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GLEICHHEIT/2306: Hände weg von Gaza


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Kommitee der Vierten Internationale (IKVI)

Hände weg von Gaza

Von Barry Grey und David North
6. Januar 2009
aus dem Englischen (5. Januar 2009)


Das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die World Socialist Web Site verurteilen den mörderischen Angriff der israelischen Armee auf die palästinensische Bevölkerung des Gazastreifens. Der konzentrierte Boden- und Luftangriff auf die dicht besiedelte und praktisch wehrlose Enklave ist ein Kriegsverbrechen.

Das Eindringen von israelischen Truppen, Panzern und Artillerie parallel zu der anhaltenden Bombardierung ziviler Ziele aus der Luft und vom Meer wird ein noch größeres Blutbad bringen. Das Blutvergießen dauert bereits acht Tage und hat bis jetzt schon 500 palästinensische Tote und mehr als 2.400 Verwundete gekostet, darunter Dutzende Frauen und Kinder.

Wie gewohnt geht der Einsatz militärischer Gewalt durch das zionistische Regime mit grenzenlosem Zynismus, mit Heuchelei und Täuschung einher. Der Staat, der über eine der modernsten und höchst entwickelten Militärmaschinen der Welt verfügt, versucht sich wieder einmal als Opfer hinzustellen.

Die Behauptung, diese jüngste Aggression sei eine legitime Reaktion auf Hamas-Raketen, stellt die Vorgänge, die dem Angriff auf Gaza vorausgingen, auf den Kopf. Bis zum Beginn von Israels Luftkrieg am 27. Dezember war nicht ein einziger Israeli durch die jüngsten Salven der selbstgebastelten und weitgehend wirkungslosen Kassam-Raketen aus dem Gazastreifen umgekommen.

Der verstärkte Raketenbeschuss war die Reaktion auf einen Bruch des Waffenstillstands durch Israel, als dieses bei einer grenzüberschreitenden Kommandoaktion sechs Mitglieder der Hamas-Sicherheitskräfte tötete. Israel missachtete die Bestimmungen des Waffenstillstands und weigerte sich, seine tödliche Blockade des Gazastreifens aufzuheben, die der verelendeten Bevölkerung Lebensmittel, Medizin, Trinkwasser und Elektrizität vorenthielt. Israel hatte - wie es selbst zugab - dem Waffenstillstand nur zugestimmt, um Zeit für die Vorbereitung des gegenwärtigen Kriegs zu gewinnen.

Seit Beginn der jüngsten Aggression Israels sind im Süden des Landes vier Menschen von palästinensischen Raketen getötet worden. Natürlich ist jeder Todesfall bedauerlich, aber gleichzeitig ist es leider auch wahr, dass die Medien offensichtlich einen völlig anderen Wertmaßstab anwenden, wenn es um das Leben eines Palästinensers oder eines Israelis geht. Der Berichterstattung bei CNN oder anderen westlichen Medien zufolge, ist das Leben eines Palästinensers sehr viel weniger wert. Das Verhältnis von palästinensischen zu israelischen Toten beträgt in dem aktuellen Konflikt mehr als hundert zu eins. In den vergangenen acht Jahren sind ungefähr zwanzig Israelis durch palästinensischen Raketenbeschuss aus Gaza gestorben. Die israelischen Truppen hingegen haben fast 5.000 Palästinenser getötet.

Die Raketenangriffe aus Gaza widerspiegeln die Verzweifelung der Hamas und der palästinensischen Bevölkerung. Israel provoziert solche Aktionen, um einen Vorwand für die Verfolgung seiner aggressiven und expansionistischen Ziele zu haben.

Israel hat die Unterstützung der Vereinigten Staaten, der europäischen Mächte und der arabischen bürgerlichen Regimes, inklusive des amerikanisch-israelischen Quislings Mahmoud Abbas, des Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde. Wie sieht nun die Lage in Gaza aus, für die Israel verantwortlich ist? Eineinhalb Millionen Menschen sind hier auf einem Streifen Land zwischen der Wüste und dem Mittelmeer zusammengepfercht, auf einer Fläche, die nicht größer ist als die Innenstadt von Detroit. Im Norden und Osten verhindern israelische Truppen das Entkommen aus dieser Falle, und im Süden die Truppen des ägyptischen Diktators Hosni Mubarak.

Der Vergleich wird dem israelischen Regime sicher nicht gefallen; aber das Schicksal von Gaza erinnert stark an das tragische Schicksal der Juden im Warschauer Ghetto im nationalsozialistisch besetzten Polen.

