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GLEICHHEIT/4576: Obama-Regierung beansprucht das Recht auf präventive Cyberkriegsführung


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Obama-Regierung beansprucht das Recht auf präventive Cyberkriegsführung

Von Joseph Kishore
6. Februar 2013



Die Obama-Regierung ist nach einer geheimen juristischen Überprüfung zu dem Schluss gekommen, dass der Präsident präventive Cyberkriegs-Angriffe anordnen kann. Diese Entscheidung ist Teil der Pläne, die Fähigkeit des amerikanischen Militärs zu vergrößern, bei ihren Aggressionen neue Technologien anzuwenden. Die unmittelbarsten Ziele sind der Iran und China.

Die New York Times berichtete am Montag in einem Artikel über die Diskussionen innerhalb der Regierung.

Das Pentagon spricht bei seinen Plänen zur Cyberkriegsführung natürlich von "Verteidigung", aber es handelt sich um eine ganze Reihe von Angriffsmitteln - zusätzlich zu und gleichzeitig mit Wirtschaftssanktionen, weltweiter Überwachung, Drohnenmorden und traditionellen Militäraktionen.

Laut der Times kommt die rechtliche Untersuchung der Regierung zu dem Ergebnis, dass der Präsident "die umfassende Vollmacht dazu hat, einen Präventivschlag anzuordnen, wenn die Vereinigten Staaten auf glaubwürdige Beweise stoßen, dass aus dem Ausland ein schwerer digitaler Angriff droht." Die Zeitung schreibt auch von einem neuen Vorgehen, "das bestimmen wird, wie Geheimdienste weit entfernte Computernetzwerke nach Anzeichen für einen potenziellen Angriff auf die Vereinigten Staaten durchsuchen können und, mit Genehmigung des Präsidenten, mit zerstörerischen Daten infizieren können - selbst wenn kein Krieg erklärt wurde."

Die Bush-Regierung hatte die Doktrin des Präventivkrieges entwickelt, um militärische Aggressionen gegen jedes Land zu rechtfertigen, von dem eine tatsächliche oder potenzielle Bedrohung für die USA ausgeht. Die Times merkt am Rande an: "Das Konzept der Präventivhandlung war rechtlich schon immer umstritten." Als Beispiel führt sie den Irakkrieg im Jahr 2003 an, bei dem es angeblich um "Massenvernichtungswaffen" ging, die das Land besitzen sollte. Die Obama-Regierung kümmert sich scheinbar nicht mehr um solche Streitigkeiten.

Die Bedeutung der Cyberkriegsführung hat sich mit der zunehmenden Abhängigkeit von Computernetzwerken für die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen stark vergrößert. Ein Cyberangriff könnte Kraftwerke, Krankenhäuser, Transportsysteme und andere wichtige Teile der Infrastruktur lahmlegen und zu wirtschaftlichen Zerstörungen und zahlreichen Opfern führen.

Laut der Times wird die Entscheidung zum Einsatz von Cyberkriegsführung allgemein beim Präsidenten selbst liegen. "Ein hochrangiger amerikanischer Diplomat erklärte, man sei sehr schnell zum Schluss gekommen, dass die Waffen des Cyberkrieges so mächtig sind, dass sie - wie Atomwaffen - nur auf direkten Befehl des Oberbefehlshabers eingesetzt werden dürfen.

Vor allem China ist ein Ziel aktueller oder zukünftiger Cyberkriegsführung durch die USA. Die Obama-Regierung sieht in China ihren wichtigsten wirtschaftlichen und geopolitischen Rivalen und hat eine "Schwerpunktverlagerung" auf Asien und den Pazifik organisiert, um ihre Militärressourcen auf die Region zu konzentrieren.

Die Times zitierte Richard Falkenrath vom Council on Foreign Relations: "Das wird zwar alles in neutraler Form beschrieben - was sollen wir im Falle von Cyberangriffen tun - aber die unterschwellige Frage ist: 'Was sollen wir gegen China tun?'"

Nur wenige Tage zuvor hatte eine Reihe von Zeitungen - unter anderem die Washington Post, das Wall Street Journal und die Times selbst - bekannt gegeben, dass sie Opfer von Hackerangriffen von Einzelpersonen aus China geworden seien. Vor allem die Times hatte versucht, sie auf die chinesische Regierung zurückzuführen.

Der bisher größte Akt der Cyberkriegsführung ging jedoch nicht von China aus, sondern von den Vereinigten Staaten und Israel und richtete sich gegen das iranische Atomprogramm. Letztes Jahr war herausgekommen, dass die beiden Länder hinter dem Virus Stuxnet steckten, der im Juni 2010 iranische Computernetzwerke infiziert hatte. Die amerikanische Militäroperation mit dem Titel Operation Olympic Games begann unter Bush und war von Obama fortgesetzt worden.

