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GLEICHHEIT/2329: Berlin - Polizei stört friedliche Demonstration gegen Gaza-Krieg


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Herausgegeben vom Internationalen Kommitee der Vierten Internationale (IKVI)

Berlin: Polizei stört friedliche Demonstration gegen Gaza-Krieg

Von Bernd Reinhardt
20. Januar 2009


Die palästinensische Gemeinde Berlins organisierte am Samstag zusammen mit anderen Organisationen zum zweiten Mal einen Protestmarsch gegen den Massenmord in Gaza. Flankiert von einem massiven Polizeiaufgebot zogen etwa 6.000 Berliner arabischer, türkischer und deutscher Herkunft durch die Innenstadt zum Brandenburger Tor.

Eine Woche vorher hatten sich zirka 9.000 Menschen an der Demonstration beteiligt. Doch seither hatte der Berliner Senat Stimmung gegen die Demonstration gemacht und Druck auf die palästinensische Gemeinde ausgeübt. Führende Mitglieder aller im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien, einschließlich der Regierungsparteien SPD und Die Linke, hatten an einer pro-israelischen Demonstration teilgenommen.

Berlins Innensenator Körting (SPD) hatte außerdem davor gewarnt, sich an einer Demonstration zu beteiligen, "die stark von der Hamas geprägt" sei. Dabei hatte ein Gerichtsurteil gerade die Rechtmäßigkeit des Mitführens von Hamas-Fahnen auf der Demonstration aus Gründen der Meinungsfreiheit bestätigt. Körting will nun "andere Wege beschreiten" und von Innenminister Schäuble (CDU) prüfen lassen, ob die Hamas in Deutschland als "nachweisbar verfassungswidrige und antisemitische Organisation" verboten werden kann.

Einige Teilnehmer waren enttäuscht, dass weniger Deutsche zur Demonstration gekommen waren als in der Woche zuvor. Ein älterer Araber erinnerte die WSWS an frühere Massendemonstrationen in den siebziger und achtziger Jahren gegen die israelische Unterdrückung der Palästinenser. Die Grünen und überhaupt die Linken hätten damals stark dafür mobilisiert.

Ein Artikel der WSWS, der über den Auftritt des Vorsitzenden der Berliner Linkspartei, Klaus Lederer, auf der Pro-Israel-Demonstration berichtete, stieß dementsprechend auf großes Interesse und gerade bei Älteren auf Überraschung und Empörung.

Eine deutsche Frau zeigte sich schockiert, obwohl sie eigentlich keine Illusionen in die Linke hatte. Nun könne man diese Partei wirklich "in der Pfeife rauchen", sagte sie. Ein palästinensischer Angestellter, der das erste Mal an einer Demonstration teilnahm, meinte, er habe die Linkspartei bisher unterstützt, weil er sie als Hoffnung für die Palästinenser gesehen habe.

Die Demonstrationsteilnehmer trugen selbst gefertigte Plakate mit Aufschriften wie: "Keine Steuergelder für den israelischen Staatsterror", "Stoppt den Waffenhandel an den israelischen Terrorstaat", "Freiheit für Palästina!", "Stoppt das Massaker in Gaza! Stoppt die Blockade in Gaza!", "Besatzung ist das Problem", "Frau Merkel - die Besatzung ist die Ursache".

Die Mehrheit der Demonstranten waren Araber, die meisten Palästinenser, ein Querschnitt durch alle Generationen: Junge Mütter mit Kinderwagen, Kinder und Jugendliche und Rentner, religiöse und nichtreligiöse.

Die allgemeine Stimmung war von Wut, Empörung und Ratlosigkeit geprägt. Während sich in der Demonstration auch vereinzelte radikalere Parolen wie "Widerstand bis zum Sieg" und "Für eine neue Intifada" fanden, war der Grundtenor der offiziellen Reden von Appellen an Bundeskanzlerin Angela Merkel und die UNO geprägt, sich für eine Beendigung des Krieges einzusetzen.

Als erster sprach der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrke von der Linkspartei. Er sprach in pastoralem Ton sehr allgemein von der notwendigen Beendigung menschlichen Leids, einem sofortigen Waffenstillstand und einem notwendigen friedlichen Nebeneinander zweier separater Staaten Palästina und Israel. Niemand könne sich seinen Nachbarn aussuchen, aber man müsse lernen, miteinander auszukommen. Er appellierte an den Weltsicherheitsrat der UNO und den neuen US-Präsidenten Obama. Von der Pro-israelischen Haltung des Berliner Vorsitzenden der Linkspartei distanzierte sich Gehrke mit keinem Wort.

Schon währende der Demonstration hatte die Polizei für Unruhe gesorgt. Mal wurde ein Lautsprecherwagen vom Demonstrationszug getrennt (später hieß es wegen einer brennenden israelischen Fahne), dann eine Frau durch einen in die Demonstration stürmenden Trupp Polizisten herausgegriffen, dann die Straße durch Polizei von beiden Seiten plötzlich künstlich verengt. Es gab mehrmals Stockungen, zum Schluss wurde der Zugang zur Kundgebung abgeriegelt.

Der Vorsitzende der palästinensischen Gemeinde musste wegen der sich ausbreitenden Unruhe seine Rede mehrmals unterbrechen. Schließlich protestierte er gegen das Vorgehen der Polizei, nachdem aufgeregte Jugendliche einen verletzten Jungen an die Rednertribüne geschoben hatten.

Da die Polizeiaktionen vom Standpunkt der Sicherheit vollkommen überflüssig waren und sie sogar gefährdeten, liegt der Schluss nahe, dass sie der Kriminalisierung der friedlichen Demonstration dienten. Sympathisanten aus anderen Bevölkerungsschichten, besonders der deutschen Bevölkerung, sollen verunsichert und abgeschreckt werden, solche Demonstrationen zu besuchen, von denen Innensenator Körting behauptet, sie würden von "nachweisbar verfassungsfeindlichen und antisemitischen Organisationen" dominiert.

Doch Kritik am Staat Israel und der Vorwurf, er sei für den Mord an Kindern und Frauen verantwortlich, haben nichts mit Antisemitismus zu tun. Diese Vorwürfe sind berechtigt angesichts dessen, was in Gaza geschieht. Ebenso ein Plakat, das dazu aufforderte, den israelischen Staatschef vor das internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zu bringen.

Ein arabischer Mann sagte der WSWS, er habe nichts gegen Israel, um dann zu präzisieren, er habe nichts gegen Juden.

Dass die Veranstaltung keinen antisemitischen Charakter hatte, zeigte auch die Teilnahme einer jüdischen Organisation am Demonstrationszug und der starke Beifall für deren Sprecherin auf der Abschlusskundgebung, die die Kassam-Raketen als verzweifelte Tat der Eingeschlossenen bezeichnete. Ursache sei die durch Israel verursachte Lage der Palästinenser. Dem israelischen Ministerpräsidenten warf sie Arroganz der Macht vor und forderte eine Aussetzung des Assoziationsabkommens zwischen der EU und Israel.

Siehe auch:
Vorsitzender der Berliner Linkspartei unterstützt
Israel im Krieg gegen Gaza (14. Januar 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 20.01.2009
Berlin: Polizei stört friedliche Demonstration gegen Gaza-Krieg
http://wsws.org/de/2008/jan2009/berl-j20.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2009