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GLEICHHEIT/4404: USA machen Al Qaida für Anschlag in Libyen verantwortlich


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

USA machen Al Qaida für Anschlag in Libyen verantwortlich

Von Alex Lantier
25. September 2012



Amerikanische Beamte, welche den Angriff vom 11. September auf das US-Konsulat in Bengasi untersuchen, glauben jetzt, dieser sei von Al-Kaida-nahen Kräften verübt worden. Eben diese Kräfte hatte Washington während der letztjährigen Nato-Offensive zum Sturz des libyschen Oberst Muammar Gaddafi unterstützt.

Sie identifizierten Abu Sufian Ibrahim Ahmed Hamuda bin Kumu als potenziellen Hintermann des Anschlags, bei dem vier Amerikaner, darunter der amerikanische Botschafter in Libyen, Christopher Stevens, ihr Leben verloren.

Bin Kumu ist ein führendes Mitglied der Ansar-al-Scharia-Brigade in Bengasi, die für den Anschlag verantwortlich gemacht wurde. Berichten zufolge ist er außerdem Mitglied der mit Al-Kaida verbundenen Libyschen Islamischen Kampfgruppe (LIFG) und Führer der Darna-Brigade. Letztgenannte ist eine bewaffnete Gruppe in seiner Heimatstadt Darna im Nordosten Libyens, die im letzten Jahr an der Seite der Nato im Krieg kämpfte, der zum Regimewechsel führte.

David Ignatius berichtete in seiner Kolumne in der Washington Post, dass der amerikanische Geheimdienst außerdem untersuche, ob das LIFG-Mitglied Abdul Wahab al-Kaed al-Libi zu dem Angriff aufgerufen haben könnte. Er ist der Bruder von Abu Yahya al-Libi, einem hochrangigen Al-Kaida-Einsatzplaner und LIFG-Mitglied. Der wurde am 4. Juni dieses Jahres im pakistanischen Mir Ali von einer amerikanischen Drohne getötet.

Bis zum 11. September hatte die Al-Kaida-Führung den Tod al-Libis formell nicht anerkannt. An diesem Tag indessen veröffentlichte Al-Kaida-Führer Aiman al-Zawahiri ein Video, in dem bestätigt wurde, dass al-Libi bei einem amerikanischen Drohnenangriff starb.

"Dahinter könnte Rache für Abu Yahyas Tod stehen. Es gibt Diskussionen darüber", sagte ein amerikanischer Geheimdienstbeamter der Post.

Diese Ereignisse entlarven die Heuchelei des "Kriegs gegen den Terror" und der Behauptungen Washingtons, in Libyen für die Demokratie zu kämpfen. Sie dienten als bequeme Fiktion, hinter der die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten ihre imperialistischen Interessen mithilfe reaktionärer lokaler Stellvertreter weiterverfolgen konnten: Die Beschlagnahmung von 120 Milliarden Dollar aus libyschen Ölfonds, einen größeren Anteil an Libyens Ölindustrie sowie die Einsetzung eines Marionettenregimes in Tripolis. Zu ihren lokalen Stellvertreterstreitkräften zählten Al-Kaida-Einheiten, selbst als die USA sie in anderen Weltteilen noch massakrierten.

Diese zynische Politik schlug jetzt fehl - mit tödlichen Konsequenzen für amerikanische Funktionäre.

Berichte über den Angriff zeigen auf, dass die Beamten des US-Außenministeriums die Bedrohungen in Bengasi unterschätzt hatten. Es gab vorab zahlreiche Warnungen: Einen Bombenangriff am 6. Juni auf die Botschaft in Bengasi, am 11. Juni einen Panzerfaustangriff auf einen Konvoi des britischen Botschafters in Libyen und am 27. August eine Reisewarnung des Außenministeriums über mögliche Autobombenanschläge und Attentatsdrohungen in Tripolis und Bengasi.

Dessen ungeachtet hatte sich Stevens dagegen ausgesprochen, die amerikanischen diplomatischen Einrichtungen in Libyen mit Marines abzusichern, die üblicherweise solche Dienste verrichten. Lokale libysche Milizen unterstützten die Sicherheitskräfte des Außenministeriums zum Schutz der Botschaft in Bengasi. Marineeinheiten waren zu keinem Zeitpunkt in die Kämpfe einbezogen.

Gemäß dem Wall Street Journal entschied sich Stevens, "Libyens neuen Führern Vertrauen entgegenzubringen". Das Blatt schrieb: "Beamte sagen, dass Mr. Stevens persönlich davon abgeraten habe, Marineeinheiten an der Botschaft in Tripolis zu postieren. Offensichtlich um ein zu militaristisches Erscheinungsbild der USA zu vermeiden."

Ein weiterer Beamter, Randa Fahmy Hudome, setzte hinzu: "So etwas passiert, wenn man sich auf eine Regierung verlässt, die nicht das gesamte Land unter Kontrolle hat (...) [Bengasi] war überflutet mit Waffen, die sich in den Händen verschiedener Brigaden befinden, die alle untereinander in Kämpfe verwickelt sind. Das war kein Geheimnis."

Nichtsdestoweniger überraschte offenbar der Angriff auf die US-Botschaft, der um 21 Uhr Ortszeit stattfand, die amerikanischen Diplomaten. Stevens und Sean Smith, ein Beamter des Auswärtigen Dienstes, starben infolge von Raucheinatmung, als sie versuchten, in einen sicheren Raum zu fliehen, der sich mit Rauch füllte, nachdem die Angreifer die Botschaft in Brand gesetzt hatten. Die überlebenden Botschaftsbeschäftigten flohen in ein sicheres Haus, wo sie auf weiteres amerikanisches Personal aus Bengasi und ein Sicherheitsteam des Außenministeriums trafen, das aus Tripolis geflohen war. Das sichere Haus selbst geriet dann unter schweren und gezielten Mörserbeschuss.

