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GLEICHHEIT/4006: China - Die Streiks eskalieren


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

China: Die Streiks eskalieren

Von John Chan
31. Dezember 2011


Die in China ausgebrochenen Streiks nehmen eine zunehmend militante Form an. Das zeigt ein Streik von tausenden von Arbeitern in der Shenzhen Hailing Hardware-Fabrik für Datenspeicherung, die dem japanischen Hitachi-Konzern gehört, der seit dem 4. Dezember andauert.

Hailings 4500 Arbeiter, die meisten von ihnen Frauen, stellen Festplatten her. Sie haben bei ihren Konfrontationen mit Sondereinheiten der Polizei beträchtlichen Mut bewiesen und sich den Einschüchterungen von Regierung und staatlichen Gewerkschaften tapfer widersetzt. Sie protestieren gegen eine geplante Zusammenlegung mit dem US-Konzern Western Digital. Ein japanischer Manager hat ihnen mitgeteilt, dass ihnen ihre bisherigen Dienstjahre nicht angerechnet werden und ihnen keine Abfindungen oder sonstigen Vergütungen mehr zustehen.

Mehr als zweitausend Beschäftigte traten sofort in einen Sitzstreik, aber das Management ignorierte mit der Rückendeckung durch die Stadtregierung von Shenzhen weiter ihre Forderungen nach einer Verhandlung über Ausgleichszahlungen. Videos über den Sitzstreik vom 5. Dezember und eine anschließende Konfrontation mit Sondereinheiten der Polizei findet man hier.

Die Polizei riegelte die Fabrik am 10. Dezember mit der Zustimmung des Managements ab. Einhundert Spezialkräfte der Polizei versuchten, ein besetztes Fabrikgebäude zu stürmen und die Arbeiter festzunehmen. Tausend Arbeiter und Arbeiterinnen widersetzten sich, indem sie die Polizei einkreisten. Ein Video von den Verhaftungen ist hier zu sehen.

Ein Arbeiter postete auf einer örtlichen Forumseite einen Blog. Er erklärte, dass die Polizei das Industrieareal ohne Haftbefehle gestürmt habe. Als die Arbeitenden die Rechtmäßigkeit des Einsatzes infrage stellten, wurde ihnen die Antwort "mit den Schlagstöcken der Sondereinheiten" gegeben. Zeugen der Brutalität waren die Beschäftigten nahegelegener Fabriken auf dem Weg zur Arbeit. Viele von ihnen griffen ein und stießen ebenfalls mit den Polizisten zusammen. Sie bewarfen die Beamten mit Essen und Wasserflaschen und riefen Parolen, in denen sie der Regierung vorwarfen, "Kollaborateure" und "Hetzhunde" ausländischer Investoren zu sein.

Nachdem es der Polizei nicht gelang, den Hailing-Protest niederzuschlagen, versuchte das Management, den Streik durch die Bestechung eines Teils der Arbeitskräfte zu beenden. Am 19. Dezember versprach die Firma altgedienten Angestellten und Schichtführern Wohngeld und Kilometergeld für ihre Autos, wenn sie im Gegenzug die Unterschriften von Kollegen einsammelten, die sich bereit erklärten, wieder an die Arbeit zu gehen. Etwa vierhundert Angestellte und Schichtführer haben daraufhin ein rivalisierendes Lager, das den Streik der Arbeiter ablehnt, gebildet. Das Management versuchte auch, die gewählten Vertreter der Streikenden zu bestechen, indem man jedem von ihnen für eine Unterschrift unter eine Vereinbarung über die Rückkehr an den Arbeitsplatz einige hundert Yuan anbot.

Wang Tongxing, stellvertretender Vorsitzender des Shenzhen-Zweiges des Gesamtchinesischen Gewerkschaftsverbandes (ACFTU), hielt am 24. Dezember auf einer Versammlung der Hailing-Arbeiter eine Drohrede. Der Bürokrat bestand auf einem sofortigen Ende des Streiks und erklärte, dass die ACFTU sich von solchen Methoden distanziert". Wang warnte: "Die Besetzung von Lagerhäusern und Produktionsstätten ist gegen das Gesetz. Das Recht der Arbeiter auf Arbeit zu behindern, ist gegen das Gesetz. Die Verteilung von Flugblättern und das Anstiften von Arbeitern zum Streik sind gegen das Gesetz." Niemand, der sich dieser Verbrechen schuldig gemacht habe, "kommt davon."

