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GEGENWIND/560: Beeindruckende Biografie einer beeindruckenden Frau - Nadeshda Konstantinowna Krupskaja


Gegenwind Nr. 299 - August 2013
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

BUCH
Beeindruckende Biografie einer beeindruckenden Frau
Nadeshda Konstantinowna Krupskaja (1869-1939)

Von Maria Meyer



"Das Buch ist deshalb so lehrreich, weil es die unendliche Kleinarbeit aufzeigt, in der dieser russische Umsturz vorbereitet worden ist." So Kurt Tucholsky 1930 über Krupskajas "Erinnerungen an Lenin", Teil 1.


Sein Satz könnte auch über dem vorliegenden Buch des Berliner Historikers und Erziehungswissenschaftlers Volker Hoffmann (69) stehen. Denn er schildert ebenfalls die unendliche Kleinarbeit, die Lenins Frau und Kampfgefährtin zum Aufbau der revolutionären Partei vor 1917 im Exil geleistet hat. Sein Hauptthema ist allerdings die Aufbauarbeit, die sie in der Volksbildung, bei Lehrern, Bibliothekaren und anderen Kulturarbeitern, bei Frauen, Kindern und Jugendlichen mit feinem Gespür für die Bedürfnisse der Menschen organisiert hat.

Gestützt auf zahlreiche, teilweise bisher kaum bekannte Lebenszeugnisse von Krupskaja und die neuere deutsch- und englischsprachige Fachliteratur verfolgt das Buch den Weg eines gut behüteten Mädchens aus dem verarmten Adel Russlands bis zur Entscheidung der 26jährigen, Revolutionärin zu werden, wobei sie von der Mutter unterstützt wurde. Von den Jahren der Verbannung und des zeitweise sehr bitteren Exils (zuerst in München) bis zu den großen Herausforderungen an die erste Jugendbeauftragte der Bolschewiki in den dramatischen Wochen der Oktoberrevolution 1917. Von der Hinwendung zur "linken Opposition" um 1925/26, einer verbotenen Fraktion in der ihr erstarrt scheinenden revolutionären Partei, über ihre deswegen geübte Selbstkritik - in den Augen des Autors nur eine "halbherzige" Selbstkritik - bis zu ihrem 1927 erfolgten Eintritt in das ZK der Kommunistischen Partei Sowjetrusslands, dessen Mitglied sie bis zu ihrem Tode blieb. Von der Unterstützung des ZK für den von ihr gelenkten Aufbau der polytechnischen Schule zu Beginn der 30er Jahre bis zu ihrem nie erlahmenden Protest gegen die "Liquidierung" dieser Schule durch das ZK im Frühjahr 1937. Und ihrem "Kampf danach" für die Verwirklichung der Gedanken von Marx.

Krupskaja fielen all diese "Siege" nicht in den Schoß. Sie war anfangs schüchtern, traute sich nicht, Reden zu halten, und fing zu stottern an, wenn sie aufgeregt war. Aber sie lernte schnell dazu und eignete sich zielgerichtet und mit Lenins Unterstützung das an, was sie brauchte, um die Menschen überzeugen zu können - von der Notwendigkeit des Kampfes um die eigenen Interessen und für eine bessere Gesellschaft, die für sie der Sozialismus war.

Über 25 Jahre nach der bisher einzigen deutschsprachigen Krupskaja-Biographie, einer Übersetzung aus dem Russischen, die alle schwierigen Themen ihres Lebens (etwa die Unterschätzung des Individualismus in den amerikanischen Methoden, die sie aus den USA nach Russland übernommen hat oder ihr Verhältnis zu Stalin und Trotzki) umschifft hat, liegt nun endlich eine neue, eine kritische Biographie von Krupskaja vor.

Es ist ein Buch, das sie als Schülerin von Marx und Engels, als "Helferin Lenins" und zeitweise auch als loyale Mitarbeiterin Stalins, aber auch als unerschrockene Kritikerin mancher Entscheidungen des von ihm geführten ZK zeigt. Ein Buch, das die Pädagogin Krupskaja in den Vordergrund rückt, das eindrucksvoll, ja geradezu liebevoll nachvollziehbar macht, dass sie ein großes Herz für die Kinder hatte, ein Herz, in dem auch Platz war für die Kinder eines Millionärs und der Kulaken (Großbauern), denen andere das Leben schwer machten. Ein Buch, das eine Frau vorstellt, der es versagt war, Kinder zu bekommen, und die darum umso mehr für sie gelebt und gekämpft hat. Ein Buch, das zu der Frage anregt, was wohl aus der Sowjetunion geworden wäre, wenn die Werte, für die sie eingetreten ist, sich durchgesetzt hätten?


BUCHTIP

Volker Hoffmann:
Nadeshda Konstantinowna Krupskaja:
"Ich war Zeugin der größten Revolution in der Welt
Leben, Kampf und Werk der Frau und Weggefährtin Lenins
Verlag neuer Weg, 2013, 420 Seiten, 19,80 Euro

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Quelle:
Gegenwind Nr. 299 - August 2013, Seite 80
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2013