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GLEICHHEIT/2837: Haiders Erbe


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Haiders Erbe

Von Markus Salzmann und Peter Schwarz
17. Dezember 2009


Der ultrarechte österreichische Politiker Jörg Haider ist im Oktober letzten Jahres bei einem selbstverschuldeten Autounfall ums Leben gekommen. Doch sein Erbe reißt nun Milliardenlöcher in die öffentlichen Haushalte Österreichs, Kärntens und Bayerns. Die Krise der Hypo Alpe Adria Bank (HGAA), in der Haider eine Schlüsselrolle spielt, ist ein Paradebeispiel für die enge Verquickung von Hochfinanz und rechtsextremer Politik.

Die österreichische Regierung hat am Montag früh die marode HGAA übernommen und so den unmittelbaren Zusammenbruch des sechstgrößten Geldhauses der Alpenrepublik verhindert. Die bisherigen Eigentümer - die Bayerische Landesbank (BayernLB), das Land Kärnten und die Grazer Wechselseitige Versicherung - wurden mit je einem Euro abgefunden. Sie haben mehrere hundert Millionen Euro zugeschossen, um das Überleben der Bank zu sichern.

Allein die landeseigene BayernLB, die vor zweieinhalb Jahren als Mehrheitseigner bei der HGAA eingestiegen war, muss nun Verluste von nahezu vier Milliarden Euro verkraften. Sie werden größtenteils auf die bayrische Staatskasse zurückfallen und sich in entsprechenden Kürzungen der öffentlichen Ausgaben niederschlagen. Das Land Bayern hatte bereits vor einem Jahr zehn Milliarden Euro zugeschossen, um Deutschlands zweitgrößte Landesbank vor der Pleite zu bewahren.

Das Schicksal der HGAA ist eng mit dem Aufstieg der ultrarechten Freiheitlichen Partei (FPÖ) Jörg Haiders und ihrer Nachfolgerin, des Bündnisses Zukunft Österreich (BZÖ) verbunden. Haider, der zwölf Jahre lang als Landeshauptmann Kärntens amtierte, benutzte die Bank, um seine politischen Projekte zu finanzieren, seine Parteifreunde zu bereichern und Stimmen zu kaufen.

Das 1896 gegründete Finanzinstitut stieg unter Haiders Obhut von einer Provinzbank zu einem Marktführer auf dem Balkan auf. In Kärnten finanzierte es verlustträchtige Prestigeobjekte Haiders, wie das luxuriöse Schlosshotel Verden und die Klagenfurter Seebühne, sowie die wachsenden Schulden des Landeshaushalts. Kärnten gilt inzwischen als "Schuldenkaiser" unter den österreichischen Bundesländern.

Die Landesregierung sicherte im Gegenzug die Bonität der Bank. Sie übernahm Ausfallbürgschaften im Umfang von 19 Milliarden Euro. Das ist fast das Zehnfache des jährlichen Landeshaushalts von 2 Milliarden Euro. Eine Pleite der HGAA hätte unweigerlich die Zahlungsunfähigkeit Kärntens zur Folge gehabt.

Ähnlich wie einst die Mächtigen im alten Rom nutzte Haider den Geldfluss aus der HGAA, um Wähler für sich einzunehmen. Er führte einen Kinderscheck, Geburten- und Müttergeld, Pendlergeld, Heizzuschüsse, subventionierten Dieselkraftstoff und einen Teuerungsausgleich ein. Unter Haiders Nachfolgern kamen tausend Euro für Jugendliche hinzu, die den Führerschein erwerben. An der sozialen Ungleichheit änderten diese Geldgeschenke wenig; mit 76.000 armutsgefährdeten Menschen liegt Kärnten unter den österreichischen Bundesländern an zweiter Stelle. Aber sie sicherten dem BZÖ deutliche Mehrheiten.

In den Nachfolgestaaten Jugoslawiens finanzierte die HGAA eine korrupte und halbkriminelle Oberschicht, die jener im Umfeld Haiders glich. "Hypnotisch wurden Bankgenies im Fahrwasser von Jörg Haider in Mazedonien, Bosnien oder Montenegro von bedürftigen Unternehmern angezogen, die eine günstige Zwischenfinanzierung für den Cashflow gut gebrauchen konnten", kommentiert die Frankfurter Allgemeine.

Ein Kommentar der Süddeutschen Zeitung wirft der HGAA vor, sie habe auf dem Balkan "am Geld-Macht-Filz lokaler und regionaler Art mitgewoben". Und in einem anderen Artikel derselben Zeitung heißt es: "In Kroatien finanzierte die Kärntner Bank gewagte Bauprojekte von Ex-Politikern und früheren Generälen. Bei Leasing-Geschäften mit Autos in Bulgarien sollen sündteure Luxus-Limousinen schlichtweg verschwunden sein. Die Liste der dubiosen Geschäfte ließe sich nahezu unbegrenzt fortsetzen."

