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GLEICHHEIT/3196: US-Kriegsverbrecher bedrohen WikiLeaks und Private Manning


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

US-Kriegsverbrecher bedrohen WikiLeaks und Private Manning

Von Patrick Martin
6. August 2010


Die heftigen Forderungen, WikiLeaks und den Soldaten Bradley Manning zu belangen, und die Aufstachelung zur Gewalt gegen sie sind eine wirkliche Bedrohung demokratischer Rechte. Alle Teile des amerikanischen politischen Establishments, Demokraten und Republikaner, Liberale und Konservative versuchen gegen diejenigen zurückzuschlagen, die die Gräueltaten des amerikanischen Militärs in Afghanistan und im Irak offen machen, und alle Kritiker dieser Aggressionskriege des amerikanischen Imperialismus einzuschüchtern.

Die schärfsten Äußerungen kamen von der äußersten Rechten. Der Republikanische Abgeordnete Mike Rogers aus Michigan, ein Ex-CIA-Agent, der jetzt im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses sitzt, erklärte am Montag in einem lokalen Radiosender, dass nach seiner Meinung die Todesstrafe die angemessene Bestrafung für Manning wäre, wenn er für die Weitergabe geheimer militärischer Dokumente an WikiLeaks verurteilt werden sollte.

Manning, der bei einer Aufklärungseinheit im Irak arbeitete, ist jetzt in der Virginia Marine Corps Kaserne in Quantico inhaftiert. Er wartet auf seinen Prozess wegen der Weitergabe des geheimen Videos, das zeigt, wie ein amerikanischer Kampfhubschrauber 2007 irakische Zivilisten in einem Stadtteil von Bagdad niedermäht. Sprecher des Pentagon haben Manning auch im Zusammenhang mit der Weitergabe von 92.000 geheimen Einsatzberichten von Einsätzen in Afghanistan als "Person von Interesse" benannt. Diese Berichte erstrecken sich über den Zeitraum von 2004 bis 2010 und dokumentieren die Tötung Hunderter afghanischer Zivilisten.

Rogers erklärte am 2. August auf dem Sender WHMI: "Nach meiner Meinung sollte die Todesstrafe eindeutig in Betracht gezogen werden. Er hat ganz klar den Feind begünstigt, was möglicherweise zum Tod amerikanischer Soldaten oder von Informanten geführt hat. Wenn das kein schweres Verbrechen ist, was dann?"

Rogers bezog sich auf Meldungen in den Medien, die die Propaganda des Pentagon wiedergeben, dass afghanische Informanten und Spione auf der Seite des US-Militärs ins Fadenkreuz der Taliban geraten könnten, wenn ihre Namen in Dokumenten auftauchen, die von WikiLeaks veröffentlicht werden. "Wir wissen, dass Leute aufgrund dieser offen gelegten Informationen getötet werden", fuhr er fort. "Das ist eine ernste Sache. Wenn sie ihn nicht des Geheimnisverrats anklagen, dann sollten sie ihn wegen Mordes anklagen."

Rechte Medienkommentatoren fordern einen direkten Angriff der Regierung auf WikiLeaks. Auf Fox News am Sonntag forderte Kommentatorin Liz Cheney, Tochter des ehemaligen Vizepräsidenten, die Obama-Regierung auf, die Internetorganisation dicht zu machen, vermutlich mit Hilfe des Cyber-Krieg-Programms des Pentagon.

Am Dienstag schrieb der ehemalige Berater Bushs im Weißen Haus, Marc A. Thiessen, in seiner wöchentlichen Kolumne in der Washington Post, die Regierung solle Julian Assange, den Mitbegründer von WikiLeaks, kidnappen und einsperren.

"WikiLeaks ist kein Nachrichtenmedium, es ist ein kriminelles Unternehmen", erklärte Thiessen. "Sein Bestimmungszweck ist das Sammeln von Geheiminformationen und ihre möglichst weite Verbreitung - zum Nutzen der Feinde der Vereinigten Staaten." Er argumentierte, dass es vollkommen gerechtfertigt sei, zu "außerordentlicher Überstellung" zu greifen, wie sie von der CIA gegen Personen praktiziert wird, die "den Terrorismus materiell unterstützen".

"Assange ist kein US-Bürger und operiert von außerhalb der Vereinigten Staaten", schrieb er. "Das bedeutet, dass die Regierung eine breite Palette von Möglichkeiten hat, gegen ihn vorzugehen. Sie kann nicht nur juristische Schritte ergreifen, sondern auch mit nachrichtendienstlichen und militärischen Mitteln vorgehen, um ihn der Gerechtigkeit zuzuführen und sein kriminelles Syndikat stillzulegen.

Thiessen vertrat die Meinung, dass im Falle der Weigerung Islands oder Belgiens, ihn auszuliefern, " die Vereinigten Staaten Assange auf deren Territorium ohne ihr Wissen und ihre Erlaubnis festnehmen können". Nach geltendem amerikanischem Recht, behauptete er, "benötigen wir keine Erlaubnis, um Assange und seine Mitverschwörer irgendwo auf der Welt festzusetzen".

