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GLEICHHEIT/2979: Das zahnlose Gesetz der US-Demokraten zur Bankenregulierung


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Das zahnlose Gesetz der US-Demokraten zur Bankenregulierung

Von Barry Grey
24. März 2010
aus dem Englischen (17. März 2010)


Christopher Dodd, der Vorsitzende des Bankenausschusses im US-Senat, hat am 15. März eine neue Gesetzesvorlage präsentiert, mit deren Hilfe das amerikanische Finanzsystem neu geregelt werden soll. Der Entwurf hat die Unterstützung der Obama-Regierung und der demokratischen Senatoren.

Wie schon die Vorlage, die im letzten Dezember vom Repräsentantenhaus verabschiedet wurde, schlägt auch dieses Gesetz bestimmte geringfügige Änderungen vor, wie die Regierungsbehörden Finanzfirmen überwachen sollen. Aber es wird die Deregulierung im Bankenwesen in keiner Weise rückgängig machen. In den letzten dreißig Jahren wurden die Restriktionen systematisch abgebaut, die in der Zeit der der Großen Depression verhängt worden waren.

Der Entwurf führt keinerlei strukturelle Maßnahmen ein, die die spekulativen Praktiken verhindern oder auch nur eindämmen könnten. Solche Praktiken spielen bei der Anhäufung von Gewinnen und Privatvermögen für die herrschende Klasse Amerikas eine zentrale Rolle.

Sie haben maßgeblich zu der Finanzkrise und globalen Rezession beigetragen. Doch Obama und die Demokraten im Kongress lehnen es ab, die Vergütung der Manager zu deckeln, und sie weigern sich auch, die Credit Default Swaps, Collateralized Debt Obligations, Structured Investment Vehicles - und wie die exotischen Spekulationspraktiken alle heißen - wirksam zu kontrollieren.

Die wichtigste Neuerung in Dodds Gesetzesvorlage ist, wie schon im Gesetz des Repräsentantenhauses, die Einrichtung eines Verfahrens, mit dem die Regierung große Finanzhäuser, Versicherungen und andere Institute, die keine Banken sind, zerschlagen kann, wenn deren Zusammenbruch einen Systemkollaps auslösen könnte. Dies wurde als großer Erfolg angekündigt, als das Ende von Finanzunternehmen, die "zu groß um zu Scheitern" seien. Das Gesetz verhindere, so wurde gesagt, dass künftig neue, vom Steuerzahler zu finanzierende Rettungsaktionen nötig werden könnten.

So ist es nicht. Die Vorschläge im Gesetzentwurf des Repräsentantenhauses und in Dodds Vorlage planen Rettungsoperationen der Regierung fest ein. Es wird weiterhin die Interessen der Bankmanager, der Aktienbesitzer und Gläubiger sowie den Reichtum der Finanzelite als Ganzes auf Kosten der Allgemeinheit schützen.

Diese Gesetze wurden ausgearbeitet, um das Bankensystem in privaten Händen zu belassen und sich gleichzeitig auf unvermeidbare Folgen vorzubereiten. Da den Banken und Großinvestoren erlaubt wird, ihre Geschäfte wie bisher fortzusetzen, muss mit einer weiteren Finanzkrise von der Größenordnung von jener von 2008 gerechnet werden.

Eine Bestimmung in der Version des Repräsentantenhauses würde einer so genannten "Beschlussfassungsbehörde" die Macht verleihen, "Kredite oder Bürgschaftsverpflichtungen auszuweiten ... um in Zeiten ernster wirtschaftlicher Krisen Instabilitäten im Finanzsystem zu vermeiden". Der Finanzminister und die Bundesbank (Fed) müssten dem zustimmen, nicht aber der Kongress. Das läuft auf einen Blankoscheck hinaus, bei zukünftigen Rettungsaktionen Steuergelder zu verwenden.

Dodd stellte bei seiner Präsentation der Gesetzesvorlage am Montag selbst fest: "Dieses Gesetz wird die nächste Krise nicht verhindern. Das kann natürlich kein Gesetz." Die letzte Behauptung ist nur richtig, solange sich ein Gesetz auf die Verteidigung des Privatbesitzes im Finanzsystem gründet und davor zurückschreckt, der Finanzelite und ihren Profitinteressen zu nahe zu treten.

