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GEGENWIND/846: Buchvorstellung - Klimaschädigung und Klimapolitik. Hört auf die Wissenschaft!


Gegenwind Nr. 375, Dezember 2019
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

Klimaschädigung und Klimapolitik
Hört auf die Wissenschaft!
... aber es geht auch einfacher

von Reinhard Pohl


Wenn Freitags Schülerinnen und Schüler dafür demonstrieren, die vereinbarten Ziele der Klimakonvention einzuhalten, fordern sie immer wieder: Hört auf die Wissenschaft. Das ist natürlich nicht falsch, und viele Leserinnen und Leser des Gegenwind teilen diese Forderung sicherlich. Aber es ist nicht einfach, Hunderte oder Tausende von wissenschaftlichen Gutachten zu lesen, die es natürlich gibt. Da hilft ein Buch, dass alle aktuellen Erkenntnisse in fünfzig Grafiken darstellt.

Das Buch besteht im Wesentlichen aus vier Kapiteln:


Klima und CO2

Erläutert wird hier, wie das "Klima" entsteht und was der Mensch für einen Einfluss hat - aufgefächert nach Energieerzeugung, Herstellung von Waren, Landwirtschaft, Wohnungs- und Hausbau, Personen- und Gütertransport und Waldbränden. Grafiken stellen dar, wie das Klima "funktioniert" und wie aus der Sonneneinstrahlung und den Reflektionen, den Meeresströmungen und der Biosphäre die Zusammensetzung der Atmosphäre entsteht.

Dann geht es darum, wohin das CO2 "verschwindet": Vor allem in die Wälder und in die Ozeane, die zusammen mehr als zwei Drittel des Kohlendioxids aufnehmen. Die zehn Staaten, die das meiste CO2 produzieren, werden dann mit ihrem Ausstoß 1960 (9.396 Millionen Tonnen) und 2017 (36.153 Millionen Tonnen) vorgestellt. Unter den größten Zehn ist dabei natürlich auch Deutschland, das ist allerdings der einzige Staat, der seinen C02-Ausstoß reduzieren konnte.

Weitere Grafiken stellen dann die verschiedenen Prognosen der Wissenschaftler dar, wie sich das Klima entwickeln wird, und erläutern bestimmte "Kipp-Punkte" wie den sibirischen Permafrost-Boden oder den Golfstrom.


Klimatreiber Mensch

Im zweiten Kapitel geht es um den Menschen. Das ist auch deshalb wichtig, weil Rechtsextremisten immer wieder leugnen, dass der Mensch etwas mit den Verhältnissen auf der Erde zu tun hat.

Die Grafiken stellen zunächst klar, dass zwei Drittel des Treibhauseffektes durch Wasserdampf entstehen. Wenn sich die Erde erwärmt, zur Zeit um ein Grad seit Beginn der Industrialisierung, entsteht auch mehr Wasserdampf, und die Erde erwärmt sich dadurch mehr.

Dazu kommt aber das Kohlendioxid, das vor allem aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe stammt, aber auch aus der Forstwirtschaft und der Landnutzung. Dazu kommt dann Methan, das vor allem aus der Massentierhaltung kommt. Und dazu kommt noch Lachgas, vor allem aus der Landwirtschaft, also auch aus der Düngung und der Massentierhaltung. Und dann gibt es noch die F-Gase aus Kühl- und Löschmitteln.

Hier ist nicht nur wichtig, dass die Menschen das machen. Genauso wichtig ist, dass die Menschen immer mehr werden. Zu Beginn der Industrialisierung lebten noch nicht mal eine Milliarde Menschen auf der Erde, jetzt sind es fast 8 Milliarden. Und bis zum Jahre 2100 werden es wohl 11 Milliarden Menschen sein. Sie produzieren dabei sehr unterschiedlich viel C02: Ein Mensch ungefähr 4 Tonnen im Jahr, ein Deutscher allerdings rund 11 Tonnen (und ein Bengale entsprechend weniger).