Liberale Demokraten sind mit eigenen Vorschlägen in den Chor eingefallen, wie man WikiLeaks an den Kragen gehen könnte. Einem Bericht in der New York Times vom Mittwoch zufolge bringen zwei Demokratische Senatoren, Charles Schumer, NY, und Diane Feinstein aus Kalifornien einen Zusatz zu dem Mediengesetz ein, dass gerade im Kongress beraten wird. Es soll klar gestellt werden, "dass nur traditionelle journalistische Recherchemethoden von dem Gesetz geschützt werden, und nicht Webseiten, deren Ziel die massenhafte Verbreitung geheimer Dokumente ist".

Der Gesetzentwurf war ursprünglich als Reaktion auf mehrere Fälle eingebracht worden, in den Journalisten inhaftiert wurden, weil sie sich weigerten, Richtern, Staatsanwälten und Klägern gegenüber ihre Quellen offenzulegen. Um zu verhindern, dass sich WikiLeaks auf ein solches Gesetz berufen kann, wollen Schumer und Feinstein Informanten-Web Seiten ausdrücklich von dem Schutz dieses Gesetzes ausnehmen.

Die Times zitierte Paul J. Boyle, den Vizepräsidenten der Vereinigung der Zeitungsverleger, der diesen Ansatz unterstützt. Diese Politik würde den Schutz des Ersten Verfassungszusatzes auf "traditionelle Nachrichtenorganisationen beschränken, die amerikanischem Recht unterliegen, redaktionelle Kontrollen ausüben und über Erfahrung in der Einordnung von Nachrichten verfügen." Mit anderen Worten, dieser Schutz würde nur für vom Kapital kontrollierte Medien gelten, die gegenüber der herrschenden amerikanischen Elite und dem kapitalistischen Staat loyal sind.

Die wichtigste Sorge der Jäger von WikiLeaks und von Soldat Manning ist, dass nach außen gedrungene interne Regierungsdokumente Beweise für eine Anklage von gegenwärtigen und früheren amerikanischen Regierungsvertretern wegen Kriegsverbrechen liefern. Um ihre eigene Haut zu retten, wollen sie die Entlarvung dieser Gräueltaten kriminalisieren, anstatt die Gräueltaten selber.

Die Wortwahl in den Medien und den offiziellen Kreisen ist gefährlich und beängstigend. Sie macht klar, dass neun Jahre ununterbrochener militärischer Aggression die Grundlage für bedeutsame Angriffe auf demokratische Rechte in den Vereinigten Staaten gelegt haben und offen diktatorische Herrschaftsformen vorbereiten.

Diese Kriege sind mit systematischen Lügen über die Terroranschläge vom 11. September und über die angebliche Gefahr von "Massenvernichtungswaffen" begründet worden. Daher sind sie im wahrsten Sinne des Wortes kriminell. Millionen wurden getötet, verstümmelt und aus ihren Häusern vertrieben und mehr als fünftausend Amerikaner sind in den ölreichen Regionen des Persischen Golfs und Zentralasiens im Interesse des US-Imperialismus gestorben.

Vertreter der Regierungen Bushs und Obamas haben ganz offensichtlich Kriegsverbrechen begangen. Sie sind schuldig des Führens von Aggressionskriegen - der zentralen Anklage bei den Nürnberger Kriegsverbrecher Prozessen gegen die Nazis - bis hin zur systematischen Ermordung von Gegnern im Irak und in Afghanistan. Letztere Praxis wird von WikiLeaks anhand der Aktivitäten der Sondereinheit Army Task Force 373 nachgewiesen. Sie greift einen der schlimmsten Aspekte des Vietnamkriegs wieder auf, das Programm Operation Phönix, in dessen Rahmen 20.000 verdächtigte Anhänger der Vietnamesischen Befreiungsfront ermordet wurden.

Nachdem die Operation Phönix in den amerikanischen Medien entlarvt und unter anderem die Pentagon Papers veröffentlicht worden waren, gerieten von der Regierung betriebene Mordkommandos in Misskredit und wurden offiziell verboten - bis zum "Krieg gegen den Terror". Jetzt werden solche Methoden praktisch wieder legitimiert. Politiker beider Parteien nehmen stolz das Recht in Anspruch, Gegner mit Bomben, Raketen oder unmittelbarer Gewalt "auszuschalten".

WikiLeaks und der Soldat Manning werden aufs Korn genommen, weil sie getan haben, was die Aufgabe der rückgratlosen Medien gewesen wäre. Sie haben die Wahrheit über die Verbrechen des amerikanischen Imperialismus ans Licht gebracht. Arbeiter in den Vereinigten Staaten und der ganzen Welt müssen fordern, dass alle Drohungen und Beschuldigungen gegen WikiLeaks fallengelassen werden, dass die Regierung ihre Einschüchterung von Informanten einstellt und dass Bradley Manning sofort frei gelassen wird.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 06.08.2010
US-Kriegsverbrecher bedrohen WikiLeaks und Private Manning
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2010