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GLEICHHEIT/2895: Erste "Bad Bank" für Osteuropa eingerichtet


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Erste "Bad Bank" für Osteuropa eingerichtet

Von Markus Salzmann und Wolfgang Weber
29. Januar 2010


Anfang vergangener Woche wurde in der österreichischen Hauptstadt Wien die erste so genannte Bad Bank für das osteuropäische Bankenwesen eingerichtet. Sie wird mit einem Fond von vorerst rund 250 Millionen ausgestattet. Einen weiteren, viel größeren Fond stellt der Bad Bank die Weltbankgruppe zur Verfügung, nämlich insgesamt 1,5 Milliarden Dollar.

Lars Thunell, Vize-Präsident der International Finance Corporation, die den Fond initiiert hat, begründete diesen Schritt damit, dass Osteuropa mit am stärksten von der weltweiten Finanzkrise der letzten Jahre getroffen worden sei. Dies habe zu einem dramatischen Anstieg fauler Kredite geführt, mit deren Rückzahlung entweder überhaupt nicht mehr oder nur zu einem stark verspäteten Zeitpunkt oder nur in einem ganz geringem Umfang gerechnet werden kann.

Mit der Einrichtung der Bad Bank werden im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt:

Erstens sollen vor allem westeuropäische Geldinstitute vor Verlusten in Milliardenhöhe geschützt werden, wie sie die Bayerische Landesbank bereits zu verzeichnen hat, indem diese drohenden Verluste in Form von faulen Krediten und anderen Wertpapieren kurzfristig in der Bad Bank wie auf einer Giftmüllhalde gesammelt werden.

Zweitens sollen diese Banken nicht nur vor dem Zusammenbruch bewahrt, sondern in die Lage versetzt werden, frei und unbelastet von alten Geschichten und Verlusten wieder frisch ins Geschäft einzusteigen. So kann das ganze Karussell profitabler Finanzspekulationen und Kreditvergaben erneut in Schwung geraten. Dazu werden diese sogenannten faulen oder "toxischen Wertpapiere" zu einem stark verminderten Buchwert gegen Schuldverschreibungen eingetauscht. Während die Banken vorher, mit faulen Krediten in den Bilanzen belastet, von den Zentralbanken kein frisches Geldkapital bekommen konnten, sind sie nun in der Lage, diese Schuldverschreibungen bei ihrer jeweiligen Zentralbank als Sicherheit einzureichen.

Zahlreiche Banken aus Deutschland, Österreich, Italien, Schweden und anderen Staaten haben in den letzten Jahren seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der stalinistischen Regime in Osteuropa Kredite in einem Volumen von mehreren hundert Milliarden in Osteuropa vergeben, deren Rückzahlung jetzt überfällig ist. Selbst der Verlust nur eines Teils dieser ausstehenden Kredite könnte zum Staatsbankrott einiger Länder führen. Nach Schätzungen der Weltbank sind Kredite in Höhe von mindestens 200 Milliarden Euro faul.

Das Geschäft der neu gegründeten Bad Bank in Wien besteht nun darin, die billig eingekauften, von den ursprünglichen Banken als "verloren" eingeschätzten Kredite in den nächsten Jahren doch noch einzutreiben.

Geführt und verwaltet wird die Bad Bank mit dem Namen "CEE Special Situations Fund" von dem US-Investmentunternehmen CRG-Capital, laut Firmenbuch mit Sitz im Steuerparadies Delaware. Primäres Ziel von CRG werden die Märkte in Polen, Rumänien, Ungarn, dem Baltikum, aber auch in der Ukraine sein, heißt es bei CRG in Wien. Näheres darüber, wie die faulen Kredite eingetrieben werden sollen, wurde bei der Gründung der Bad Bank nicht bekannt gegeben. Nur so viel: "Wir haben jede Menge Erfahrung und allein in den USA 90 spezialisierte Anwälte", sagt CRG-Finanzchef Dorian Macovei.

