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GEHEIM/300: "Planen für die Zeit nach Assad"


GEHEIM Nr. 2/2012 - 31. Juli 2012

"Planen für die Zeit nach Assad"
Berlin arbeitet aktiv am Sturz des syrischen Präsidenten

von Abou Hassan und Michael Opperskalski



So lautet die Überschrift eines Artikels über Syrien in der Süddeutschen Zeitung vom 25. Juli 2012. Und der Artikel fährt fort: "Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit haben sich seit einem halben Jahr bis zu 50 Mitglieder der syrischen Opposition auf die Zeit nach einem möglichen Sturz des Präsidenten Baschar al-Assad vorbereitet. Der Kreis erarbeitete ein umfassendes Dokument, das auch als Blaupause für eine neue syrische Verfassung dienen könnte. Ermöglicht wurden diese Gespräche unter anderem von der deutschen 'Stiftung Wissenschaft und Politik' (SWP), dem größten außenpolitischen Thinktank in Berlin. Dessen Direktor, Volker Perthes, bestätigte am Dienstag die Existenz, der zuerst von einem US-Internetdienst offengelegt wurde. Treibende Kraft neben der SWP ist das amerikanische Institute for Peace, das einen Großteil der Finanzierung übernommen hat. Auch die Außenministerien der beiden Länder unterstützen das Projekt.

Die bisher geheim gehaltenen Treffen sollen im August ihren Abschluss finden. Die Gruppe will dann die Ergebnisse veröffentlichen. Laut SWP-Chef Perthes könnte das Resultat als Grundlage für eine Verfassung in Syrien dienen für die Zeit nach einem Machtwechsel. Die Oppositionsgruppe diskutierte in Arbeitsgruppen zu den Themen Verfassung, Reform des Sicherheitsapparats, Justiz in einer Übergangsphase, Versöhnung und Wirtschaft. (...)

Offenbar ist die Enttarnung der Gruppe in den USA zu diesem Zeitpunkt kein Zufall. Nach dem Anschlag auf den innersten Zirkel um Assad ist die Erwartung gestiegen, dass sich das Regime nicht mehr lange an der Macht halten wird. Bemerkenswert ist auch, dass sich die Gruppe in Berlin getroffen hat. Deutschland gilt in der arabischen Welt als relativ neutraler Boden. Treffen in den USA würden an Wirkung einbüßen, weil sofort die steuernde Hand der US-Regierung vermutet würde. Die Türkei hat als Nachbar Syriens zwar hohes Interesse daran, Oppositionelle zu fördern, allerdings gilt auch sie als nicht neutral.

Die Bundesregierung trifft mit der Unterstützung der Gruppe ihrerseits eine Festlegung gegen das Assad-Regime und greift im Hintergrund ein. So ist es nicht denkbar, dass Oppositionelle ohne Mitwirkung Berlins unbehelligt aus Syrien einreisen und später wieder zurückkehren können."

Alles andere als neutral, sondern bis über die Halskrause in die auf allen Ebenen international orchestrierte Destabilisierung Syriens verstrickt, sind die Verantwortlichen der BRD, vor allem auch des BND. Einen weiteren Beweis hierfür finden unsere Leser [in der Druckausgabe] gleich im Anschluss an diesen Text u. a. mit dem (gekürzten) Abdruck eines Artikels aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der anschaulich beschreibt, wie - ebenfalls in Berlin - schon ein Wirtschaftssystem entworfen wird, dass nach dem Tag X Damaskus übergestülpt werden soll. Auf dass die involvierten Wirtschaftskreise aus der BRD sich ein gutes Stück aus dem syrischen Kuchen herausbeißen werden... Deshalb ist es nur konsequent, dass alle Sektoren der so genannten syrischen Opposition über geheimdienstlich und staatlich abgesicherte Vertretungen in der BRD verfügen; dazu gehören auch die Anlaufstellen offen terroristischer Kreise wie der Freien Syrische Armee (FSA). Berlin ist der Tummelplatz dieser antisyrischen Hasardeure. Verständlich ist deshalb auch, dass die syrische Botschaft in der BRD-Hauptstadt von solchen Elementen gestürmt und verwüstet werden konnte, obwohl die BRD-Geheim- und Sicherheitsdienste im Voraus über die Aktion Bescheid wussten. Komplizenschaft nennt man so etwas gemeinhin. Doch der Sumpf ist noch viel tiefer.

Der bundesdeutsche Auslandsgeheimdienst BND steht schon seit vielen Jahren in engster Arbeitsbeziehung in Richtung regime change in Syrien mit der nordamerikanischen CIA, dem zionistisch-israelischen MOSSAD, dem britischen MI6, dem französischen Partnerdienst sowie dem türkischen militärischen Geheimdienst MIT. Die BRD-Schlapphüte werden in diesem berüchtigten Club als klein, aber fein angesehen, sind sie (leider) immer noch in der Lage, aus dem Hintergrund mit dem Image vor allem im Nahen Osten versehen, Berlin agiere im Wesentlichen "neutral" und können mitunter sogar als "guter Makler" wirken.

Das erlaubt es dem BND, strategische Informationen zu sammeln sowie Personen in sensiblen Bereichen zu rekrutieren. Nur einige Beispiele sollen für die Spitze des Eisbergs sprechen.


Hilfreich auch im schmutzigsten Bereich

Am 12. Februar 2008 wurde der libanesische Widerstandsführer Imad Mughniyah von einer Autobombe zerfetzt. Zwar war dies eine gemeinsame CIA/MOSSAD-Operation, sie konnte jedoch so präzise durchgeführt werden, weil ihre Planungen auf hochsensiblen Informationen beruhten. Diese waren zuvor auch vom befreundeten BND geliefert worden. Zusammengetragen war das Material vom BND-Residenten in Syrien worden. Seit Jahren war dieser schon an der BRD-Botschaft in Damaskus akkreditiert gewesen; Name: "Conrad".

In enger Kooperation mit dem türkischen MIT sichert der BND schon seit Jahren Treffen syrischer Oppositioneller in der Türkei logistisch ab. Zudem verschafft der BRD-Geheimdienst die Legenden für aktive MOSSAD-Agenten, die nicht nur im Nahen Osten umtriebig sind. Auch Russland soll zunehmend unter Druck gesetzt werden. Hierfür setzen CIA und MOSSAD - mit Hilfe des BND - Kräfte ein, die unter Tarnung islamistischer Positionen Moskau von der geostrategischen Flanke her unter Druck setzen sollen; Ziel ist dabei, die Syrien unterstützende Position Russlands aufzuweichen. Aserbeidschan hingegen wurde als Aufmarschgebiet gegen den Iran aufgebaut, denn die Kriegsplanungen gegen Teheran laufen auf Hochtouren

Wie auf einem Schachbrett hatten sich die Spieler bereits seit Jahren auf unterschiedlichen Ebenen in Position gebracht. Das Ziel: Regimewechsel in Damaskus als Schlüssel für weitere strategische Veränderungen in der Region, die jede Art von Widerstand gegen die hegemonialen Pläne Washingtons, Paris, Tel Avivs, Londons und Berlins zunichtemachen soll:

1) Die Propagandafront steht. Den Aggressionskrieg gegen Libyen auswertend haben die Golfmonarchien Unsummen an Geldern bereitgestellt, um ausgefeilte Desinformationsmaschinerien aufzubauen. So wurden in Doha und in den USA detailgetreue Kulissen von Damaskus sowie anderen Städten in Syrien aufgebaut, um dort gestellte Szenen zu drehen, die dann an westliche Medienvertreter verteilt werden, um angebliche Massaker durch die Regierung Assads oder vorgebliche Siege der Rebellen zu dokumentieren. Filmmaterial, Dokumente oder Zeugenaussagen werden ähnlich manipuliert. Fast alle Medien machen mit, kritische Nachfragen gibt es faktisch nicht oder werden unter den Teppich gekehrt. In dieser Ausgabe von GEHEIM dokumentieren wir verschiedene Desinformationen. Wir nennen aber auch jene, die die Sprachrohre für Lügen und Propaganda sind. Gesteuert werden sie von den Kriegsplanern in den wichtigsten Hauptstädten, die ihre "syrischen Marionetten" im Griff haben. Augenzeugen, syrische Oppositionelle heißen sie gemeinhin und verbreiten die Aura der absoluten Glaubwürdigkeit....

2) Die militärische Front hat im Juli 2012 neue Dimensionen erreicht.

Von Beginn des Aufbaus einer schlagkräftigen Opposition gegen die syrische Regierung vor mehr als 10 Jahren wurde schon der bewaffnete Aufstand ins Kalkül gezogen. Spätestens seit den Erfahrungen mit der westlichen Aggression gegen Lybien wurde das offene "militärische Eingreifen des Westens" immer deutlicher von der so genannten zivilen Opposition gefordert. Analog mit den immer schriller werdenden Sirenenklängen nach offenem militärischem Engagement des Westens, lief der Aufbau und die Ausrüstung von immer schlagkräftiger operierenden Terrorbanden. Sie operieren in der Regel unter dem Namen "Freie Syrische Armee".

Als Aufmarschgebiete gegen Damaskus dienen vor allem die Grenzterritorien der Türkei, Jordaniens und der Norden des Libanon. Hier, wie auch im kurdischen Teil des Irak, werden syrische Kämpfer von Spezialeinheiten und Instrukteuren der CIA, des MOSSAD, der britischen SAS sowie arabischen Kollaborateuren aus den Golfmonarchien ausgebildet. Geld ist im Überfluss vorhanden: es kommt aus Riad, Doha oder Washington. So wurden von Juli-Beginn (2012) an 4 bis 5000 ausgerüstete und trainierte Kämpfer vor allem über die bereits erwähnten Nachbarländer nach Syrien eingeschleust. Sie operieren zumeist unter den Namen Freie Syrische Armee, fast die Hälfte von ihnen - einschließlich der Kommandeure - sind Söldner aus Libyen, Saudi Arabien, Tunesien, Ägypten, den Golfmonarchien und aus anderen arabischen Ländern.

3) Derzeitige Situation Ergebnis langer Planungen.

Bereits vor der militärischen Aggression gegen den Irak 2003 hatte der damalige US-Präsident George Bush lauthals verkündet, der Irak sei nur der Beginn einer kompletten "Neuordnung" der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens, mehr Kriege durchaus eingeschlossen. In diesem Zusammenhang verabschiedete der US-Kongress bereits im gleichen Jahr zwei Gesetze, die der US-Regierung aufgaben, entsprechende, auch kriegerische Pläne zum regime change auch in Syrien auszuarbeiten und umzusetzen (Syria Accountability Act). 2006 folgte dieser gesetzlichen Aggressionsgrundlage die Entwicklung des so genannten Demokratieprogramms für Syrien (Syria Democracy Program), in dessen Rahmen bereits eine Reihe oppositioneller Strukturen gegen die Regierung in Damaskus gebildet worden waren. Die dafür notwendigen Gelder kamen vor allem von der CIA und dem US-Außenministerium. Ebenfalls 2006 gaben die USA grünes Licht für den israelisch-zionistischen Aggressionskrieg gegen den Libanon. Ziel war ein Doppelschlag: zum einen, den libanesischen Widerstand unter Führung von Hizbollah zu zerschlagen, zum anderen damit, Syrien militärisch in die Auseinandersetzung mit hineinzuziehen. Dieses Abenteuer misslang, da es dem libanesischen Widerstand gelang, die Aggression offensiv zurückzuschlagen. Seither konzentrieren sich die Strippenzieher in den USA wieder und verstärkter auf den Auf- und Ausbau der von ihnen kontrollierten Opposition in Syrien. Partner der USA wie Israel, die BRD, England, Frankreich oder die Türkei haben sich diesem Programm, zum Teil mit eigenen Interessen und Programmen angeschlossen. Allein diese Fakten lassen die Propagandalügen über angeblich friedliche Proteste, die vor allem wegen gewaltsamer Reaktionen der syrischen Regierung in eine bewaffnete Rebellion umgeschlagen seien, wie Seifenblasen platzen.


Ein "Vulkan", der zum Fanal werden sollte

Am 18. Juli explodierte ein Sprengsatz im Hauptquartier des syrischen Nationalen Sicherheitsrates in Damaskus zu Beginn einer strategischen Sitzung. Unter anderem der syrische Verteidigungs- und Sicherheitsminister, aber auch weitere hochrangige Offiziere aus dem Sicherheitsbereich wurden getötet oder schwer verwundet. Das Ziel der Attentäter war es, die syrische Führung zu enthaupten und damit auf einen Schlag die Sicherheitskräfte und alle bewaffneten Einheiten zu desorganisieren. Schon wenige Minuten nach dem Anschlag übernahmen zwei Organisationen die Verantwortung, vor allem die so genannte Freie Syrische Armee. Sie hatten "ihre" Operation "Vulkan" getauft und meinten lauthals, dass dies ein "Erdbeben" sei, das unmittelbar "die Befreiung von Damaskus und schließlich ganz Syriens" einleiten würde. So berichteten es prompt auch alle Medien fast wortgleich und begannen in fiebernder Vorfreude, die "letzten Tage" der syrischen Regierung zu zählen.

Propaganda pur, denn die Urheber und Organisatoren des Anschlags kommen nicht aus Syrien, sondern vor allem aus Washington (CIA) und Tel Aviv (MOSSAD). Sie hatten schon vor längerer Zeit die logistische Vorarbeit geleistet und jene Zelle in Jordanien bzw. von Jordanien aus sorgfältig rekrutiert und ausgebildet, die den Anschlag schließlich ausführte. Die eigentlich operative Zelle bestand aus drei Personen sowie zwei katarischen Verbindungsoffizieren. Aktuelle strategische Informationen kamen sowohl von Satellitenaufnahmen, gezielten Abhöraktionen sowie Spionageoperationen vor Ort, die von CIA, MI6 und BND durchgeführt worden waren. Es handelt sich bei dem Terroranschlag in Damaskus also um eine sehr komplizierte, aber dennoch erfolgreiche Operation. Dennoch führte es nicht zum unmittelbaren Sturz der syrischen Regierung. Werden die wirklichen Drahtzieher dieses Terrorismus, die in London, Washington oder Berlin sitzen, nun juristisch zur Rechenschaft gezogen werden? Werden in diesem Zusammenhang die Medien schon bald über entsprechende Untersuchungsausschüsse berichten? Müssten doch eigentlich, will man den Parolen vom "Kampf gegen den Terrorismus" Glauben schenken!

Tatsache ist: die syrische Armee ist bisher intakt geblieben und hat zum Gegenschlag ausgeholt. Und nun fabulieren die Medien unisono über die "Entscheidungsschlacht" um Aleppo. Natürlich seien die Tage des "Assad-Regimes" wieder einmal gezählt. Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen und auf dem stinkenden Morast unsäglicher Propaganda für Intervention und Krieg in Syrien alle Trommeln gerührt...


Erste Schlussfolgerungen

Mit Drucklegung dieser Ausgabe von GEHEIM ist es natürlich noch nicht möglich, den aktuellen Ausgang der dramatischen Entwicklungen in Syrien vorherzusehen. Eine Glaskugel für die Sicht auf die Zukunft besitzen wir nicht. Allerdings kann man sagen, dass die ursprüngliche Planung, mit dem Bombenanschlag vom 18. Juli 2012 in Damaskus, einen raschen Kollaps der syrischen Regierung einzuleiten, nicht realisiert werden konnte. Deshalb sind die westlichen Planer dazu übergegangen, vor allem den Libanon in den von ihnen orchestrierten Krieg hineinzuziehen sowie sogenannte "Pufferzonen" in den syrischen Grenzgebieten zur Türkei und Jordanien zu entwickeln. Dabei wird ein Übergreifen des von der NATO immer aggressiver gegen Syrien eskalierten Krieges auf weitere Nachbarn wie Jordanien, den Irak und die Türkei bewusst mit einkalkuliert. Mehr noch: gleichzeitig werden die aggressiven Kriegsplanungen gegen den Iran weiter forciert.

Ganz offensichtlich soll die gesamte Region mit Gewalt im Interesse des Westens neu geordnet und in Konsequenz die Achse des Widerstandes (Syrien, Iran, Palästina, libanesischer Widerstand) zerschlagen werden.

Das alles kann in rasanter Geschwindigkeit in einen Dritten Weltkrieg eskalieren. Wir werden weiter beobachten, analysieren und die Verantwortlichen an das Licht der Öffentlichkeit zerren...

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Quelle:
GEHEIM-Magazin Nr. 2/2012 - 31. Juli 2012, Seite 7-9
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2012