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GLEICHHEIT/3325: Französische Arbeiter stehen vor Kampf um die Macht


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Französische Arbeiter stehen vor Kampf um die Macht

Von Alex Lantier
26. Oktober 2010


Die Streikwelle in Frankreich ist der am weitesten entwickelte Ausdruck des zunehmenden Widerstands der Arbeiterklasse gegen die europäischen Regierungen, die zu Felde ziehen, um ihre Sparmaßnahmen gegen den überwältigenden allgemeinen Widerstand durchzusetzen. Durch Polizeieinsätze, mit denen die Streiks und Blockaden von Raffinerien niedergeschlagen werden sollten, konnte die Treibstoffverknappung in Frankreich nicht beendet werden. Ebensowenig war es möglich, die Proteste von Arbeitern und Studenten gegen die Rentenkürzungen Präsident Nicolas Sarkozys, die allgemein auf extreme Ablehnung stoßen, einzudämmen.

Die Weigerung der Gewerkschaften, umfassendere Streiks und Proteste gegen die Angriffe der Polizei auf die Blockade der Erdölraffinerien zu organisieren, muss als alarmierendes Zeichen begriffen werden. Diese Organisationen werden keinen Kampf zur Verteidigung der Arbeiter vor staatlicher Gewalt führen. Im Gegenteil, sie signalisieren Sarkozy, dass er selbst bei verschärfter Polizeigewalt auf stillschweigende gewerkschaftliche Unterstützung setzen kann.

Das Schweigen der Gewerkschaften zur Niederschlagung der Streiks durch die Regierung ist ein deutlicher Ausdruck ihrer feindlichen Haltung zur Entwicklung einer Massenbewegung sowie ihrer Entschlossenheit zur Zusammenarbeit mit Sarkozy, um diese Bewegung zu schwächen und ihr letztendlich den Garaus zu machen. Die Gewerkschaften genießen dabei die Rückendeckung, sowohl der offiziellen "linken" Parteien - der Sozialistischen Partei und der Kommunistischen Partei - als auch der Parteien der so genannten "radikalen Linken", wie der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA). Diese verteidigen die Gewerkschaften, indem sie ihnen politisch Deckung geben und die Arbeiter andauernd auffordern, sich an diesen Agenturen der herrschenden Elite und des Staates zu orientieren.

Die einzigen größeren Aktionen, denen die Gewerkschaften zugestimmt haben, sind zwei eintägige nationale Protesttage am 28. Oktober und 6. November. Derartige "Aktionstage" werden inzwischen von vielen Arbeitern als wirkungslos angesehen. Tatsächlich soll der erste am Tag stattfinden, nachdem beide Parlamente der Endfassung des Gesetzes zur "Reform" der Renten zugestimmt haben. Am 20. Oktober wurde das Gesetz durch den Senat gepeitscht.

In einer Situation, in der es mit Polizeirepression nicht gelungen ist, die Streiks niederzuringen, stützt sich Sarkozy zur Auflösung und Unterdrückung der Massenbewegung unmittelbarer denn je auf die Gewerkschaften und die "linken" Parteien. Gewerkschaftssprecher verbreiten schon die Idee, Widerstand gegen die Kürzungen sei eine aussichtslose Sache. Sie kalkulieren, dass die zunehmende finanzielle Notlage der Streikenden und die Auswirkungen der von den Gewerkschaften bewusst geschaffenen Isolation der Streiks im Raffinerie- und Transportsektor in Erschöpfung und Resignation münden.

Mit dem Beistand pseudo-linker kleinbürgerlicher Organisationen wie der NPA verbreiten sie die gleichermaßen absurde wie gefährliche Illusion, die Regierung könne durch Druck dazu gebracht werden, ihre Sparmaßnahmen aufzugeben oder sie bedeutend abzuändern. Dies trotz Sakozys wiederholter Erklärungen, die Kürzungen würden unter allen Umständen durchgesetzt, und obwohl er den Staatsapparat bereits unter Anwendung von Gewalt gegen die Arbeiter eingesetzt hat.

Proteste allein werden die Orientierung der Regierung nicht ändern. Jeder, der etwas anderes sagt, betreibt Selbsttäuschung oder ein Verwirrspiel. Er ignoriert den Hintergrund der in Frankreich und jedem anderen Industrieland ablaufenden Sparkampagnen - die tiefste Krise des kapitalistischen Weltsystems seit den 1930ern.

