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GEHEIM/262: Benedikt XVI - Mit Gott und den Faschisten ins 21. Jahrhundert


GEHEIM Nr. 4/2009 - 4. Dezember 2009

BENEDIKT XVI
Mit Gott und den Faschisten ins 21. Jahrhundert
Der deutsche Papst in der Tradition des Kurienbündnisses mit Reaktion und Faschismus

Von Gerhard Feldbauer


Am 19. April 2005 wurde Kardinal Joseph Alois Ratzinger zum 265. Papst der katholischen Kirche gewählt.(1) Über seine Wahl waren sich Vatikanexperten nahezu sicher gewesen. Fast alle Kardinäle im Konklave waren von Wojtyla ernannt worden, der dafür bekannt war, dass er nur seine Linie bedingungslos unterstützende Konservative in diesen Rang erhob. In Ratzinger hatte er den Nachfolger gesehen, der seinen Kurs vorbehaltlos fortsetzen werde. Mit dessen Wahl wurde das von ihm vertretene Glaubensbild abgesegnet. Selbst zaghafte Versuche einer Reform, als deren Vertreter der italienische Kardinal Carlo Maria Martini galt, wurden damit zurückgewiesen.

Der deutsche Episkopat, das reichste Glied der katholischen Kirche, hatte bereits 1978 bei der Wahl Wojtylas ein gewichtiges Wort gesprochen. Bei Ratzinger war es nicht anders. Als noch ein starker sozialistischer Block existierte, war ein polnischer Papst im Bündnis mit dem "Arbeiterführer" Walesa die richtige Wahl. "Nun, da der Kommunismus in Osteuropa gestürzt ist, kann ein Deutschordensritter die Kolonisation selbst in die Hand nehmen", kommentierte Hans Heinz Holz, als mit Ratzinger nach rund 500 Jahren wieder ein Deutscher auf dem Stuhl Petri Platz nahm.(2)

Holocaustleugner rehabilitiert

Benedikt XVI. setzt die reaktionäre Gegenoffensive seines Vorgängers nicht einfach nur fort, er verstärkt sie noch. Seine Attacken stellen auf ein Rollback gegen die Aufklärung und die irdische Emanzipation des Menschen ab. Von seiner eindeutigen Positionierung zeugen die Seligsprechung der geistlichen Anhänger des faschistischen Putsches in Spanien über seine Ausfälle gegen Protestanten und Moslems oder seine Unterstützung für Berlusconi bis zur Rücknahme der Exkommunikation der Piusbrüder mit ihrer Leugnung des Holocaust. Benedikt knüpft an eine unselige Tradition der Kurie an. In Deutschland steht dafür die Unterstützung Hitlers, so durch das Reichskonkordat, in Italien die Allianz mit Mussolini oder die Verstrickung des Vatikans in das Mordkomplott gegen Aldo Moro.

Bereits mit seinem Rundschreiben "Deus caritas est" (Gott ist die Liebe) (3) 2006 reihte Benedikt sich ein in die Kette der mit Leo XIII. (1878-1903) beginnenden Sozialenzykliken.(4) Die katholische Soziallehre habe über den Marxismus gesiegt, schrieb er und bekräftigte die Verdammung des Sozialismus als "Pest" und die "Wegweisung", wie der Staat gegen ihn "mit starker Hand" vorzugehen habe, wenn die Massen sich "von üblen Doktrinen hinreißen lassen".(5) Mit der Seligsprechung von 498 Kreuzrittern Francos 2007 schloss sich der Ratzinger-Papst der von Pius XI. (1922-1939) begründeten, von Pius XII. (1939-1958) fortgesetzten Tradition der Kurie des Bündnisses mit dem Faschismus an. Auf dieser Linie liegt ebenso sein im Januar 2009 erlassenes Dekret über die Rehabilitierung der vier Bischöfe der Piusbrüder, die der 1991 verstorbene französische Erzbischof Marcel Lefebvre 1988 ohne Erlaubnis des Papstes geweiht hatte. Zu ihnen gehört der Holocaustleugner Richard Williamson aus Großbritannien. Johannes Paul II. exkommunizierte Lefebvre und die Vier anschließend.(6)

Die historischen Wurzeln der Piusbrüder liegen in der Feindschaft gegenüber der Französischen Revolution und in der Tradition der 1899 entstandenen "Action française", die den Sturz der Republik und die Wiedererrichtung der Monarchie betrieb. 1936 wurde sie von der Volksfrontregierung in Frankreich verboten. Viele ihrer Anhänger unterstützten 1940 das Pétain-Regime (Vichy-Regierung) und die deutsche Besatzungsmacht. Sie wurden dafür nach der Befreiung als deren Kollaborateure zur Verantwortung gezogen. Ihre Ideen finden noch heute im rechtsextremen "Front National" ihren Niederschlag. Die Vatikaninsider Thomas und Morgan-Witts charakterisierten das als "religiösen Faschismus Lefebvrescher Prägung".(7) Damit liegen die Piusbrüder ganz auf der Linie Pius XI. und XII., welche die Rettung vor dem Kommunismus im Faschismus sahen. In dieser Tradition pflegte Lefebvre auch entsprechende Beziehungen zum weiter bzw. wiedererstehenden Faschismus der Nachkriegszeit, so zu Front National-Chef Jean Marie Le Pen, über den sich auch der Generalobere der Bruderschaft, Bernard Fellay, anerkennend äußerte und für dessen Neonazis er Gottesdienste zelebrierte.


