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GLEICHHEIT/4691: Großbritannien - Left Unity, Regisseur Ken Loach führt Initiative pseudolinker Gruppen


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Großbritannien
Left Unity: Regisseur Ken Loach führt Initiative pseudolinker Gruppen

Von Julie Hyland
11. Mai 2013



Teile der britischen Pseudolinken haben eine Kampagne für eine neue "Linkspartei" begonnen.

Es hatte in der Vergangenheit schon zahllose Versuche gegeben, die verschiedenen Tendenzen, die sich als Sozialisten bezeichnen, zusammenzuführen; bei allen diesen Versuchen spielten abtrünnige links schwätzende Labour-Mitglieder, Sympathisanten der stalinistischen Kommunistischen Partei und Gewerkschaftsbürokraten eine entscheidende Rolle.

Die aktuellen Bestrebungen basieren auf dem Versuch, das Prestige des Filmregisseurs Ken Loach und seiner Dokumentation The Spirit of 45 auszunutzen. Der Film befasst sich mit dem umfassenden Verstaatlichungs- und Sozialstaatsprogramm, das die herrschende Klasse Großbritanniens nach dem Zweiten Weltkrieg unter der Labour-Regierung von Clement Atlee durchführte.

Die World Socialist Web Site schrieb [1], das Archivmaterial sei zwar interessant, die Dokumentation jedoch von nationaler Beschränktheit und politischer Unehrlichkeit vonseiten Loachs charakterisiert. Vor allem enthält sie Interviews mit politischen Vertretern fast aller pseudolinken Tendenzen in Großbritannien, so von Alan Thornett (Socialist Resistance), Dot Gibson (Ex-Workers Revolutionary Party), John Rees (Counterfire), Karen Reissmann (Socialist Workers Party), Tony Mulhearn (Socialist Party) und zahlreichen Stalinisten, sowie dem Altmeister der Labour-Linken Tony Benn. Ihre politischen Organisationen wurden jedoch verschwiegen, stattdessen wurden sie nur als "Zeitzeugen" dargestellt.

Loach ist ein angesehener Regisseur, der bereit ist, sich mit wichtigen Themen und historischen Ereignissen zu befassen. Aber er ist nicht nur ein sozial engagierter Autorenfilmer. Er stammt aus dem Umfeld der trotzkistischen Bewegung in Großbritannien in den 1960ern, der Socialist Labour League, distanzierte sich jedoch in den frühen 1970ern von ihr und blieb bis Mitte der 1990er Jahre in der Labour Party.

Er ist seit langem politisch mit Alan Thornett verbunden, dem Führer von Socialist Resistance, der britischen Sektion des pablistischen Vereinigten Sekretariats. Loach nannte Thornett 2007 seinen "Helden."

Thornetts Ausschluss aus der Nachfolgeorganisation der SLL, der Workers Revolutionary Party, war zu einem Großteil mit seiner Anpassung an die populären Illusionen in die Labour- und Gewerkschaftsbürokratie verbunden, nachdem 1974 eine Labour-Regierung an die Macht gekommen war.

Als Anführer von Socialist Resistance war Thornett an früheren Versuchen zur Bildung einer gemeinsamen Linksfront beteiligt. Loach war bei zweien dieser gescheiterten Projekte - der Socialist Alliance und Arthur Scargills Socialist Labour Party - für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Er und Loach waren zuvor Führungsmitglieder der Respect Unity-Koalition des ehemaligen Labour-Abgeordneten George Galloway. The Spirit of 45 ist ebenfalls ein parteilicher Film, allerdings für eine Partei, die von den gleichen Kräften noch aufgebaut wird. Er wird vom Establishment stark unterstützt und von Film4, dem British Film Institute und Creative England finanziert.