Obama schlug wieder einmal seinen populistischen Ton an und sagte über Dodds Gesetzesvorlage: "Wir können nicht länger auf eine echte Finanzreform warten, die eine Rechenschaftspflicht in das Finanzsystem einführt und sicherstellt, das der amerikanische Steuerzahler niemals wieder für die Verantwortungslosigkeit unserer größten Banken und Finanzhäuser gerade stehen muss."

Das ist Betrug. Die Gesetzesvorlage, die Dodd am Montag vorstellte, ist sogar noch zahnloser als die, die er im November einbrachte. Letztere hätte den Vorstand der Fed von der Aufsicht über die nationalen Banken entbunden und, wie in einem neuen Gesetz vorgesehen, eine Verbraucherschutzbehörde für den Finanzbereich etabliert.

Dodd steht unter dem Druck der Banken, die über dreihundert Millionen Dollar für Lobbyarbeit gegen die Finanzregulierung ausgegeben haben, und unter dem der Republikaner. Deshalb verwässert er seinen Vorschlag, der Fed die Regulierung aus den Händen zu nehmen, und verzichtet auf eine Verbraucherschutzverordnung. Stattdessen schlägt er ein Verbraucherschutzbüro für Finanzfragen im Rahmen der Federal Reserve vor.

Die Verbraucherschutzbehörde im früheren Gesetz des Repräsentantenhauses ist selbst nur eine symbolische Maßnahme. Sie schließt 98 Prozent der nationalen Banken und die Autohäuser vom Aufgabenbereich der Behörde aus und erlaubt der Bundesregierung, staatliche Verbraucherschutzgesetze außer Kraft zu setzen, die strenger als die Regelungen auf Bundesebene sind. Dodd geht mit seinem Gesetzentwurf noch einen Schritt weiter. Er gibt den Regulierern der Zentralbank die Macht, gegen jede Verbraucherschutzregel, die von seiner Verbraucherschutzbehörde vorgeschlagen würde, ihr Veto einzulegen.

Zusätzlich schwächt Dodds neues Gesetz die ohnehin schwachen Bestimmungen für die Regulierung der Finanzderivate ab. Der Markt für Finanzderivate ist ein sechshundert Milliarden Dollar schwerer Markt für hoch spekulative Geschäfte. Er beschert den Wall-Street-Banken exorbitante Gewinne und spielte eine wichtige Rolle beim Zusammenbruch des amerikanischen Versicherungsgiganten AIG, der im September 2008 weltweit zum Einfrieren der Kreditmärkte geführt hat.

Der Gesetzentwurf des Repräsentantenhauses befreit die meisten Derivate davon, von (privaten) Clearinghäusern abgewickelt und an Börsen gehandelt zu werden. Newsweek schreibt zum Gesetz des Repräsentantenhauses: "Aber dank dem intensiven, wochenlangen Druck der Wall-Street-Banken und ihrer Kunden aus dem unternehmerischen Amerika ist das Gesetz ... von Ausnahmeregelungen und Schlupflöchern durchlöchert, wie Kritiker sagen. Wenn es in Kraft treten sollte, könnte die Wall Street in den kommenden Jahren neue Derivate-Produkte Lastwagenweise durch diese Schlupflöcher fahren."

Als weiteres Besänftigungsmittel für die Banken verwässerte das Gesetz des Repräsentantenhauses das Sarbanes Oxley Gesetz von 2002, das unmittelbar nach dem Enron- und WorldCom-Skandal verabschiedet wurde. Es verleiht der Börsenaufsicht die Macht, interne Kontrollen von börsennotierten Kapitalgesellschaften zu prüfen. Das Gesetz des Repräsentantenhauses befreit Unternehmen mit börsennotierten Aktien im Wert von weniger als fünfundsiebzig Millionen Dollar von solchen Prüfungen. An der Wall Street wird diese Bestimmung als Vorstufe zu ähnlichen Ausnahmeregelungen für Großunternehmen aufgefasst.

