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GEGENWIND/447: Landtag Schleswig-Holstein - Neuwahlen 2011?


Gegenwind Nr. 267 - Dezember 2010
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Landtag Schleswig-Holstein
Neuwahlen 2011?

Die Nervösität im Landeshaus steigt. Am 15. bis 17. Dezember sollen der Doppelhaushalt 2011/ 2012 und das Wahlgesetz in der Plenumssitzung behandelt werden.

Von Reinhard Pohl


Wahlgesetz

Im Wahlgesetz sollen Wahlkreise und Mandatsausgleich so festgelegt werden, dass das Zählverfahren wieder mit der Verfassung übereinstimmt. Bei zu vielen Wahlkreisen gibt es zu viele Überhang- und Ausgleichsmandate, dass die in der Verfassung festgelegte Zahl von 69 Abgeordneten weit überschritten wird.

Jetzt wollen die beiden großen Parteien CDU und SPD die Zahl der Wahlkreise, die sie ja im Gegensatz zu den kleinen Parteien an ihre Direktkandidaten verteilen können, kaum senken. Im Moment führen 36 direkt gewonnene Mandate bei der CDU zu (verfassungsgemäß) 101 Abgeordneten, aktuell zu 95 Abgeordneten. Die Zahl der Wahlkreise wollen beide aber nur auf 35 senken. Die Lösung: Gemeinsam können sie die Verfassung einfach ändern und die ungeliebte Obergrenze von 69 Abgeordneten streichen. Die war damals sowieso nur eingefügt worden, um die Bevölkerung nach einer Diäten-Erhöhung zu beruhigen.

Die FDP folgt dem CDU-Vorschlag, wenn die CDU im Gegenzug auf das 1-Stimmen-Wahlrecht verzichtet, es also bei zwei Stimmen bleibt.

Die SPD folgt dem CDU-Vorschlag, wenn die CDU den Wahltermin deutlich vorverlegt - von September 2012 auf Anfang 2012, lieber noch auf November 2011.

Grüne und SSW wollen sich nicht anschließen, sie fordern weiterhin die Senkung der Wahlkreise auf 30 (Grüne) bzw. auf 23 (SSW).


Haushalt

Damit im Zusammenhang steht die Nervosität bei den Regierungsparteien in Bezug auf den Haushalt. Bisher diskutiert man nur, ob man auf die Forderungen der Protestierer vor dem Landeshaus eingehen sollte, also z.B. die Kürzungen bei den Landeshäfen, Unis, Frauenberatungsstellen und so weiter nicht beschließt. Hier gibt es auch schon kleine Korrekturen.

Jetzt sehen aber alle Abgeordneten, welche Kürzungen oder Steuererhöhungen sich Anfang 2012 auswirken. Dabei denken sie nur vordergründig an die Zukunft von Schleswig-Holstein, hier geht es vielmehr um die eigene Zukunft. Die eigenen WählerInnen, der eigene Wahlkreis sollen nicht zu hart getroffen werden.

Die FDP hat sich die geplante Küstenschutzabgabe, die Hoteliers zum Beispiel auf Sylt, aber auch Landwirte trifft, herausgegriffen. Plötzlich nennt sie die Erfindung von Wolfgang Kubicki und Christian von Boetticher, die ab 2012 jährlich 6 Millionen Euro einbringen soll, ein "bürokratisches Monster" und will darauf verzichten. Zum Ausgleich will sie die geplante Erhöhung der Grunderwerbssteuer (bringt 80 Millionen Euro jährlich) vorziehen. Dieser Vorschlag wurde schon von den Grünen gemacht, aber im Landtag mit der 1-Stimmen-Mehrheit der Regierung abgelehnt.

Und sonst?

Bisher sieht es so aus, als würden sich die Regierungsfraktionen letztlich zusammenreißen, um dann doch einen gemeinsamen (Streich-)Haushalt zu verabschieden. Schließlich will man trotz Verfassungsurteil möglichst lange an der Macht bleiben.

Was passiert, wenn die Regierung zerbricht, weiß nämlich niemand. Nach der Verfassung muss dann eigentlich ein neuer Landtag gewählt werden. Nach der gleichen Verfassung geht das aber nicht, weil Schleswig-Holstein kein verfassungsgemäßes Wahlgesetz hat.

Gegen die Proteste von Gewerkschaften, Organisationen, Verbänden und Vereinen hat aber der CDU-Abgeordnete Werner Kalinka schon mal einen Vorschlag gemacht. Weil mit einer DGB-Aktion am 18. November einige Pappkartons vor einer Eingangstür des Landeshauses gestapelt wurden, damit wollte der DGB "Sparpakete" zurück an den Absender schicken, sprach Kalinka von "Blockade", vermisste den "freien Zugang zum Parlament" und regte die Wiedereinführung der Bannmeile an: Demonstrationen würden dann rund ums Landeshaus einfach verboten. Aus den Augen, aus dem Sinn.


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Quelle:
Gegenwind Nr. 267 - Dezember 2010, Seite 11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2010