten sie lokale Finanzierungsvehikel (LGFV), die ihnen das Aufnehmen von Krediten ermöglichen.

Es wird geschätzt, dass es um die 10.000 dieser LGFV gibt, die enge Beziehungen zu großen Banken und auch zu "Schattenbanken" pflegen, deren Geld nicht aus Einlagen stammt, sondern durch kurzfristige Anleihen aufgebracht wird.

Die chinesische Zentralregierung versuchte im vergangenen Jahr diese Kreditausweitung zu bremsen, die sie auf lange Sicht als untragbar ansieht. Aber die Lokalbehörden sind in der Hand regionaler Parteichefs der KP, die sich beträchtlichen Reichtum aus den Infrastruktur- und Immobilienprojekten abzweigten.

Die Versuche der Zentralregierung zur Krediteindämmung hatten das gegenteilige Resultat. Mit den Restriktionen der Zentralregierung konfrontiert wandten sich die lokalen KP-Chefs, eifrig darauf bedacht ihre persönlichen Reichtumsquellen am Sprudeln zu halten, zunehmend an das Schattenbanksystem und erhöhten somit die finanziellen Risiken.

Am Donnerstag schrieb der Finanzanalyst Satyajit Das im Independent, dass "viele LGFVs nicht genügend Cashflow haben, um ihre Schulden zu bedienen, und abhängig sind von Landverkäufen und hohen Immobilienpreisen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Vermutlich haben mehr als die Hälfte der LGFVs unhaltbare Schuldenniveaus."

Einige Kommentatoren schätzen die Gefahr einer großen Krise als gering ein, da China große Währungsreserven habe und die Wirtschaft staatlicher Kontrolle unterliege. Einige große internationale Banken verweisen jedoch darauf, welche Auswirkung eine Entscheidung der US Zentralbank (Fed) zur Anhebung des Zinsniveaus haben würde.

Als die Fed im Jahr 2013 ihre Absicht andeutete ihr Anleiheaufkaufprogramm einzuschränken kam es in den Emerging Markets zu einem großen Kapitalabfluss. Ein großer Teil dieses "heißen Geldes" floss aufgrund der Annahme nach China, der Yuan würde weiter steigen.

Bislang fiel der Yuan in 2014 aber um mehr als 2,5 Prozent, teils bedingt durch die Bemühungen der chinesischen Finanzbehörden, Spekulation einzudämmen. Für Unternehmen die an diesem Carry Trade - mit geliehenen Dollars Anleihen auf Yuan lautend kaufen - beteiligt sind, liegt der Verlust derzeit bei 5,5 Milliarden Dollar. Obwohl dies ein relativ kleiner Betrag ist, könnte er doch ein Zeichen für Kommendes sein.

Bedenken kommen auf, dass eine zweite Phase der Reaktion auf das - "Tapering" der Fed sich auf China auswirken könnte. In einem Citigroup-Bericht heißt es: "Es gibt ein gefährliches Szenario, bei dem die Erhöhung der kurzfristigen Zinsen in den USA und der volatilere Yuan zu einem ziemlich großen Kapitalabfluss aus China führen könnte."

Nomura veröffentlichte in der zurückliegenden Woche einen Kommentar, dass der Carry Trade seine "Laufrichtung" unter Bedingungen ändere, wo Chinesische Investoren, Geschäftsbanken und Exporteure in das Spiel des Dollar-Borgens verwickelt seien.

Nomuras China-Aanalyst Wendy Liu ist der Meinung, die Investoren setzten zu große Hoffnung auf ein neuerliches Stimulus- und Infrastrukturprogramm und ignorierten die Währungsrisiken. Der Fall des Yuan könnte ein erstes Warnsignal dafür sein, dass Chinas Kreditblase implodieren könnte, sagte sie.

Credit Suisse schätzt den Umfang der spekulativen Carry Trades auf 200 Milliarden Dollar, eingerechnet die komplexen Manöver in Hongkong. "Verschiedene Indikatoren" deuten auf "Stress" im System hin, wodurch sich das "Risiko eines falschen Schrittes" erhöhe.

Die heranreifende chinesische Schuldenkrise unterstreicht die Tatsache, dass alle zur Weltfinanzkrise 2008 führenden Widersprüche ungelöst sind. Sie haben nur neue Formen angenommen.

Die enorme chinesische Kreditausweitung der zurückliegenden fünf Jahre war das direkte Ergebnis der Finanzkrise und wurde durch die Beinahe-Kernschmelze des US Finanzsystems ausgelöst. Die darauffolgenden wirtschaftlichen Stimulusprogramme spielten eine entscheidende Rolle, die Weltwirtschaft aufzufangen.

Man schätzt den Anteil der Emerging Markets am weltweiten Wachstum der vergangenen fünf Jahre auf drei Viertel. Ein Großteil davon ging von China aus. Aber dieses chinesische Wachstum ist Ergebnis einer nun zu platzen drohenden Kreditblase. Die Folgen für das weltweite kapitalistische Finanzsystem wären verheerend.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 08.04.2014
China droht Kreditkollaps
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2014