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GEGENWIND/519: Proteste gegen Carbon Capture Storage (CCS) in neuer Phase


Gegenwind Nr. 290 - November 2012
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Proteste gegen Carbon Capture Storage (CCS) in neuer Phase
Bürgerinitiativen jetzt auch mit massivem Entwicklungsdruck auf europäischer und globaler Ebene konfrontiert

Von Klaus Peters



Die Verabschiedung des Gesetzes zur Kohlendioxidabscheidung und -lagerung hatte bei den Aktiven der regionalen Bürgerinitiativen und des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) große Enttäuschung ausgelöst. Von den politisch Verantwortlichen war zunächst der Eindruck erweckt worden, dass, entgegen früheren Absichten, die Kohlendioxidlagerung in Deutschland nicht zugelassen werden würde.


Das vorliegende Gesetz eröffnet den Ländern jetzt allerdings nur, die Kohlendioxidlagerung in ihrem Zuständigkeitsbereich zu untersagen, wenn dies ausreichend begründet werden kann. Zudem ist die Kohlendioxidlagerung im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) unter der Nordsee grundsätzlich möglich. Rohrleitungen und Pumpstationen könnten, wenn ein Antragsteller eine Speicherung im Bereich der AWZ beantragt, dann auch auf dem Gebiet der Bundesländer verlegt bzw. erstellt werden.

Die Wirksamkeit eines Landesgesetzes hängt von der Ausgestaltung des Gesetzes und dessen Gerichtsfestigkeit ab. Niemand kann mit absoluter Sicherheit sagen, ob ein Landesgesetz die Kohlendioxidlagerung dauerhaft verhindern kann. Wie der Gesetzentwurf der amtierenden Landesregierung in Schleswig-Holstein aussieht, ist offiziell noch nicht bekannt.


Dänemark unerwartet aktiv

Inzwischen hat die dänische Regierung, für die Bürgerinitiativen und die Öffentlichkeit überraschend, ein Genehmigungsverfahren für die Zulassung der Verpressung von Kohlendioxid in ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone unter der Nordsee eingeleitet. Einwendungen gegen das Vorhaben können auch von deutschen Bürgern eingereicht werden. Die Bürgerinitiative "Stoppt das CO2-Endlager" hatte eine Mustereinwendung vorbereitet, die jeder bis zum Ende der Einwendungsfrist, dem 12. Oktober, nutzen konnte. Die Wirksamkeit von Einwendungen ist grundsätzlich allerdings als gering zu beurteilen. Kaum eines der Verfahren zur Genehmigung großtechnischer Anlagen konnte, aufgrund der Macht von Investoren und Betreibern, bislang gestoppt werden. Allerdings ist auch die Wirkung zahlreicher Einwendungen auf die Politik und die Öffentlichkeit nicht zu unterschätzen. Stärkeren Einfluss könnten die Landes- und die Bundesregierung gegebenenfalls ausüben. Vermutlich wird außer der Abgabe einer fachlichen Stellungnahme der zuständigen Behörde aber nichts passieren. Die Bürgerinitiative hatte auch mit der Partei der dänischen Minderheit, dem SSW, Kontakt aufgenommen, um diese zu motivieren, gegen das Vorhaben Stellung zu beziehen.

Das Vorgehen Dänemarks liegt durchaus im Bereich der von der EU (zuständig ist der deutsche Energiekommissar Oettinger) gewünschten Entwicklung. Die Vorstellungen der EU sehen gemäß dem Wunsch der Lobbyisten ein europäisches Kohlendioxid-Pipeline-Netz vor.


Die globale Dimension

Der Widerstand gegen CCS ist zwar in Deutschland beachtlich stark, doch die potenziellen Betreiber und Lobbyisten der Kohlendioxidspeicherung sind inzwischen weltweit auf der Suche nach möglichen Lagerkapazitäten. Zu groß sind die Erwartungen an mögliche Profite: Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken, Umbau und Neubau von Kraftwerken, Aufbau einer Endlagerinfrastruktur, Handel mit Kohlendioxidzertifikaten.

Nach Informationen der Bürgerinitiativen ist deshalb davon auszugehen, dass sich die Aktivitäten der interessierten Konzerne und Investoren auf Regionen ausdehnen, in denen der Widerstand geringer oder nicht vorhanden ist und die aufgrund ihrer schlechteren ökonomischen Situation stärker an derartigen Vorhaben interessiert sind. Es besteht offensichtlich auch ein zunehmendes Interesse der Ölförderländer und der dort tätigen Konzerne daran, Kohlendioxid in Verbindung mit dem Fracking einzusetzen, das heißt, schwer erschließbare Rohstoffvorkommen und Restmengen aus bereits konventionell ausgebeuteten Lagerstätten durch Einpressen von Kohlendioxid zu fördern.

Dem neu gegründeten "Global CCS Institute" gehören inzwischen bereits über 300 Regierungen, Verbände und Konzerne an.

Eine fragwürdige Rolle spielen einige einflussreiche deutsche Wissenschaftler und Institutionen, wie der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung globale Umweltveränderungen (WBGU), sein Vorsitzender Schellnhuber ist gleichzeitig Direktor des Potsdam-Instituts für Klimaforschung, der das Lager der CCS-Befürworter unterstützt und sogar umfassende staatliche Bürgschaften fordert.

Die Komplexität der Herausforderungen macht es den Bürgerinitiativen nicht einfach. Eine weltweite Vernetzung des Widerstands ist nicht vorhanden. Nur zusammen mit den Massenmedien ließen sich Öffentlichkeit und Politiker sensibilisieren (wie z.B. bei der Nutzung von Agrokraftstoffen, spät, aber hoffentlich nicht zu spät geschehen).

Die gesamte Energie- und Wirtschaftspolitik, nicht nur der BRD und der EU muss hinterfragt und in vernünftige Bahnen gelenkt werden. Die wichtigste Botschaft lautet: Abschied vom permanenten Wachstum in den Industrienationen. Diese nachhaltige Wirtschaftspolitik muss insbesondere auch von der Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP), von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) massiv eingefordert werden.


(www.kein-co2-endlager.de)

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Quelle:
Gegenwind Nr. 290 - November 2012, Seite 16-17
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2012