Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/3856: Palästina und die UN - Die Sackgasse des "Friedensprozesses"


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Palästina und die UN: Die Sackgasse des "Friedensprozesses"

von Bill Van Auken
28. September 2011


Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas erhielt für seine Rede vor der UN-Vollversammlung am Freitag begeisterten Beifall. Das Thema der Rede war sein Gesuch an die UN, Palästina als Staat anzuerkennen.

Die Rede ging auch darauf ein, wie viel Tod, Zerstörung und Erniedrigung die israelische Besatzung über die Palästinenser gebracht hat. Was die Palästinenser in den letzten sechs Jahrzehnten durchgemacht haben, ist den versammelten Außenministern allerdings nur zu gut bekannt. Viele der Regierungen, die von den Außenministern vertreten werden, waren selbst daran beteiligt, vor allem in der arabischen Welt.

Die enthusiastische Reaktion war wohl eher auf die Feindseligkeit gegenüber Washington zurückzuführen. Die USA hatten bereits angekündigt, ihr Vetorecht im Sicherheitsrat zu nutzen, um die Errichtung eines Palästinenserstaates zu verhindern.

Amerikanische Vertreter haben eine schändliche Bedrohungs- und Einschüchterungskampagne gegen die Mitglieder des Sicherheitsrats geführt, um sie dazu zu bringen, mit "Nein" zu stimmen. Portugal wurde beispielsweise gedroht, dass die USA ihre Zahlungen an den krisengeschüttelten Staat einstellen würden, wenn es mit "Ja" stimmen würde.

Die Heuchelei und das Mobbing der USA liefen der Botschaft zuwider, die Washington eigentlich an die UN senden wollte. Das Ziel war, den Krieg der USA und der Nato gegen Libyen für einen Regimewechsel als Sieg für den von den UN gesponserten Multilateralismus und als weiteres Beispiel für den "arabischen Frühling" darzustellen.

Zwar erwähnte Obama in seiner Rede an die Vollversammlung diese beiden Punkte, aber er gab resigniert zu, dass sie von der Palästinafrage überschattet wurden.

In Wirklichkeit ist Washingtons bedingungslose Unterstützung Israels bei der Unterdrückung der Palästinenser untrennbar mit seiner imperialistischen Politik in der Region verbunden. Am offensten drückte sich diese Politik in dem Krieg gegen das ölreiche Libyen aus. Zum "arabischen Frühling" ist zu sagen, dass die Obama-Regierung zusammen mit Israel bis zum letzten Moment dafür gekämpft hat, ihre Verbündeten, Mubarak in Ägypten und Ben Ali in Tunesien, an der Macht zu halten. Jetzt sind sie damit beschäftigt, in den beiden Ländern Regimes an der Macht zu halten, die die Interessen des Imperialismus verteidigen und die revolutionären Bewegungen der Arbeiter und Jugendlichen abwürgen.

Warum ist die Obama-Regierung so versessen darauf, den Antrag der Palästinensischen Autonomiebehörde auf Anerkennung durch die UN zu blockieren? Der offizielle Grund ist, dass diese "einseitige" Aktion den Friedensprozess untergrabe und dass sie die "bilateralen" Gespräche störe, die angeblich der einzige Weg seien, zu einer Übereinkunft zu kommen.

Die Scharade des "Friedensprozesses" zieht sich bereits seit zwei Jahrzehnten hin. Er hat bisher weder zum Frieden geführt, noch zu einer Lösung für die Forderungen der Palästinenser. Stattdessen war er eine Tarnung für die unilateralen Aktionen Israels, das seine Kontrolle über immer größere Teile der besetzten Westbank und Ostjerusalems ausbaut. Allein in den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl zionistischer Siedler dort verdoppelt. Gleichzeitig wurden Checkpoints des Militärs und Sicherheitsstraßen eingerichtet, die nur von Juden befahren werden dürfen. Für die Palästinenser, die unter der Besatzung leben, wird damit nicht nur die nationale Existenz unmöglich gemacht, sondern auch das Leben selbst.

Der Gang vor die UN ist ein stilles Eingeständnis, dass der von den USA vermittelte "Friedensprozess" gescheitert ist. Abbas und die bürgerliche Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde bieten jedoch auch keine Alternative. Sie verbreiten vielmehr die unbegründete Hoffnung, die UN irgendwie dazu bringen zu können, die Gespräche wieder in Gang zu bringen.

Wenn die UN Palästina als Mitgliedsstaat anerkennen sollten, würde sich an den Lebensbedingungen der palästinensischen Massen nichts ändern, genauso wenig wie sich durch die zahllosen anderen Resolutionen etwas geändert hat, die die UN in den letzten fünfzig Jahren zur israelisch-palästinensischen Frage verabschiedet hat. Eine Anerkennung würde nicht das Ende der israelischen Besatzung und der kriegerischen Angriffe bedeuten. Und sie würde den 1,5 Millionen palästinensischen Arabern, die in Israel leben, nicht zur Gleichberechtigung verhelfen.

