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GLEICHHEIT/3808: Joe Bidens Chinabesuch beleuchtet Niedergang Amerikas


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Joe Bidens Chinabesuch beleuchtet Niedergang Amerikas

Von John Chan
25. August 2011


Letzte Woche besuchte US-Vizepräsident Joe Biden China für vier Tage. Wie es bei Bloomberg.com heißt, bestand der Hauptzweck dieses Besuch darin, dem größten Schuldnerstaat zu versichern: "Ihr Geld ist bei uns sicher." Die Regierung in Beijing hält amerikanische Staatsanleihen über 1,16 Billionen Dollar. Für sie war es ein großer Schock, als Standard & Poors vor kurzem die amerikanischen Schuldenpapiere herabstufte.

Am Sonntag betonte Biden in einer Grundsatzrede an der Universität von Sichuan, Washington habe "ein umfassendes Interesse daran", chinesische Investitionen in US-Staatsanleihen besonders zu schützen. Er sagte seinem Publikum: "Die Vereinigten Staaten sind nie zahlungsunfähig gewesen, und sie werden es nie sein."

Allein die Tatsache, dass ein amerikanischer Vizepräsident eine solche Erklärung abgeben muss, spricht Bände über die Nervosität, die in China und weltweit wegen des amerikanischen Finanzsystems herrscht. Das Verhältnis zwischen den USA und China, der heute zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt, scheint sich zu verändern. Jahrzehntelang wurde der US-Dollar auf Chinesisch als "meijin" bezeichnet, das heißt: so gut wie Gold. Das wird heute stark in Frage gestellt.

Es geht nicht so sehr darum, ob die USA zahlungsunfähig werden könnten oder nicht. Durch Washingtons vorsätzliche Schwächung des Dollars sinkt der Wert der chinesischen Dollar-Investitionen. In den USA werden Milliarden Dollars gedruckt und ausgegeben, was als "quantitative Lockerung" bezeichnet wird. Wie vor ihm andere US-Diplomaten forderte Biden China dazu auf, den Währungskurs zu ändern. Aber das war nur ein pro Forma-Statement. Durch die quantitative Lockerung nehmen die USA bereits eine Neubewertung des chinesischen Yuan vor.

Biden traf sich mit seinem chinesischen Amtskollegen, Vizepräsident Xi Jinping, während die Aktienmärkte wegen der europäischen Schuldenkrise verrückt spielten. Das langsame Wirtschaftswachstum in Amerika und Europa - den wichtigsten Handelspartnern Chinas - sorgte zusätzlich für Beunruhigung. Beide Diplomaten versicherten sich gegenseitig, sie würden alles tun, um die unsicheren Märkte zu beruhigen.

Biden sagte zu Xi: "Ich würde sagen, es gibt für die Vereinigten Staaten nichts Wichtigeres als eine gute Beziehung zu China." Die wirtschaftliche Stabilität der Welt beruhe auf der Kooperation zwischen den USA und China, und: "Das geht jedes Land etwas an". Xi zeigte sich zuversichtlich, dass die US-Wirtschaft es schaffe, "sich anzupassen und wieder auf die Beine zu kommen", und er lobte ihre "Belastbarkeit".

Diese hohlen Phrasen zeigen noch mehr die Fragilität der beiden größten Wirtschaftsmächte der Welt. Die USA sind der Staat mit den größten Schulden der Welt, und sie bewegen sich in die Rezession. Ihre Politik der quantitativen Lockerung zielt darauf ab, Schulden abzubauen und die Exporte auf Kosten der Gläubigerstaaten und Rivalen zu erhöhen. Dass sie die Finanzmärkte der Welt mit Dollars überschütten, erhöht den Inflationsdruck in Ländern wie China, wodurch deren wirtschaftliche und soziale Stabilität bedroht ist.

Die Regierung in Beijing muss voller Sorge zusehen, wie ihr Berg an amerikanischen Schulden an Wert verliert. Während chinesische Funktionäre stärkere Sparmaßnahmen in den USA fordern, um die Schulden zu reduzieren, hat China keine Alternative, als weitere US-Staatsanleihen zu kaufen. Durch das Wiedereinsetzen von Dollars, die an Exporten in die USA verdient wurden, verhindert China eine zu schnelle Wertsteigerung des Yuan und hält damit seine Exportwettbewerbsfähigkeit aufrecht. Am meisten Angst hat die Beijinger Regierung vor weiteren Fabrikschließungen und Stellenabbau wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008-09, weil dies Unruhen der Arbeiterklasse provozieren würde.