Dodd nimmt für seine Gesetzesvorlage in Anspruch, sie setze die so genannte "Volcker-Regel" um. Das bezieht sich auf ein Gesetz, das Obama im Januar vorschlug, um Geschäftsbanken den Handel mit spekulativen Vermögenswerten auf eigene Rechnung, den sogenannten Eigenhandel, sowie den Besitz von Hedge Fonds oder Private Equity Fonds zu verbieten. Obama kündigte das Gesetz vor allem aus politischen Erwägungen an, wohl wissend, dass es wenig Chancen hatte, vom Kongress verabschiedet zu werden.

Dies war vor Veröffentlichung der Berichte über die Bankenboni und vor der Nachwahl für den Sitz des verstorbenen Senators Edward Kennedy. Diese Wahl zeigte die weit verbreitete Unzufriedenheit mit Obama, und sie drohte zu einem Debakel für die Demokratische Partei zu werden. Das versuchte das Weiße Haus mit einem Anfall von Anti-Wall-Street-Demagogie - erfolglos - zu verhindern. In Dodds Gesetzesvorlage sind nun jedoch die Restriktionen der "Volcker-Regel" dem Ermessen der Bankenaufsicht unterstellt; sie sollen auf der Grundlage einer Fall-zu-Fall-Analyse angewandt werden.

Weitere Bestimmungen von Dodds Gesetzesvorlage beinhalten:

Eine Finanzstabilitätsaufsicht unter dem Vorsitz des Finanzministers und der Leiter der verschiedenen Aufsichtsbehörden, die die Risiken des Finanzsystems überwachen soll.

Die Unterordnung der Rating-Agenturen unter die Aufsicht der Börsenkontrollbehörde. Es wird jedoch keine Änderung des derzeitigen Systems vorgeschlagen, bei dem die Rating-Agenturen von den Banken bezahlt werden, die sie bewerten.

Die Abschaffung des Rechnungshofs. Die Zuständigkeit der Federal Reserve Bank soll auf große Nicht-Bank-Unternehmen ausgeweitet werden, bei gleichzeitiger Begrenzung der Bankenaufsicht auf Banken mit fünfzig oder mehr Milliarden Dollar Einlagen. Kleinere Banken sollen der Aufsicht der Einlagenversicherung und der Bankenaufsicht unterstellt werden.

Der Leiter der Federal Reserve Bank of New York soll nicht mehr vom Vorstand der Bank bestimmt, sondern vom Präsidenten ernannt wird.

Die Gesetzesvorlage, die Dodd am 15. März vorgestellt hat, wird wahrscheinlich weitere Änderungen im Sinne der Banken erfahren, bevor sie im Senat zur Abstimmung kommt. Trotz der wochenlangen Versuche, die republikanische Unterstützung für einen Partei übergreifenden Gesetzesentwurf zu gewinnen, hat ihn im Bankenausschuss kein Republikaner unterstützt. Allerdings hat Senator Bob Corker aus Tennessee, mit dem Dodd intensiv verkehrte, das neue Gesetz als "große Verbesserung" gegenüber Dodds Vorschlag vom vergangenen November bezeichnet.

Die American Bankers Association gab Montag eine Erklärung zu Dodds Vorschlägen heraus, in der sie Änderungen "in mehreren Bereichen" fordert. Edward Yingling, der Präsident der Vereinigung, sagte: "Wir sind gegen dieses Gesetz, weil es traditionelle Banken, die die Krise nicht verursacht haben, strengen Regulierungen unterwirft, während Nicht-Banken sogar weitere Wettbewerbsvorteile erhalten."

Dies fasst die Position der Finanzoligarchie treffend zusammen, die selbst eine bloß symbolische Einschränkung ihrer parasitären Aktivitäten ablehnt.

Siehe auch:
Obama umschmeichelt die Republikanische Rechte
(3. Februar 2010)
http://www.wsws.org/de/2010/feb2010/obam-f03.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 24.03.2010
Das zahnlose Gesetz der US-Demokraten zur Bankenregulierung
http://wsws.org/de/2010/mar2010/bank-m24.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2010