Zweifellos sind viele israelische Intellektuelle, Jugendliche und klassenbewusste Arbeiter nicht mit der Invasion des Gaza einverstanden, und schämen sich der Verbrechen, die in ihrem Namen begangen werden. Wir sind sicher, dass sie über die Vorstellung entsetzt sind, das jüdische Volk könnte in Verbrechen verwickelt sein, die an die Gräueltaten der Nazis erinnern. Aber wenn, wie Umfragen nahe legen, fast achtzig Prozent der Israelis mit dem militärischen Vorgehen gegen dieses gequälte Land einverstanden sind, dann beweist das die tiefe Desorientierung und Demoralisierung breiter Teile der Bevölkerung. Es gehört nicht zu den kleinsten Verbrechen Israels, dass es die Schrecken, die mit dem Holocaust verbunden waren, heute zynisch benutzt, um das eigene kriminelle Vorgehen zu rechtfertigen.

Man kann nicht über den Angriff auf Gaza schreiben, ohne die Rolle der Vereinigten Staaten hervorzuheben. Seit der Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlands im Krieg von 1967 war die amerikanische herrschende Elite vierzig Jahre lang die wichtigste Stütze Israels und sein Komplize.

Die Bush-Regierung spielt dieselbe kriminelle Rolle wie 2006 bei der israelischen Invasion im Libanon. Damals hatte sie Israel den Rücken gestärkt, indem sie alle diplomatischen Initiativen, die versuchten, einen Waffenstillstand zu vermitteln, ins Leere laufen ließ. Damit verschaffte sie Israel möglichst viel Zeit und Gelegenheit, Palästinenser zu töten und die feindliche arabische Bewegung zu zerschlagen. Die Abfolge der Ereignisse der letzten Tage lässt vermuten, dass die Bush-Regierung Israel drängte, seine Bodenoffensive jetzt zu starten, um unter anderem die Bemühungen der Europäischen Union um einen Waffenstillstand zu unterlaufen.

Am Freitag hatte der Präsident Frankreichs die Entsendung einer Verhandlungsdelegation nach Israel für Montag angekündigt, um Israel unter Druck zu setzen, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Darauf trat US-Außenministerin Condoleezza Rice im Weißen Haus vor die Presse, um erneut Hamas für die Kämpfe verantwortlich zu machen und die Ablehnung eines Waffenstillstands durch Israel zu unterstützen. Am Samstag bekräftigte Präsident Bush in seiner wöchentlichen Radioansprache, dass Israel freie Hand habe. Damit war der Weg für die Bodeninvasion frei, die dann im Laufe jenes Tages begann.

Es gelang Bush, in seine kurzen Bemerkungen einen ganzen Haufen Lügen zu packen. Die Hamas, die im Jahr 2006 die Wahlen gewonnen hatte und im Juni 2007 einen Putsch der Palästinensischen Autonomiebehörde zurückschlug, der von der Fatah geführt und von den USA und Israel unterstützt worden war, wurde von Bush beschuldigt, "den Gazastreifen im Handstreich übernommen zu haben". Er ging soweit, Hamas für die humanitäre Katastrophe verantwortlich zu machen, deren Ursache die achtzehnmonatige Blockade durch Israel ist. Bush verlangte als Bedingung für ein Ende der israelischen Aggression praktisch von Hamas, der amerikanisch-israelischen Marionette Abbas das Feld zu überlassen.

Am Samstagabend intervenierten die USA nach Beginn der israelischen Bodeninvasion im UN-Sicherheitsrat und blockierten eine Erklärung, die einen sofortigen Waffenstillstand verlangte.

Wie nicht anders zu erwarten, spielt der künftige Präsident Barack Obama eine genau so verachtenswerte Rolle. Er lehnt eine öffentliche Äußerung mit der Begründung ab, die USA "haben immer nur einen Präsidenten". Hier trifft das juristische Prinzip: "Schweigen heißt Zustimmung" in vollem Umfang zu. Obama hatte im Übrigen keine solchen Bedenken, als er sich vor einigen Monaten dafür einsetzte, seinen Freunden und Befürwortern an der Wall Street Hunderte Milliarden Dollar an Steuergeldern auszuhändigen.

Während Obama in bezeichnendes Schweigen verfallen ist, haben hohe Demokraten im Kongress, wie die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, der Mehrheitsführer im Senat Harry Reid und Illinois-Senator Dick Durbin, freiherzig ihre Unterstützung für Israel erklärt.