Exponenten des Antijudaismus und Antisemitismus

Die von Lefebvre 1970 gegründete und nach Pius X. (1903-1914) genannte Bruderschaft (FSSPX) steht mit ihrem Hass auf Juden, Muslime Homosexuelle und alle irgendwie Abtrünnigen offen auf dem rechtsextremen Flügel des Katholizismus. In Deutschland zählt sie etwa 500 Priester und mehr als Zehntausend Katholiken. Weltweit werden mehrere Hunderttausend Anhänger geschätzt, in 30 Ländern feste Niederlassungen gezählt. Die Zentrale des FSSPX befindet sich in der Schweiz.

Lefebvre trat auf dem II. Vatikanischen Konzil (1962-1965) gegen die von Johannes XXIII. (1958-1963) angestrebte vorsichtige Anpassung der katholischen Kirche an die neuzeitliche Entwicklung, zu der er Toleranz unter den Religionen rechnete, auf und verweigerte dem Dekret "Über die Religionsfreiheit", das insbesondere den Antijudaismus und Antisemitismus entsagte, seine Zustimmung. Diese Beschlüsse seien eine Folge satanischen Einflusses auf die Kirche, die Menschenrechte und die Verkündung der Gleichheit nannte er "satanischen Ursprungs.


Kollaborateure Hitlerdeutschlands

Ratzinger kam nie ein Wort der Ermahnung, geschweige denn der Kritik oder gar des Tadels ob dieser Beziehungen über die Lippen. Im Gegenteil: Widerspruchslos konnte beispielsweise der Priester Jean Madiran 1995 für den bekannten französischen Kollaborateur der deutschen Besatzungsmacht, den Schriftsteller Robert Brasillach, eine Gedenkfeier abhalten. Brasillach war als Generalkommissar für Filmwesen in der Vichy-Regierung 1945 zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Ebenso verhielt es sich mit dem Pfarrer der Kirche Samt Nicolas du Chardonnet in Paris, dem ehemaligen Lefebvre-Priester Philippe Laguérie, der für den antisemitischen Chef der Miliz, zuletzt Missionschef im Staatssekretariat der Petain-Regierung, Paul Touvier, ein Requiem hielt. Touvier, der zahlreiche Widerstandskämpfer aufs Schafott oder in Konzentrationslager brachte, darunter viele Juden, wurde 1994 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, während der er 1996 verstarb. Laguérie hatte 1987 auch Le Pen offen verteidigt, als dieser - ganz wie Richard Williamson - behauptete, es habe keine Gaskammern gegeben. Die Liste der klerikalfaschistischen Freundeskreisen zuzurechnenden Personen, zu denen Kardinal Ratzinger bereits vor seiner Wahl zum Pontifex enge Beziehungen unterhielt, ist viel länger, als hier angeführt.

Gegen die Rehabilitierung der Piusbrüder gab es starke Proteste. Der Ehrenpräsident der Europäischen Gesellschaft für katholische Theologie, Prof. Peter Hünermann, sprach von einem "skandalösen Amtsmissbrauch" des Papstes. In Münster, wo Prof. Ratzinger einst lehrte, unterschrieb fast die gesamte katholische Fakultät eine scharfe Protestnote. Der Jesuitenpater Klaus Mertes, Leiter der Gedenkkirche für die Opfer des Naziregimes "Maria Regina Martyrum" in Berlin Charlottenburg, äußerte sich entsetzt über seinen Papst. Der Kölner Katholik Markus Reinhard trat mit seiner Frau und vier Schwestern aus der Kirche aus. Von seiner Familie wurden in Auschwitz 15 Mitglieder umgebracht.


Päpstlicher Orden für Chef der Eingreifkräfte der Bundeswehr

Die bayerischen Bischöfe bekundeten dagegen Benedikt ihre "unverbrüchliche Solidarität." Seinem Papst Schützenhilfe leistete auch der Augsburger Militärbischof Walter Mixa. Während der Osterzeit gab er auf einer CSU-Veranstaltung von sich, eine Gesellschaft ohne Gott sei die Hölle auf Erden.(8) Vorher hatte er die Zahl der Abtreibungen mit dem Holocaust verglichen.(9) Mixa bedankt sich damit für die besondere Aufmerksamkeit, die Benedikt der Militärseelsorge widmet. Erst kürzlich zeichnete der den Militär-Generalvikar und Leiter des katholischen Militärbischofsamtes Berlin, Prälat Walter Wakenhut, und General Jan Oerding mit einem hohen Orden des Kirchenstaates aus indem er beide zu Rittern des Silvesterordens erhob. Mit Oerding ehrte er einen Militär, der sich als Befehlshaber des Kommandos der operativen Führung der Eingreifkräfte der Bundeswehr bis Ende 2008 um deren weltweiten Einsatz besonders verdient machte.

