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GLEICHHEIT/5093: Parteiloser Millionär gewinnt slowakische Präsidentenwahl


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Parteiloser Millionär gewinnt slowakische Präsidentenwahl

Von Markus Salzmann
5. April 2014



Der parteilose Millionär Andrej Kiska gewann am vergangenen Samstag die Präsidentenwahl in der Slowakei. Er erreichte mit 59,4 Prozent der Stimmen fast zwanzig Prozent mehr als sein Kontrahent, der sozialdemokratische Ministerpräsident Robert Fico. Kiska löst damit Ivan Gasparovic ab, der gemäß der slowakischen Verfassung nach zwei Amtsperioden nicht nochmals antreten durfte.

Der 1963 geborene Kiska ist der erste Staatschef der Slowakei, der nicht aus der ehemaligen Kommunistischen Partei stammt. Er war bisher in der Politik nicht aktiv und gilt als politisch unbeschriebenes Blatt. Sein Millionenvermögen hatte er in den 1990er Jahren mit Finanzierungsgesellschaften gemacht, die ihren Kunden umstrittene Ratenkäufe und Kredite anboten. 2005 verkaufte er seine Firmenanteile für mehrere Millionen Euro an eine Bank.

Seither gab sich Kiska als Philantrop. Er ist Mitbegründer der Stiftung "Guter Engel", die Familien mit kranken Kindern unterstützt. Im Wahlkampf bot er sich als Sprecher der zersplitterten Rechten an. Er wetterte gegen Korruption und ineffiziente Justiz. Er beklagte das schlechte Bildungs- und Gesundheitssystem und verband dies mit der Forderung nach stärkerer Privatisierung und mehr Markt.

Ansonsten beschränkte sich Kiska auf hohle Phrasen. In seiner Siegesrede versprach er, er wolle "das Vertrauen der Menschen in die Präsidentschaft wiederherstellen" und "Politik menschlicher machen". Er sagte, er werde Präsident aller Slowaken sein und "dafür arbeiten, die Menschen zu einen und zu motivieren, damit wir stolz auf unser Land sein können".

Der Präsident hat in der Slowakei, ähnlich wie in Deutschland, vorwiegend repräsentative Aufgaben. Er kann aber durch sein Vetorecht über Gesetze maßgeblich auf die Regierungsarbeit Einfluss nehmen. Obwohl es kaum programmatische Unterschiede zwischen Fico und Kiska gibt, könnte Kiskas Wahl für politische Spannungen sorgen. Fico hatte für das höchste Staatsamt kandidiert, um die Macht seiner Smer-SD zu festigen, was ihm nun misslungen ist.

Hinzu kommt, dass es trotz Fiscos pro-europäischer Haltung und seiner Bereitschaft, die Diktate aus Brüssel umzusetzen, außenpolitische Spannungen zwischen ihm und der EU gibt. Im Laufe der Ukrainekrise hatte es Fico vermieden, allzu heftig gegen Russland aufzutreten.

Die EU benötigt die Unterstützung der Slowakei, um die Ukraine im Rahmen des sogenannten "reverse flow" mit Gaslieferungen zu unterstützen. Wichtige Öl- und Gaspipelines, die zu diesem Zweck genutzt werden können, verlaufen durch das Land. Fico, der im Vorfeld der slowakischen Präsidentenwahl einen Rabatt für russisches Erdgas ausgehandelt hatte, hat diese Pläne bisher nicht unterstützt. Er möchte trotz des Drucks aus Brüssel einen offenen Streit mit Russland vermeiden.

Fico hatte das Land bereits von 2006 bis 2010 regiert. Unter der damaligen Regierung, einem Bündnis der Sozialdemokraten mit der konservativen HZDS und der rechtsextremen SNS, war das Land der Eurozone beigetreten. Fico hatte damals drakonische Sparmaßnahmen und Kürzungen in allen sozialen Bereichen durchgesetzt. Er arbeitete eng mit den Gewerkschaften zusammen, um die Renten und die Löhne im öffentlichen Dienst zu senken.

Mit dem Durchschlagen der Wirtschaftskrise auf Osteuropa hatte die Smer-SD ihren Rechtskurs noch weiter verschärft. Der "osteuropäische Tiger", wie die Slowakei 2007 aufgrund eines Wirtschaftswachstums von über 10 Prozent genannt wurde, brach regelrecht zusammen. 2009 schrumpfte die Wirtschafsleitung um 13 Prozent.

Der Bankrott aller etablierten Parteien bot den Nährboden für den steilen politischen Aufstieg Kiskas. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 43 Prozent gewann er vor allem im Westen des Landes in der relativ wohlhabenden Region um die Hauptstadt Bratislava viele Stimmen. Auch in Wahlkreisen der ungarischen Minderheit konnte Kiska punkten.

Politologen deuten das Wahlergebnis als Denkzettel für die sozialdemokratische Smer-SD. Die Präsidentschaftswahlen seien "ein Referendum über Fico und seine Regierung", so die einhellige Meinung von Beobachtern. Die Wirtschaftszeitung Hospodárske noviny kommentierte: "Kiska wurde nicht durch Jahre politischer Schwerarbeit zum Favoriten, sondern durch das genaue Gegenteil, den Glauben der Leute, dass er 'sauber ist', dass er 'nicht wie die anderen ist' und 'nicht zu ihnen gehört'."

Bei den letzten Regionalwahlen hatten auch offen faschistischer Kräfte von der Ablehnung der etablierten Parteien profitiert. So gewann der Rechtsextreme Marian Kotleba im mittelslowakischen Kreis Banská Bystrica die Stichwahl um den Vorsitz der Regionalverwaltung. Kotleba erzielte 55 Prozent der Stimmen, der bisherige sozialdemokratische Kreisvorsitzende Vladimir Manka 45. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 25 Prozent.

Kotleba hatte den Austritt aus der EU und der Nato gefordert, die er als "terroristische Organisation" bezeichnete, sowie die Wiedereinführung der Krone als Währung, die Bevorzugung slowakischer gegenüber ausländischen Investoren und die Sanierung des Haushalts durch die Beendigung der Auslandseinsätze slowakischer Soldaten verlangt. Gleichzeitig hatte er auf soziale Demagogie gesetzt und sich gegen die Privatisierung öffentlicher Unternehmen ausgesprochen.

Im benachbarten Tschechien, bis 1992 mit der Slowakei in einem Staat vereint, hatte bei den Parlamentswahlen im Oktober mit dem Milliardär Andrej Babis ebenfalls ein superreicher Seiteneinsteiger einen unerwarteten Erfolg erzielt. Babis' Aktion unzufriedener Bürger (ANO) gewann aus dem Stand heraus 18 Prozent der Wählerstimmen.

Babis, der zweitreichste Mann Tschechiens, hatte im Wahlkampf angekündigt, den Staat wie ein Unternehmen führen zu wollen. Er versprach Steuersenkungen und Ausgabenkürzungen bei öffentlichen und sozialen Leistungen. Inzwischen haben die sozialdemokratische CSSD, die rechtskonservative KDU-CSL und Babis' ANO eine gemeinsame Regierung gebildet.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.04.2014
Parteiloser Millionär gewinnt slowakische Präsidentenwahl
http://www.wsws.org/de/articles/2014/04/05/kisk-a05.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2014