Nicht weniger entlarvend ist die Haltung der Vereinten Nationen. In einer Mischung aus Schwäche und Doppelzüngigkeit erinnert ihre Haltung an die Reaktion des Völkerbunds in den 1930er Jahren auf die Vergewaltigung Äthiopiens durch das faschistische Italien. Wir leben heute wieder in einer Zeit, in der sich die "Friedensorganisationen", die die internationale Bourgeoisie geschaffen hat, erneut als Werkzeuge imperialistischer Machtpolitik erweisen. Die Heuchelei der UN und der imperialistischen Regierungen, die sie beherrschen, wird am deutlichsten von ihrer opportunistischen Verwendung des Begriffs "Kriegsverbrechen" illustriert. Was ein Kriegsverbrechen ist und wer vor das Haager Tribunal gestellt wird, hängt völlig von den geopolitischen und ökonomischen Interessen der diversen imperialistischen Mächte ab.

Schließlich spielen auch die bürgerlichen Regimes im Nahen Osten eine perfide Rolle. Das trifft nicht nur auf die offenen Verbündeten Israels wie Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien zu, sondern auch auf die angeblichen Gegner des Zionismus und Imperialismus Syrien und den Iran. Zweifellos ist eines der Ziele der israelischen und amerikanischen Politik die Schwächung Teherans und Damaskus', und die Vorbereitung von militärischen Maßnahmen, um in diesen Ländern einen "Regimewechsel" zu bewirken. Gleichzeitig kann man davon ausgehen, dass Elemente im amerikanischen und im israelischen Außenministerium im Hintergrund mit diesen Regimes in Kontakt stehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass bürgerliche Regierungen Krokodilstränen über das Schicksal eines schwächeren Verbündeten vergießen, wenn sie sich davon ein Abkommen mit den Großmächten versprechen.

Die Israelis sagen mehr, als sie beabsichtigen, wenn sie erklären, dass ihr Massenmord in Gaza notwendig sei, um die so genannte "Zwei-Staaten-Lösung" der Palästina-Frage zu ermöglichen. Das zeigt nur den reaktionären Charakter dieser Politik, die die Schaffung eines von Israel dominierten Ministaats im Auge hat, der von Sicherheitsstraßen, israelischen Siedlungen und Kontrollposten zerschnitten ist. Er würde für die Palästinenser lediglich ein Gefängnis darstellen, das von einem bürgerlichen palästinensischen Marionettenregime bewacht und kontrolliert würde. Eine solche Regelung würde an einem Alltagsleben der Palästinenser in Armut und Unterdrückung nichts ändern. Gleichzeitig würde sie dem zionistischen Staat die Möglichkeit eröffnen, Israel ethnisch zu säubern und seine arabischen Einwohner in die palästinensischen Bantustans zu vertreiben.

Der einzige wirkliche Verbündete der palästinensischen Massen ist die internationale Arbeiterklasse. Die Welle internationaler Proteste in Europa, Asien, Nordamerika und im Nahen Osten gegen die israelische Aggression ist ein klares Zeichen für eine Änderung in der Stimmung der Massen. Empörung und Abscheu über die israelischen Kriegsverbrechen sind Anzeichen für eine wachsende Reaktion der Arbeiterklasse nicht nur auf die imperialistische Barbarei, sondern auch auf die tiefste Krise des Weltkapitalismus seit der Großen Depression.

Der Schlüssel zu einer wirklich demokratischen und fortschrittlichen Lösung der Krise im Nahen Osten liegt in der vereinten Mobilisierung der Arbeiterklasse aller Länder, darunter der arabischen und der jüdischen Arbeiter. Das erfordert einen Kampf gegen Zionismus, Imperialismus und die Bourgeoisie des Nahen Ostens für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens als Teil der sozialistischen Weltrevolution.

Für diese internationale sozialistische Perspektive kämpfen die Socialist Equality Party und das Internationale Komitee der Vierten Internationale. Wir fordern den sofortigen Rückzug aller israelischen Truppen aus Gaza, die Aufhebung der Blockade und die volle Wiederherstellung normaler Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, sowie ausreichende Hilfslieferungen für das palästinensische Volk.

Siehe auch:
Die New York Times und Gaza: Rechtfertigung von
Völkermord (2. Januar 2009)

Washington trägt Mitschuld an Kriegsverbrechen in Gaza
(30. Dezember 2008)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 06.01.2009
Hände weg von Gaza
http://wsws.org/de/2008/jan2009/gaza-j06.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2009