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GLEICHHEIT/4610: Bradley Manning erklärt sich der "Unterstützung des Feinds" unschuldig


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Bradley Manning erklärt sich der "Unterstützung des Feinds" unschuldig

Von Naomi Spencer
2. März 2013



Der Gefreite Bradley Manning erklärte sich am Donnerstag vor einem Militärgericht im Anklagepunkt "Unterstützung für den Feind" für nicht schuldig. Dieser Vorwurf ist der schwerwiegendste von 22 Anklagepunkten gegen ihn im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der Weitergabe klassifizierter Dokumente an die Whistleblower Organisation WikiLeaks. Über seinen Anwalt David Coombs erklärte sich Manning im Zusammenhang mit der Enthüllung von Beweisen für Kriegsverbrechen in zehn Punkten für schuldig.

Der junge Soldat verlas eine von ihm verfasste Erklärung von 35 Seiten, in der er zugab, Regierungsdokumente aus dem Wunsch heraus weitergegeben zu haben, "eine innenpolitische Debatte über die Rolle unseres Militärs und ganz allgemein unserer Außenpolitik zu entfachen". Mannings Einlassungen sind nicht Teil eines Deals oder einer Absprache mit der Staatsanwaltschaft über ein begrenztes Strafmaß. Die Militärrichterin Oberst Denise Lind, die die Anhörung leitete, ordnete an, Mannings Unterschrift unter dem Dokument zu löschen, sodass es nicht als beschworenes Dokument gelten könne.

Diese Aussage war erst die zweite Äußerung, die Manning im Verlauf seiner vorgerichtlichen Anhörungen in der Armeekaserne Fort Meade in Maryland getan hat. Die Anklagepunkte, die er jetzt einräumt, sind von geringerer Schwere. Die Staatsanwaltschaft hat erklärt, das Geständnis werde keinen Einfluss auf ihren Fall haben. Durch Mannings Geständnis kann der Richter im Prozess keinen Freispruch verkünden. Lind hatte schon vorher entschieden, dass Mannings persönliche Motive keine Rolle spielen sollen. Diese Entscheidung raubte dem Soldaten jeden Schutz, der einem Whistleblower zugutegehalten werden könnte.

Unter dem Material, das durch Manning an die Öffentlichkeit gelangt sein soll, befinden sich Videoaufnahmen von Kriegsverbrechen amerikanischer Truppen im Irak, Belege für hohe Opferzahlen unter afghanischen Zivilisten, sowie vom Pentagon niemals zugegebene Gräueltaten und diplomatische Hinterzimmer-Abkommen des Außenministeriums. Das Kriegsgerichtsverfahren, das dem 25-jährigen früheren Nachrichtendienstanalysten droht, wird wahrscheinlich im Juni beginnen. Es könnte mit Lebenslänglich enden, sollte er nach dem Spionagegesetz verurteilt werden. Die Obama-Regierung will an Manning ein Exempel statuieren und andere Gegner einschüchtern. Außerdem soll sein Fall zum Sprungbrett bei der Verfolgung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange dienen.

Manning berichtete dem Gericht am Donnerstag, er habe das "Collateral Murder"-Video zahlreichen Medien angeboten, darunter der politischen Web Site Politico.com, der Washington Post und der New York Times, bevor er sich an WikiLeaks gewandt habe. Das Video zeigt, wie ein amerikanischer Kampfhubschrauber unschuldige Zivilisten, auch Kinder und Journalisten, niedermäht.

Wie die allermeisten Dokumente und Zeugenaussagen bei den Anhörungen wurde auch Mannings Erklärung nicht veröffentlicht. Es war den im Gerichtsaal anwesenden Medienvertretern nicht erlaubt, elektronische Geräte zu benutzen, außer dass sie in Verhandlungspausen kurze Twitter und Blog Updates versenden durften.

"Ich wollte, dass die amerikanische Öffentlichkeit wisse, dass nicht jeder Mensch im Irak und in Afghanistan ein Feind sei, der gejagt und eliminiert werden müsse", sagte Manning, wie der britische Telegraph-Reporter Raf Sanchez in einem Twitter Update schrieb.

Ed Pilkington vom britischen Guardian berichtete, Manning habe im Januar 2010 die Washington Post kontaktiert: "Er hat gefragt, ob sie an Informationen interessiert sei, die 'für die amerikanische Bevölkerung enorm wichtig seien'. Er sprach mit einer Frau, die sagte, sie sei Reporterin, aber: 'Sie schien mich nicht ernst zu nehmen'."