Die polizeistaatliche Reaktion auf den Streik von Hailing wurzelt tief in der Angst der KP China. Sie fürchtet, dass jeglicher länger andauernde Streik schnell zu einem Brennpunkt für eine breitere Bewegung der Arbeiterklasse werden könnte.

Gleichzeitig mit dem Streik von Hailing fanden in den vergangenen zwei Wochen weitere Arbeitskämpfe statt. Dreihundert Arbeiter traten am 17. Dezember in der Dongguan Essential Paper Products Company in einen Sitzstreik. Die Firma beliefert heimische und internationale Papierverpackungsfirmen, wie die in den USA ansässige MeadWestvaco. Die Belegschaft protestierte, nachdem die Fabrik ohne Vorwarnung über Nacht geschlossen wurde. Das Management verschwand einfach spurlos. Die Regierung weigert sich, die Maschinen und Güter der Firma zu verkaufen, um die nicht ausgezahlten Löhne der Arbeiter zu finanzieren. Sie besteht darauf, zunächst einmal die Gläubiger zu bedienen.

Am 26.Dezember traten achttausend Beschäftigte der LG-Display-Fabrik in Nanjing, die einem südkoreanischen Konzern gehört, in einen Streik. Sie protestierten gegen den Beschluss der Firma, einen Jahresend-Bonus auszuzahlen, der nur ein Sechstel dessen betrug, was koreanischen Angestellten gezahlt wird. Die achtzig Fließbänder des Komplexes, an denen LCD- und LED-Fernseher hergestellt werden, wurden gestoppt. Der in den USA ansässigen China Labour Watch zufolge ist es in der Fabrik zu einer Anzahl von Streiks gekommen, mit denen gegen die schlechte Behandlung von Angestellten protestiert wurde, die für gerade einmal 430 US-Dollar bis zu 290 Stunden pro Monat arbeiten. In dem Artikel hieß es, die in LG-Fabriken in der Guangdong-Provinz Arbeitenden hätten die Streiks in Nanjing aufmerksam verfolgt, da ihre Arbeitsbedingungen sich ähneln.

Am 28. Dezember legten 1500 Arbeiter der von Japanern betriebenen Aries Auto Part Corporation in Guangzhou die Arbeit nieder. Sie protestierten damit gegen die Kürzungen von Jahresend-Boni. Die Fabrik ist ein Zulieferbetrieb von Autokonzernen wie Honda, Toyota und Nissan. Dies ist bereits der zweite Streik dort. Im April war es zu Auseinandersetzungen um niedrige Löhne gekommen.

Die niedrigen Löhne der chinesischen Arbeiter sind als Folge fallender Auftragseingänge aus dem Westen, insbesondere aus dem krisengeplagten Europa, weiter gefallen, ihre miserablen Arbeitsbedingungen haben sich weiter verschlechtert. Die Behörden in Guangdong haben eine geplante zwanzigprozentige Erhöhung des Mindestlohns, die im nächsten Jahr anstand, abgesagt. Diese Entscheidung soll die Profite der Hersteller erhöhen, wird aber den Konflikt mit der Arbeiterklasse weiter verschärfen. Die Weltwirtschaftskrise, die nach dem Crash von 2008 begann, verschlimmert sich. 20 Millionen chinesische Arbeiter haben ihren Arbeitsplatz dadurch verloren. Die jüngsten Streiks geben nur einen Vorgeschmack darauf, was demnächst in China zu erwarten ist.



Siehe auch:

Die Belagerung des chinesischen Dorfes Wukan
http://www.wsws.org/articles/2011/dec2011/pers-d24.shtml

Anzeichen einer neuen Streikwelle in China
http://www.wsws.org/articles/2011/dec2011/pers-d10.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 31.12.2011
China: Die Streiks eskalieren
http://www.wsws.org/de/2011/dez2011/chin-d31.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2012