Der "Geist", auf den sich die Dokumentation bezieht, ist der Klassenkonsens der Nachkriegszeit, der auf der Regulierung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen in Großbritannien beruhte, bei denen die Gewerkschaftsbürokratie die Hauptrolle gespielt hat. Laut Loachs Dokumentation wurde dieser Konsens von der konservativen Regierung unter Margaret Thatcher zerstört. Er erwähnt an keiner Stelle die Massenstreiks gegen die Labour-Regierung während des "Winter of Discontent" von 1978-79, die Thatcher den Weg ebnete, ebenso wenig die dreizehn Jahre Labour- Regierung unter Tony Blair und Gordon Brown, die Thatchers rechte Politik fortsetzten.

Loach erklärte in einem Interview, warum er das Jahr 1945 für wichtig hielt. Der Geist dieser Zeit sei einer der "Zusammenarbeit" gewesen. "Die Erlebnisse des Krieges hatten gezeigt, dass die Streitkräfte vom Staat organisiert waren, es waren keine Privatarmeen, die in den Krieg zogen. Es gab damals keine privaten Söldnerfirmen wie heute, die die Arbeit des Militärs übernehmen; es waren staatliche Armeen. Einige Industriezweige wurden übernommen, weil Privatunternehmen sie nicht führen konnten, weil sie zu ineffizient waren. So mussten die Bergwerke übernommen werden. Und dann gab es noch die Opfer und die Bombenangriffe an der Heimatfront, und die Soldaten, die Menschen zusammengebracht hatten. Die Menschen mussten gute Nachbarn sein, sodass sich ein Gefühl der Gemeinschaft und Solidarität bildete..."

Loachs Formulierungen und die Wahl der Interviewpartner für seine Dokumentation zeigen die politische Perspektive des Pablismus, der als rechte Tendenz innerhalb der Vierten Internationale auftauchte und auf der Anpassung an die Nachkriegsreformen beruhte, die in The Spirit of 45 verherrlicht werden. Die Verrätereien des Stalinismus und der Sozialdemokratie an den revolutionären Kämpfen nach dem Ende des Krieges waren die politische Grundlage, auf der die Vereinigten Staaten den europäischen Kapitalismus wiederbeleben konnten, unter anderem durch ihre Hilfe bei der Finanzierung der Reformen der Attlee-Regierung (die sie sich allerdings gut bezahlen ließen).

Für Michel Pablo und Ernest Mandel, die Gründer und Theoretiker des Vereinigten Sekretariats, waren die Reformen der Nachkriegszeit der Beweis, dass sich Trotzkis Perspektive vom Aufbau einer unabhängigen marxistischen Führung der Arbeiterklasse zum revolutionären Sturz des Kapitalismus als falsch erwiesen hatte.

Der Pablismus vertrat die Interessen eines Teils des Kleinbürgertums, das stark von den Sozialstaatsmechanismen und anderen Zugeständnissen profitierte, die die Bourgeoisie in dieser Zeit machen musste, und die es selbst verwaltete. Der Pablismus betonte, dass der Sozialismus nur durch die stalinistischen und sozialdemokratischen Bürokratien und diverse nationale Bewegungen der halbkolonialen Länder zu erreichen sei. Die "Revolutionäre" sollten sich darauf konzentrieren, diese Organisationen durch Druck "nach links zu rücken," statt einen entschlossenen Kampf zu führen, um ihren Einfluss in der Arbeiterklasse zu brechen.

Die orthodoxen Trotzkisten in der Vierten Internationale führten einen prinzipienfesten Kampf gegen diese liquidationistische Tendenz und gründeten im Jahr 1953 das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI). Das IKVI betonte, die Reformen der Nachkriegszeit hätten mitnichten die grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus aufgelöst und genauso wenig die konterrevolutionäre Rolle des Stalinismus und der Sozialdemokratie verringert. Diese Widersprüche würden auf höherem Niveau durch explosive Klassenkämpfe ausbrechen, die unweigerlich zu Konflikten mit der stalinistischen- und Labour-Bürokratie führen würden.

Als diese Prognose durch die revolutionären Unruhen in Europa von 1968 bis 1975 bestätigt wurden, spielten die Pablisten eine Hauptrolle als Verteidiger der stalinistischen, sozialdemokratischen und bürgerlich- nationalistischen Regimes und Bewegungen, die diese Kämpfe verrieten.

