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GLEICHHEIT/2642: Pentagon-Forderung an Obama - Schick' mehr Truppen oder riskier' Niederlage


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Das Pentagon fordert von Obama:
Schick' mehr Truppen oder riskier' Niederlage in Afghanistan

Von James Cogan
18. August 2009
aus dem Englischen (13. August 2009)


Die Obama-Regierung steht kurz davor, eine weitere große Eskalation des Kriegs in Afghanistan anzukündigen. Die US-Militärführung erklärt, dass der Aufstand der Taliban in den nächsten zwölf bis achtzehn Monaten eingedämmt werden müsse, um eine demütigende Niederlage zu verhindern.

General Stanley McChrystal, der Befehlshaber der US- und Nato-Streitkräfte in Afghanistan, bedient sich ununterbrochen die amerikanischen Medien, um die öffentliche Meinung auf die Entsendung weiterer Soldaten und die Bewilligung von mehr Geldern zur Stärkung der Besatzung einzustimmen. Der Befehlshaber sollte diese Woche im Weißen Haus einen Bericht über den Krieg geben; der wurde jedoch bis nach den afghanischen Präsidentschaftswahlen am 20. August verschoben.

In einem Interview mit dem Wall Street Journal vom Wochenende, aus dem am Montag Auszüge unter dem düsteren Titel "Die Taliban auf der Siegesstraße" veröffentlicht wurden, erklärt McChrystal, der Konflikt befinde sich an einem "kritischen und entscheidenden Punkt". Die Taliban, erklärt er, seien "zurzeit ein sehr aggressiver Feind" und die Besatzungsstreitkräfte hätten im Grunde zwölf Monate, um deren "Schwung" und "Initiative" zu stoppen.

McChrystal legte seine Pläne zwar nicht offen, aber nicht genannte Beamte, die an dem Bericht beteiligt waren, gaben gegenüber dem Wall Street Journal Details der Vorschläge preis. Sie umfassen:

Finanzierung der Aufstockung der afghanischen Armee um das Doppelte von 135.000 auf 240.000 Mann und der Polizei von 82.000 auf 160.000 Mann.

Die langfristige Stationierung von bis zu 10.000 weiteren US-Soldaten, die als Ausbilder beim Ausbau der afghanischen Sicherheitskräfte fungieren sollen. Die meisten Analysten sind der Meinung, dass dieser Prozess bis zu seinem Abschluss mindestens fünf Jahre dauert.

Die kurzfristige Stationierung von zwei bis acht zusätzlichen Kampfbrigaden - was sich auf etwa 10.000 bis 60.000 Soldaten plus Hilfs- und Logistik-Personal beläuft -, um koordinierte Offensiven gegen Taliban-Hochburgen zu ermöglichen. Das Wall Street Journal hob Befürchtungen innerhalb des Militärs hervor, dass die Aufständischen während der gegenwärtigen Operation in der Provinz Helmand aus Mangel an Soldaten größtenteils entkommen seien.

Eine weitere Information sickerte zur McClatchy Newspapers- Gruppe durch; demnach beabsichtigt McChrystal zusätzlich, bedeutend mehr US-Regierungsangestellte in unterschiedlichen Beratungsfunktionen anzufordern. Man hatte erwartet, dass das Kontingent an Zivilangestellten in Afghanistan von 560 Ende 2008 auf 1000 Ende dieses Jahres und auf bis zu 1350 bis Mitte 2010 anwachsen werde. Im Wesentlichen wird ihre Rolle darin bestehen, ganze Ressorts der Marionettenregierung in Kabul zu leiten.

Man geht davon aus, dass die Vorstellungen McChrystals mit Nachdruck vom Chef des Führungsstabs General David Petraeus unterstützt werden, der für den US-"Surge" im Irak verantwortlich war.

Die Ansichten der herrschenden Kreise in den USA drückte diese Woche Anthony Cordesman aus, ein hochrangiger außenpolitischer Analyst am Center for Strategic and International Studies (CSIS). Cordesman wurde von McChrystal eingeladen, an der Vorbereitung seines Berichts mitzuarbeiten und ist kürzlich aus Afghanistan zurückgekehrt. Am 10. August veröffentlichte er seine Schlussfolgerungen in der britischen Times unter der Überschrift "Mehr Truppen, weniger Vorbehalte - lasst uns zur Sache gehen"

Cordesman verurteilt die Bush-Regierung, weil sie den Taliban-Aufstand bis 2007 nicht ernst genommen habe, und kritisiert die Nato-Staaten, weil sie nicht genügend Truppen zur Verfügung stellen und deren Einsatz beschränken. Washington und die Nato, erklärt er, haben es dem "Feind seit mehr als fünf Jahren erlaubt, die Initiative zu ergreifen".

Zusätzlich bezeichnet er die afghanische Regierung von Präsident Hamid Karzai als "korrupt, stark überzentralisiert, mit zu wenig Kapazität und in großen Teilen Afghanistans faktisch nicht vorhanden". Er kritisiert den internationalen Aufbau und die Hilfe für Afghanistan scharf als "dysfunktionellen, verschwendischeren Schlamassel, der von bürokratischen Streitigkeiten gelähmt wird".