Abbas und die Führer der Autonomiebehörde haben sich an die UN gewandt, um in der palästinensischen Bevölkerung, die sie vorgeblich repräsentieren, Glaubwürdigkeit zu gewinnen. In mancher Hinsicht unterscheidet sich die Autonomiebehörde kaum von den Regimes, die in Ägypten und Tunesien von den Massen gestürzt wurden. Sie wurde nicht gewählt, regiert mit Dekreten und unterhält einen riesigen Polizeiapparat, der von den USA finanziert wird und mit der israelischen Besatzungsregierung zusammenarbeitet. Sie vertritt nicht die Interessen der palästinensischen Arbeiter und der Unterdrückten, sondern eine kleine Schicht von Regierungsfunktionären und Geschäftsleuten, die durch ausländische Subventionen und Korruption reich geworden sind.

Der Nachrichtensender Al-Dschasira veröffentlichte Anfang des Jahres die "Palestine Papers", Geheimprotokolle der Gespräche, die im Verlauf von zehn Jahren zwischen Israel und der PA stattgefunden hatten. Sie zeigen, dass die PA auf ganzer Linie kapituliert hat. Sie hat effektiv das Recht der palästinensischen Flüchtlinge aufgegeben, aus der Diaspora zurückzukehren, hat fast ganz Ostjerusalem aufgegeben und sich bereit erklärt, an ethnischen Säuberungen mitzuarbeiten, um Israels Status als "jüdischer Staat" zu sichern.

Washingtons Unnachgiebigkeit wird allgemein damit erklärt, dass mit Blick auf die Wahlen 2012 Rücksicht auf die "jüdischen Wähler" genommen werden muss - ein Euphemismus für die mächtige und finanzkräftige zionistische Lobby. Diese repräsentiert weder die Mehrheit der amerikanischen Juden, noch die Mehrheit der israelischen, sonder die rechtesten Elemente im politischen Establishment Israels. Zweifellos haben Organisationen wie das Amerikanisch-Israelische Politische Aktionskomitee (AIPAC) einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Politik der beiden kapitalistischen Parteien in Amerika.

Es gibt aber weitaus grundlegendere unterschwellige Interessen. Israel dient den USA seit einem halben Jahrhundert als Stützpunkt für imperialistische Interventionen im Nahen Osten. 1978 unterzeichneten Menachem Begin und Anwar Sadat die Camp David-Verträge. Diese waren die Grundlage für die Rolle der USA als angeblich "ehrlicher Vermittler" in den "Friedensverhandlungen", wodurch sie ein Instrument zur Durchsetzung ihrer Interessen in der Region erhielten.

Die USA lehnen eine Abstimmung in der UNO über die Anerkennung Palästinas als Staat vor allem deshalb ab, weil sie ihr Monopol über den sogenannten "Friedensprozess" behalten wollen. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy, der gerade erst Kampfflugzeuge und Söldner eingesetzt hat, um in Libyen die Interessen des französischen Imperialismus und des Ölkonzerns Total durchzusetzen, nutzte die Debatte über den Status von Palästina, um zu argumentieren, dass die von den USA geführten Friedensverhandlungen gescheitert seien, und seine eigene französische Lösung durchzusetzen.

Die Debatte um den Status von Palästina wird einerseits angetrieben von den Interessen der herrschenden Clique der Autonomiebehörde, andererseits von imperialistischen Ränkespielen. Sie wird in keiner Weise den demokratischen und sozialen Forderungen der palästinensischen Massen dienen. Diese können nur durch revolutionären Kampf erfüllt werden.

Die unlösbare Krise des Weltkapitalismus, die bereits zu Massenaufständen in Tunesien und Ägypten geführt hat, führt auch in Israel und dem besetzten Palästina zunehmend zu Unruhen. Das drückte sich vor kurzem in den riesigen landesweiten Demonstrationen für bessere soziale Bedingungen in Israel aus. Die entscheidende Frage ist, arabische und jüdische Arbeiter auf Grundlage eines gemeinsamen sozialistischen und internationalistischen Programms zu vereinigen, und für eine sozialistische Föderation des Nahen Osten zu kämpfen, und für das Ende des Kapitalismus weltweit.


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2011 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 28.09.2011
Palästina und die UN: Die Sackgasse des "Friedensprozesses"
http://www.wsws.org/de/2011/sep2011/uno-s28.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de
Internet: www.wsws.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2011