Mit der Auflösung der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten 1991 vollzogen sie eine scharfe Rechtswende, in der sie ausdrücklich die sozialistische Revolution zurückwiesen und stattdessen die Neugruppierung unter einer reformistischen Agenda propagierten.

Die diversen Projekte der Parteien des Vereinigten Sekretariats - wie die Neue Antikapitalistische Partei in Frankreich und der Linksblock in Portugal - richten sich ausdrücklich gegen den Trotzkismus, der als "ultralinkes Sektierertum" verurteilt wird, oder wie es Thornetts Socialist Resistance formulierte, "verknöcherter Archäotrotzkismus."The Spirit of 45 wurde im März veröffentlicht. Später im gleichen Monat beteiligte sich Loach an einem Appell im Guardian mit dem Titel "Die Labour Party hat uns im Stich gelassen. Wir brauchen eine neue Linkspartei." Kate Hudson, ein ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei, später kurzzeitig Respect-Mitglied, unterzeichnete ihn ebenfalls. Hudson und ihr Mann Andrew Burgin, ein ehemaliges Mitglied der WRP und der Stop the War Coalition, gründeten im letzten November die Webseite der Left Unity als Keimzelle dieser "neuen" Partei.

Der dritte und wichtigste Unterzeichner ist Gilbert Achcar vom Vereinigten Sekretariat. Er ist der berüchtigtste Befürworter einer Militärintervention der westlichen Mächte in Libyen und Syrien unter dem Deckmantel der "Menschenrechte." Dass dieser imperialistische Kriegstreiber als Kopf einer neuen "Linkspartei" erwogen wird, zeigt, welche soziale und politische Rolle sie im Auftrag der britischen Bourgeoisie spielen will.

Ihrem Appell fehlt es an Inhalt. Er kritisiert die konservative Koalitionsregierung für ihre desaströse Sparpolitik, die "uns immer tiefer in die wirtschaftliche Talsohle treibt."

Er lobt Labour für seine "Leistungen in der Vergangenheit," beklagt sich jedoch, man könne "nicht mehr von ihr erwarten, sich für uns einzusetzen."

Am auffälligsten ist, dass das WortSozialismus nicht ein einziges Mal erwähnt wird. Es gibt nur vage Forderungen nach einer Partei, die "die neoliberale Politik ablehnt und das Leben der einfachen Bevölkerung verbessert."

Weiter heißt es, diese Partei sollte nach dem Modell der griechischen Syriza (der Koalition der radikalen Linken) und der deutschen Linkspartei aufgebaut sein. Diese hätten begonnen, "das linke Vakuum zu füllen und eine alternative politische, soziale und wirtschaftliche Vision zu bieten."

Diese Darstellung ist ein politischer Betrug. Die sozialdemokratische Pasok wurde nahezu ausgelöscht, weil sie die wichtigste Kraft hinter der Durchsetzung brutaler Sparmaßnahmen gegen die griechische Arbeiterklasse war. Syriza ist jetzt der wichtigste Mechanismus um eine linke Bewegung der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie mit einer Perspektive einzufangen, die auf der Unterstützung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse und der Europäischen Union beruht.

Nur zwei Monate vor dem Appell im Guardian hatte Syriza-Chef Alexis Tsipras dem US-Außenministerium und dem Internationalen Währungsfonds versichert, dass sie nichts von seiner Partei zu befürchten hätten, sie habe "keine Hörner auf dem Kopf." Was die deutsche Linkspartei angeht, so ist sie völlig in den deutschen Staat integriert. Sie arbeitet in mehreren Bundesländern, u.a. in Brandenburg mit den Sozialdemokraten zusammen, um Kürzungen durchzusetzen. Die "friedenspolitische Sprecherin" der Partei, Christine Buchholz ist Mitglied der deutschen Schwesterorganisation der britischen Socialist Workers Party und Mitglied des Verteidigungsausschusses. Im letzten Dezember hatte die Linke zu einer westlichen Intervention in Syrien aufgerufen.

Diese pseudolinken Parteien spielen eine wichtige Rolle für die Bourgeoisie ihres jeweiligen Landes, und die kleinbürgerlichen Linken in Großbritannien hoffen, es ihnen gleichzutun.