Die "Spezialisierung" der Anwälte liegt dabei weniger auf dem Gebiet des Rechts oder legaler Geschäfte, sondern darin, Schuldner, die sich nicht in der Lage sehen, ihre Kredite zurückzuzahlen, oder die nicht mehr bereit dazu sind, mit allen Mitteln davon zu überzeugen, dass sie es doch lieber tun sollten. Die Anwälte dürften sich dabei auf Detektei- und Sicherheitsfirmen stützen, die in den betreffenden osteuropäischen Ländern mit den örtlichen Bedingungen, den Unternehmensbeziehungen oder auch familiären Verhältnissen der Schuldner auf das Genaueste vertraut sind oder sich die notwendigen Kenntnisse verschaffen können.

Es ist nicht auszuschließen, dass einige dieser Schuldeneintreiber-Firmen aus den Sicherheitsapparaten der ehemaligen stalinistischen Staatsbürokratien hervorgegangen sind.

Die ganze Operation "Bad Bank" macht deutlich, dass es hierbei vor allem darum geht, die westeuropäischen Banken um jeden Preis zu sanieren, und nicht etwa, der Bevölkerung in Osteuropa zu helfen. Der Erfolg für diese Operation ist aber alles andere als gesichert, da er völlig davon abhängt, ob die tiefe wirtschaftliche Rezession in Osteuropa überwunden werden kann oder nicht.

Bisher musste der IWF bereits Ungarn, Rumänien und der Ukraine finanziell unter die Arme greifen, um einen Kollaps dieser Länder zu verhindern.

Die neuesten Prognosen für die Region sind düster. Lettland hat in den vergangenen zwei Jahren mehr als 24 Prozent seiner Wirtschaftsleistung eingebüßt. Laut IWF sinkt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr mindestens um weitere 4 Prozent. Estlands Staatsverschuldung beträgt mittlerweile 140 Prozent des BIP und wird nur noch von Rumänien übertroffen, das ein BIP von 160 Prozent aufweist.

Mit 14,5 Prozent hat der baltische Staat noch vor Estland (12%), Rumänien (11,2%) und Bulgarien (10,1%) den höchsten Anteil an notleidenden Krediten. Die bekannten Ausfälle in Litauen und Ungarn sind ähnlich hoch. Da der wirtschaftliche Abschwung in allen diesen Ländern auch 2010 anhalten wird, werden zweifelsohne auch die Kreditausfälle ansteigen.

Hinzu kommt eine rasant steigende Arbeitslosigkeit, die zu einer Zunahme der Kreditausfälle im Privatkundenbereich führt. Die Arbeitslosigkeit in Osteuropa ist schon jetzt deutlich höher als im Westen, und dieser Unterschied wird sich weiter vergrößern. Die Zahl der Länder mit einer offiziellen Arbeitslosigkeit von mehr als zehn Prozent hat bereits in den vergangenen Monaten zugenommen.

Neben Lettland, wo die Arbeitslosigkeit offiziell bei 22 Prozent liegt, gehören auch Polen, Ungarn, die Slowakei, Slowenien, Serbien und Kroatien dazu. In Serbien wird die Quote nach Schätzungen der Ersten Bank a.d. Novi Sad im Jahr 2010 von derzeit 16,5 Prozent auf 18,5 Prozent steigen. Dabei muss bedacht werden, dass dies nur einen ungefähren Einblick gibt. Die reale Arbeitslosigkeit liegt meist deutlich höher.

Im Gegensatz zu allen Vorhersagen hat sich die ökonomische Situation in Osteuropa nicht verbessert. Mit der Einrichtung der Bad Bank und anderen Rettungsmaßnahmen soll daher auch ein weiterer Rückzug westeuropäischer Banken aus dem Osteuropageschäft gebremst werden.

