Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GEHEIM/258: Iran - "Regime Change" nicht aufgegeben


GEHEIM Nr. 3/2009 - 8. Oktober 2009

IRAN
"Regime Change" nicht aufgegeben

Von Abou Hassan, Hamid Soltanpour und Michael Opperskalski


Die Demonstrationen der so genannten Opposition sind in Teheran inzwischen klein und sehr selten geworden. Immer mehr Einzelheiten über deren Hintermänner in den USA und Europa sickern ans Licht der Öffentlichkeit; GEHEIM hatte viele dieser Hintergründe bereits in der letzten Ausgabe intensiv enthüllt. Wir möchten die Leser an dieser Stelle darauf hinweisen, dass in der nächsten GEHEIM weitere umfangreiche Details von uns veröffentlicht werden.

Die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, Dubai, spielt - neben Ankara, Bagdad, Amman, Riad oder Kairo - eine Schlüsselrolle bei den Destabilisierungsaktivitäten gegen den Iran. "Iraner, die in Dubai (...) im US-Konsulat wegen eines Visums vorsprechen, 'werden von Iran-Spezialisten und Farsi sprechenden Personen, die für die CIA oder andere US-Agenturen arbeiten, überwacht, verhört und - in manchen Fällen - für das Ausspionieren ihrer eigenen Regierung rekrutiert'. (...) 'Iraner mit militärischen oder Regierungshintergrund wurden aufgefordert, immer wieder zu kommen, Agenten bedrängten sie, mehr und tiefgreifende Informationen zu sammeln'. 'Das Ergebnis ist, dass die USA in der Lage sind, wichtige Erkenntnisse über den Iran zu sammeln, ohne eine Botschaft dort zu haben und es bequem von Dubai aus tun zu können'.

Anfang Oktober 2006 installierte die CIA-Agentin Jillian Burns, so die konservative türkische Tageszeitung Yeni Safak, zudem ein so genanntes 'Iran Regional Presence Office' im Konsulat (in Dubai, d. Red.), um von dort aus mit einer Handvoll Mitarbeiter den Iran besser 'beobachten' zu können. Burns Crew wird von der Zeitung für die blutigen Massenproteste, die den iranischen Präsidentschaftswahlen am 12. Juni 2009 folgten, mitverantwortlich gemacht: 'Es wird behauptet, dass die (Vorbereitung) der Konterrevolution bis auf das Jahr 2006 zurückgeht. Wir haben nicht vergessen, dass der ehemalige US-Präsident George W. Bush 400 Millionen Dollar für den Sturz des Regimes im Iran reservierte. Jillian Burns, nach Dubai geschickt als Direktorin des Beobachtungspostens des US-Außenministeriums für den Iran, war vermutlich jener Mensch, der hinter diesem Job stand'. (...) Die CIA-Agentin Jillian Burns verließ am 4. August 2009 ihre Operationsbasis in Dubai. Der Regimewechsel in Teheran galt offenbar zu dem Zeitpunkt bereits als gescheitert. (...)" (1)

Jetzt fußt die westliche Destabilisierungsstrategie auf dem Versuch, die gescheiterten iranischen Oppositionellen im Rahmen der Forderungen nach so genannter Nationaler Einheit im politischen System zu halten, um auf diesen Weg die Option für einen Regimewechsel von innen heraus offen zu halten. Am 1. Oktober forderte, dieser Strategie folgend, der so genannte iranische Oppositionsführer Mussawi die Herstellung einer "nationalen Einheit": "Wir fühlen die Notwendigkeit einer nationalen Einheit unter den Menschen im Land mehr als je zuvor und, dass die Linien, die die Menschen in verschiedenen Gruppen und Fraktionen eingeteilt haben, keine Glaubwürdigkeit mehr haben." (2) In das gleiche Horn stößt schon länger der einflussreiche Vorsitzende des Expertenrats, Hashemi Rafsandjani, der als Spiritus Rektor und Organisator wie Strippenzieher der Opposition aus dem Hintergrund heraus gilt. Diese Art der so genannten "nationalen Einheit" ist jedoch nichts anderes als ein Einfallstor für westliche Strategien für einen regime change...


Die "Atomfrage" als Droh- und Erpressungspotenzial

"Dennoch fügen sich die verschienenen Elemente für eine Iran-Strategie der US-Regierung zu einem schlüssigen Bild - trotz aller Widersprüche. Dennis Ross, der vom Außenministerium ins Weiße Haus gewechselte Iran-Beauftragte, hat in einem jüngst erschienenen Buch einen 'neuen Hybrid-Ansatz' formuliert - und sich prompt Arger eingebrockt, weil er das Rezept öffentlich machte. Ross' Leitlinie scheint jetzt dennoch offizielles Programm zu sein. Der Diplomat propagiert Annäherung ohne Vorbedingungen, kombiniert mit politischem Druck bis hin zur Drohung mit Militärschlägen. Nach dieser Lesart würden scharfe Sanktionen im Herbst nicht bedeuten, dass die Annäherung gescheitert ist. (...) Ross will zugleich die Europäer, wenn möglich auch Russland und China, für stärkere Strafen gewinnen. Er zielt darauf ebenfalls auf den Energiesektor, wo Iran verwundbar ist."(3) Garniert ist dieses strategische Konzept mit dem bereits erwähnten Destabilisierungsmechanismen. "Regime Change" bleibt das ultimative Ziel...