Der Appell im Guardian legte Wert darauf, keine bestimmte Politik für die neue Partei festzulegen, aber seine tatsächliche Perspektive schilderte Ed Rooksby vom Ruskin College auf der Webseite der Left Unity unter der Überschrift "Die Krise und eine sozialistische Strategie."

Rooksby wiederholt die Kritik, Austerität sei selbstzerstörerisch. Als Grund dafür nennt er, dass "die heutigen Befürworter der Austerität eine der größten Lehren aus den 1930ern einfach vergessen haben: Regierungen müssen in Zeiten der Wirtschaftskrise die Nachfrage stimulieren, statt sie abzuwürgen."

"Diese Situation erfordert also klassische keynesianische Konjunkturmaßnahmen in Form von staatlich geförderten Investitionen, um die Nachfrage anzukurbeln und so das Vertrauen der Wirtschaft zu stärken," schreibt er.

Nichts davon würde in einem Artikel von bürgerlichen Kommentatoren wie Will Hutton, Chefredakteur des Observer, der Schwesterzeitung des Guardian, für die Rooksby schreibt, fehl am Platz wirken. Seine "keynesianischen" Maßnahmen gehen noch nicht einmal so weit wie diejenigen, die Labour im Jahr 1945 vorgeschlagen hatte und die die britische Bourgeoisie umsetzen musste. Sie sind in den unterwürfigsten und respektabelsten Begriffen gehalten - es werden "sorgfältig und strategisch gezielte" Investitionen gefordert, um "nachhaltigeres Wachstum zu bewirken, Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaft von der exzessiven Abhängigkeit vom Finanzsektor und schuldenfinanziertem Konsum zu befreien und zu produktiverer Wirtschaftsaktivität zu leiten."

Dieser bescheidene Appell für einen leichten Kurswechsel ist natürlich im Wesentlichen eine Botschaft an die Bourgeoisie: Left Unity ist keine Bedrohung für ihre Interessen und bereit zu Verhandlungen.

In dieser Hinsicht besonders wichtig ist Rooksbys Forderung nach der Rückkehr zu "einer der ältesten Kontroversen im sozialistischen Denken, ob es möglich ist, den Kapitalismus durch Reformen abzuschaffen - die klassische Debatte Reform gegen Revolution."

Diese grundlegend unehrliche Passage wird eingefügt, damit er die laut ihm "größte Schwierigkeit" der revolutionären sozialistischen Perspektive ansprechen kann: die "Ablehnung der Idee, innerhalb der Strukturen des Kapitalismus die Macht zu übernehmen."

Left Unity will nichts vom Kampf für eine Arbeiterregierung auf der Grundlage von Repräsentativorganen der Arbeiterklasse wissen, die als wichtiger Teil des Kampfes zum Sturz des Kapitalismus und zum Aufbau des Sozialismus gegründet werden. Stattdessen macht die "Linke" klar, dass sie bereit ist, innerhalb der staatlichen Institutionen zu arbeiten, da außerhalb dieser alles Gerede von sozialem Wandel nur ein Bau von Luftschlössern sei.

Man könnte es nicht deutlicher ausdrücken: Left Unity soll den Vertretern der britischen Pseudolinken ein Werkzeug sein, mit dem sie hoffen, an der Regierung beteiligt zu werden, den Kapitalismus zu verteidigen und sich als Polizei gegen soziale und politische Unruhen zu betätigen. Angesichts der Lage, dass Austerität und Wirtschaftskrisen große Klassenkämpfe vorbereiten, wird es die Rolle der Left Unity sein, die Bourgeoisie zu unterstützen, die Arbeiterklasse gewaltsam zu unterdrücken.

Anmerkung:
[1] http://www.wsws.org/de/articles/2013/03/09/berl-m09.html

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Quelle:
World Socialist Web Site, 11.05.2013
Großbritannien
Left Unity: Regisseur Ken Loach führt Initiative pseudolinker Gruppen
http://www.wsws.org/de/articles/2013/05/11/left-m11.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2013