Soziale Unruhen in China hätten tiefgehende Auswirkungen auf den amerikanischen Kapitalismus. Ein Spitzentreffen zwischen Biden und Xi mit chinesischen Wirtschaftsbossen zeigte die großen US-Wirtschaftsinteressen in China. Am Tag dieses Treffens kündigte Coca-Cola an, im Jahr 2012 weitere vier Milliarden Dollar in China zu investieren. Caterpillar, der weltweit größte Hersteller von Baufahrzeugen, plant "aggressiv" in China zu expandieren und zusätzlich zu seinen bestehenden sechzehn Werken weitere Anlagen zu bauen. Apple, das laut Börsennotierung Exxon Mobil als größtes Unternehmen der Welt verdrängt hat, ist von den riesigen Sweatshops von Foxconn in China abhängig, in denen iPhones und iPads produziert werden.

Die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit von China und den USA verringert die Spannungen zwischen ihnen nicht, sondern vergrößert noch jede Rivalität. Seit ihrem Amtsantritt hat die Obama-Regierung aggressiv in Asien interveniert, um Beijings wachsenden Einfluss zu untergraben. Zwar sinkt die amerikanische Wirtschaftsmacht im Vergleich zu der chinesischen, aber Washington zögert nicht, seine weiterhin starke Militärmacht einzusetzen, wenn es gilt, die strategische Hegemonie zu verteidigen.

In seiner Rede an der Universität von Sichuan erklärte Biden demonstrativ: "Die Vereinigten Staaten sind - ich weiß, das verursacht gelegentlich Unbehagen, ... - Die Vereinigten Staaten sind im Pazifik eine Macht, und wir werden es bleiben." Mit Blick auf Amerikas dominierende Rolle im Pazifik in den vergangenen sechzig Jahren fügte er hinzu: "Ich würde respektvollerweise sagen, es war gut für China, denn dadurch konnte sich China auf seine innere Entwicklung konzentrieren und von einem wachsenden Markt profitieren."

Wie man in Beijing nur allzu gut weiß, hat das Bild, das Biden hier von den USA zeichnet, das des großherzigen Sicherheitsgaranten für seine asiatischen Rivalen, nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun. Die Obama-Regierung hat China eben erst in Libyen eine bittere Lektion erteilt. Dort bringen die USA und ihre europäischen Verbündeten mit militärischen Mitteln ein Marionettenregime an die Macht, wodurch China effektiv von den libyschen Ölmärkten ausgeschlossen wird und chinesische Investitionen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar vernichtet werden.

Im Pazifik haben sich amerikanische Marinestrategen seit Ende des Zweiten Weltkriegs darauf konzentriert, die Kontrolle über strategische Knotenpunkte wie die Straße von Malakka aufrechtzuerhalten und so den Güterverkehr und besonders den Öltransport zu kontrollieren. Chinas massiv expandierter Produktionssektor ist stark vom Import von Treibstoff und Rohstoffen, besonders aus dem Nahen Osten und aus Afrika, abhängig. Daher ist es kein Wunder, dass die Beijinger Regierung nicht sehr geneigt ist, ihre wichtigen Versorgungslinien unter US-Kontrolle zu belassen und dadurch angreifbar zu werden, und wenn sie stattdessen ihre eigene Hochseemarine aufbaut, um sie zu verteidigen.

Im vergangenen Jahr kam es immer wieder zu Spannungen zwischen den USA und China um das Süd- und Ostchinesische Meer, das heißt um Gewässer, die nahe dem chinesischen Festland liegen. Die US-Außenministerin Hillary Clinton formulierte es so: "Die USA sind in Südostasien zurück." Mit Unterstützung von Washington legen Vietnam und die Philippinen heute ein größeres Gewicht auf ihre eigenen Ansprüche auf das Südchinesische Meer.

Zum Beispiel Vietnam: Vor Bidens Besuch unterzeichneten die USA ihre erste militärische Vereinbarung mit Hanoi seit Ende des Vietnamkrieges. Das Abkommen über medizinische Kooperation war zwar eher symbolisch, signalisierte aber engere Beziehungen zwischen den USA und Vietnam auf Kosten von China. Um dies noch zu unterstreichen, wurden hohe vietnamesische Staatsvertreter am 14. August auf den atomgetriebenen Flugzeugträger USS George Washington eingeladen. China reagierte auf diese Anzeichen einer künftigen Partnerschaft zwischen den USA und Vietnam auf seine eigene Art: mit einem großen Militärmanöver nahe der südlichen Grenze zu Vietnam Anfang August.

Bidens öffentliche Statements in China sind natürlich in die diplomatische Rhetorik friedlicher Kooperation gekleidet Aber beide Seiten sind sich sehr wohl bewusst, das wirtschaftliche Spannungen und Rivalitäten sich durch die weltweite Finanzkrise verschlimmern. Sie führen zur Konfrontation, zu offenen Konflikten und schließlich zum Krieg. Die einzig fortschrittliche Alternative zu einer solchen Katastrophe ist die revolutionäre Vereinigung der amerikanischen und chinesischen Arbeiter, sowie der gesamten internationalen Arbeiterklasse, um das Profitsystem, die Ursache für Leid und Krieg, abzuschaffen.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 25.08.2011
Joe Bidens Chinabesuch beleuchtet Niedergang Amerikas
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2011