Anfang Oktober begannen nun Verhandlungen mit den Iranern über deren so genannten "Atomprogramm". Vorbereitet und begleitet werden diese von einem massiven Desinformationsprogramm. Mitte Juli "enthüllte" das bundesdeutsche Magazin Stern angebliche Atombombenpläne Teherans: "BND: Iran-Atombombe in sechs Monaten. Der BND geht nach einem 'stern'-Bericht davon aus, dass der Iran innerhalb von sechs Monaten eine Atombombe fertigstellen und ähnlich wie Nordkorea unterirdisch testen kann." (4) Ähnliche Meldungen waren bereits in den vergangenen Monaten aus Israel und den USA gekommen. Kaum beginnen die Verhandlungen in Genf da weiß urplötzlich die New York Times zu berichten: "Der Iran hat nach einer vertraulichen Analyse von hohen Mitgliedern der Atomenergiebehörde (IAEA) genügend Informationen für die Entwicklung und den Bau einer funktionierenden Atombombe (...). Der Expertenbericht betont einleitend, dass die Schlussfolgerungen provisorisch und weiterer Bestätigung durch Beweise bedürften. Diese stammten von Geheimdiensten und IAEA-Untersuchungen. (...) Die Schlussfolgerungen des Berichts, die laut 'New York Times' von hohen europäischen Beamten beschrieben wurden, gehören über die öffentlich eingenommenen Positionen mehrerer Regierungen, darunter der Vereinigten Staaten, hinaus. Der Iran habe 'höchstwahrscheinlich' die benötigten Informationen von externen Quellen erhalten und auf eigene Bedürfnisse zugeschnitten, schrieb die 'New York Times'."(5) Diese gezielte Desinformation soll die eindeutige Position des scheidenden IAEA-Chefs Mohammed El-Baradei vergessen machen, der mehrfach in den vergangenen Monaten betonte (so Anfang Oktober erneut!), dass es keinerlei Beweise für Pläne des Iran gäbe, dass das Land Pläne oder Vorbereitungen für den Bau von Atomwaffen entwickelt habe.(6) Zudem betont der Iran wiederholt, dass seine Atomanlagen offen für Inspektionen der TAEA seien; dies gelte auch für die vor kurzem der Internationalen Atomenergiebehörde fristgerecht gemeldete, allerdings noch im Bau befindliche, neue Atomanlage.(7) Während die Verhandlungen in Genf mittels gezielter Propaganda und Desinformation in einer Atmosphäre eines eskalierenden Drucks stattfinden sollen, werden zugleich schärfere Sanktionen gegen Teheran vorbereitet. Dies betrifft zur Zeit besonders Lieferungen von Benzin an den Iran, da das Land, trotz großem Ölreichtums, (noch) nicht über genügend Raffineriekapazitäten für die Versorgung des nationalen Markts verfügt. Strategisches Ziel der zwischen Washington und Europa koordinierten Bemühungen ist es, Benzinlieferungen an den Iran zu torpedieren, um das Land in ökonomische Schwierigkeiten zu schleudern; hierbei spielen der nordamerikanische Geheimdienst CIA im Zusammenspiel mit seinen europäischen Partnerdiensten eine Schlüsselrolle. (8) Wir werden also weiter berichten (müssen)...


Anmerkungen:

(1) "PressTV", Teheran, 1. Oktober 2009

(2) "junge Welt", 28. September 2009

(3) "Süddeutsche Zeitung", 5. August 2009

(4) "dpa", 15. Juli 2009 sowie der "stern", 16. Juli 2009

(5) "dpa", 4. Oktober 2009

(6) "The Guardian", London, 1. Oktober 2009 sowie "PressTV", Teheran, 30. September 2009 (nach CNN)

(7) "PressTV", Teheran, 3. Oktober 2009

(8) "Intelligence Online", Paris, Nr 602 sowie "Reuters", 2. September 2009


*


Quelle:
GEHEIM Nr. 3/2009 - 8. Oktober 2009, Seite 22
Copyright bei der Redaktion und den Autoren
Redaktion: GEHEIM-Magazin,
c/o Michael Opperskalski (v.i.S.d.P.)
Postfach 270324, 50509 Köln
Telefon: 0221/283 99 95, 283 99 96
Fax: 0221/283 99 97
E-Mail: redaktion-geheim@geheim-magazin.de
Internet: www.geheim-magazin.de

GEHEIM erscheint viermal im Jahr.
Einzelheft: 4,30 Euro
Jahresabo: 19,40 Euro
Ermäßigtes Abo für Schüler, Studenten, Soldaten,
Arbeitslose, Rentner etc.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2009