Wie bei den Drohnenangriffen, hatte Obama auch den Cyberangriff auf den Iran persönlich vom Kontrollraum des Weißen Hauses aus überwacht und regelmäßig aktuelle Berichte erhalten.

Gleichzeitig mit Stuxnet wurde auch der Malware-Virus Flame eingesetzt, der von den USA und Israel zusammen entwickelt und erstmals 2012 entdeckt wurde. Er war ursprünglich entworfen worden, um iranische Regierungscomputer zu überwachen, gelangte aber an die Bevölkerung und infizierte tausende von Computern.

Was öffentlich zugegeben wurde, ist nur ein kleiner Teil davon, was bereits durchgeführt wird. "Es geht hier darum, das Schlachtfeld für weitere verdeckte Operationen vorzubereiten", sagte ein ehemals hochrangiger Geheimdienstler der Washington Post im Juni 2012, ungefähr zu der Zeit, in der der Virus Flame entdeckt wurde. "Cyberangriffe auf das iranische Programm sind in noch weiterer Ferne als das."

Die Times zitierte einen Regierungsvertreter: "Es gibt Cyberkriegsführung, die weitaus aggressiver ist als alles, was bisher benutzt oder empfohlen wurde."

Cyberangriffe werden vom Cyber Command koordiniert, das die Obama-Regierung im Jahr 2010 eingerichtet hat. Es wird geleitet von General Keith Alexander, der auch Chef der National Security Agency ist, dem Hauptgeheimdienst des Militärs. Die NSA verfügt über große Datenbanken jedweder Kommunikation im In- und Ausland.

Laut einem Artikel in der Washington Post hatte das Militär vor kurzem das Personal im Cyber Command von 900 auf 4900 erhöht. Die Zeitung schreibt, dabei geht es darum, "eine Organisation, die sich bisher hauptsächlich auf Verteidigung konzentriert hat, in das Äquivalent einer Kampftruppe des Internetzeitalters zu verwandeln."

John Brennan, den Obama als CIA-Chef nominiert hat, ist tief in die Cyberkriegspolitik der Obama-Regierung involviert. Er spielt eine zentrale Rolle dabei, die Politik der außergerichtlichen Drohnenmorde auch an amerikanischen Staatsbürgern zu verteidigen und zu institutionalisieren.

Das aktuelle Vorgehen ist Teil einer größeren Kampagne. Mitte Oktober letzten Jahres unterzeichnete Obama eine Anordnung, die die Befugnisse des Militärs ausweitete, sodass es Cyberangriffe durchführen kann und Handlungen als "Verteidigung" erklären kann, die bisher als Aggression gegolten hatten - beispielsweise das Lahmlegen von Computernetzwerken.

Gleichzeitig hielt Verteidigungsminister Leon Panetta eine kriegerische Rede, in der er vor der Gefahr eines "Cyber-Pearl Harbor" warnte. Ein Cyberangriff auf die USA könnte "physische Zerstörungen und Todesopfer" verursachen und "die Nation schockieren und lähmen und ein tiefes Gefühl der Verwundbarkeit schaffen," erklärte er.

Panettas Rede zielte gleichzeitig darauf ab, die Ausweitung der Cyberkriegsführung zu rechtfertigen und eine Militäraktion vorzubereiten, die durch einen Cyberangriff auf die USA gerechtfertigt wird.

Zusätzlich zu den Plänen für einen Angriffskrieg im Ausland stellt die Ausweitung der militärischen Cyberkriegsführung auch immense Gefahren für die demokratischen Rechte der amerikanischen Bevölkerung dar, da die Regierung plant, ihre Kontrolle über das Internet auszuweiten und die Grundlagen für eine Militärintervention und Militärherrschaft in den Vereinigten Staaten zu schaffen.

Zu den Plänen für die Cyberkriegsführung gehören auch Vorgaben für den Einsatz des Militärs auf amerikanischem Boden. Laut der Times würde das Militär "im Falle eines schwerwiegenden Cyberangriffs in den USA" unter bestimmten Voraussetzungen eingesetzt werden. Panetta beschrieb die "rote Linie [die dazu überschritten werden müsste] in sehr vagen Begriffen als Äquivalent der Cyberkriegsführung zu den Anschlägen vom 11. September."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 06.02.2013
Obama-Regierung beansprucht das Recht auf präventive Cyberkriegsführung
http://www.wsws.org/de/articles/2013/feb2013/cybe-f06.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2013