Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


DAS BLÄTTCHEN/1640: Immobilienpreisblase - nun auch in Deutschland


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
19. Jahrgang | Nummer 23 | 7. November 2016

Immobilienpreisblase - nun auch in Deutschland

von Ulrich Busch


Man erinnere sich: 2007 kollabierte der Immobilienmarkt in den USA. Dadurch gerieten Banken, Versicherungen und andere Immobilienfinanzierer gehörig unter Druck, was schließlich eine Banken- und Finanzkrise bisher unbekannten Ausmaßes auslöste. Der Kollaps des Weltfinanzsystems konnte damals nur durch die massive Intervention der Regierungen und die Übernahme privater Schulden in öffentliche Haushalte mit dem Effekt steigender Staatsverschuldung verhindert werden. Die Ursachen der 2007 einsetzenden weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die bis heute nicht gänzlich überwunden ist, waren vielfältig; das Platzen der Preisblase auf dem Immobilienmarkt der USA aber war eindeutig die Hauptursache. Dies scheint die Welt inzwischen jedoch vergessen zu haben. Denn wie lässt es sich sonst verstehen, dass die Verschuldung jetzt wieder in fast allen Volkswirtschaften insbesondere im Immobiliensektor exorbitant ansteigt, alle Warnungen vor einer neuerlichen Blasenbildung aber in den Wind geschlagen werden?

Kürzlich veröffentlichte der Internationale Währungsfonds (IWF) Zahlen dazu, die jeden Ökonomen in Panik versetzen müssten: Danach belaufen sich die Gesamtschulden in der Welt gegenwärtig auf mehr als 152.000.000.000.000 US-Dollar. Diese Zahl sagt für sich wenig aus, misst man sie aber am Weltbruttosozialprodukt, so entspricht sie 225 Prozent desselben - und das ist ziemlich viel. Nun stellt diese Relation für reiche Länder kein wirkliches Problem dar, denn den nominalen Schulden stehen entsprechend große Vermögen, Geld- und Sachvermögen, gegenüber. Aber die meisten Länder sind arm und zudem häufig bei den reichen Ländern verschuldet. Für sie ist der Anstieg der Verschuldung auf die gigantische Summe von 152 Billionen US-Dollar ein enormes Problem.

Das krasseste Beispiel ist die Volksrepublik China. Das Land gibt ungezügelt Geld aus, vor allem für den Konsum und für große Bauvorhaben. So wächst die Kreditbelastung der Unternehmen, des Staates und der privaten Haushalte ins Unermessliche. Schätzungen gehen inzwischen von einem Verschuldungsgrad von mehr als 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Dieser Wert liegt deutlich über dem Weltdurchschnitt. Dabei handelt es sich ganz klar um eine Schuldenblase, die wesentlich von der Entwicklung auf dem Immobilienmarkt gespeist wird und die irgendwann platzen wird. Offen sind lediglich der Zeitpunkt, wann dieses Ereignis eintritt, und die Lautstärke des Knalls, also, ob es China gelingt, den ganz großen Crash zu vermeiden und die Konjunktur moderat zu steuern oder ob der Staat damit überfordert ist und chaotische Zustände eintreten. Eine Gefahr für die Weltwirtschaft geht davon allemal aus.

Derart dramatische Szenarien lassen sich für Deutschland derzeit noch nicht projizieren. Die aktuellen Daten aber, die für die Bundesrepublik vorliegen, lassen den Schluss zu, dass auch hier der Immobilienboom inzwischen eine spekulative Immobilienblase erzeugt hat. So sieht die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) den "Grenzwert", der das zulässige Limit für den Preisanstieg am Häusermarkt markiert, derzeit in Deutschland erstmals überschritten. Dabei ist weniger die Tatsache von Interesse, dass die Preise steigen, sondern vielmehr das Tempo dieses Anstiegs. Liegt die Preisentwicklung plötzlich um mehr als zehn Prozent über dem als normal empfundenen langfristigen Trend, so gilt dies als Alarmsignal. In Deutschland stiegen die Preise im letzten Jahr um 10,6 Prozent! Damit befindet sich der deutsche Immobilienmarkt in einer spekulativen Überhitzung, es bildet sich eine Blase, die irgendwann platzen wird und die möglicherweise das Potenzial hat, Banken, Baufirmen und Kreditnehmer mit in den Abgrund zu reißen.

Nun vollzieht sich die Entwicklung der Immobilienpreise sehr differenziert. Deshalb sagen Durchschnittswerte wenig aus. Interessanter sind die Spitzenpreise in Toplagen, besonders in Großstädten. Dies betrifft die Kaufpreise für Eigentumswohnungen und Häuser, aber auch die Wohnungsmieten. Auch hier sind Vergleichsrechnungen besonders aussagefähig: So kostete zum Beispiel eine 100-Quadratmeter-Wohnung in München vor fünf Jahren neun Nettojahreseinkommen, heute sind es schon mehr als fünfzehn. Der Durchschnittspreis für ein Eigenheim liegt in München heute bei 850.000 Euro. Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Noch schneller stiegen die Wohnkosten in Frankfurt am Main, wo selbst Preise für Wohnungen inzwischen die Millionengrenze erreichen. Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich für Berlin, Hamburg, Stuttgart, Wiesbaden, Köln, Dresden und Potsdam ab. Ein Preisanstieg von 30 bis 50 Prozent in fünf Jahren gilt hier bereits als "normal". Bei den Mieten dauert es etwas länger, der Trend ist aber derselbe. Dies gilt mittlerweile nicht nur für Citylagen in Großstädten, sondern auch für mittelgroße Städte, einige Kleinstädte und attraktive Randlagen. Während sich die Kaufpreise dort zwischen 1995 und 2010 kaum bewegt haben, sind sie in den letzten fünf Jahren um mehr als 25 Prozent gestiegen.

Einige Experten glauben, hier werde vor allem überschüssiges Geld investiert und der Preisanstieg berge deshalb keine Gefahr für den Kreditmarkt in sich. Aber das trifft nicht zu: Die Käufer von Immobilien nutzen natürlich die derzeit historisch günstigen Finanzierungsbedingungen, um in großem Stil Kredite aufzunehmen. Das gilt besonders für Käufer von Mietshäusern, institutionelle Investoren, Bauunternehmen und so weiter. Und die Banken, die unter der Kreditflaute bei gewerblichen Unternehmen leiden, sehen auf dem Immobilienmarkt gute Chancen, um am Immobilienboom mitzuverdienen. Am Ende aber, wenn die Blase platzt, werden sie alle verlieren: die Käufer und Kreditnehmer ebenso wie die Banken, die Baubetriebe, die dann reihenweise pleitegehen, wie die Bauleute, die arbeitslos werden. - Und die Blase wird platzen. Es ist dies nur eine Frage der Zeit.

*

Quelle:
Das Blättchen Nr. 23/2016 vom 7. November 2016, Online-Ausgabe
Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, 19. Jahrgang
Herausgeber: Wolfgang Sabath (†)
... und der Freundeskreis des Blättchens
Verantwortlich: Wolfgang Schwarz
Fritz-Reuter-Str. 8, 12623 Berlin
Fax: 030 . 70 71 67 25
Redaktion:
Margit van Ham, Wolfgang Brauer, Alfons Markuske, Detlef-Diethard Pries
E-Mail: hwjblaettchen@googlemail.com
Internet: www.Das-Blaettchen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang