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GEHEIM/267: CIA in Honduras


GEHEIM Nr. 1/2010 - 7. April 2010

GEBRAUCHSWERT VON GEHEIM
CIA in Honduras

Der kanadische Journalist Jean-Guy Allard würdigt das Naming Names von GEHEIM


Am 15. Januar 2010 erschien auf der kubanischen Internetseite cubadebate.cu, die den "medialen Terrorismus" bekämpft der Artikel "Honduras: jefe de estación CIA tiene amplia historia anticubana" (Honduras: CIA-Chief of Station hat eine lange antikubanische Geschichte) von Jean-Guy Allard.


In der Geschichte der CIA ist es selten passiert, dass einer ihrer Chiefs of Station (Leiter einer CIA-Vertretung im Ausland, IN) so nackt vor der Öffentlichkeit da stand - und obendrein in flagranti erwischt wurde.

Der Agent Simon Henshaw ist nicht nur ein Spezialist für die Anfeindung Kubas, der den Titel des Missionschefs an der US-Botschaft in Honduras trägt, sondern er wurde auch als CIA-Chief of Station in Tegucigalpa enttarnt, wo er alle US-Einflussagenturen und ihre Filialen bei der Teilnahme an der illegalen Präsidentschaftswahlen im November 2009 organisierte und befehligte.

Besser spät als niemals: Die Archive erinnern daran, wie Henshaw, der sich jetzt so anstrengt, den Putschvorgang vergessen zu machen, vor einigen Jahren im State Department mit Zentralamerika und Kuba ein Aufgabenfeld betreute, das vorzugsweise die "Spezialisten" aus (der CIA-Zentrale, IN) Langley bestellten.

Henshaw arbeitete mit Charles Shapiro zusammen, dem damaligen Chef des Kuba-Referats im US-Außenministerium, einer höchst verabscheuungswürdigen Person mit Verbindungen zur CIA. Shapiro war Militärberater an der US-Botschaft in Chile, als General Augusto Pinochet den Präsidenten Salvador Allende stürzte. Er war US-Botschafter während des Putsches gegen den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez (2002). Im gleichen Jahr vertrat Henshaw die USA bei der UN-Menschenrechtskommission in Genf. Dort arbeitete er mit Yleen Sarmiento de Poblete zusammen, die die rechte Hand der mafiösen US-Kongressabgeordneten Ileana Ros-Lehtinen ist und heute zu den entschiedensten Verehrern des honduranischen Putschpräsidenten Roberto Micheletti zählt. Schon damals widmete sich Henshaw fieberhaft mit seiner Task Force aus einigen besessenen Beamten der Aufgabe, Diplomaten verschiedener Staaten zu zwingen, damit sie gegen Kuba stimmten. Dieselbe Energie legt er heute in Tegucigalpa an den Tag, um jene Operation zu beenden, die der pro-US-amerikanischen Oligarchie die Macht zurückgibt.


Kompletten CIA-Stab demaskiert

Dem deutschen Journalisten und Historiker Ingo Niebel kommt der grosse Verdienst zu, dass er die riskante Aufgabe übernommen hat, auf der Webseite Rebelión die Recherchen eines Kollegen, die der Journalist Michael Opperskalski in der von ihm herausgegebenen deutschen Zeitschrift GEHEIM publizierte, zu veröffentlichen. Dieser hervorragende Kenner der - oftmals übelriechenden - Welt der Nachrichtendienste demaskierte vor einigen Monaten den kompletten CIA-Stab in der US-Vertretung in Honduras, indem er Ross und Reiter nannte. So erfuhr man, dass Simon Henshaw um sich herum die CIA-Agenten Gregory Morrison, Neil Richter, Theodore Carpenter und William R. Brands hatte.

Henshaws Anwesenheit in Tegucigalpa entspricht dem alten Schema, das der vor genau zwei Jahren in Havana verstorbene Ex-CIA-Agent Philip Agee ganz detailliert beschrieben hatte. In seinem Buch "Diario de un agente secreto" (Tagebuch eines Geheimagenten), berichtete Agee wie er als Chief of Station in Ecuador sich täglich der Aufgabe widmete, einflussreiche Personen zu rekrutieren, zu bestechen und anzuweisen, damit sie zugunsten der US-Interessen arbeiteten. Mit dieser von Agee beschriebenen Arbeitsweise erhalten weitere Veröffentlichungen wie die, die der angesehene mexikanischen Rechercheur Edgar González Ruiz Ende November 2009 im Internet publizierte, einen noch tieferen Sinn.

González Ruiz entdeckte, wie Henshaw sogar in der US-Botschaft in Tegucigalpa die Organisationen und Gruppen, die auf der einen oder anderen Weise unter dem Einfluss seiner Dienste standen, versammelte. Er bat sie, sich einer Operation unterzuordnen, die darauf abzielte, den Erfolg der Wahlfarce abzusichern, die unter der Kontrolle der Putschisten mithilfe von 30.000 Polizisten und Soldaten abliefe.

In seiner Analyse erklärte González Ruiz, wie der CIA-Chief of Station nicht nur den Repräsentanten der US-Agentur für Internationale Entwicklung (USAID), der Nationalen Demokratieförderung (NED), des International Republican Institute (IRI) und des National Democratic Institute (NDI) - allesamt höchste Vertreter der US-Einmischung in Lateinamerika - Anweisungen erteilte, sondern auch an der Panamerikanischen Entwicklungsstiftung FUPAD (Fundación Panamericana para el Desarrollo), der 1987 gegründete Stiftung Fundación Arias des costaricanischen Präsidenten (der auch als Autor des sogenannten Abkommens von San José fungierte) und "Hagamos Democracia" (Lasst uns Demokratie machen), die die Putschkreise der Katholischen Kirche umfasst, wie auch dem Bund der NGO für die Entwicklung Honduras (Federación de Organizaciones no Gubernamentales para el Desarrollo de Honduras, FOPRIDEH) und der Universidad Metropolitana de Honduras (UMH).

"Bei diesem Treffen instruierte Henshaw die Anwesenden, sie mögen eine 'unabhängige' Wahlbeobachtung für den 29. November organisieren, die in Wirklichkeit der Leiter der Lateinamerika und Karibik-Abteilung des IRI, Alex Sutton, steuern würde", präzisiert der Autor.

Sutton ist ein Veteran der CIA, der bekannt wurde durch seine Verschwörungen, die er über das IRI gegen Bolivien, Kolumbien, Kuba, El Salvador, Guatemala, Mexiko, Nicaragua, Peru und Venezuela organisierte - mal ganz zu schweigen von seiner Tätigkeit in Osteuropa, wo er sich der Ausrottung des Sozialismus widmete.

Die Gegenwart der von Henshaw so zusammengestellten Clique bei den Putschwahlen hatten den Hauptzweck jenen Prozess zu legitimieren, den Militärs und Unternehmen durch ihre Verschwörung ausgelöst hatten, als sie am 28. Juni 2009 den verfassungsmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya entführten, um ihn über eine von den USA kontrollierte Militärbasis außer Landes zu bringen.


Neben Llorens steht der Botschafter aus Miami

Henshaw ist theoretisch betrachtet die rechte Hand des US-Botschafters Hugo Llorens, einem kubanischstämmigen US-Amerikaner mit Wohnsitz in Miami, der seit Beginn des Putsches die Neutralitätsshow der USA mit so einem Talent leitete, dass ihm die Türen der besten Hollywood-Studios offenstehen.

Llorens ist wie dafür geschaffen, um mit Henshaw zu konspirieren: Der Terrorismus-Spezialist war Direktor für Angelegenheiten der Anden-Länder im Nationalen Sicherheitsrat in Washington, als sich 2002 der Putsch gegen den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez ereignete. Llorens stand damals unter der direkten Weisungsbefugnis des Unterstaatssekretär für Angelegenheiten der Westlichen Hemisphäre, dem berüchtigten Otto Reich und des umstrittenen Elliot Abrams. Reich ließ dem venezolanischen Putschistenführer Pedro "El Breve" (Der Kurze) Carmona und den Militärverschwörern seine unmittelbare Unterstützung zukommen. Im letzten Juni wurde Otto Reich sofort als einer der Verschwörer beim Putsch in Honduras neben Roger Noriega und Daniel Fisk angeklagt.

Bevor Henshaw in Tegucigalpa konspirierte, tat er dasselbe in Brasilien unter der Tarnung als Generalkonsul. Zuvor war er in Sankt Petersburg (Russland), wo er Spuren hinterliess, in San Salvador und Abidjan (Elfenbeinküste). Und er befand sich auch auf den Philippinen, wo er möglicherweise mit Llorens zusammentraf. Dort hatten beide die Chance mit dem Erlernen des Papiamentu anzufangen, einer lokalen Sprache, die man nicht bei Cocktail-Empfängen lernt (da diese Kreolsprache auf den Karibikinseln Aruba, Bonaire und Curaçao gesprochen wird, IN).


Übersetzung: Ingo Niebel


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Quelle:
GEHEIM Nr. 1/2010 - 7. April 2010, Seite 7
Diese vollständige Fassung ist auch auf der Internetseite von GEHEIM zu finden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2010