Die Folge sei, erklärt Cordesman, dass die "Taliban sich von einer besiegten Truppe von Exilanten zu einer Kraft entwickelt haben, die die Nato und die afghanische Regierung zu besiegen droht". Die Aufständischen haben die Zahl der Distrikte, die sich unter ihrer Kontrolle befinden, von 30 im Jahr 2003 auf 160 Ende 2008 erhöht, und ihre Angriffe auf die Besatzungsstreitkräfte sind zwischen Oktober 2008 und April 2009 sprunghaft um 60 Prozent gestiegen. 75 US- und Nato-Soldaten wurden im Juli getötet, die höchste Zahl im gesamten Krieg, Hunderte weitere wurden verwundet. Bis jetzt haben im August 27 Soldaten ihr Leben verloren.

Cordesman schlägt als Gegenmittel die Entsendung von "drei bis neun zusätzlichen Kampfbrigaden" vor, über die 21.000 Soldaten hinaus, die Obama dieses Jahr schon abgestellt hat, außerdem die Verdoppelung der afghanischen Armee und Polizei, die Entfernung korrupter Elemente aus der afghanischen Regierung, eine Revision der "zerstrittenen, völlig ineffizienten und korrupten internationalen Hilfe" und umfangreichere Maßnahmen gegen die pakistanischen Stämme an der Grenze, die die afghanischen Aufständischen unterstützen.

Die US-Regierung und die Regierungen der Nato, betont er außerdem, "müssen ehrlicher mit ihren Völkern sein" und klar machen, dass der Krieg in Afghanistan "ein langfristiges Engagement" erfordert. Die Kriegsbefürworter unter den Analysten wie Cordesman sind sich darüber einig, dass die nächsten zwölf Monate zwar militärisch entscheidend sind, um die Taliban zurückzudrängen, dass es aber fünf bis zehn Jahre erfordern wird, Afghanistan als US-Satellitenstaat vollständig zu stabilisieren.

Neben Tausenden von Todesopfern werden die finanziellen Kosten des Kriegs gewaltig sein. Seit 2001 hat Afghanistan das US-Finanzministerium schon zirka 223 Milliarden Dollar gekostet. Michael O'Hanlon von der Brookings Institution erklärte diesen Monat gegenüber der Washington Post, allein die Kosten der Militäroperationen würden im Verlauf des kommenden Jahres höchstwahrscheinlich auf 100 Milliarden US-Dollar in die Höhe schießen. Bing West, ein ehemaliger stellvertretender Verteidigungsminister, schätzte vorsichtig, dass "die afghanischen Streitkräfte zusätzlich vier Milliarden US-Dollar im Jahr über einen Zeitraum von weiteren zehn Jahren brauchen und eine ähnliche Summe für Entwicklung".

Trotz der Krise des US-Haushalts wird der Kongress einer weiteren Eskalation des Krieges sehr wahrscheinlich ohne Probleme zustimmen. Im Mai unterschrieben siebzehn demokratische und republikanische Senatoren des Streitkräfteausschusses einen gemeinsamen Brief an Obama, in dem eine Verdoppelung der afghanischen Armee gefordert wird - was notwendigerweise die Entsendung von mehr US-Ausbildern erfordern würde.

In dieser Woche forderte der republikanische Senator Lindsey Graham die demokratische Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses auf, sich den Republikanern anzuschließen und für einen Antrag auf Erhöhung der Finanzen für den Krieg zu stimmen. "Lasst uns Afghanistan nicht 'ver-Rumsfelden'", erklärte er, und spielte damit auf den Verteidigungsminister der Bush-Regierung, Donald Rumsfeld, an, der die Besatzung des Iraks mit weniger als der Hälfte der Soldaten durchführen wollte, als von den hochrangigen Generälen gefordert.

Graham appellierte an die Demokraten: "Lasst uns diese Sache nicht auf die billige Tour fahren. Lasst uns genug Kampfkraft und Engagement auf breiter Front einsetzen, um sicherzugehen, dass wir erfolgreich sind. Offen gestanden, wir müssen viel verlorenen Boden zurückgewinnen."

Die wichtigste Reaktion auf das ständige Durchsickern von McChrystals Plänen kam von der Obama-Regierung. Verteidigungsminister Robert Gates und der Nationale Sicherheitsberater Gen. James Jones erklärten bei mehreren Gelegenheiten, der Präsident habe "nicht ausgeschlossen" mehr Soldaten zu schicken.

Allein die Tatsache, dass Obama keinen Versuch gemacht hat, die Spekulationen über mehr Truppen zu beenden, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass schon eine Entscheidung gefallen ist. Obama wurde genau aus dem Grund von maßgeblichen Teilen der herrschenden US-Elite ins Amt gehievt, um sich auf den Krieg in Afghanistan zu konzentrieren und die geopolitischen Interessen des amerikanischen Imperialismus in der Rohstoff reichen zentralasiatischen Region zu schützen - gleichgültig wie viel Blut und Dollars es kostet.

Siehe auch:
Wachsende Opposition gegen den Krieg in Afghanistan
(8. August 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 18.08.2009
Das Pentagon fordert von Obama:
Schick' mehr Truppen oder riskier' Niederlage in Afghanistan
http://wsws.org/de/2009/aug2009/pent-a18.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2009