"Einige Marktteilnehmer könnten ihre Osteuropa-Strategie in diesem Jahr noch einmal überdenken", befürchtet der Direktor der Ratingagentur Fitch, Michael Steinbarth. Als beispielhaft nennt Fitch den Rückzug der BayernLB mit ihrer österreichischen Tochter Hypo Group Alpe Adria (HGAA), die auf dem Balkan stark präsent ist.

Auch die belgische KBC wird sich aus Osteuropa zurückziehen. Jüngst wurden Pläne bekannt, wonach KBC zwischen 30 und 40 Prozent ihrer tschechischen Tochtergesellschaft an die Prager Börse bringen und sich auch von der größten slowenischen Bank NLB trennen wird.

Der US-Ökonom und Kolumnist Mark Weisbrot erklärte kürzlich gegenüber BusinessNewEurope recht unverblümt die Politik des IWF in dieser Frage: "Die Realpolitik des IWF wird vom US Treasury Department und den westlichen Regierungen vorgegeben", so Weisbrot. "Sie hören nicht auf die Stimmen der Opfer ihrer Politik - diese werden nicht repräsentiert."

"Betrachtet man die vielen hundert Milliarden Dollar, die der IWF in den letzten eineinhalb Jahren aufgebracht hat, wird meines Erachtens völlig klar, dass dieses Geld für die möglichen Verluste von westeuropäischen Banken in Zentral- und Osteuropa eingesetzt werden soll", so Weisbrot weiter. "Es gibt keine andere vorstellbare Katastrophe, für die man diese Gelder verwenden würde", sagte er. "Der IWF setzt diese Gelder nicht für die Rettung von Ländern wie Lettland ein. Es geht an die schwedischen Banken, wenn diese gerettet werden müssen. Wenn die Regierung von Schweden oder Österreich gerettet werden muss, dann werden diese Gelder eingesetzt."

Während der IWF und die Europäische Union alles daran setzen, die Verluste der Geldhäuser so gering wie möglich zu halten, erhöhen sie den Druck auf die osteuropäischen Regierungen, die Sparmaßnahmen weiter fortzuführen und zu verschärfen. Die Bevölkerung leidet immer stärker darunter.

In Ungarn wird die Zahl derjenigen, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, im Januar die Marke von 800.000 übersteigen. Damit stehen mittlerweile acht Prozent der Bevölkerung auf dem Index des Zentralen Kreditinformationssystems der Banken. Die Zahl der Unternehmen - vor allem kleine oder mittlere Unternehmen - die ihren Kreditverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnten, liegt bei knapp 180.000. Allein in den letzten beiden Monaten kamen 2500 Firmen neu hinzu. In ganz Osteuropa kletterten die Pleiten 2009 gegenüber 2008 sogar um 56,1 Prozent.

In Lettland erklärte Uldis Rutkaste, Berater der lettischen Zentralbank, kürzlich vor Wirtschaftsvertretern in Riga, dass die Regierung ihre "pro-zyklische Fiskalpolitik" fortsetzen werde. Das bedeutet, dass die lettische Regierung auch weiterhin die Steuern erhöhen, die Löhne kürzen und die soziale Infrastruktur zerstören wird. Dies war eine maßgebliche Bedingung von Seiten des IWF für die Gewährung von Krediten.

Vor einer Woche stellten Menschen fast ein Dutzend Zelte vor dem Regierungsgebäude in Riga auf und traten gegen die Wirtschaftspolitik der lettischen Regierung in einen Hungerstreik. Auf Plakaten war unter anderem zu lesen: "Gegen sozialen Genozid". Immer mehr politische Beobachter fürchten ein Anwachsen der Massenproteste.

Siehe auch:
Lettland von Protesten erschüttert
(17. Januar 2009)
http://www.wsws.org/de/2009/jan2009/lett-j17.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 29.01.2010
Erste "Bad Bank" für Osteuropa eingerichtet
http://wsws.org/de/2010/jan2010/oste-j29.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2010