Anderen Meldungen zufolge finanzierte die Bank allein in Kroatien, Serbien und Bosnien mehr als tausend Luxus-Jachten und mehrere Privat-Jets. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Klagenfurt wegen Untreue gegen sie.

Der Fäulnisgestank, der von diesen Geschäften ausging, war bereits deutlich wahrnehmbar, als die BayernLB im Mai 2007 eine Mehrheitsbeteiligung an der HGAA erwarb. Die Übernahme hatte die Rückendeckung des damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und wurde im Verwaltungsrat der BayernLB von Innenminister Günther Beckstein und Wirtschaftsminister Erwin Huber abgenickt. Sie hatte also die volle Unterstützung der damaligen CSU-Spitze.

Jetzt, nach vier Milliarden Euro Verlust, ist in der CSU ein heftiger Streit über die politische Verantwortung entbrannt. Beckstein und Huber müssen sich gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, sie hätten sich von Haider über den Tisch ziehen lassen. Haider hatte nach dem Verkauf öffentlich geprahlt: "Jetzt sind wir reich."

Die Vorstellung, die CSU-Spitze habe sich von Haider täuschen lassen, ist allerdings naiv. Die politischen Umstände deuten eher darauf hin, dass Stoiber, Beckstein und Huber sehr genau wussten, was sie taten. Mit der Milliardenspritze der BayernLB bewahrten sie die HGAA vor dem Absturz und retteten so Haiders politische Karriere.

Der mittlerweile entlassene Vorstandschef der BayernLB, Michael Kemmer, hat noch vor fünf Monaten erklärt, der Erwerb der HGAA sei "nicht zuletzt vor dem Hintergrund der landsmannschaftlichen Verbindungen zwischen Bayern und Kärnten" erfolgt - ein klares Indiz, dass politische und nicht finanzielle Gründe den Ausschlag gaben.

Zwischen Haiders BZÖ und der bayrischen CSU bestehen zahlreiche politische Parallelen. Beide haben ihre jeweiligen Landesbanken benutzt, um ihre Macht abzusichern und ihre Klientel zu versorgen, und sich dabei in dubiose Geschäfte und Skandale verwickelt. Beide greifen gern zu ausländerfeindlichen, anti-islamistischen und Law-and-Order-Kampagnen, um von wachsenden Klassengegensätzen abzulenken und rechte Kräfte zu mobilisieren.

Öffentlich hat sich zwar die CSU meist vom rechten Schmuddel-Image des BZÖ distanziert, aber angesichts wachsender sozialen Spannungen konnte ihr nicht daran gelegen sein, dass Haider in seiner Bastion Kärnten die Macht an nominell linkere Parteien verlor. Daher ihr Einstieg in die HGAA.

Die enge Verbindung zwischen rechtspopulistischen Kräften, milliardenschweren Banken und halbkriminellem Milieu ist nicht auf Kärnten oder Bayern beschränkt. In Italien verkörpert Regierungschef Silvio Berlusconi diese Verbindung in Personalunion. In der Schweiz steht der Milliardär Christoph Blocher, der führende Kopf der Schweizerischen Volkspartei, hinter dem Referendum über das Verbot von Minaretten.

Diese Kräfte stützen sich auf den Bankrott der so genannten "Linken". Während sich die Finanzaristokratie und ihre rechten Lakaien hemmungslos bereichern, übernehmen Sozialdemokraten, Grüne, die deutsche Linkspartei und ähnliche Formationen die Aufgabe, die Staatskasse auf Kosten der Bevölkerung zu sanieren.

So geschieht es jetzt auch wieder in Österreich. Mit der hundertprozentigen Übernahme der HGAA hat der sozialdemokratische Bundeskanzler Werner Faymann zuallererst die Herrschaft des BZÖ in Kärnten gerettet. Bei einem Konkurs der Bank wäre Kärnten bankrott und das BZÖ erledigt gewesen. Die Kosten für die Sanierung der Bank übernimmt nun die Bundesregierung. Sie wird sie auf die Bevölkerung abladen, was die Ultrarechten wiederum zu ihren Gunsten ausschlachten werden.

Faymann begründet die Verstaatlichung damit, dass ein Zusammenbruch der Bank nicht nur Kärnten, sondern auch Kroatien und ganz Österreich in Mitleidenschaft gezogen hätte. "Österreich hätte dann das Schuldenniveau Österreichs erreicht", sagte er. Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, hatte sich in die Verhandlungen eingeschaltet, um eine Pleite der HGAA zu verhindern.

Faymann machte aber gleichzeitig auch deutlich, dass er dem BZÖ nicht zu nahe treten will. Haiders Nachfolger als Landeshauptmann, Gerhard Dörfler, hatte Rücktrittsforderungen mit der höhnischen Bemerkung abgelehnt: "Kärnten war zweimal Sieger, einmal beim Verkauf der Hypo [an die BayernLB] und jetzt." Darüber regte sich Faymann zwar auf, lehnte aber die Forderung nach Neuwahlen in Kärnten kategorisch ab.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 17.12.2009
Haiders Erbe
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2009