Gleichzeitig wird die Lüge verbreitet, die Sozialistische Partei - eine bewährte Partei der französischen Bourgeoisie, die, als sie in den 1990ern an der Macht war, das Programm sozialer Kürzungen überhaupt erst einläutete - stelle eine wirkliche Alternative zu Sarkozy und den Gaullisten dar. Beide, Gewerkschaften und ihre "linken" Verbündeten, sind bestrebt, die Streikbewegung niederzuringen und die allgemeine Unzufriedenheit auf den Holzweg einer Unterstützung der Sozialistischen Partei bei der Präsidentschaftswahl 2012 umzulenken.

Objektiv befindet sich die Arbeiterklasse im Kampf mit der herrschenden Klasse und ihrem Staat. Die Regierung erfüllt offen, unter extremer Verachtung für die demokratischen Willensäußerungen der Bevölkerung, die Gebote der Banken und der Finanzaristokratie.

In der gesamten Bevölkerung trifft der Widerstand der Arbeiter auf außergewöhnlich starke Unterstützung. In der Öffentlichkeit ist eine überwältigende Opposition gegen die Kürzungen und die Unterstützung für die Streikbewegung vorherrschend. Entscheidende Bedeutung hat es jedoch, den Kampf bewusst als politischen Kampf um die Macht zu führen - für den Sturz der Regierung Sarkozy und deren Ersetzung durch eine Arbeiterregierung

Die erste Vorbedingung für einen Sieg im Kampf der Arbeiterklasse ist der Bruch mit den Gewerkschaften und der Aufbau neuer, demokratischer Organisationen. Die World Socialist Web Site ruft die französischen Arbeiter zur Bildung von Aktionskomitees auf, die die Streikbewegung, unabhängig von den Gewerkschaften und den bestehenden "linken" Parteien ausweiten, alle Sektionen der Arbeiterklasse - Arbeitende und Arbeitslose, Einheimische und Immigranten, gewerkschaftlich Organisierte und Nichtorganisierte, Junge und Alte - zu vereinen und alle unterdrückten Schichten der Gesellschaft hinter der gewaltigen gesellschaftlichen Kraft der Arbeiterklasse mobilisieren.

Durch solche Komitees werden die französischen Arbeiter die Möglichkeit haben, Kontakt mit den europäischen und internationalen Arbeitern aufzunehmen, die mit den gleichen Angriffen derselben Urheber - der internationalen Kapitalistenklasse - konfrontiert sind. Die Krise kann nur auf europa- und weltweiter Ebene, durch die revolutionäre Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse, gelöst werden.

Diese Aktionskomitees werden für einen Generalstreik für den Sturz Sakozys kämpfen. Mit der Ausweitung der Massenbewegung können die Komitees zu Arbeiterräten und schließlich Organen der politischen Macht der Arbeiterklasse weiterentwickelt werden.

Nur auf dieser Grundlage ist eine revolutionäre sozialistische Politik möglich, durch die die Produktivkräfte zum Nutzen des Volkes einsetzt und gestärkt werden, während ihre Unterordnung unter Firmenprofite und die persönliche Bereicherung einer winzig kleinen Elite beendet werden.

Der Kampf um Arbeitermacht ist tief in der Geschichte der französischen Arbeiterklasse verwurzelt. Nächstes Jahr werden es 140 Jahre, dass die militärisch eingekreisten Arbeiter von Paris rebellierten und die Kommune errichteten. Damals nahm die Arbeiterklasse zum ersten Mal in der Geschichte die Staatsmacht in die eigenen Hände. Die Kommune wurde schließlich von der bürgerlichen Regierung unter Präsident Adolphe Thiers mittels brutaler Repressionsmaßnahmen niedergemetzelt.

Das Beispiel der Kommune spielte 1917jedoch eine bedeutende Rolle in der russischen Revolution und ihr Andenken ehrt das revolutionäre Potential der Arbeiterklasse noch immer. Die Arbeiter in Europa und der ganzen Welt werden in der kommenden Periode auf solche Traditionen zurückgreifen.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 26.10.2010
Französische Arbeiter stehen vor Kampf um die Macht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2010