Zeitungsberichte deuten darauf hin, dass die Angreifer die US-Beamten ausmanövrierten. Die New York Times schrieb: "Die Angreifer lagen in Warteposition und beobachteten in aller Ruhe, wie die Rettungskräfte, darunter acht Botschaftszivilisten, die gerade auf dem Flughafen Bengasi gelandet waren, in großen Konvois eintrafen. Dieser zweite Angriff war von kürzerer Dauer als der erste, aber komplexer und besser ausgearbeitet. Es war ein Überfall aus dem Hinterhalt."

Offensichtlich erlitten die Angreifer keine Opfer, doch zwei amerikanische Sicherheitskräfte - Tyrone Woods und Glen Doherty, zwei ehemalige Navy-SEAL-Angehörige - wurden getötet.

Sollten Bin Kumu und al-Libi tatsächlich bei der Organisierung der Angriffe mit Kräften, die unter ihrem Kommando stehen, Hilfe geleistet haben, so wären die Vereinigten Staaten in eine Falle geraten, die sie selbst gestellt haben. Nachdem sie Al-Kaida-Einheiten in Libyen und weltweit gereizt und hintergangen hatten - indem sie sie töteten, einsperrten und folterten, wenn sie ihre Dienste in verschiedenen schmutzigen Kriegen nicht mehr brauchten - stehen sie jetzt vor den Konsequenzen. Denn sie haben sie selbst bewaffnet und ihnen in weiten Teilen Libyens die Macht übergeben.

Abd al-Hakim Belhadsch, Berichten zufolge der Gründer der LIFG, war plötzlich Vorsitzender des Militärrats von Tripolis, nachdem die Stadt im August letzten Jahres an die von der Nato unterstützten Kräfte fiel. Seine Einheiten sollen jetzt in der Freien Syrischen Armee dienen, einer ebenfalls von den USA unterstützten Kraft, die das Regime von Präsident Baschar al-Assad bekämpft.

Belhadsch begann seine Karriere als Kämpfer an der Seite von Osama bin Laden. Die beiden kämpften in den 1980er Jahren als Mudschaheddin im sowjetisch-afghanischen Krieg und wurden von der CIA unterstützt. In den 1990er Jahren gründete er gemeinsam mit anderen Veteranen aus diesem Krieg die LIFG. Ein bewaffneter Aufstand im Jahr 1995 gegen das Gaddafi-Regime wurde unterdrückt. Er konnte fliehen und unterstützte den Aufbau von Al-Kaida-Ausbildungslagern in Afghanistan. Dies hatte vor den Angriffen des 11. September stattgefunden. Danach bereiste er Pakistan, den Irak und Malaysia, wo er 2003 gefangen genommen wurde. Von dort wurde er in ein CIA-Gefängnis in Thailand gebracht, wo er gefoltert worden ist.

Im Jahr 2004 wurde Belhadsch an die libysche Regierung übergeben, die ihn und andere gefangen gehaltene LIFG-Führer 2010 freiließ, nachdem sie geschworen hatten, den bewaffneten Kampf nicht wieder aufzunehmen. Ein Jahr später, als Gaddafis Sturz bevorstand, griff Washington wieder auf Belhadschs Truppen zurück. Einige dieser Kampfeinheiten wurden nach Syrien gebracht, um an dem von den USA unterstützen Krieg zum Sturz des Assad-Regimes teilzunehmen.

Bin Kumu seinerseits konnte aus libyscher Gefangenschaft fliehen und schloss sich zu Beginn der 1990er Jahre einem Lager an, das bin Laden in Afghanistan betrieb; nach den Angriffen vom 11. September wurde er in Pakistan gefangen genommen. Für schuldig befunden, ein Mitglied der LIFG zu sein, verbrachte er fünf Jahre im Gefangenenlager von Guantánamo. Die dortigen amerikanischen Beamten zitierten libysche Geheimdienstberichte, die ihn als einen der "bekannten extremistischen Kommandeur afghanischer Araber" bezeichneten. Das heißt er war ein auswärtiger Kämpfer, der in Afghanistan ausgebildet wurde und galt als "gefährlicher Mensch, der skrupellos terroristische Taten begeht".

Im Jahr 2007 übergaben die Vereinigten Staaten bin Kumu an Libyen, das ihn später freiließ. Während des libyschen Krieges rühmte die New York Times in ihrem Artikel vom 24. April 2011 unter dem Titel "Libyer, einstiger Häftling, ist heute so etwas wie ein US-Verbündeter" ihn als "bemerkenswerte Persönlichkeit" im Rahmen der amerikanischen Kriegsführung.

Washington stützte sich auf bin Kumu und ähnliche Kräfte, obwohl es seine persönliche Geschichte bestens kannte. Die Times kommentierte: "Der ehemalige Feind und Gefangene der Vereinigten Staaten ist jetzt so etwas wie ein Verbündeter. Dies ist eher die Folge eines bemerkenswerten Wandels der amerikanischen Politik, als eines offensichtlichen Wandels des Mr. Kumu."

Zu dieser Zeit spielten US-Beamte, die mit der Times sprachen, die Risiken, die sich aus einer Zusammenarbeit mit den LIFG-Kämpfern ergeben könnten, herunter: "Wir sind mehr besorgt über die Infiltration durch Al Kaida von außen, als durch die einheimischen Kräfte. Die meisten von ihnen haben lokale Ziele, darum stellen sie für den Westen keine besondere Bedrohung dar."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 25.09.2012
USA machen Al Qaida für Anschlag in Libyen verantwortlich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2012