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GLEICHHEIT/5015: IWF erhöht Druck auf Slowenien


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

IWF erhöht Druck auf Slowenien

Von Markus Salzmann
5. Februar 2014



Der Internationale Währungsfonds (IWF) erhöht seinen Druck auf Slowenien, durch Entlassungen im öffentlichen Dienst, Kürzungen bei den Sozialausgaben und die Privatisierung öffentlicher Unternehmen das Haushaltsdefizit zu reduzieren und die Kosten der Bankenrettung auszugleichen.

In einer Presserklärung vom 17. Januar empfiehlt das Exekutivdirektorium des IWF "einen ehrgeizigeren Abbau öffentlicher Arbeitsplätze, gezieltere Sozialtransfers und spezielle Kürzungen bei Tranfers und Subventionen". Weiter heißt es in der Erklärung: "Eine Minderung der Rolle des Staates, gerade auch durch Privatisierung, ist besonders wichtig."

Der IWF-Bericht, auf den sich die Empfehlung stützt, zeichnet ein verheerendes Bild der wirtschaftlichen und sozialen Lage in dem Land zwischen Alpen und Adria. 23 Jahre nach der Abspaltung von Jugoslawien und der Einführung des Kapitalismus befindet sich Slowenien, das einst als Musterknabe unter den Balkanländern galt, in einer wirtschaftlichen Sackgasse.

"Die Verbindung eines überschuldeten Unternehmenssektors und schwacher Banken hat in einen Teufelskreis von wachsender Rezession, zunehmenden Bankrotten, notleidenden Krediten und sinkendem Eigenkapital geführt", schreibt der IWF. Die Wirtschaft schrumpfe nun seit acht Quartalen in Folge. Nach einem starken Rückgang der Investitionen sinke seit 2012 auch der Konsum "unter der Last massiver Haushaltskürzungen, stagnierender Löhne und wachsender Unsicherheit". Das reale BIP sei "seit dem Höhepunkt vor der Krise um 11 Prozent gefallen. Nach Griechenland ist dies der höchste Produktionsrückgang unter den Mitgliedern der Eurozone."

Sowohl der staatliche wie der private Sektor seien hoch verschuldet. "Die öffentlichen Schulden haben sich seit 2008 mehr als verdoppelt. Sie erreichten Ende 2012 55 Prozent des BIPs und werden nach der Restrukturierung der Banken weiter stark ansteigen." Als Folge lägen die Zinssätze für Staatsanleihen "etwa zwei Prozentpunkte höher als die Spaniens und Italiens, die dasselbe Rating haben". Unternehmen müssten durchschnittlich 90 Prozent ihrer Gewinne für Zinsen ausgeben, "was Unternehmen in die Verlustzone treibt, die bei niedrigeren Schulden profitabel wären".

Auch in diesem Jahr wird die Wirtschaft um mindestens 1,7 Prozent schrumpfen und die Staatsverschuldung auf 78 Prozent anwachsen. Die drei größten Banken, darunter die Nova Ljubljanska Banka, haben rund 3 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern erhalten, um ihren Kollaps zu verhindern. Zwei kleinere Banken gingen im vergangenen Jahr Bankrott.

Die Rezepte, die der IWF zur Lösung der Krise vorschreibt, werden sie weiter vertiefen. Entlassungen, Sozialkürzungen und Lohnsenkungen werden die Rezession verschärfen, während die internationalen und slowenischen Banken ihre Gewinne steigern.

Auch die slowenische Industrie- und Handelskammer (GZS) fordert härtere Reformen. Bankenrettung und Schuldenabbau allein seien nicht genug, erklärte GZS-Präsident Samo Hribar Milič. Es seien auch umfassende Reformen im Gesundheitswesen und Änderungen im Arbeitsrecht notwendig.

Premierministerin Alenka Bratusek versucht derzeit tiefgreifende Kürzungen im Gesundheitswesen durchzusetzen. Jüngst hat sie den früheren Präsidenten des Rechnungshofes, Igor Šoltes, als künftigen Gesundheitsminister vorgeschlagen. Sein Vorgänger war im November zurückgetreten, nachdem seine Reformbemühungen gescheitert waren.

Slowenien ist kein Einzelfall. In zahlreichen anderen osteuropäischen Ländern ist die wirtschaftliche Lage ähnlich katastrophal. Die Lage der Banken wird immer dramatischer. Westeuropäische Banken fahren seit 2011 die Finanzierung für ihre Töchter in Osteuropa massiv zurück. Im zweiten Halbjahr 2013 hat sich dieser Trend nach Angaben des IWF und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) weiter beschleunigt.