Dabei ist umstritten, wie das gerechnet wird und gerechnet werden soll. Wenn in Brasilien Viehfutter produziert wird für Fleisch, das in Deutschland gegessen wird - ist das eine C02-Emission Brasiliens oder Deutschlands? Ist der verantwortlich, der das Kohlendioxid freisetzt, Oder der, der die Freisetzung in Auftrag gibt und bezahlt? Mit den Importen und Exporten werden eben auch Freisetzungen von Kohlendioxid verschoben.

Hier geht es dann auch in weiteren Grafiken um Einzelfragen, zum Beispiel den Fußabdruck durch den Tourismus. Das sind nicht nur Flüge, sondem auch der Hotelaufenthalt, die Transporte im Urlaubsland, der produzierte Müll, das in Relation zu Einheimischen aufwändigere Essen und Trinken, das Shopping und der hinterlassene Müll. Man kann als Tourist eigentlich nicht aus Thailand, Tunesien oder Jamaika wieder nach Deutschland zurückfliegen und sich anschließend über die Freisetzung von Kohlendioxid durch Thailand, Tunesien oder Jamaika erregen.

Ähnlich wird dann die Emission durch die Rodung von Regenwald dargestellt und aufgelistet, wer als Importland von diesen Rodungen profitiert, wer sie faktisch in Auftrag gibt. In Brasilien oder Malaysia werden ja nicht Bäume gefällt, weil die Menschen was gegen Bäume haben, sondern weil in Europa oder Nordamerika eine Nachfrage nach Soja oder Palmöl besteht, und Nachfrage bedeutet Geld. In weiteren Grafiken geht es um den Zusammenhang zwischen Abholzung, Sojaanbau, Viehfutter und Fleischkonsum, in anderen geht es entsprechend um Palmöl, das hier für Duschgel, Waschmittel, Salzgebäck oder auch für "Biodiesel" gebraucht wird.


Weltweite Auswirkungen

Im Dritten Kapitel geht es um die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf der ganzen Welt.

Erläutert wird an Beispielen wie Dürre in Ostafrika oder Hitzewellen in Europa, was passiert, wenn die Erde wärmer wird. Bisher ist es nur ein Grad, aber es wird damit gerechnet, dass sich der Temperaturanstieg beschleunigt.

Weitere Grafiken zeigen die Eis-Ausdehnung am Nordpol und auf Grönland, das ja die Tendenz zeigt, teilweise wieder zu einem "Grünland" zu werden. Im Moment sind es 219 Milliarden Tonnen Eis, die im Jahre 2019 schmelzen, aber es werden mehr. Und was das bedeutet, weiß man an der Westküste Schleswig-Holsteins sicherlich besser als in manch anderen Regionen der Weit. Andere Grafiken zeigen das Eis auf dem Himalaya oder die Wasserreserven der Erde, denn Süßwasser ist ja vor allem in Gletschern gespeichert, das Grundwasser macht nur ein Drittel des Süßwassers aus.

Schließlich zeigen weitere Grafiken, dass die Klimaveränderungen nicht nur das Leben und das Vorkommen von Pflanzen und Tieren verändern, sondern auch zu Kriegen in den Gebieten führen, in denen sich der Boden von "fruchtbar" zu "unfruchtbar" verändert - in einem breiten Streifen von Afghanistan über Iran und Irak bis Syrien, aber auch in Afrika über Somalia und Sudan bis nach Liberia und Guinea. in der Pazifikregion gibt es schon konkrete Planungen, Bewohner ehemaliger Inseln in Neuseeland oder Australien aufzunehmen, weil viele Inseln bald nicht mehr existieren.

Das sind ein paar Hunderttausend Menschen. Aber was macht man mit Bangladesh?

Andere Grafiken zeigen die Veränderungen in der Tierwelt, so kommen zum Beispiel bestimmte Mücken oder auch Zecken von Nordafrika und Südeuropa dann auch nach Nordeuropa, und die Kinder müssen lernen, wie man in Zukunft im Freien spielt und wann man ins Krankenhaus kommt.


Lösungsansätze

Im letzten Kapitel geht es um Lösungen. Die Überschrift "Ansätze" soll zeigen, dass es "die" Lösung nicht gibt und nicht geben kann.