Inzwischen starteten die Piusbrüder gegen Rom eine neue Provokation. Im Juni 2009 weihten sie in den USA 13 Priester, weitere Weihen folgten in Zaitzkofen (Bayern) und Econe/Willis (Schweiz). Neue sind angekündigt. Nach Kirchenrecht hätte dem automatisch die sofortige Exkommunikation folgen müssen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, kritisierte die Weihen jedoch nur als "Affront gegen die Einheit der Kirche". Ungerührt davon begannen im Vatikan danach offizielle Verhandlungen mit der Bruderschaft, um sie in die Gemeinschaft der katholische Kirche zurückzuführen.

Bei der Wertung der Haltung zu den Piusbrüdern drängt sich ein Vergleich mit der Entwicklung in Italien auf. Im Kernland der katholischen Kirche konnten sich nach 1945 die alten und ihnen zulaufenden neuen Faschisten wieder organisieren Sie wurden nicht verboten und so in Reserve gehalten, um sie, begünstigt, gefördert und offen unterstützt durch die Kurie 1994 zur neuerlichen Ausschaltung der Linken das erste Mal in die Regierung aufzunehmen. Die Politik, die Joseph Ratzinger spätestens seit den 70er Jahren betreibt und heute auf dem "Heiligen Stuhl" fortsetzt, gleicht dem wie ein Ei dem anderen. Er sichert sich reaktionäre und rechtsextreme Unterstützung wo immer möglich. Die Rücknahme des über die Piusbrüder verhängten Kirchenbanns - von ihm bewusst Rehabilitierung genannt - ist ein logischer weiterer Schritt, diese klerikalen Faschisten wieder in die "volle Gemeinschaft" seiner Kirche einzugliedern, um sie seiner reaktionären Offensive dienstbar zu machen. Das gleicht den auf der weltlichen Bühne in Italien vor sich gehenden Faschisierungsprozessen und einer in weiteren westlichen Ländern zu beobachtenden Rechtsentwicklung, ja sie ordnet sich in diese ein.


Anmerkungen:

(1) Über die Zahl der Päpste gibt es keine genauen Angaben, da die Rechtmäßigkeit der Wahl einer Reihe von ihnen bis heute umstritten ist. Selbst das Päpstliche Jahrbuch gibt keine exakte Auskunft. Verschiedenen Quellen nennen zwischen 25 und 40 Gegenpäpste. Siehe Beitrag des Autors " Gegenpäpste", "Neues Deutschland (ND)", 15/16. Mai 1993

(2) H. H. Holz: Ratzinger "Marxistische Blätter (MB)", 6/2006

(3) Libreria Editrice Vaticana, Rom 2005

(4) Rerum novarum, 1891 von Leo XIII. erlassene Enzyklika

(5) Ignazio Silone über die in 'rerum novarum" postulierte Funktion des Staates. In: Der Faschismus, Neuauflage Frankfurt/Main 1984, bes. S. 242f

(6) Wojtyla wuchs unter dem Besatzungsregime Hitlerdeutschlands in Polen auf er wurde Zeuge des Holocaust und legte Wert auf ein antifaschistisches Image. Die Exkommunizierung der Piusbischöfe war für ihn ein zwingender Schritt

(7) Gordon Thomas/Max Morgan-Witts: Der Vatikan. Mechanismen kirchlicher Macht. Zürich, 1984

(8) Mixa knüpfte an das Buch Ratzingers "Werte in Zeiten des Umbruchs" (Freiburg 2005) an, in dem dieser einen Staat ohne Christentum "eine Räuberbande" nannte. Das gerät schon in die Nähe der "Schurkenstaaten" von Ex-Präsident Bush und seiner "Achse des Bösen". Damit passt Benedikts klerikale zu einer imperialistischen Offensive, ja ordnet sich in diese ein

(9) Ulla Jelpke: Gleichsetzung gepredigt. ND, 14. April 2009


Wir verweisen auf das Buch unseres Autors, das gerade bei Papyrossa, Köln erscheint:
Der Heilige Vater Benedikt XVI - Ein Papst und seine Tradition. Streiflichter aus der Geschichte des Vatikans.
DIE GEHEIM-REDAKTION


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Quelle:
GEHEIM Nr. 4/2009 - 4. Dezember 2009, Seite 16-17
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2010