Asim Husain, Vizechef der Europaabteilung des IWF, sieht darin eine "signifikante und besorgniserregende Entwicklung". Vor allem in Slowenien und Ungarn seien die Gelder in einem Umfang von etwa 20 Prozent der Wirtschaftsleistung zurückgefahren worden. Auch in Kroatien, Rumänien und Serbien habe es einen massiven Kapitalabfluss gegeben.

Insgesamt haben westeuropäische Banken seit der internationalen Finanzkrise 2008 rund 120 Milliarden Euro aus der Region abgezogen. Darin seien aber die Gelder der "jüngsten Welle der Kapitalflucht aus dem zweiten Halbjahr 2013 noch nicht einmal eingerechnet", berichtet der österreichische Standard. Hinzu kommt, dass Unternehmen massiv überschuldet sind und die Wirtschaft in Ländern wie Ungarn oder Rumänien seit Längerem stagniert.

2008 hatte die EBRD entschieden, dass Slowenien nicht länger Unterstützung benötige. Sechs Jahre später korrigiert nun die Bank diesen Beschluss. Sie öffnet ein neues Büro in Slowenien und wird die Regierung bei der Reform des Finanzsektors, bei der Privatisierung von 15 Staatsfirmen, die zum Verkauf freigegeben sind, sowie beim Umbau des stark überschuldeten Unternehmenssektors unterstützen.

Bislang hat die EBRD die Bratusek-Regierung für ihren harten Spar- und Reformkurs gelobt. Jüngst traten jedoch Unstimmigkeiten auf, etwa beim Entscheid der Regierung, bei der Nova Ljubljanska Banka eine Sperrminorität zu behalten, was einer vollständigen Privatisierung im Wege steht.

Die Privatisierung von 15 ausgewählten Staatsunternehmen, die die Regierung im letzten Jahr beschlossen hatte, ist mittlerweile im Gange. Gores Group, eine Investmentfirma mit Sitz in Los Angeles, hat den Zuschlag für eine Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen Fotona erhalten, das auf die Fertigung von Lasertechnik für medizinische, zahntechnische und ästhetische Anwendungen spezialisiert und bislang äußerst profitabel ist. Die endgültige Übernahme soll noch in diesem Quartal stattfinden.

Für rund ein Dutzend weitere Staatsunternehmen laufen in den nächsten Monaten die Verhandlungen an. Darunter Telekom, Ljubljana Airport, die Fluggesellschaft Adria Airways und die zweitgrößte Bank des Landes NKBM. Für die NKBM, die mit staatlichen Geldern rekapitalisiert wurde, gibt es mit der ungarischen OTP und der EBRD zwei Interessenten.

Die Supermarktkette Mercator soll an den kroatischen Rivalen Agrokor verkauft werden. Die Verhandlungen laufen bereits seit 2011 und waren bisher vor allem an den niedrigen Angeboten von Agrokor gescheitert. Nachdem die Regierung nun drängt, wird ein baldiger Verkauf wahrscheinlicher.

Bei den Privatisierungen, die in der Bevölkerung auf heftige Kritik stoßen, kann sich die Regierung auf die Gewerkschaften verlassen. Lidija Jerkic, Vorsitzende der Gewerkschaft der Metallarbeiter, begrüßt Privatisierungen als letzte verbleibende Möglichkeit angesichts der wirtschaftlichen Krise.

Die Privatisierung des Farbenherstellers Helios haben die Gewerkschaften mitgetragen und gegenüber den Beschäftigten gerechtfertigt.

Zur Übernahme von Fontona durch einen US-Investor erklärte der Gewerkschaftsvertreter des Unternehmens, Bruno Reja, man könne "nur hoffen", das Unternehmen bleibe in der jetzigen Form erhalten. Gleichzeitig bereitete er die Belegschaft auf anstehende Entlassungen vor: "Wir erwarten jedoch drastische Veränderungen wie Entlassungen und die Stillegung ganzer Abteilungen, wie dies bei anderen Unternehmen der Fall war, die an Ausländer verkauft wurden."

Auch die Sozialdemokraten, Koalitionspartner von Positives Slowenien, stimmen mit dem Sparkurs überein. Während sie in der Vergangenheit häufiger gegen Sparmaßnahmen und Privatisierungen auftraten, um den öffentlichen Ärger aufzufangen, stehen sie nun geschlossen hinter Bratusek.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.02.2014
IWF erhöht Druck auf Slowenien
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2014