Eine Strategie ist die Anpassung: Die Veränderungen, die jetzt schon eingeleitet sind und bis 2100 passieren werden, werden das Leben und die Landwirtschaft verändern, da muss man einfach viel Geld ausgeben und vieles verändern, damit nicht allzu viele Menschen daran sterben. Man kann allerdings auch den C02-Ausstoß vermindern, damit der Klimawandel langsamer geht. Das geht bei der Ernährung, dem Umgang mit Trinkwasser, der Aufforstung, der Energiepolitik, der Veränderung der Landwirtschaft und des Verkehrs. Persönlich kann man auch einiges machen, die Auswirkungen auf das Weltklima sind da eher klein.

Einige Grafiken zeigen auch, wieviel Geld wir sparen können. Denn natürlich ist es so, dass es erstmai ein wenig Geld kostet, die Kohlekraftwerke durch Windenergie zu ersetzen. Aber dadurch wird die Luft auch sauberer, und die Kosten der Gesundheitsversorgung werden drastisch sinken. Das gleiche passiert, wenn wir eine andere Verkehrspolitik (ohne Emissionen) betreiben. Natürlich bedeutet es nicht, alle Autos mit Verbrennungsmotor durch Autos mit Elektromotor zu ersetzen. Man muss vor allem Verkehr vermeiden und auch mehr von Autos auf öffentlichen Verkehr und Fahrräder umsteigen, auch indem man anderem Verkehr mehr Platz einräumt, damit er attraktiv wird.

In der Landwirtschaft kann man CO2 einsparen, indem mehr Menschen weniger Fleisch essen. Es geht aber auch, indem man das Futter für's Vieh anders zusammensetzt, so dass weniger Methan erzeugt wird. Der Gewinn ist immens, denn wenn weniger Viehfutter angebaut wird, können mehr (pflanzliche) Nahrungsmittel angebaut und Transporte eingespart werden. Dadurch werden die Böden gesünder und der Ertrag höher, was wieder viel Geld spart.

Beim Verkehr spart die Verlagerung vom LKW auf den Zug rund zwei Drittel der Emissionen. Und wenn man den Verkehr auf Schiffe verlagern kann, halbiert man die Emissionen noch mal. Am meisten bringt die Vermeidung von Verkehr durch regionale Produktion und Verbrauch. Auch hier gibt es nicht "die" Lösung, sondern jeder Schritt nach vorn hilft. Übrigens ist es auch besser, wenn Strom regional erzeugt und verbraucht wird, besser jedenfalls als der weite Transport über Hochspannungsleitungen. Ziel muss es sein, keine fossilen Rohstoffe mehr zu verbrennen - auch wenn heute noch neue Ölvorkommen entdeckt werden: Das ist gebundenes C02, im Boden gepresste Pflanzen, und es sollte im Boden bleiben. Schließlich ging die Steinzeit auch nicht zu Ende, weil die Steine knapp wurden, und genauso sollte wir es mit dem Ölzeitalter halten: Wenn wir bis 2030 bessere Methoden haben, sollten wir nur noch diese nutzen.

Die letzten Grafiken zeigen dann, was man bei sich zu Hause verändern kann. Und auch da gibt es viele Möglichkeiten - wer will, kann damit beginnen, Papier beidseitig zu nutzen. Wer das nicht mag, findet vielleicht einen Platz und pflanzt einen Baum. Und da gibt es unendlich viele Möglichkeiten, vom Radfahren über den Verzicht auf Verpackungen bis zu einer bewussten Urlaubsplanung. Niemand muss mit einem Segelschiff nach Nordamerika fahren, aber niemand sollte sich ärgern, wenn andere es demonstrativ machen.

Ein leicht verständliches Buch, großes Format, übersichtliche Grafiken, und viel leichter zu lesen als ein Klimagutachten einer Universität. Zugreifen!

Esther Gonstalla: Das Klimabuch. Alles, was man wissen muss, in 50 Grafiken. oekom verlag, München 2019, 126 Seiten, 24 Euro

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Quelle:
Gegenwind Nr. 375, Dezember 2019, Seite 19-20
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2020

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