Nathan Fuller vom Bradley Manning Unterstützungsnetzwerk twitterte, was Manning zu den Kriegstagebüchern erklärte, die er an WikiLeaks weitergeleitet hatte: "Ich glaube, dass sie zu den wichtigsten Dokumenten unserer Zeit gehören."

"Niemand bei WikiLeaks drängte mich, mehr Informationen zu liefern", erklärte Manning [laut Kevin Gosztola von Firedoglake.com]

"Für mich war am Alarmierendsten die offenbar genießerische Blutrünstigkeit" der Besatzung des Kampfhubschraubers, für die "menschliches Leben offenbar keinen Wert besaß, wie an ihrer Ausdrucksweise über 'diese toten Bastarde' zu erkennen war (...). Ihre Reaktion auf die verletzten Kinder verstörte mich" [nach Fuller].

Pilkington zitierte Manning mit den Worten, er habe der amerikanischen Bevölkerung die "wirklichen Folgen von Krieg" vor Augen führen wollen.

"Mir schien, wir riskierten so viel für Leute, die offenbar nicht mit uns kooperieren wollten, was zu Frustration und Feindseligkeit auf allen Seiten führte. Die Situation, in der wir Jahr auf Jahr steckten, lag mir auf der Seele", sagte Manning.

"Wir waren davon besessen, menschliche Ziele, die auf Listen standen, zu fangen und zu töten, und wir ignorierten Werte und Missionen. Ich glaubte, wenn die Öffentlichkeit und insbesondere die amerikanische Öffentlichkeit dies sähe, dann würde das eine Debatte über das Militär und über unsere Außenpolitik zum Irak und zu Afghanistan auslösen. Es könnte bewirken, dass die Gesellschaft den Kampf gegen Terrorismus und das Desinteresse an der Lage der Menschen, gegen die wir jeden Tag kämpften, neu bewerten."

Obwohl Mannings Untersuchungshaft diese Woche die tausend-Tage-Marke überschritt, entschied Lind am Dienstag, sein Recht auf einen zügigen Prozess sei nicht verletzt worden. Drei Jahre Gefängnis, zeitweise in Isolationshaft, seien angesichts der Schwere der Anklage "angemessen", erklärte die Richterin. Dabei verlangen militärische Regeln, dass ein beschuldigter Soldat nach vier Monaten Untersuchungshaft vor Gericht gestellt werden muss.

Am Dienstag kündigten Staatsanwälte im Auftrag der Obama-Regierung an, 141 Zeugen aufrufen zu wollen, darunter fünfzehn, die aussagen werden, dass die Informationen, die WikiLeaks bekommen hatte, den "nationalen Interessen" der USA Schaden zugefügt hätten. Dieser Begriff ist derart schwammig, dass er alles bedeuten kann, was die Regierung wünscht.

Wie der verantwortliche Staatsanwalt Ashden Fein sagte, werden vier Zeugen vollkommen anonym und geheim aussagen. Nur der Richter, Anwälte und Manning sollen anwesend sein. Einer dieser Zeugen ist offenbar Mitglied des Todeskommandos der Navy Seals, das Osama bin Laden ohne gesetzliche Grundlage ermordete. Bei dem Überfall in Abottabad soll laut Obama-Regierung ihr "John Doe" [geheimer Informant] nach dem Eindringen in bin Ladens Haus digitale Medienendgeräte mit vier Dateien mit WikiLeaks-Inhalten gefunden haben. "Bin Laden hatte diese Informationen angefordert; ein al-Qaida-Mitglied hat sie besorgt und an bin Laden übergeben", erklärte Fein.

33 weitere Zeugen der Regierung werden zumindest teilweise anonym aussagen. Fein erklärte, diese Zeugen würden "Verletzung und Tod von Personen" bezeugen und zu der Frage aussagen, wie der Feind "infolge der Veröffentlichungen von WikiLeaks" sein Potential in bestimmten Ländern habe verbessern können.

In Wirklichkeit fanden die offiziellen Untersuchungen der Obama-Regierung, auch der so genannten WikiLeaks-Taskforce, keine Beweise dafür, dass die durchgesickerten Informationen zu Schaden für amerikanische Militärangehörige geführt hätten. Mannings Verteidiger durfte keine Zeugen aus dem Militär oder dem Regierungsapparat aufrufen, deren Aussagen den Argumenten der Anklage vermutlich widersprochen hätten.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 02.03.2013
Bradley Manning erklärt sich der "Unterstützung des Feinds" unschuldig
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2013